1
|
I. Die Beteiligten streiten darüber,
ob für Betriebsvermögensminderungen aus der verbilligten
Abgabe von Mobiltelefonen ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten
(RAP) anzusetzen ist. Die Einzelheiten des Sach- und Streitstands
ergeben sich aus dem im gleichen Verfahren ergangenen
Senatsbeschluss vom 7.4.2010 I R 77/08 (BFHE 228, 533, BStBl II
2010, 739 = SIS 10 14 76), auf den zur Vermeidung von
Wiederholungen Bezug genommen wird.
|
|
|
2
|
Mit dem vorgenannten Beschluss hatte der
erkennende Senat dem Großen Senat des Bundesfinanzhofs (BFH)
die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob das Finanzamt (FA) im
Rahmen der ertragsteuerlichen Gewinnermittlung in Bezug auf zum
Zeitpunkt der Bilanzaufstellung ungeklärte bilanzrechtliche
Rechtsfragen an die Auffassung gebunden ist, die der vom
Steuerpflichtigen aufgestellten Bilanz zu Grunde liegt, wenn diese
Rechtsauffassung aus der Sicht eines ordentlichen und
gewissenhaften Kaufmanns vertretbar war. Der Große Senat des
BFH hat über die Vorlage mit Beschluss vom 31.1.2013 GrS 1/10
(BFHE 240, 162, BStBl II 2013, 317 = SIS 13 08 30) entschieden. Auf
diesen Beschluss wird ebenfalls verwiesen.
|
|
|
3
|
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) hat im Anschluss an die
Entscheidung des Großen Senats an ihrem im Vorlagebeschluss
(BFHE 228, 533, BStBl II 2010, 739 = SIS 10 14 76) zitierten Antrag
festgehalten.
|
|
|
4
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA)
beantragt, die Revision der Klägerin
zurückzuweisen.
|
|
|
5
|
Das dem Verfahren zwischenzeitlich
gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) beigetretene Bundesministerium der Finanzen hat keinen Antrag
gestellt.
|
|
|
6
|
II. Die Revision ist unbegründet und
deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
|
|
|
7
|
1. Der Große Senat des BFH hat in dem
erwähnten Beschluss vom 31.1.2013 die Vorlagefrage
bezüglich einer Bindung des FA an der Bilanz (und deren
einzelnen Ansätzen) zugrunde liegende, aus Sicht eines
ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns vertretbare
Rechtsauffassungen verneint. Damit steht für den Senat
verbindlich fest (§ 11 Abs. 7 Satz 3 FGO), dass für die
Entscheidung der streitigen Bilanzierungsfrage im vorliegenden
Rechtsstreit ausschließlich die objektive Rechtslage
maßgeblich ist und ein subjektiver Beurteilungsspielraum der
Klägerin insoweit nicht bestanden hat.
|
|
|
8
|
2. Der Senat hält trotz neuerlicher
Einwendungen der Klägerin an seiner im Vorlagebeschluss in
BFHE 228, 533, BStBl II 2010, 739 = SIS 10 14 76 - auf den auch
insoweit verwiesen wird - näher dargelegten Auffassung fest,
dass für die mit der Abgabe der Mobiltelefone unter
Einstandspreis verbundene Vermögensminderung ein aktiver RAP
nach § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG
1990) zu bilden war.
|
|
|
9
|
a) Das gilt zunächst für die
Annahme, dass als „Ausgabe“ i.S. von § 5
Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG 1990 nicht nur Bar- und Buchgeldzahlungen,
sondern auch Vermögensminderungen durch geldwerte
Sachleistungen, wie die im Streitfall unter Einstandspreis
abgegebenen Mobiltelefone, in Betracht kommen (nach wie vor a.A.
Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 32. Aufl., § 5 Rz 241 f.). Bei
der verbilligten Abgabe der Mobiltelefone handelt es sich um einen
Zuschuss des Mobilfunkunternehmens an den Kunden, der allerdings
nicht in bar ausgezahlt, sondern unmittelbar mit dem Kaufpreis
für das Mobiltelefon verrechnet wird. Der Senat hält es
für geboten, die Vermögensminderungen einerseits durch
baren und andererseits durch mittels Preisreduzierung
„verdeckten“ Zuschuss im Hinblick auf die
Rechnungsabgrenzung gleich zu behandeln.
|
|
|
10
|
Dass sich die Höhe des RAP im
letztgenannten Fall nach dem Differenzbetrag zwischen den
auszubuchenden Anschaffungskosten der Telefone und den
vereinnahmten Verkaufserlösen - d.h. nach dem durch den
verbilligten Verkauf von der Klägerin realisierten Verlust -
richtet, hindert dessen Aktivierung nicht. Ein RAP soll kein
Wirtschaftsgut abbilden, sondern nur dazu dienen, die
Gewinnauswirkung eines Vorgangs durch einen bilanztechnischen
Gegenposten zu neutralisieren (vgl. z.B. Blümich/Buciek,
§ 5 EStG Rz 654, m.w.N.). Auch bei einem Disagio (Damnum)
bemisst sich der vom Darlehensnehmer zu aktivierende RAP anhand
eines Unterschiedsbetrags, nämlich jenem zwischen dem
Rückzahlungsbetrag und dem Verfügungsbetrag (BFH-Urteil
vom 20.11.1969 IV R 3/69, BFHE 97, 418, BStBl II 1970, 209 = SIS 70 01 16). Lässt man mit dem Vorstehenden eine Sachleistung als
„Ausgabe“ zu, spricht somit nichts dagegen, zur
Bemessung des RAP den die Vermögensminderung
ausdrückenden Saldo aus Anschaffungskosten und
Verkaufserlös zugrunde zu legen.
|
|
|
11
|
b) Der Senat hält es weiterhin für
zutreffend, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung der
subventionierte Kaufvertrag über das Mobiltelefon und der
zeitraumbezogene Mobilfunkdienstleistungsvertrag (MFD-Vertrag)
trotz formalrechtlicher Selbständigkeit beider Verträge
sowohl aus Sicht des Mobilfunkunternehmens als auch aus der des
Kunden in einer Weise miteinander verknüpft sind, dass die
Subventionierung des Telefonverkaufs durch das Mobilfunkunternehmen
einen Teil der Gegenleistung für das vom Kunden in der Folge
24 Monate lang zu entrichtende Mobilfunkentgelt bildet. Allerdings
reicht diese Verknüpfung nicht so weit, diese Subventionierung
als Teil der (vom Kunden noch nicht geleisteten) künftigen
Entgelte für die Mobilfunkdienstleistungen aufzufassen (s.
insoweit Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., § 9
Rz 205). Vielmehr ist die 24-monatige Bindung an das
Mobilfunkunternehmen für den Kunden der
„Preis“ für die Möglichkeit, das
Mobiltelefon für ein geringes Entgelt zu erwerben. Das
Mobilfunkunternehmen gewährt die Subvention in der jedenfalls
im Rahmen einer Durchschnittsbetrachtung gerechtfertigten
Erwartung, dass sie sich durch den kontinuierlichen Ertrag aus dem
MFD-Vertrag amortisiert (s. auch Hermann/Potthast, Computer und
Recht - CR - 2012, 10, 11 f., 15). Dies rechtfertigt es, die vor
dem Bilanzstichtag abgeflossenen Subventionen i.S. von § 5
Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG 1990 als Aufwand „für eine
bestimmte Zeit“ nach diesem Zeitpunkt anzusehen.
|
|
|
12
|
Wie bereits in dem Senatsbeschluss in BFHE
228, 533, BStBl II 2010, 739 = SIS 10 14 76 ausgeführt, gilt
diese Beurteilung unabhängig davon, ob der Mobilfunkkunde im
Falle einer vorzeitigen Beendigung des MFD-Vertrags verpflichtet
wäre, der Klägerin die Subvention zeitanteilig
zurückzuerstatten (vgl. aber zur Diskussion um eine
zivilrechtliche Verknüpfung beider Verträge im
Zusammenhang mit Leistungsstörungen, Widerrufsrechten oder
Nichtigkeitsfolgen z.B. Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom
12.10.2007 12 C 169/07; Limbach, Zeitschrift für das gesamte
Schuldrecht 2009, 206 ff.; Hermann/Potthast, CR 2012, 10 ff.). Denn
jedenfalls ist nicht zu ersehen, dass die Möglichkeit der
vorzeitigen Beendigung der Mobilfunkverträge für die
Klägerin und ihre Kunden bei Vertragsschluss tatsächlich
von praktischer Bedeutung gewesen ist. Das Kriterium der
tatsächlichen Relevanz der Möglichkeit einer vorzeitigen
Vertragsbeendigung bei der Beurteilung einer Leistung als
Vorleistung im Rahmen eines schwebenden Geschäfts hat der
Senat in weiteren Entscheidungen bestätigt (Senatsurteile vom
22.6.2011 I R 7/10, BFHE 234, 168, BStBl II 2011, 870 = SIS 11 28 13; vom 27.7.2011 I R 77/10, BFHE 234, 301, BStBl II 2012, 284 =
SIS 11 34 07); er hält daran auch für den Streitfall
fest.
|
|
|
13
|
c) Bei dem sonach zu aktivierenden RAP handelt
es sich entgegen der Sichtweise der Klägerin nicht um einen
Posten mit antizipativem Charakter.
|
|
|
14
|
aa) Allerdings kommen RAP nur für sog.
transitorische Posten in Betracht, das sind (in Bezug auf aktive
RAP) solche, in denen die Ausgabe, wie vom Tatbestand des § 5
Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG 1990 verlangt, vor dem Abschlussstichtag
abfließt, der diesbezügliche Aufwand wirtschaftlich aber
einem bestimmten Zeitraum nach dem Abschlussstichtag zuzuordnen
ist. Im Gegensatz dazu stehen antizipative Posten, das sind
Ausgaben/Einnahmen des folgenden Jahres, die als Aufwand/Ertrag des
abgelaufenen Jahres anzusehen sind. In diesen Fällen scheidet
die Bildung von RAP aus; vielmehr sind bei Vorliegen der dafür
maßgeblichen Voraussetzungen Forderungen (vorzeitiger Ertrag)
oder Verbindlichkeiten bzw. Rückstellungen (vorzeitiger
Aufwand) auszuweisen (R 5.6 der Einkommensteuer-Richtlinien 2008;
Blümich/Buciek, § 5 EStG Rz 655; Crezelius in Kirchhof,
EStG, 12. Aufl., § 5 Rz 86; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O.,
§ 5 Rz 244; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht,
9. Aufl., § 4 VI.1, S. 136 f.).
|
|
|
15
|
bb) Nach den vorstehenden Kriterien hat der im
Streitfall zu aktivierende RAP transitorischen Charakter (ebenso
Hermann/Potthast, CR 2012, 10, 13 ff.). Zwar erscheint die Abgabe
des Telefons bei isolierter Sicht auf den Kaufvertrag über das
Mobilfunktelefon zunächst als Aufwand des laufenden
Geschäftsjahrs aus dem Kaufvertrag. Bei der nach den obigen
Ausführungen gebotenen Betrachtung von Kaufvertrag und
MFD-Vertrag als wirtschaftliche Einheit ergibt sich jedoch der
transitorische Charakter des Postens: Die
„Ausgabe“ in Form der Subvention des
Mobiltelefons als eine Art Vorabentgelt der Klägerin ist vor
dem Bilanzstichtag 31.12.1996 abgeflossen, wohingegen der
diesbezügliche Aufwand der über den Bilanzstichtag
hinausgehenden Gesamtlaufzeit der MFD-Verträge zuzuordnen ist,
während derer in Form eines Teils der Mobilfunkgebühren
sukzessive die Gegenleistung der Mobilfunkkunden für die
Subvention erbracht wird.
|
|
|
16
|
cc) Der Senat teilt nicht die Auffassung der
Klägerin, der zufolge ein transitorischer Posten nur vorliegen
könne, wenn die (zeitraumbezogene) Gegenleistung zu der
„Ausgabe“ in einer den jeweiligen Vertrag
kennzeichnenden Sach-, Dienstleistungs- oder
Gebrauchsüberlassungspflicht bestehe, nicht aber dann, wenn es
sich dabei um eine Geldleistungspflicht handele. Die für die
RAP-Tatbestände maßgebliche zeitliche Zuordnung von
einerseits der Ausgabe oder Einnahme und andererseits des Aufwands
bzw. Ertrags hängt nicht mit der Unterscheidung von
Geldleistungspflichten und Sachleistungspflichten als vertraglichen
Primärpflichten zusammen. Zwar sind die
„klassischen“ Fälle von RAP solche von
vorausgezahlten Entgeltleistungen für Sach-, Dienstleistungs-
oder Gebrauchsüberlassungspflichten. Das rührt daher,
dass der typische Fall der „Ausgabe/Einnahme“
die Auszahlung oder Überweisung von Geld ist und Geldzahlungen
in den meisten Fällen (nur) diejenige Vertragsseite leistet,
die nicht die dem Vertrag das Gepräge gebende Sachleistung zu
erbringen hat. Steht jedoch wie im Streitfall eine getätigte
Ausgabe im Rahmen eines komplexen Pflichtengeflechts aus zwei
wirtschaftlich zusammenhängenden Verträgen in einem
zumindest wirtschaftlichen Gegenseitigkeitsverhältnis zu einer
noch zu erbringenden zeitraumbezogenen Verpflichtung der anderen
Vertragsseite, kommt dem die Ausgabe abbildenden aktiven RAP nicht
deshalb ein antizipativer Charakter zu, weil die Gegenleistung in
einer Geldleistungspflicht besteht, mit der außerdem noch
eine Dienstleistung des Bilanzierenden abgegolten wird.
|
|
|
17
|
d) Der Hinweis der Klägerin auf den
Umstand, dass die Forderungen der Klägerin aus dem MFD-Vertrag
zum Bilanzstichtag noch nicht realisiert bzw. aufschiebend bedingt
waren, geht fehl. Denn der Senat befürwortet nicht die
Aktivierung von Gebührenforderungen aus dem MFD-Vertrag,
sondern eine periodengerechte Abbildung der im Streitjahr von der
Klägerin verausgabten Subventionen nach Maßgabe des
§ 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG 1990.
|
|
|
18
|
e) Für die von der Klägerin
geforderte nochmalige Anrufung des Großen Senats des BFH
besteht kein Anlass. Der Senat weicht mit der dargestellten
Auffassung nicht i.S. von § 11 Abs. 2 FGO von der
Rechtsprechung eines anderen Senats des BFH ab. Es ist nicht
ersichtlich, dass die im Streitfall relevanten Fragen im
Zusammenhang mit der Bildung von RAP in entscheidungserheblicher
Weise Gegenstand von BFH-Entscheidungen gewesen sind. Das gilt
sowohl für die Frage, ob auch Sachleistungen Ausgaben i.S. von
§ 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG 1990 sein können als auch
für die Problematik, ob und unter welchen Voraussetzungen die
Bildung von RAP in Betracht kommt, wenn bei zwei wirtschaftlich
zusammenhängenden gegenseitigen Verträgen der Abschluss
des einen Vertrags durch die eine Vertragsseite bezuschusst und
dieser Zuschuss mit den zu erwartenden (Entgelt-)Leistungen der
anderen Vertragsseite aus dem zweiten, zeitraumbezogenen Vertrag
„quer“-finanziert wird.
|
|
|
19
|
Soweit die von der Klägerin aufgelisteten
BFH-Entscheidungen, in denen aktive RAP bejaht worden sind,
ausschließlich zu den „klassischen“
Konstellationen ergangen sind, in denen eine Ausgabe als
Vorabentgelt für eine künftige Sach-, Dienstleistungs-
oder Gebrauchsüberlassung zu beurteilen war, lässt sich
diesen nicht - schon gar nicht in entscheidungserheblicher Weise -
entnehmen, dass die Bildung von aktiven RAP zwingend ausscheidet,
wenn die zeitraumbezogene Gegenleistung in einer
Geldleistungspflicht besteht.
|
|
|
20
|
3. Fehler des FA oder der Vorinstanz bei der
Bemessung des Betrags, der aufgrund der verbilligten Abgabe der
Mobiltelefone im Streitjahr zum Bilanzstichtag eingetretenen
Vermögensminderungen hat die Klägerin nicht geltend
gemacht und sind auch für den Senat nicht ersichtlich.
|