Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des Finanzgerichts München vom 30.4.2014 3 K 1663/12 =
SIS 15 06 72 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht München
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des
Revisionsverfahrens übertragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) - eine zwischenzeitlich im
Handelsregister gelöschte und nicht wieder eingetragene GmbH -
übte im Streitjahr 1999 ein Gewerbe aus.
Einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer war
X.
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Mit der am 14.12.2000 beim Beklagten und
Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) eingereichten
Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 1999 machte die
Klägerin eine Steuervergütung von 237.194,30 DM geltend.
Das FA stimmte der Umsatzsteuererklärung weder zu noch setzte
es die Jahressteuer abweichend fest.
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In den Steuerakten befindet sich eine nicht
bekanntgegebene Umsatzsteuerberechnung für 1999 vom 18.9.2001.
Danach ging das FA zunächst von einer festzusetzenden
Umsatzsteuerschuld von 436.342 DM aus. Nach einer gleichfalls nicht
bekanntgegebenen Umsatzsteuerberechnung für 1999 vom 29.8.2002
ergab sich demgegenüber eine festzusetzende
Steuervergütung von 56.140,87 EUR. Auf den dazugehörigen
Prüfhinweisen ist jeweils handschriftlich „intern“
vermerkt.
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Am 4.9.2001 gab die Steuerfahndungsstelle
des FA gegenüber dem Geschäftsführer X die
Eröffnung des Steuerstrafverfahrens bekannt. Die
Fahndungsprüfung betraf u.a. Ermittlungen wegen Hinterziehung
der Umsatzsteuer für 1999. Ausweislich eines Vermerks des FA
wurde das gegenüber X eingeleitete Steuerstrafverfahren am
4.6.2006 eingestellt.
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Am 14.6.2006 wurde die Klägerin -
nachdem der Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über ihr Vermögen mangels Masse am 25.2.2003 abgewiesen
worden war - wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister
gelöscht.
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Sowohl der am 25.5.2010 durch X im Namen
der Klägerin eingelegte Einspruch wegen Nichtbearbeitung der
Umsatzsteuererklärung für 1999 als auch die am 25.5.2012
erhobene Untätigkeitsklage, die im Laufe des Rechtsstreits
durch die am 21.5.2012 bestellte Nachtragsliquidatorin genehmigt
wurden, blieben ohne Erfolg.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als
unbegründet ab. Der beantragten Umsatzsteuerfestsetzung
für 1999 in Höhe von ./. 56.140,87 EUR und damit der
Festsetzung eines Vergütungsbetrags stehe die
Festsetzungsverjährung entgegen. Der Ablauf der
vierjährigen Festsetzungsfrist sei insbesondere nicht nach
§ 171 Abs. 5 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) gehemmt worden,
weil aufgrund der Fahndungsprüfung kein Steuerbescheid
ergangen sei.
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Mit der Revision rügt die
Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Der Ablauf der
Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuerfestsetzung für
1999 sei im Zeitpunkt der Einlegung des Untätigkeitseinspruchs
u.a. nach § 171 Abs. 5 AO gehemmt gewesen. Auf die
Besteuerungsgrundlagen wirkten sich auch solche Erkenntnisse der
Fahndungsprüfung aus, die die bisherigen Angaben des
Steuerpflichtigen in einer zustimmungsbedürftigen
Steueranmeldung als zutreffend bestätigten. Die
Ermittlungsmaßnahmen beseitigten die Ungewissheiten, die
einer Zustimmung nach § 168 Satz 2 AO bisher entgegengestanden
hätten.
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Die Klägerin beantragt, das FA unter
Aufhebung des Urteils des FG München vom 30.4.2014 3 K 1663/14
zu verpflichten, die Umsatzsteuer für 1999 auf den negativen
Betrag von 56.140,87 EUR festzusetzen.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Die Voraussetzungen der Ablaufhemmung nach
§ 171 Abs. 5 Satz 1 AO lägen nicht vor. Nach seinem
Wortlaut laufe die Festsetzungsfrist nur „insoweit“
nicht ab, „bevor die auf Grund der Ermittlungen zu
erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind“.
Deshalb trete die Ablaufhemmung nur in dem Umfang ein, in dem sich
die Ergebnisse der Ermittlungen auf die Höhe der
festzusetzenden Steuer auswirkten.
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II. Die Revision ist begründet. Das
Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
).
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Entgegen der Auffassung des FG war der Ablauf
der Festsetzungsfrist wegen Umsatzsteuer für 1999 nach §
171 Abs. 5 AO gehemmt. Die Feststellungen des FG reichen indes
nicht aus, um abschließend in der Sache entscheiden zu
können.
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1. Im Streitfall steht der - nach § 168
Satz 2 AO erforderlichen, aber bisher nicht erklärten -
Zustimmung zu der am 14.12.2000 beim FA eingereichten
Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 1999 oder dem Erlass
einer davon abweichenden Steuerfestsetzung (§ 167 Abs. 1 Satz
1 Alternative 1 AO) der Ablauf der Festsetzungsfrist nicht
entgegen.
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a) Die reguläre Festsetzungsfrist endete
im Streitfall mit Ablauf des 31.12.2004. Die zur Abgabe der
Umsatzsteuer-Jahreserklärung verpflichtete Klägerin
(§ 149 Abs. 1 Satz 1, § 150 Abs. 1 Satz 3 AO i.V.m.
§ 18 Abs. 3 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - ) hat die
Umsatzsteuererklärung für 1999 im Jahr 2000 beim FA
eingereicht. Nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO begann damit
die Festsetzungsfrist mit Ablauf des 31.12.2000. Die
vierjährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr.
2 AO endete damit regulär mit Ablauf des 31.12.2004.
Feststellungen, die zu einer Verlängerung der
Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO führen
könnten, hat das FG nicht getroffen und sind auch nicht
ersichtlich.
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b) Rechtsfehlerhaft hat das FG die Hemmung der
Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 5 AO verneint.
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aa) Beginnen die mit der Steuerfahndung
betrauten Dienststellen vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim
Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so
läuft die Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO
insoweit nicht ab, bevor die aufgrund der Ermittlungen zu
erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind.
Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung der
Fahndungsprüfung ist, dass Ermittlungshandlungen vor Ablauf
der Festsetzungsfrist tatsächlich vorgenommen worden sind.
Darüber hinaus muss für den Steuerpflichtigen erkennbar
sein, dass in seinen Steuerangelegenheiten ermittelt wird. Für
Steueransprüche, die nicht Gegenstand der
Fahndungsprüfung waren, kann keine Ablaufhemmung eintreten
(Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13.2.2003 X R 62/00,
BFH/NV 2003, 740 = SIS 03 23 80, unter II.2.b aa, m.w.N., und vom
8.7.2009 VIII R 5/07, BFHE 226, 198, BStBl II 2010, 583 = SIS 09 34 34, unter II.1., Rz 16, m.w.N.). Beim Steuerpflichtigen ist mit den
Ermittlungen begonnen worden, wenn sich die Ermittlungshandlungen
gegen den betroffenen Steuerschuldner selbst oder - wie im
Streitfall - gegen das Vertretungsorgan des Steuerschuldners
richten (Banniza in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 171 AO
Rz 137, und Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung,
Finanzgerichtsordnung, § 171 AO Rz 68a; vgl. auch BFH-Urteil
vom 8.7.2009 XI R 41/08, BFH/NV 2010, 1 = SIS 09 36 88). Nach den
Feststellungen des FG hat die Steuerfahndung am 4.9.2001 dem
Geschäftsführer X der Klägerin die Eröffnung
des Steuerstrafverfahrens u.a. wegen Hinterziehung der Umsatzsteuer
für 1999 eröffnet. Damit hat sie spätestens zu
diesem Zeitpunkt - und somit vor Ablauf der regulären
Festsetzungsfrist - mit den für den Steuerpflichtigen
erkennbaren Ermittlungen von Besteuerungsgrundlagen begonnen.
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bb) Die danach gehemmte Festsetzungsfrist ist
nicht abgelaufen, bevor die aufgrund der Ermittlungen zu
erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind.
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(1) Nach dem Wortlaut des § 171 Abs. 5
Satz 1 AO ist die Dauer der Ablaufhemmung mit der Unanfechtbarkeit
der aufgrund der Ermittlungen zu erlassenden Bescheide
verknüpft. Dies hat zur Folge, dass der Erlass eines
(Änderungs-)Bescheids im Anschluss an eine
Fahndungsprüfung grundsätzlich ohne zeitliche Begrenzung
zulässig ist. Es kommt nicht darauf an, dass diese Bescheide
innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Abschluss der
Ermittlungen ergehen oder ihre Umsetzung über einen
längeren Zeitraum unterbleibt (BFH-Urteil vom 24.4.2002 I R
25/01, BFHE 198, 303, BStBl II 2002, 586 = SIS 02 84 80, unter
II.4.a, Rz 19, dort auch zu den Unterschieden zu § 171 Abs. 4
AO; Verfassungsbeschwerde durch Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 5.11.2002 1 BvR 1461/02, nicht zur
Entscheidung angenommen; BFH-Urteile vom 15.3.2007 II R 5/04, BFHE
215, 540, BStBl II 2007, 472 = SIS 07 13 13, unter II.1.d, und in
BFHE 226, 198, BStBl II 2010, 583 = SIS 09 34 34, unter II.1., Rz
16).
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(2) Nach diesen Maßstäben kommt es
entgegen der Auffassung des FG für den Ablauf der nach §
171 Abs. 5 AO gehemmten Festsetzungsfrist nicht darauf an, ob
aufgrund der Fahndungsprüfung Umsatzsteuerbescheide
„ergangen“ sind. Sind aufgrund der Ermittlungen
der Fahndungsprüfung Steuerbescheide zu erlassen, enden die
Ablaufhemmung und damit die Festsetzungsfrist erst, wenn diese
Steuerbescheide unanfechtbar werden.
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(a) Im Regelfall endet die - gehemmte -
Festsetzungsfrist, wenn die Fahndungsprüfung
Besteuerungsgrundlagen ermittelt, die in dem bisherigen
Steuerbescheid noch nicht erfasst waren und zu einer
geänderten - unanfechtbaren - Steuerfestsetzung führen
(vgl. z.B. BFH-Urteile vom 14.4.1999 XI R 30/96, BFHE 188, 286,
BStBl II 1999, 478 = SIS 99 16 35; in BFHE 198, 303, BStBl II 2002,
586 = SIS 02 84 80). Dies gilt auch dann, wenn die ermittelten
Besteuerungsgrundlagen zu einer erstmaligen - unanfechtbaren -
Steuerfestsetzung führen (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2003,
740 = SIS 03 23 80, zur Festsetzung des
Gewerbesteuermessbetrags).
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(b) Ebenso ist es im Falle einer - nach Abgabe
der Steueranmeldung wegen § 168 Satz 2 AO - noch nicht
festgesetzten Steuer. Auch hier endet die Ablaufhemmung des §
171 Abs. 5 Satz 1 AO erst, wenn die aufgrund der Ermittlungen der
Fahndungsprüfung noch zu erlassenden Bescheide unanfechtbar
geworden sind. Denn soweit Besteuerungsgrundlagen noch nicht
festgesetzt und Gegenstand der Fahndungsprüfung sind, ergibt
sich stets eine in einem Steuerbescheid zu berücksichtigende
Änderung der Besteuerungsgrundlagen, weil sich die
Ermittlungen zwangsläufig auf diese auswirken. Dies gilt auch
bei zu Gunsten des Steuerpflichtigen gewonnenen Erkenntnissen (vgl.
auch FG Saarland vom 12.4.2005 1 K 224/04, EFG 2005, 1582 = SIS 05 28 57, unter 2.a; Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 171 AO
Rz 71). Folgt z.B. aus den Ermittlungen der Fahndungsprüfung,
dass Angaben eines Steuerpflichtigen in einer Steuererklärung,
die bisher noch nicht Gegenstand einer Steuerfestsetzung waren,
beanstandungsfrei sind, müssen daher auch diese durch die
Fahndungsprüfung gewonnenen Erkenntnisse umgesetzt werden,
wenn und soweit die Prüfung - wie im Streitfall - vor Ablauf
der Festsetzungsfrist begonnen hat (BFH-Urteil in BFHE 198, 303,
BStBl II 2002, 586 = SIS 02 84 80, unter II.3.a, Rz 14). Die
Ablaufhemmung des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO ist somit nur dann
ohne Bedeutung, wenn sich aufgrund einer Fahndungsprüfung
keine Änderung der Besteuerungsgrundlagen ergibt (BFH-Urteil
in BFHE 198, 303, BStBl II 2002, 586 = SIS 02 84 80, unter II.4.b
cc, Rz 24).
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(3) Im Streitfall konnte danach die
Umsatzsteuerfestsetzung für 1999 nur dann unterbleiben, wenn
sich aufgrund der Ermittlungen der Fahndungsprüfung keine
Änderungen gegenüber der bisherigen Bescheidlage ergeben
hätten, da die Umsatzsteuer für 1999 Gegenstand der
Fahndungsprüfung war und die Festsetzungsfrist im Streitfall
noch gehemmt ist. Keine Änderungen hätten sich aufgrund
der Ermittlungen nur dann ergeben können, wenn die Erkenntnis
gewonnen worden wäre, dass die Klägerin keine
Unternehmerin i.S. des § 2 Abs. 1 UStG ist. Nur in diesem Fall
hätte eine Umsatzsteuerfestsetzung unterbleiben können.
Die Unternehmereigenschaft der Klägerin ist indes nicht
streitig und kommt u.a. darin zum Ausdruck, dass das FA - dem
Grunde nach unstreitige - Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide
gegenüber der Klägerin erlassen hat.
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2. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat
- aus seiner Sicht zu Recht - keine Feststellungen dazu getroffen,
in welchem Umfang die Festsetzungsfrist gehemmt ist und in welcher
Höhe die Umsatzsteuer oder eine etwaige
Umsatzsteuervergütung festzusetzen ist.
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3. Die Übertragung der Kostenentscheidung
folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.
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