Teste, loggen Sie sich ein oder nutzen Sie unseren kostenlosen Test.
Sie sind bereits Abonnent der SIS-Datenbank Steuerrecht? Loggen Sie sich ein, um den vollen Zugriff auf die Dokumente zu erhalten.
Sie sind noch kein Bezieher der SIS-Datenbank Steuerrecht, wollen aber mehr erfahren oder die Datenbank testen? Hier finden Sie alle Informationen und können die Datenbank einen Monat lang kostenlos testen und erhalten Zugriff u.a. auf:
  • über 130.000 Dokumente (Urteile und Verwaltungsanweisungen)
  • umfangreiche Gesetzessammlung
  • 5 vollverlinkte Steuerhandbücher (AO, ESt/LSt, KSt, GewSt, USt)
  • viele weitere wertvolle Praxishilfen
Teste, loggen Sie sich ein oder nutzen Sie unseren kostenlosen Test.
Sie sind bereits Abonnent der SIS-Datenbank Steuerrecht? Loggen Sie sich ein, um den vollen Zugriff auf die Dokumente zu erhalten.
Sie sind noch kein Bezieher der SIS-Datenbank Steuerrecht, wollen aber mehr erfahren oder die Datenbank testen? Hier finden Sie alle Informationen und können die Datenbank einen Monat lang kostenlos testen und erhalten Zugriff u.a. auf:
  • über 130.000 Dokumente (Urteile und Verwaltungsanweisungen)
  • umfangreiche Gesetzessammlung
  • 5 vollverlinkte Steuerhandbücher (AO, ESt/LSt, KSt, GewSt, USt)
  • viele weitere wertvolle Praxishilfen

Ablaufhemmung nach Erstattung einer Selbstanzeige, verjährungshemmende Wirkung einer Fahndungsprüfung

Ablaufhemmung nach Erstattung einer Selbstanzeige, verjährungshemmende Wirkung einer Fahndungsprüfung: 1. Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen durch die Steuerfahndung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO ist, dass für den Steuerpflichtigen klar und eindeutig erkennbar ist, in welchen konkreten Steuerangelegenheiten ermittelt wird. - 2. Unzureichende oder widersprüchliche Sachverhaltsdarstellungen im angefochtenen Urteil stellen einen materiell-rechtlichen Fehler dar, der auch ohne diesbezügliche Rüge zum Wegfall der Bindungswirkung des § 118 Abs. 2 FGO führt. - Urt.; BFH 17.11.2015, VIII R 67/13; SIS 16 04 67

Kapitel:
Verschiedenes > Verjährung, Verwirkung
Fundstellen
  1. BFH 17.11.2015, VIII R 67/13
    BStBl 2016 II S. 569
    DStR 2016 S. 608
    BFH/NV 2016 S. 622
    NJW 2016 S. 1535
    BFHE 252 S. 207

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 7.7.2016
    J.H. in StuB 7/2016 S. 284
    T. Carlé in DStZ 10/2016 S. 352
    F. Werth in BFH/PR 6/2016 S. 202
Normen
[FGO] § 118 Abs. 2
[AO 1977] § 169 Abs. 1 Satz 1, § 169 Abs. 2 Satz 2, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 171 Abs. 5 Satz 1, § 171 Abs. 9
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Köln, 22.05.2013, SIS 14 03 34, Verjährung, Hemmung, Steuerfahndung, Steuerhinterziehung, Selbstanzeige
Zitiert in... / geändert durch...
  • BFH 14.4.2021, SIS 21 15 43, Übertragung kindbedingter Freibeträge, Familienleistungsausgleich beim Eingreifen von Steuerermäßigungsvo...
  • BFH 12.2.2020, SIS 20 04 89, Verwertung der Urkunde über die vorgerichtliche Vernehmung eines Zeugen, der sich vor dem FG auf ein Ausk...
  • BFH 22.10.2019, SIS 20 04 21, Geschäftsführerhaftung nach Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters: 1. Wird die Eröffnung des I...
  • FG Münster 19.2.2019, SIS 19 16 27, Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO, Ermittlungen der Steuerfahndung: Der Ablauf der Festsetzungsf...
  • BFH 29.11.2017, SIS 18 02 97, Sachliche Verflechtung bei Betriebsaufspaltung, Überlagerung durch eine Betriebsverpachtung im Ganzen: 1....
  • BFH 21.6.2017, SIS 17 20 09, Zur Steuerfreiheit von Liegerechten in Begräbniswäldern: Die Einräumung von Liegerechten zur Einbringung ...
  • BFH 20.10.2016, SIS 17 02 03, Versagung des Vorsteuerabzugs aus Gutschriften, weil in der Gutschrift nicht der leistende Unternehmer ge...

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 22.5.2013 8 K 3813/11 und die angefochtenen Einkommensteuerbescheide für 1998 und 1999 sowie die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 11.11.2011 aufgehoben.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

 

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und die Klägerin und Beigeladene erklärten am 3.5.2010 als Gesamtrechtsnachfolger ihrer verstorbenen Mutter Einkünfte aus Kapitalvermögen für die Jahre 1998 bis 2002 nach. Die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung teilte dem Kläger mit Schreiben vom 6.12.2010 unter Hinweis auf ein gegen ihn eingeleitetes steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren und seine Selbstanzeige vom 6.3.2010 mit, dass sie mit der Überprüfung seiner Selbstanzeige für die Jahre 1999 bis 2008 beauftragt worden sei und forderte ihn u.a. auf, überprüfbare Unterlagen über die nacherklärten Einkünfte seiner Mutter vorzulegen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) erließ jeweils am 25.5.2011 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 1998 und 1999. Der von dem Kläger hiergegen erhobene Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit in EFG 2014, 408 = SIS 14 03 34 veröffentlichtem Urteil vom 22.5.2013 8 K 3813/11 als unbegründet abgewiesen.

 

 

2

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von materiellem Recht und von Verfahrensrecht.

 

 

3

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil der Vorinstanz und die Einkommensteuerbescheide für 1998 und 1999, jeweils vom 25.5.2011, sowie die Einspruchsentscheidung vom 11.11.2011 aufzuheben.

 

 

4

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

5

II. Die Revision ist begründet und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Einkommensteuerbescheide für 1998 und 1999 (jeweils vom 25.5.2011) sowie der Einspruchsentscheidung des FA vom 11.11.2011. Die angefochtenen Bescheide durften gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO nicht ergehen, da zuvor Festsetzungsverjährung eingetreten war.

 

 

6

1. Die verstorbene Mutter des Klägers hatte die Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1998 und 1999 im Jahr 2000 abgegeben. Damit fiel gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO der Beginn der Festsetzungsfrist für die beiden Streitjahre auf das Jahresende 2000. Nach den von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogenen tatsächlichen Feststellungen des FG verlängerte sich die Festsetzungsfrist aufgrund der Steuerhinterziehung gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO von vier auf zehn Jahre und endete am 31.12.2010. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide ergingen jeweils am 25.5.2011, also nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist.

 

 

7

2. Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen nicht seine Würdigung, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO gehemmt war.

 

 

8

a) Beginnen die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen einer Landesfinanzbehörde vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, läuft die Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO insoweit nicht ab, bevor die aufgrund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung der Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen ist, dass für den Steuerpflichtigen erkennbar ist, dass in seinen Steuerangelegenheiten ermittelt wird (Senatsurteil vom 8.7.2009 VIII R 5/07, BFHE 226, 198, BStBl II 2010, 583 = SIS 09 34 34, m.w.N.).

 

 

9

b) Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das FG bejaht. Es hat angenommen, dass die mit der Steuerfahndung befasste Dienststelle des FA mit Schreiben vom 6.12.2010 mit den Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen hinsichtlich der Kapitaleinkünfte der Mutter des Klägers für die Streitjahre 1998 und 1999 begonnen habe, so dass der Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO vor Eintritt der Festsetzungsverjährung am 31.12.2010 gehemmt gewesen sei. Für den Kläger sei dies aufgrund der Aufforderung, überprüfbare Unterlagen über die nacherklärten Einkünfte seiner Mutter vorzulegen, auch erkennbar gewesen. Es sei danach undenkbar, dass der Kläger wegen des in dem Schreiben angegebenen Betreffs, der sich lediglich auf das gegen ihn selbst eingeleitete Ermittlungsverfahren und seine Selbstanzeige vom 6.3.2010 bezogen habe, zu dem Schluss gekommen sein könnte, dass die Aufforderung lediglich seine eigene Besteuerung betroffen habe.

 

 

10

c) Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Würdigung nicht stand, da das FG keine den Senat bindenden Feststellungen getroffen hat, die seine Beurteilung tragen. Unzureichende oder widersprüchliche Sachverhaltsdarstellungen im angefochtenen Urteil stellen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) einen materiell-rechtlichen Fehler dar, der auch ohne diesbezügliche Rüge zum Wegfall der Bindungswirkung des § 118 Abs. 2 FGO führt (BFH-Urteil vom 25.6.2003 X R 72/98, BFHE 202, 514, BStBl II 2004, 403 = SIS 03 38 15, m.w.N.).

 

 

11

d) Das FG lässt bei seiner Würdigung außer Betracht, dass nach den Vorgaben des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO die Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist nur dann eintritt, wenn für den Steuerpflichtigen klar und eindeutig erkennbar ist, in welchem konkreten Besteuerungs- bzw. Strafverfahren die Steuerfahndung ermittelt. Dies geht, wie auch das FG selbst ausführt, aus dem Schreiben der Steuerfahndungsstelle vom 6.12.2010 nicht klar hervor, da dieses Schreiben im Betreff lediglich das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Kläger und dessen Selbstanzeige vom 6.3.2010 nennt, obgleich von der Steuerfahndung auch die von dem Kläger als Gesamtrechtsnachfolger der verstorbenen Mutter abgegebene Nacherklärung vom 3.5.2010 überprüft werden sollte. Auch nach dem Einleitungssatz beschränkten sich die Ermittlungen der Steuerfahndung auf die Überprüfung der Selbstanzeige des Klägers für die Jahre 1999 bis 2008. Zwar wurde der Kläger in dem Schreiben auch aufgefordert, überprüfbare Unterlagen über die nacherklärten Einkünfte der Mutter vorzulegen. Da diesbezüglich jedoch weder auf die Nacherklärung vom 3.5.2010 Bezug genommen wurde, noch die Veranlagungszeiträume angegeben wurden, auf die sich die Ermittlungen erstrecken sollten, war es für den Kläger aufgrund der widersprüchlichen Angaben im Betreff und Einleitungssatz nicht eindeutig erkennbar, dass Gegenstand der Ermittlungen der Steuerfahndung auch die Kapitaleinkünfte der Mutter für die Jahre 1998 und 1999 sein sollten. Der Ablauf der Festsetzungsfrist war danach nicht nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO gehemmt.

 

 

12

3. Die einjährige Ablaufhemmung des § 171 Abs. 9 AO, die ab dem Eingang der Selbstanzeige am 3.5.2010 zu laufen begann, war zum Zeitpunkt des Erlasses der Einkommensteueränderungsbescheide für 1998 und 1999 am 25.5.2011 bereits abgelaufen. Eine Änderung der Steuerfestsetzung für die Jahre 1998 und 1999 war daher aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr zulässig (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO).

 

 

13

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.