Abweichendes Wirtschaftsjahr, Umstellung auf Kalenderjahr: Im Veranlagungszeitraum der Umstellung von einem zulässigerweise abweichenden Wirtschaftsjahr eines Gewerbetreibenden auf das Kalenderjahr enden zwei Wirtschaftsjahre (letztes abweichendes Wirtschaftsjahr und Rumpfwirtschaftsjahr). Diese Grundsätze gelten für die Umstellung von einem unzulässigerweise gewählten abweichenden Wirtschaftsjahr auf das Kalenderjahr im Jahr der letzten noch änderbaren Veranlagung entsprechend. - Urt.; BFH 12.7.2007, X R 34/05; SIS 07 28 43
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) vermietet seit April 1979
Appartements an Kurgäste auf einem zuvor landwirtschaftlich
genutzten Grundstück. Sie ließ sich in das
Handelsregister des Amtsgerichts (AG) N unter der Firma
„Appartment-Hotel M“ als gewerblich tätige
Kauffrau eintragen und erklärte gegenüber dem Beklagten
und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) vom Beginn ihrer
Tätigkeit an bis zum Veranlagungszeitraum 1999 stets
gewerbliche Einkünfte. Diese ermittelte sie nach §§
4 Abs. 1, 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Mit Zustimmung des
FA wählte sie ein vom Kalenderjahr abweichendes
Wirtschaftsjahr vom 1. April bis 31. März des
Folgejahres.
Im Anschluss an einen Beraterwechsel machte
die Klägerin im Jahre 2001 geltend, die bisherigen
Veranlagungen seien unzutreffend. Sie sei zu keinem Zeitpunkt
gewerblich tätig gewesen, da sie hoteltypische Nebenleistungen
nicht erbracht habe. Ihre Einkünfte aus der
Appartementvermietung seien deshalb den Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung zuzuordnen. Parallel dazu wandte sie
sich an das AG N und regte die Löschung ihrer
Registereintragung an. Die Löschung wurde am 12.6.2001
gemäß § 142 Abs. 1 des Gesetzes über die
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit von Amts wegen
eingetragen.
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens zur
Einkommensteuer 1999 einigte sich die Klägerin mit dem FA
dahingehend, dass die Klägerin von Beginn ihrer Tätigkeit
an Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt habe. Das
FA erließ gemäß § 164 Abs. 2 der
Abgabenordnung (AO) geänderte Einkommensteuerbescheide
für 1998 und 1999, in denen es die Einkünfte
antragsgemäß umqualifizierte und auf das jeweilige
Kalenderjahr umstellte.
Auch den Einkommensteuerbescheid 1997
änderte das FA gemäß § 164 Abs. 2 AO. Es
erfasste den Gewinn des letzten abweichenden Wirtschaftsjahres vom
1.4.1996 bis 31.3.1997 bei dieser Veranlagung als Einkünfte
aus Gewerbebetrieb, weil der Einkommensteuerbescheid 1996 -
zwischen den Beteiligten unstreitig - bestandskräftig und
nicht mehr abänderbar ist. Zusätzlich
berücksichtigte das FA für die Zeit vom 1.4.1997 bis
31.12.1997 die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und
Verpachtung.
Mit der nach erfolglosem
Einspruchsverfahren erhobenen Klage begehrte die Klägerin,
gewerbliche Einkünfte nicht zu berücksichtigen und bei
den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht nur den
Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben in der Zeit
vom 1.4.1997 bis 31.12.1997, sondern auch den Verlust im Zeitraum
vom 1.1.1997 bis zum 31.3.1997 zu berücksichtigen. Das
Finanzgericht (FG) wies die Klage mit in EFG 2006, 97 = SIS 06 01 19 veröffentlichtem Urteil ab. Die Vorgehensweise des FA finde
ihre Rechtfertigung in entsprechender Anwendung der Vorgaben der
§§ 4a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, 51 Abs. 1 Nr. 1b EStG
i.V.m. § 8b Satz 2 Nr. 2 der
Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV). Im Streitjahr
1997, der letzten noch änderbaren Veranlagung, sei ein
Rumpfwirtschaftsjahr vom 1.4.1997 bis 31.12.1997 zu bilden. Die
abweichende Gewinnermittlung des vorangegangenen
Geschäftsjahres vom 1.4.1996 bis 31.3.1997 bleibe
unberührt und gelte entsprechend § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG
als im Jahr 1997 bezogener Gewinn.
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Eine analoge Anwendung
von §§ 4a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, 51 Abs. 1 Nr. 1b
EStG i.V.m. § 8b Satz 2 Nr. 2 EStDV komme nicht in Betracht,
da das Gesetz keine Regelungslücke enthalte. Das Jahresprinzip
des § 2 Abs. 7 Satz 2 EStG gelte ohne Einschränkung. Der
Umstand, dass eine durchgängige Korrektur wegen der
Bestandskraft der Steuerbescheide nicht möglich sei, sei
systemimmanent und vom Gesetz beabsichtigt. Zudem müsste die
Klägerin bei Erfassung des Gewinns im Zeitraum vom 1.4.1996
bis 31.3.1997 Einkünfte aus Gewerbebetrieb versteuern, obwohl
sich die Beteiligten darin einig seien, dass sie Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung erzielt habe. Folge man der Auffassung
des FG, würde sich die weitere Frage stellen, ob der zum
31.3.1997 ermittelte Gewinn in einen Überschuss umgerechnet
werden oder die Klägerin auch 1997 noch Gewerbesteuer zahlen
müsse. Im Übrigen würden die §§ 4a Abs. 1
Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, 51 Abs. 1 Nr. 1b EStG i.V.m. § 8b Satz 2
Nr. 2 EStDV die Frage, wie im Falle einer berechtigten
Wahlrechtsausübung bei Umstellung eines vom Kalenderjahr
abweichenden Wirtschaftsjahres auf ein mit dem Kalenderjahr
übereinstimmendes Wirtschaftsjahr zu verfahren sei, nicht
regeln. Die Lösung dieser Frage beruhe vielmehr auf
Richterrecht.
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das FG-Urteil und den Einkommensteuerbescheid
1997 vom 31.10.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
30.5.2003 aufzuheben und die Einkommensteuer ohne
Berücksichtigung von gewerblichen Einkünften und unter
Zugrundelegung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
in Höhe von 89.826 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision der Klägerin ist
begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache
zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG
zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Zu Recht ist das FG zwar davon
ausgegangen, dass die Einkünfte der Klägerin aus dem
letzten abweichenden Wirtschaftsjahr 1996/1997 im
Veranlagungszeitraum 1997 der Besteuerung zu unterwerfen sind und
hinsichtlich der im Zeitraum vom 1.4.1997 bis 31.12.1997 erzielten
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ein
Rumpfwirtschaftsjahr zu bilden ist. Die Einkünfte der
Klägerin in der Zeit vom 1.4.1996 bis 31.3.1997 sind jedoch
als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu qualifizieren.
Der von der Klägerin für diesen Zeitraum nach
§§ 4 Abs. 1, 5 EStG ermittelte Gewinn ist deshalb - ggf.
im Wege der Schätzung - in einen Überschuss der Einnahmen
über die Werbungskosten umzurechnen.
1. Nach § 2 Abs. 7 EStG bemisst sich die
Einkommensteuer nach dem Einkommen, das der Steuerpflichtige
innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat. Die Einkommensteuer ist
eine Jahressteuer. Die Grundlagen für ihre Festsetzung sind
jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln. Nach § 25 Abs.
1 EStG ist das Kalenderjahr auch der Zeitraum, für den die
Veranlagung durchzuführen ist.
Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft
und Gewerbebetrieb sind der Gewinn (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG),
der nach dem Wirtschaftsjahr zu ermitteln ist (§ 4a Abs. 1
Satz 1 EStG). Weicht das Wirtschaftsjahr vom Kalenderjahr ab, so
fallen Gewinnermittlungszeitraum und Veranlagungszeitraum
auseinander. In diesem Fall gilt bei Gewerbetreibenden der Gewinn
des Wirtschaftsjahres als in dem Kalenderjahr bezogen, in dem das
Wirtschaftsjahr endet (§ 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG).
2. Stellt ein Gewerbetreibender sein
Wirtschaftsjahr von einem zulässigerweise abweichenden
Wirtschaftsjahr auf das Kalenderjahr um, enden im
Veranlagungszeitraum der Umstellung zwei Wirtschaftsjahre, denn
nach dem letzten abweichenden Wirtschaftsjahr beginnt ein
Rumpfwirtschaftsjahr, das bis zum Ende des Kalenderjahres
läuft (§ 8b Satz 2 Nr. 2 EStDV). Daraus ergibt sich, dass
nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG der Gewinn des letzten
abweichenden Wirtschaftsjahres und der Gewinn des
Rumpfwirtschaftsjahres als im Kalenderjahr der Umstellung bezogen
gelten. Der Ermittlungszeitraum für die Einkünfte aus
Gewerbebetrieb beträgt insoweit mehr als ein Jahr (Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14.10.1987 I R 381/83, BFH/NV 1989,
141 = SIS 88 09 39, und vom 4.12.1991 I R 140/90, BFHE 167, 28,
BStBl II 1992, 750 = SIS 92 13 87).
3. Diese Grundsätze gelten entsprechend
für die Umstellung von einem unzulässigerweise
gewählten abweichenden Wirtschaftsjahr auf das Kalenderjahr
(vgl. Schmieszek in Bordewin/Brandt, § 4a EStG Rz 185;
Kempermann, FR 2000, 203; MK, DStR 2000, 146). Der durch Art. 3
Abs. 1 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich verankerte Grundsatz
der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gebietet auch in
diesen Fällen die sinngemäße Anwendung von §
8b EStDV. Derjenige, der - aus welchen Gründen auch immer -
seine Einkünfte bisher zu Unrecht abweichend vom Kalenderjahr
ermittelt hat, kann nicht besserstehen als derjenige, der zu einer
solchen Gewinnermittlung berechtigt war und nun zur
Gewinnermittlung nach dem Kalenderjahr wechseln möchte (MK,
DStR 2000, 146). Für eine analoge Anwendung des § 8b
EStDV in Fällen, in denen die Einkünfte zu Unrecht
abweichend vom Kalenderjahr ermittelt worden sind, spricht zudem
auch der mutmaßliche Wille des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber
hat die Umstellung des Wirtschaftsjahres auf einen vom Kalenderjahr
abweichenden Zeitraum an das Einvernehmen (= Zustimmung) des FA
geknüpft, um Änderungen des Wirtschaftsjahres aus
steuerlichen Gründen vorzubeugen (vgl. BFH-Urteil vom
24.4.1980 IV R 149/76, BFHE 131, 292, BStBl II 1981, 50 = SIS 81 05 20, unter Hinweis auf die 215. Bundestagssitzung vom 26.6.1957 -
Stenographische Berichte Bd. 37 S. 12692 - ). Das FA kann die
Zustimmung ohne Ermessensfehler verweigern, wenn mit der Umstellung
des Wirtschaftsjahres nur eine Steuerpause erreicht werden soll
(BFH-Urteil vom 12.3.1965 VI 109/64 U, BFHE 82, 113, BStBl III
1965, 287 = SIS 65 01 68). Wenn der Gesetzgeber aber durch die
notwendige Zustimmung des FA zur Umstellung des Wirtschaftsjahres
auf einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum verhindern wollte,
dass im Umstellungsjahr nur der Gewinn eines oder mehrerer Monate,
der Gewinn der übrigen Monate dagegen erst im folgenden
Kalenderjahr besteuert wird, kann es nicht seinem präsumtiven
Willen entsprechen, dass in Fällen, in denen die
Einkünfte zu Unrecht abweichend vom Kalenderjahr ermittelt
worden sind, eine Besteuerungslücke eintritt.
Im Übrigen ergibt sich auch aus § 8c
Abs. 2 Satz 2 EStDV, dass nach der gesetzgeberischen Wertung keine
Steuerpause oder gar Steuerlücke eintreten soll. Stellt ein
Land- und Forstwirt von einem vom Kalenderjahr abweichenden
Wirtschafsjahr auf ein mit dem Kalenderjahr übereinstimmendes
Wirtschafsjahr um, verlängert sich das letzte vom Kalenderjahr
abweichende Wirtschaftsjahr um den Zeitraum bis zum Beginn des
ersten mit dem Kalenderjahr übereinstimmenden
Wirtschaftsjahr.
4. Allerdings dürfen sich weder der
Steuerpflichtige noch das FA das Jahr der Umstellung des
abweichenden Wirtschaftsjahres auf das Kalenderjahr
„aussuchen“. Wird erkannt, dass die
Einkünfte zu Unrecht abweichend vom Kalenderjahr ermittelt
worden sind, hat die Umstellung - ähnlich einer
Fehlerkorrektur nach Maßgabe des formellen
Bilanzzusammenhangs - im Jahr der letzten noch änderbaren
Veranlagung zu erfolgen (so wohl auch Kempermann, FR 2000, 203; MK,
DStR 2000, 146; offen insoweit BFH-Urteil vom 23.9.1999 IV R 41/98,
BFHE 190, 332, BStBl II 2000, 24 = SIS 00 01 41). In diesem Jahr
enden zwei Wirtschaftsjahre, denn nach dem letzten abweichenden
Wirtschaftsjahr beginnt ein Rumpfwirtschaftsjahr, das bis zum Ende
des Kalenderjahres läuft (§ 8b Satz 2 Nr. 2 EStDV).
Daraus ergibt sich, dass analog § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG die
Einkünfte des letzten abweichenden Wirtschaftsjahres und die
Einkünfte des Rumpfwirtschaftsjahres als in dem Kalenderjahr
der Umstellung bezogen gelten.
5. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf
den Streitfall hat das FA zu Recht die Einkünfte der
Klägerin in der Zeit vom 1.4.1996 bis 30.3.1997 in die
Veranlagung des Streitjahres 1997 einbezogen, da die
Steuerfestsetzung für das Jahr 1996 nicht mehr geändert
werden konnte. Zu Unrecht haben allerdings FA und ihm folgend das
FG für diesen Zeitraum den von der Klägerin nach
§§ 4 Abs. 1, 5 EStG ermittelten Gewinn aus Gewerbebetrieb
berücksichtigt. Da die Klägerin unstreitig auch in diesem
Zeitraum Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hat,
ist dieser Gewinn - ggf. im Wege der Schätzung - in einen
Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten
umzurechnen (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG). Dies wird das FG im
zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.