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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin, A-GmbH) betreibt einen Möbeleinzelhandel.
Gesellschafter-Geschäftsführer sind Dr. C und F, die in
einer Entfernung von über 500 km vom Geschäftssitz
wohnen.
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Im Streitjahr 2004 stellte die Bau- und
Vermietungsgesellschaft A in der Nähe des Geschäftssitzes
der Klägerin drei Pavillons fertig, von denen zwei als
Schlafbereich und der dritte als Küche und Wohnzimmer
dienten.
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Mit Mietvertrag vom 18.8.2004 mietete die
Klägerin die drei Pavillons von zusammen 209 qm von der Bau-
und Vermietungsgesellschaft A und stellte die Pavillons
unentgeltlich ihren Gesellschafter-Geschäftsführern zur
Nutzung zur Verfügung, „solange sich der
Geschäftsführer im Interesse der Gesellschaft in M
aufhält“ (Änderung des
Geschäftsführervertrages vom 1.8.2004). Die Klägerin
hatte die Pavillons mit Inventar ausgestattet und die monatlichen
Energiekosten übernommen.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) versagte der Klägerin den Vorsteuerabzug in
Höhe von 27.992,81 EUR aus den von ihr im Streitjahr 2004
getragenen Inventarkosten mit der Begründung, in der
Wohnungsüberlassung an die Geschäftsführer sei eine
(nach § 4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes in der
Fassung des Streitjahres 2004 - UStG - ) steuerfreie und daher nach
§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG den Vorsteuerabzug ausschließende
Vermietung zu sehen. Durch die Übernahme der Energiekosten
erbringe die Klägerin eine steuerpflichtige Leistung von
geschätzten 150 EUR monatlich an die
Geschäftsführer.
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Der Klage, mit der die Klägerin
geltend machte, in der unentgeltlichen Überlassung der
Pavillons an ihre Geschäftsführer sei weder eine
Vermietung noch eine die Besteuerung als Eigenverbrauch
begründende unentgeltliche Leistung für den privaten
Bedarf des Personals zu sehen (§ 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG), gab
das Finanzgericht (FG) für das Streitjahr 2004 teilweise
statt. Der Vorsteuerabzug sei nicht wegen einer steuerfreien
Vermietung ausgeschlossen, weil die Geschäftsführer keine
gesonderte Miete zahlten und die umfangreichen
Dienstleistungspflichten im Hinblick auf die
Wohnraumüberlassung nicht erweitert wurden. Die Klägerin
erbringe jedoch gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG eine
unentgeltliche sonstige Leistung für den privaten Bedarf des
Personals. Die Überlassung der Betriebsleiterwohnungen dienten
nicht überwiegend betrieblichen, sondern privaten Interessen
der Klägerin, weil die räumliche Situation mit den weit
entfernten Wohnsitzen der Geschäftsführer bereits seit
1997 bestanden habe. Der Erhöhung des Vorsteuerabzugs um
27.992,81 EUR sei daher Eigenverbrauch für drei Monate in 2004
in Höhe von 1.400 EUR gegenzurechnen. Eine Erhöhung wegen
der Übernahme der Energiekosten scheide aus, weil hieraus kein
Vorsteuerabzug möglich gewesen sei.
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Hiergegen wendet sich das FA mit der
Revision. Das FG habe materielles Recht verletzt, weil es entgegen
dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9.12.2010 V R 17/10 (BFHE
232, 243, BStBl II 2012, 53 = SIS 11 06 15) von einem
Eigenverbrauch auch für den Fall ausgegangen sei, dass der
Unternehmer von Anfang an beabsichtige, die bezogene Leistung nicht
für seine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern für
einen unentgeltlichen Eigenverbrauch zu verwenden. In diesem Falle
entfalle bereits der Vorsteuerabzug.
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Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil
aufzuheben und der Klage stattzugeben.
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Das FG habe fehlerhaft Umsatzsteuer
für eine unentgeltliche Wertabgabe an das Personal zur
Befriedigung des privaten Wohnbedürfnisses der
Geschäftsführer angenommen. Die Schaffung einer
Übernachtungsmöglichkeit in unmittelbarer Nähe vom
Betriebssitz des Arbeitgebers habe allein unternehmerischen Zwecken
gedient, damit die Geschäftsführer ohne Zeitverlust ihre
Aufgaben wahrnehmen könnten. Das private Wohnbedürfnis
der Geschäftsführer werde an den 500 km entfernten
privaten Wohnorten der Geschäftsführer gedeckt. Die
Gestellung einer Übernachtungsmöglichkeit für die
Geschäftsführer in den Pavillons sei einer
Hotelübernachtung des Arbeitnehmers vergleichbar, für die
der Vorsteuerabzug des Arbeitgebers gegeben sei.
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II. Die Revision führt zur Aufhebung des
FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Erfüllung des
Wohnbedürfnisses von Gesellschafter-Geschäftsführern
einschließlich der Überlassung von
Einrichtungsgegenständen ist auch im Falle einer doppelten
Haushaltsführung von Anfang an als unentgeltliche Wertabgabe
i.S. des § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG anzusehen, die den
Vorsteuerabzug ausschließt. Die Revision des FA ist daher
begründet und die zulässige (unselbständige)
Anschlussrevision der Klägerin (vgl. BFH-Urteil vom 21.8.1990
VIII R 25/86, BFHE 163, 524, BStBl II 1991, 564 = SIS 91 13 32)
unbegründet.
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1. Der Vorsteuerabzug aus den Leistungen des
Arbeitgebers für die umfassende Einrichtung der
Geschäftsführerwohnungen setzt gemäß § 15
UStG u.a. voraus, dass der Unternehmer die Leistung für Zwecke
seiner besteuerten Umsätze bezieht. Zwischen dem
Leistungsbezug und den zu erzielenden steuerpflichtigen
Umsätzen muss ein unmittelbarer und direkter Zusammenhang
bestehen (BFH-Urteil vom 22.12.2011 V R 29/10, BFHE 236, 242, BStBl
II 2012, 441 = SIS 12 06 36). Bezieht der Unternehmer eine
Leistung, bei der er bereits von vornherein beabsichtigt, diese
nicht für seine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern
für eine unentgeltliche Wertabgabe (Entnahme) i.S. des §
3 Abs. 9a UStG zu verwenden, steht die Leistung nicht in
unmittelbarem Zusammenhang mit seiner wirtschaftlichen
Tätigkeit (BFH-Urteil in BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53 =
SIS 11 06 15, für einen Betriebsausflug, der die
Aufmerksamkeitsgrenze überschreitet). In diesem Falle ist
nicht der Vorsteuerabzug zu gewähren und über mehrere
Veranlagungszeiträume durch eine Eigenverbrauchsbesteuerung zu
korrigieren, sondern der Vorsteuerabzug scheidet von vornherein
aus.
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2. Die Überlassung einer
Geschäftsführerwohnung einschließlich
Einrichtungsgegenständen ist auch eine Leistung, die
ausschließlich Entnahmezwecken dient, selbst wenn hierdurch
das Wohnbedürfnis des Geschäftsführers im Rahmen
einer doppelten Haushaltsführung gedeckt wird.
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a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH
liegt eine Entnahme aus unternehmensfremden Gründen dann nicht
vor, wenn der Arbeitgeber anlässlich einer Dienstreise oder
einer sonstigen Auswärtstätigkeit
Unterbringungsleistungen an den Arbeitnehmer erbringt (BFH-Urteil
vom 21.7.1994 V R 21/92, BFHE 175, 169, BStBl II 1994, 881 = SIS 94 22 25). In diesen Fällen wird das private Wohnbedürfnis
durch unternehmensbezogene Gründe überlagert. Dies hat
die Rechtsprechung für die Überlassung von
Unterkünften an Arbeitnehmer in Hotels und Gasthöfen
(BFH-Urteil in BFHE 175, 169, BStBl II 1994, 881 = SIS 94 22 25),
in Pensionen (BFH-Beschluss vom 21.6.2001 V B 32/01, BFHE 195, 451,
BStBl II 2002, 616 = SIS 01 12 01) oder in
Gemeinschaftsunterkünften (FG Düsseldorf vom 29.4.2005 1
K 5587/01 U, EFG 2005, 1810 = SIS 05 38 77) entschieden. Zur
Begründung hat der BFH ausgeführt, dass
Übernachtungsleistungen, die ein Unternehmer an seine
Arbeitnehmer erbringt, nicht den Tatbestand des Eigenverbrauchs
erfüllen, wenn sie im überwiegenden betrieblichen
Interesse des Arbeitgebers bewirkt worden sind (BFH-Urteil in BFHE
175, 169, BStBl II 1994, 881 = SIS 94 22 25). Denn der Arbeitgeber
erfülle durch die Zurverfügungstellung einer Wohnung
nicht den allgemeinen privaten Wohnbedarf seiner Arbeitnehmer,
sondern bei Auswärtstätigkeit den durch seine
unternehmerische Tätigkeit veranlassten zusätzlichen
Wohnbedarf (BFH-Urteil in BFHE 175, 169, BStBl II 1994, 881 = SIS 94 22 25, unter Tz. 10).
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Diese Rechtsprechung entspricht der
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH)
zur Sammelbeförderung von Arbeitnehmern zum Arbeitsplatz
(EuGH-Urteil vom 16.10.1997 C-258/95, Fillibeck, Slg. 1997, I-05577
= SIS 97 23 47). Danach erfüllt zwar die unentgeltliche
Beförderung von Arbeitnehmern von der Wohnung zur
Arbeitsstätte durch den Arbeitgeber grundsätzlich den
privaten Bedarf der Arbeitnehmer und dient damit
unternehmensfremden Zwecken. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die
Erfordernisse des Unternehmens im Hinblick auf besondere
Umstände, wie die Schwierigkeit, andere geeignete
Verkehrsmittel zu benutzen, und wechselnde Arbeitsstätten, es
gebieten, dass die Beförderung der Arbeitnehmer vom
Arbeitgeber übernommen wird, da dann diese Leistung nicht zu
unternehmensfremden Zwecken erbracht wird.
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b) Eine überwiegend zu unternehmerischen
Zwecken dienende Übernahme von Übernachtungskosten liegt
jedoch dann nicht vor, wenn der Unternehmer für einen
Geschäftsführer oder anderen Arbeitnehmer langfristig
eine Wohnung oder - wie im Streitfall aufwendig ausgestattete
Pavillons - bereit hält und damit das private
Wohnbedürfnis deckt, und zwar auch dann nicht, wenn
einkommensteuerrechtlich eine doppelte Haushaltsführung
vorliegt (BFH-Urteil vom 30.11.1994 XI R 3/94, BFHE 177, 143, BStBl
II 1995, 513 = SIS 95 13 26). Etwas anderes mag nur für den
Sonderfall gelten, der gegeben ist, wenn sich die Wohnung innerhalb
eines Betriebsgebäudes befindet und der Unternehmer das
gesamte Gebäude einschließlich der Privaträume dem
Unternehmen zuordnen konnte (BFH-Urteil vom 30.3.2006 V R 6/04,
BFH/NV 2006, 2136 = SIS 06 42 23).
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3. Der Vorsteuerabzug kann auch nicht deshalb
gewährt werden, weil die Wohnungsüberlassung im direkten
und unmittelbaren Zusammenhang mit der Arbeitsleistung des
Arbeitnehmers steht. Nach den nicht mit zulässigen und
begründeten Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen
des FG wurde die Wohnung im Streitfall unentgeltlich
überlassen und nicht als zusätzliches Entgelt für
die Arbeitsleistung.
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4. Da die Klägerin die Wohnungen
einschließlich der Ausstattung nicht zum Zwecke der Erzielung
steuerpflichtiger Umsätze überlassen hat, sondern von
vornherein zum Zwecke einer unentgeltlichen Wertabgabe, die nicht
(wie bei einer Dienstreise oder Einsatzwechseltätigkeit) durch
überwiegend unternehmerische Zwecke bedingt ist, ist der
Vorsteuerabzug nach den Grundsätzen des BFH-Urteils in BFHE
232, 243, BStBl II 2012, 53 = SIS 11 06 15 zu versagen.
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