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I. Streitig ist, ob Aufwendungen für
krankengymnastische Behandlungen einer als Geigerin tätigen
Berufsmusikerin als Werbungskosten zu berücksichtigen
sind.
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Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger), zusammenveranlagte Eheleute, machten mit ihrer
Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2009)
Werbungskosten der als Orchestermusikerin nichtselbstständig
tätigen Klägerin in Höhe von 2.516,65 EUR geltend,
nämlich Aufwendungen für Krankengymnastik und für
eine Bewegungsschulung (Dispokinese).
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ), berücksichtigte zunächst die Kosten
für Dispokinese (1.075 EUR) als Werbungskosten und die
für Krankengymnastik als außergewöhnliche Belastung
nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Nachdem die
Klägerin sich dagegen mit Einspruch gewandt hatte,
änderte das FA die Einkommensteuerfestsetzung zum Nachteil der
Klägerin, indem es die Kosten für Dispokinese nicht mehr
als Werbungskosten berücksichtigte, die Einkommensteuer
dementsprechend erhöhte und im Übrigen den Einspruch als
unbegründet zurückwies.
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Mit der dagegen gerichteten Klage begehrten
die Kläger weiter den Abzug dieser Aufwendungen als
Werbungskosten, weil die Klägerin durch akute
Einschränkungen im Schulterbereich ihrer Erwerbstätigkeit
als Berufsmusikerin nicht habe nachgehen können. Die
Dispokinese sei eine Fortbildungsmaßnahme, sie diene der
ganzheitlich orientierten Schulung zur Verbesserung der Haltung,
Atmung und Bewegung sowie der Erfahrungs- und
Bewusstseinsdenkprozesse und der Spiel- und Ausdrucksfähigkeit
professioneller Musiker. Musiker erlernten so zahlreiche
Übungen, um bei Auftritten bessere Leistungen zu erbringen.
Diese Maßnahmen dienten insoweit der Erhaltung und Sicherung
der Einnahmen, sie seien Werbungskosten, keine
Krankheitskosten.
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Das Finanzgericht (FG) hat die Klage aus
den in DStRE 2013, 261 veröffentlichten Gründen
abgewiesen. Die Aufwendungen der Klägerin dienten der
Förderung und Erhaltung der Gesundheit, seien mithin keine
Werbungskosten, sondern außergewöhnliche
Belastungen.
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Die Kläger rügen mit der Revision
die Verletzung materiellen Rechts.
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Sie beantragen sinngemäß, das
Urteil des Hessischen FG vom 13.12.2011 12 K 2569/10 aufzuheben und
den Einkommensteuerbescheid des FA i.d.F. der
Einspruchsentscheidung vom 10.9.2010 dahingehend abzuändern,
dass weitere Werbungskosten in Höhe von 1.876 EUR
berücksichtigt werden und die Einkommensteuer dementsprechend
herabgesetzt wird.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die bisherigen Feststellungen des
FG tragen nicht dessen Entscheidung, dass die Aufwendungen der
Klägerin für die Dispokinese keine Werbungskosten
sind.
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1. Werbungskosten, nämlich Aufwendungen
zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen i.S. des
§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG, liegen vor, wenn sie durch den Beruf
oder durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst
sind. Sie sind beruflich veranlasst, wenn ein objektiver
Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv
zur Förderung des Berufs getätigt werden. Auch
Aufwendungen für berufsbezogene Fortbildungsmaßnahmen
können als Werbungskosten abziehbar sein, wenn die
Aufwendungen in einem hinreichend konkreten, objektiv
feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit den
einkommensteuerbaren Einnahmen stehen. Diese Voraussetzungen
können sogar bei Aufwendungen für berufsbezogene
Bildungsmaßnahmen erfüllt sein, die zur Erlangung eines
künftigen Berufs getätigt werden (zuletzt Senatsurteile
vom 9.2.2012 VI R 42/11, BFHE 236, 439, BStBl II 2013, 236 = SIS 12 07 85; vom 27.10.2011 VI R 52/10, BFHE 235, 444, BStBl II 2012, 825
= SIS 11 39 73). Dies gilt erst recht bei Aufwendungen für
einen schon gegenwärtig ausgeübten Beruf.
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Gemessen daran ist nicht ersichtlich, auf
Grundlage welcher gesicherten Erkenntnisse das FA und das FG die
Dispokinese nicht als beruflich veranlasste
Fortbildungsmaßnahme beurteilen konnten. Die Klägerin
hatte schon im Rahmen ihrer Einkommensteuerveranlagung geltend
gemacht, dass die Aufwendungen dafür
Fortbildungsmaßnahmen seien. Im finanzgerichtlichen Verfahren
hat die Klägerin dies ebenfalls vorgebracht, es auch nicht bei
der schlichten Behauptung belassen, sondern umfassend zu Sinn,
Zweck und Ziel der Dispokinese vorgetragen und ergänzend auch
eine Beweiserhebung durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens angeregt. Das FG hat indessen den
Sachverhalt dahingehend nicht weiter ermittelt und auch kein
Sachverständigengutachten eingeholt.
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2. Ungeachtet der Frage, ob die in ihrer
einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung streitigen
Aufwendungen als Fortbildungsmaßnahmen zu Werbungskosten
führen können, entspricht es auch der ständigen und
unverändert fortgeltenden Rechtsprechung des erkennenden
Senats, dass Aufwendungen zur Verminderung oder Behebung
gesundheitlicher Störungen, die typischerweise mit der
betreffenden Berufstätigkeit verbunden sind, Werbungskosten
sein können, wenn es sich um typische Berufskrankheiten
handelt oder der Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Beruf
eindeutig feststeht (vgl. Senatsentscheidungen vom 17.7.1992 VI R
96/88, BFH/NV 1993, 19; vom 23.10.1992 VI R 31/92, BFHE 169, 350,
BStBl II 1993, 193 = SIS 93 03 34; vom 9.2.1962 VI 10/61 U, BFHE
74, 632, BStBl III 1962, 235 = SIS 62 01 54; vom 22.4.2003 VI B
275/00, BFH/NV 2003, 1052 = SIS 03 32 65). Diese
Rechtsgrundsätze hat etwa das Sächsische FG in einem
Urteil vom 26.10.2010 5 K 435/06 (juris, mit umfassenden Nachweisen
zur Senatsrechtsprechung) in einem vergleichbaren Fall angewandt,
in dem eine Geigerin ebenfalls Aufwendungen für berufliche
Gymnastik als Werbungskosten mit der Begründung geltend
gemacht hatte, dass bei ihr eine musikerspezifische Erkrankung
vorgelegen habe.
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3. Angesichts dieser vorgenannten
Rechtsgrundsätze wird das FG im zweiten Rechtsgang
gegebenenfalls durch Einholung eines entsprechenden
Sachverständigengutachtens zu prüfen haben, ob die von
der Klägerin in Anspruch genommene Unterrichtung in
Dispokinese als Fortbildungsmaßnahme zu berücksichtigen
ist. Gegebenenfalls wird auch zu prüfen sein, ob ein
Werbungskostenabzug unter dem Gesichtspunkt der typischen
Berufskrankheit oder eines eindeutig feststehenden Zusammenhangs
zwischen Erkrankung und Beruf in Betracht kommt.
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