Auf die Beschwerde des Klägers wird der
Beschluss des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 7.10.2014 6 K
2642/12 aufgehoben.
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I. Streitig ist die
Rechtmäßigkeit des Beschlusses des Finanzgerichts (FG)
vom 7.10.2014, mit dem dieses das Klageverfahren (6 K 2642/12) bis
zum Ergehen einer Entscheidung in den beim Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) anhängigen Verfahren 2 BvL 9-14/14 gemäß
§ 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt hat.
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Der Kläger und Beschwerdeführer
(Kläger), ein polnischer Staatsangehöriger, war in den
Jahren 2007 bis 2011 für eine polnische Baufirma als
Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland)
beschäftigt. Er beantragte Kindergeld, welches ihm nicht
gewährt wurde. Das nach erfolglosem Einspruchsverfahren
anhängige Klageverfahren setzte das FG nach § 74 FGO aus.
Zur Begründung führte es aus, dass der Kläger
mangels Genehmigung der Beschäftigung durch die Bundesagentur
für Arbeit gemäß § 284 des Dritten Buches
Sozialgesetzbuch a.F. (SGB III) als nicht
freizügigkeitsberechtigter Ausländer i.S. des § 62
Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu behandeln sei. Da beim
Kläger die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 EStG nach
Aktenlage nicht vorlägen, wäre der Kindergeldanspruch bis
April 2011 abzulehnen, sofern sich diese Vorschrift als
verfassungsgemäß erweisen sollte.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des
Klägers.
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Der Kläger beantragt
sinngemäß, den Aussetzungsbeschluss des FG aufzuheben
und das Verfahren fortzusetzen.
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Die Beklagte und Beschwerdegegnerin
(Familienkasse) hat keinen Antrag gestellt.
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II. Die nach § 128 Abs. 1 FGO
zulässige Beschwerde ist begründet. Der Beschluss des FG
ist daher aufzuheben (§ 132 FGO). Die Voraussetzungen einer
Aussetzung des Verfahrens (AdV) nach § 74 FGO liegen nicht
vor.
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1. Nach § 74 FGO kann das Gericht, wenn
die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem
Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses
abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen
Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur
Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei. Eine
Aussetzung des Klageverfahrens gemäß § 74 FGO ist
nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) u.a. dann
geboten, wenn vor dem BVerfG bereits ein nicht als aussichtslos
erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende
Norm anhängig ist, zahlreiche Parallelverfahren vorliegen und
keiner der Verfahrensbeteiligten ein besonderes berechtigtes
Interesse an einer Entscheidung über die
Verfassungsmäßigkeit der umstrittenen gesetzlichen
Regelung trotz des beim BVerfG anhängigen Verfahrens hat (vgl.
z.B. BFH-Beschluss vom 28.3.2007 VIII B 50/06, BFH/NV 2007, 1337 =
SIS 07 20 35). Weitere Voraussetzung für eine AdV ist u.a.,
dass die Sachverhalte hinsichtlich der verfassungsrechtlichen
Streitfrage im Wesentlichen gleich gelagert sind (vgl. z.B.
BFH-Beschluss vom 3.2.2010 VI B 119/09, BFH/NV 2010, 923 = SIS 10 12 41).
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2. Nach diesen Maßstäben ist der
Beschluss des FG aufzuheben.
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a) Bei den beim BVerfG anhängigen
Verfahren (Vorlagebeschlüsse des FG Niedersachsen vom
19.8.2014 und 21.8.2014 2 BvL 9-14/14, teilweise abgedruckt in EFG
2014, 932) geht es um die Frage, ob § 62 Abs. 2 EStG insoweit
verfassungswidrig ist, als er nicht freizügigkeitsberechtigte
Ausländer teilweise vom Anspruch auf Kindergeld
ausschließt oder dessen Gewährung an weitere
Voraussetzungen knüpft. Im vorliegenden Verfahren handelt es
sich bei dem Kläger hingegen um einen
freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger, der bei
Vorliegen der Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 EStG dem Grunde
nach kindergeldberechtigt ist.
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b) Entgegen der Ansicht des FG (so auch FG
Münster, Urteil vom 22.2.2013 14 K 4342/11 Kg, EFG 2013, 803 =
SIS 13 12 32) bewirkt die fehlende Genehmigung der Bundesagentur
gemäß § 284 SGB III nicht, dass der Kläger als
nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer
gemäß § 62 Abs. 2 EStG anzusehen ist. Dabei
lässt der Senat dahinstehen, ob im vorliegenden Fall eine
Genehmigung nach § 284 SGB III überhaupt erforderlich war
(vgl. hierzu Beschluss des Landessozialgerichts - LSG - für
das Land Nordrhein-Westfalen vom 2.7.2010 L 1 AL 158/10 B ER,
Breithaupt 2010, 1085).
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aa) Für polnische Staatsangehörige
war die Freizügigkeit bis zum 30.11.2011 zwar
eingeschränkt. Gemäß Nr. 2.1 des Anhangs XII der
Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen
Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik
Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik
Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der
Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische
Union begründenden Verträge (Beitrittsakte - Amtsblatt
der Europäischen Union 2003, Nr. L 236/33) gelten die Art. 39
und 49 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft (EG) zwischen Polen einerseits und Deutschland sowie
den übrigen Alt-Mitgliedstaaten andererseits in vollem Umfang
nur vorbehaltlich der Übergangsbestimmungen. Letztere sehen
unter Nr. 2.2 vor, dass abweichend von den Art. 1 bis 6 der
Verordnung (EWG) Nr. 1612/67 während eines
Übergangszeitraums die Alt-Mitgliedstaaten nationale
Maßnahmen anwenden, um den Zugang polnischer
Staatsangehöriger zu ihren Arbeitsmärkten zu regeln.
Deutschland hat diese Übergangsregelung nach Nr. 2.5 Anhang
XII der Beitrittsakte bis zum Ablauf von sieben Jahren nach dem
Beitritt, also bis zum 30.4.2011, verlängert und den Zugang
für Staatsangehörige Polens während der
Übergangsfrist gemäß § 284 Abs. 1 SGB III
dahingehend beschränkt, dass diese und deren
freizügigkeitsberechtigte Familienangehörige eine
Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur für
Arbeit ausüben und von Arbeitgebern nur beschäftigt
werden dürfen, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen.
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bb) Diese Einschränkung bewirkt aber
nicht, dass der Unionsbürger bei fehlender arbeitsrechtlicher
Genehmigung als nicht freizügigkeitsberechtigter
Ausländer zu behandeln ist.
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Für Staatsangehörige der
Europäischen Union gilt gemäß Art. 21 Abs. 1 des
Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union
(AEUV, früher: Art. 18 EG) ein von der
Arbeitnehmerfreizügigkeit unabhängiges
Freizügigkeitsrecht, das allein aus der
Unionsbürgerschaft folgt. Danach hat jeder Unionsbürger
das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten -
vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den
Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und
Bedingungen - frei zu bewegen und aufzuhalten. Es handelt sich um
ein unmittelbar anwendbares subjektiv-öffentliches Recht, das
dem Unionsbürger, auch den Angehörigen der beigetretenen
mittel- und osteuropäischen Staaten, unabhängig vom Zweck
seiner Inanspruchnahme zusteht (Beschluss des Bayerischen LSG vom
22.12.2010 L 16 AS 767/10 B ER, Rz 44, nicht veröffentlicht -
n.v. - ).
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Dieses Aufenthaltsrecht der Unionsbürger
entfällt - verbunden mit einer Ausreisepflicht nach § 7
FreizügG/EU -, sobald die Ausländerbehörde nach
§§ 5, 6 FreizügG/EU festgestellt hat, dass das Recht
auf Einreise und Aufenthalt nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU
nicht besteht. Die förmliche Feststellung obliegt allein den
Ausländerbehörden und den Verwaltungsgerichten und damit
weder den Familienkassen noch den Finanzgerichten (vgl. LSG
Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.11.2010 L 34 AS 1001/10 B ER,
Rz 40, n.v.). Erst nach einer entsprechenden Feststellung findet
das Aufenthaltsgesetz Anwendung (§ 11 Abs. 2 FreizügG/EU)
mit der Folge, dass der Unionsbürger einen Aufenthaltstitel
nach dem Aufenthaltsgesetz benötigt, will er sich weiterhin
legal in Deutschland aufhalten.
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Allein die fehlende Arbeitsgenehmigung ohne
eine Feststellung des Verlustes des Aufenthaltsrechts führt
somit nicht dazu, dass der Unionsbürger nunmehr als nicht
freizügigkeitsberechtigter Ausländer i.S. des § 62
Abs. 2 EStG zu behandeln ist.
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cc) Auch die in § 13 FreizügG/EU
(i.d.F. vom 7.12.2006) getroffene Regelung, nach der das
Freizügigkeitsgesetz/EU für polnische
Staatsangehörige nur Anwendung findet, wenn die
Beschäftigung durch die Bundesagentur für Arbeit
gemäß § 284 Abs. 1 SGB III genehmigt wurde,
führt nicht zu einem anderen Ergebnis.
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Vielmehr schränken die in § 284 SGB
III und § 13 FreizügG/EU a.F. getroffenen Bestimmungen
nur die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV, vormals Art.
39 EG) und damit nicht die grundsätzliche Freizügigkeit
der neuen Unionsbürger ein (Urteil des Bundessozialgerichts
vom 30.1.2013 B 4 AS 54/12 R, BSGE 113, 60, Sozialrecht 4-4200
§ 7 Nr. 34, Rz 21; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom
29.11.2010 L 34 AS 1001/10 B ER, Rz 40, n.v.; Westphal/Stoppa, Die
EU-Osterweiterung und das Ausländerrecht, Informationsbrief
Ausländerrecht 2004, 133, 139).
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Die Einschränkung (nur) der
Arbeitnehmerfreizügigkeit steht auch mit Sinn und Zweck des in
§ 284 SGB III geregelten Erlaubnisvorbehalts in Einklang, der
allein aus arbeitsmarktpolitischen Gründen eingeführt
wurde (s. Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom 24.3.1997, BGBl I
1997, 594, BTDrucks 13/4941, S. 206: Verbesserung der
„Möglichkeiten der Arbeitsämter ..., den
gesetzlichen Vermittlungs- und Beschäftigungsvorrang deutscher
Arbeitsuchender und diesen gleichgestellter Ausländer in der
Praxis wirksamer zu gewährleisten und
Ausländerbeschäftigung und Aufnahmefähigkeit des
Arbeitsmarktes stärker in Einklang zu bringen“).
Dieser Zweck hat durch das Zuwanderungsgesetz vom 30.7.2004 (BGBl I
2004, 1950) nach der Erweiterung der Europäischen Union um die
mittel- und osteuropäischen Staaten keine Änderung
erfahren.
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c) Eine AdV nach § 74 FGO kommt daher
nicht in Betracht, da sich die verfassungsrechtliche Streitfrage
der beim BVerfG anhängigen Verfahren im vorliegenden Verfahren
nicht stellt.
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3. Eine Kostenentscheidung ist in diesem
unselbständigen Nebenverfahren nicht zu treffen; über die
Kosten des Beschwerdeverfahrens ist im Rahmen der Entscheidung
über die Hauptsache zu befinden (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom
21.12.2005 III B 145/05, BFH/NV 2006, 1103 = SIS 06 21 27, unter
II.3., m.w.N.).
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