Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Münster vom 1.2.2013 4 K 385/12 Kg, AO im
Kostenpunkt ganz und im Übrigen insoweit aufgehoben, als es
den Streitzeitraum Mai 2010 bis Januar 2012 betrifft.
Die Sache wird insoweit an das Finanzgericht Münster
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des
Revisionsverfahrens übertragen.
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I. Streitig ist im Revisionsverfahren noch
der Kindergeldanspruch von Mai 2010 bis Januar 2012 (Bekanntgabe
der Einspruchsentscheidung vom 3.1.2012).
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Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist deutscher Staatsangehöriger und hat seinen
Wohnsitz im Inland. Aus der 2005 geschlossenen Ehe mit einer
ungarischen Staatsangehörigen (Kindsmutter) ging eine im
Februar 2006 geborene Tochter (T) hervor.
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Der Kläger war bis Ende September 2010
nichtselbständig erwerbstätig und erhielt danach bis Ende
September 2011 aufgrund der Beendigung des
Beschäftigungsverhältnisses Arbeitslosengeld I nach
§ 117 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch.
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Am 1.2.2009 verzog T mit der Kindsmutter
nach Ungarn und behielt keinen weiteren Wohnsitz in der
Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) bei.
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Der Kläger bezog für T bis Januar
2011 inländisches Kindergeld. Nachdem die Beklagte und
Revisionsklägerin (Familienkasse) von der Wohnsitzverlagerung
Kenntnis erlangt und weitere Ermittlungen zu den familiären
Verhältnissen angestellt hatte, hob sie die Festsetzung des
Kindergeldes für T mit Bescheid vom 2.5.2011 ab Februar 2009
auf. Im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren half die
Familienkasse dem Einspruch mit Bescheid vom 27.12.2011 für
den Zeitraum Februar 2009 bis April 2010 teilweise ab und wies ihn
im Übrigen mit Einspruchsentscheidung vom 3.1.2012 als
unbegründet zurück.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit
den in EFG 2013, 711 = SIS 13 12 39 veröffentlichten
Gründen statt und hob den Aufhebungs- und
Rückforderungsbescheid und die hierauf ergangene
Einspruchsentscheidung auf.
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Mit der hiergegen vom FG zugelassenen
Revision rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen
Rechts.
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Die Familienkasse beantragt, das
angefochtene FG-Urteil insoweit aufzuheben, als es den
Aufhebungsbescheid vom 2.5.2011 in Gestalt des
Änderungsbescheids vom 27.12.2011 und der
Einspruchsentscheidung vom 3.1.2012 hinsichtlich der
Kindergeldfestsetzung ab Mai 2010 aufhebt und die Klage insoweit
abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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Mit Beschluss vom 12.1.2015 hat der
Bundesfinanzhof (BFH) das Ruhen des Verfahrens angeordnet, bis der
Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) über das bei
ihm anhängige Vorabentscheidungsersuchen C-378/14 entschieden
hat. Der EuGH hat mit Urteil Trapkowski vom 22.10.2015 C-378/14
(EU:C:2015:720, DStRE 2015, 1501 = SIS 15 28 09) über die
Vorlagefragen entschieden.
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II. Die Revision ist begründet. Die
Vorentscheidung ist für den Zeitraum von Mai 2010 bis Januar
2012 (Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung vom 3.1.2012)
aufzuheben und die Sache mangels Spruchreife zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
). Das FG hat zwar zu Recht eine Anspruchsberechtigung des
Klägers bejaht (dazu 1.). Es fehlen aber für den
Streitzeitraum hinreichende tatsächliche Feststellungen dazu,
ob der Anspruch nicht (teilweise) durch vorrangige Ansprüche
der Kindsmutter verdrängt wird (dazu 2. bis 5.).
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1. Der Kläger erfüllt die
Anspruchsvoraussetzungen nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §
63 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
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Nach den für den Senat bindenden
tatsächlichen Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2
FGO) erfüllt der Kläger - was zwischen den Beteiligten
auch nicht streitig ist - die Anspruchsvoraussetzungen nach §
62 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2,
§ 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 EStG. Unerheblich ist, dass T ihren
Wohnsitz in Ungarn hat (§ 63 Abs. 1 Satz 3 EStG).
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2. Allerdings könnte die Kindsmutter -
entgegen der Rechtsauffassung des FG - nach § 64 Abs. 2 Satz 1
EStG vorrangig anspruchsberechtigt sein, weil gemäß Art.
67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Koordinierung der
Systeme der sozialen Sicherheit (Amtsblatt der Europäischen
Union - ABlEU - 2004 Nr. L 166, S. 1) in der für den
Streitzeitraum maßgeblichen Fassung - VO Nr. 883/2004
(Grundverordnung) - i.V.m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung
(EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 16.9.2009 zur Festlegung der Modalitäten für die
Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die
Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABlEU 2009 Nr. L
284, S. 1) in der für den Streitzeitraum maßgeblichen
Fassung - VO Nr. 987/2009 (Durchführungsverordnung) - zu
unterstellen ist, dass sie mit T in Deutschland wohnt.
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a) Nach § 64 Abs. 1 EStG wird für
jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Bei mehreren
Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind
in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1
EStG).
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b) Im Streitfall ergibt sich die
Anspruchsberechtigung der Kindsmutter aus § 62 Abs. 1 Nr. 1
EStG. Zwar liegt der nach dieser Vorschrift erforderliche
Inlandswohnsitz tatsächlich nicht vor, da die Kindsmutter nach
den Feststellungen des FG am 1.2.2009 mit T nach Ungarn verzog und
in Deutschland keinen weiteren Wohnsitz beibehielt. Es finden
jedoch die Vorschriften der VO Nr. 883/2004 und der VO Nr. 987/2009
Anwendung. Dadurch wird gemäß Art. 67 der VO Nr.
883/2004 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 ein
Inlandswohnsitz der Kindsmutter fingiert.
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3. Der Anwendungsbereich der VO Nr. 883/2004
ist im Streitfall eröffnet und Deutschland ist danach der
zuständige Mitgliedstaat.
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a) Der Kläger ist deutscher
Staatsangehöriger und fällt damit nach Art. 2 Abs. 1 der
VO Nr. 883/2004 in den persönlichen Anwendungsbereich der
Grundverordnung.
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b) Da der Kläger im Streitzeitraum in
Deutschland nichtselbständig erwerbstätig oder arbeitslos
war, unterlag er den deutschen Rechtsvorschriften (Art. 11 Abs. 3
Buchst. a, Buchst. c, oder jedenfalls Buchst. e der VO Nr.
883/2004).
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4. Aus Art. 67 Satz 1 der VO Nr. 883/2004
i.V.m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 folgt, dass die
Wohnsituation der Kindsmutter (fiktiv) in das Inland
übertragen wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der
Kindsmutter im Streitzeitraum in Ungarn ein Anspruch auf
Familienleistungen zustand oder geltend gemacht wurde und eine von
Art. 68 der VO Nr. 883/2004 erfasste Konkurrenzsituation vorlag.
Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf
das Senatsurteil vom 28.4.2016 III R 68/13 (BFH/NV 2016, 1514 = SIS 16 17 28). Zudem gehört die Kindsmutter - ungeachtet einer
etwaigen Trennung vom Kläger - zu den „beteiligten
Personen“ i.S. des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr.
987/2009 (Senatsurteil in BFH/NV 2016, 1514 = SIS 16 17 28). Es
wird deshalb fingiert, dass die Kindsmutter das Wohnsitzerfordernis
des § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt.
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Schließlich kommt es auch nicht darauf
an, ob die Kindsmutter selbst einen Antrag auf Kindergeld in
Deutschland gestellt hat (Senatsurteil in BFH/NV 2016, 1514 = SIS 16 17 28).
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5. Das FG wird jedoch noch festzustellen
haben, ob die Kindsmutter neben dem Wohnsitzerfordernis auch die
übrigen Voraussetzungen für einen vorrangigen
Kindergeldanspruch erfüllt.
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a) Zwar dürfte aufgrund der ungarischen
Staatsangehörigkeit der Kindsmutter davon auszugehen sein,
dass diese eine freizügigkeitsberechtigte Ausländerin ist
und daher nicht vom Anwendungsbereich des § 62 Abs. 2 EStG
erfasst wird. Ggf. sind hierzu aber weitere Feststellungen zu
treffen. Zu den Voraussetzungen des Begriffs des
Freizügigkeitsberechtigten verweist der Senat auf seinen
Beschluss vom 27.4.2015 III B 127/14 (BFHE 249, 519, BStBl II 2015,
901 = SIS 15 16 01).
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b) Ein vorrangiger Anspruch des Klägers
könnte sich aber aus § 64 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 EStG
ergeben. Dies würde jedoch neben einer Berechtigtenbestimmung
zugunsten des Klägers einen gemeinsamen Haushalt zwischen dem
Kläger und der Kindsmutter in Deutschland und/oder Ungarn
voraussetzen, in den T aufgenommen wurde. Insoweit hat das FG zwar
ausgeführt, dass die Kindsmutter in Deutschland keinen
(weiteren) Wohnsitz mehr unterhielt. Zu den konkreten
Lebensverhältnissen der Eltern und der Art ihrer
Haushaltsführung fehlen bislang jedoch nähere
Feststellungen, obwohl der Kläger und die Kindsmutter bereits
im Verwaltungsverfahren vorgetragen hatten, dass sie nicht dauernd
getrennt lebten.
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Das FG wird weiter zu beachten haben, dass
sich der Streitzeitraum bis Januar 2012 erstreckt (vgl. zur
Regelungswirkung im Falle des Einspruchs gegen einen die
Kindergeldfestsetzung aufhebenden Bescheid Senatsurteil vom
4.8.2011 III R 71/10, BFHE 235, 203, BStBl II 2013, 380 = SIS 11 40 01). Die bisherigen Feststellungen des FG beziehen sich nur auf den
Zeitraum bis Januar 2011.
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Auf die Höhe der vom Kläger
erbrachten Unterhaltsrente kommt es für die Bestimmung der
vorrangigen Kindergeldberechtigung dagegen nicht an, da diese nach
§ 64 Abs. 3 EStG nur für Kinder, die - anders als im
Streitfall - nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen
sind, von Bedeutung sein kann.
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6. Die Übertragung der Kostenentscheidung
auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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