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I. Die Beteiligten streiten um die Frage,
ob aus dem Verkauf von 10.000 Aktien der F-AG im Jahr 2002 ein
geldwerter Vorteil bei den Einkünften des Klägers und
Revisionsklägers (Kläger) aus selbständiger Arbeit
anzusetzen ist.
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Der Kläger und seine Ehefrau, die
Klägerin und Revisionsklägerin, werden zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war Vorstand des
Aufsichtsrats der nicht börsennotierten F-AG, die im Jahr 2000
im Zuge eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms neue Aktien
ausgegeben hat. Zum Erwerb waren Mitarbeiter und
Aufsichtsratsmitglieder der F-AG berechtigt. Der Kläger erwarb
2000 insgesamt 10.000 Aktien zum Stückpreis von 11,50 EUR. Ihm
war vertraglich die Möglichkeit eingeräumt, die von ihm
gezeichneten Aktien bis zum 31.12.2002 zum Ausgabekurs an die F-AG
zurückzugeben. Von dieser Möglichkeit machte der
Kläger Gebrauch. Nach einer Außenprüfung kam der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) zu dem
Schluss, im Zeitpunkt der Rückgabe hätten die Aktien nur
noch einen Wert von 4 EUR je Stück besessen.
Demgemäß ermittelte das FA für den Kläger
einen geldwerten Vorteil von 75.000 EUR und änderte die unter
Vorbehalt der Nachprüfung erfolgte Veranlagung für das
Streitjahr entsprechend, wobei das FA den geldwerten Vorteil bei
den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger
Arbeit ansetzte.
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Den dagegen eingelegten Einspruch wies das
FA in der Sache als unbegründet zurück; es erfasste indes
den geldwerten Vorteil nunmehr bei den Einkünften des
Klägers aus selbständiger Arbeit.
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Die dagegen erhobene Klage hatte nur
teilweise Erfolg. Im erstinstanzlichen Verfahren einigten sich die
Beteiligten auf einen Wert der Aktien zum Zeitpunkt der
Rückgabe von 6 EUR (geldwerter Vorteil des Klägers daher
nur 5,50 EUR je Aktie). Das Finanzgericht (FG) setzte unter
Zugrundelegung dieses Wertes einen geldwerten Vorteil von 55.000
EUR an und wies die Klage im Übrigen ab.
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Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung materiellen Rechts (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 des
Einkommensteuergesetzes - EStG - ).
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Die Kläger beantragen, das Urteil des
Niedersächsischen FG vom 3.3.2010 2 K 324/08 aufzuheben und
die Einkommensteuer 2002 unter Änderung des
Einkommensteuerbescheides 2002 vom 3.5.2010 sowie der
Einspruchsentscheidung vom 28.7.2008 so weit herabzusetzen, wie sie
sich bei einer Verminderung der Einkünfte des Klägers aus
selbständiger Arbeit um 55.000 EUR ergibt,hilfsweise, den
Betrag von 55.000 EUR als Einkünfte des Klägers aus
Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m.
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG zu behandeln.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Die Auffassung des FG, der Kläger habe
einen geldwerten Vorteil erlangt, der zu Einnahmen i.S. des §
18 Abs. 1 Nr. 3 EStG führe, weil er die Möglichkeit
gehabt habe, die im Zeitpunkt der Rückübertragung nur mit
6 EUR je Aktie zu bewertenden Papiere zum Ausgabepreis von 11,50
EUR an die F-AG zurück zu übertragen, hält der
revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
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1. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG
zählen Vergütungen für die Tätigkeit als
Aufsichtsratsmitglied zu den Einkünften aus selbständiger
Arbeit. Darunter können auch geldwerte Vorteile fallen, wie
z.B. Sachzuwendungen, sofern diese durch die Tätigkeit des
Klägers als Aufsichtsratsmitglied der F-AG veranlasst sind.
Zutreffend geht das FG insoweit davon aus, dass hinsichtlich des
Umfangs der sachlichen Steuerpflicht von Zuwendungen zwischen den
Einkünften aus selbständiger Arbeit und denen aus
nichtselbständiger Arbeit kein Unterschied besteht. Zwischen
steuerpflichtigen Einnahmen bei den Überschusseinkünften
(§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG) und den gesetzlich nicht definierten
Betriebseinnahmen (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH -
vom 27.5.1998 X R 17/95, BFHE 186, 256, BStBl II 1998, 618 = SIS 98 19 25) besteht jedenfalls Übereinstimmung darin, dass die
Zuwendung von geldwerten Gütern steuerpflichtig ist, sofern
zwischen der Zuwendung und der Einkunftsart ein konkreter
sachlicher und wirtschaftlicher Veranlassungszusammenhang gegeben
ist (BFH-Urteile in BFHE 186, 256, BStBl II 1998, 618 = SIS 98 19 25; vom 22.7.1988 III R 175/85, BFHE 154, 218, BStBl II 1988, 995 =
SIS 88 22 10; in diesem Sinn auch BFH-Urteil vom 18.9.2012 VI R
90/10, BFHE 239, 221, BStBl II 2013, 289 = SIS 13 02 64).
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Für die Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit hat der BFH mehrfach entschieden,
dass zu den Einnahmen aus dieser Einkunftsart alle Güter zu
rechnen sind, die in Geld oder Geldeswert bestehen und die dem
Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis für das
Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeit
zufließen; d.h. der Vorteil muss mit Rücksicht auf das
Dienstverhältnis eingeräumt werden und die Leistung muss
sich im weitesten Sinn als Gegenleistung für das
Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft erweisen
(vgl. nur BFH-Urteil vom 19.6.2008 VI R 4/05, BFHE 222, 353, BStBl
II 2008, 826 = SIS 08 31 17). Ob die Einnahmen auf einem
Leistungsaustausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beruhen,
sie also zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit
zählen, oder ob sie aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer
anderen Einkunftsart oder dem nichtsteuerbaren Bereich zuzurechnen
sind, ist aufgrund einer tatsächlichen Würdigung der
Gesamtumstände des Einzelfalles zu entscheiden, die dem FG als
Tatsacheninstanz obliegt (BFH-Urteile in BFHE 222, 353, BStBl II
2008, 826 = SIS 08 31 17; vom 20.11.2008 VI R 25/05, BFHE 223, 419,
BStBl II 2009, 382 = SIS 09 03 43). Nämliches gilt für
die kapitalmäßige Beteiligung eines Arbeitnehmers am
Unternehmen seines Arbeitgebers; die Beteiligung kann eine
eigenständige Erwerbsgrundlage darstellen, so dass die damit
im Zusammenhang stehenden Einnahmen und Aufwendungen keinen
Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis aufweisen.
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Für die verbilligte Überlassung von
Aktien ist bereits höchstrichterlich entschieden, dass die
Überlassung einen geldwerten Vorteil darstellen und zu
Arbeitslohn führen kann, sofern der Vorteil dem Arbeitnehmer
„für“ seine Arbeitsleistung gewährt
wird, d.h. wenn der Vorteil entsprechend den vorstehend genannten
Grundsätzen durch das individuelle Dienstverhältnis
veranlasst ist (BFH-Urteil vom 1.2.2007 VI R 72/05, BFH/NV 2007,
898 = SIS 07 61 66).
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Da es keine sachliche Rechtfertigung gibt,
insoweit zu unterscheiden, ob Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit oder aus selbständiger
Tätigkeit gegeben sind, gelten die nämlichen
Grundsätze auch dann, wenn Vorteile im Bereich der
Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit gewährt
werden.
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2. Nach diesen Maßstäben ist die
Würdigung des FG, der Kläger habe die ihm gewährten
Vorteile ausschließlich wegen seiner Tätigkeit als
Aufsichtsratsmitglied für die F-AG und damit im Rahmen seiner
Einkünfte aus selbständiger Arbeit erlangt,
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und für den Senat
bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Denn die tatrichterliche
Überzeugungsbildung der Vorinstanz (§ 96 Abs. 1 FGO) ist
nur insoweit revisibel, als Verstöße gegen die
Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine
Erfahrungssätze vorliegen (ständige Rechtsprechung,
Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz
30; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung,
§ 118 FGO Rz 87, m.w.N.). Solche Verstöße sind im
Streitfall nicht erkennbar.
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Nach der zwischen den Beteiligten unstreitigen
vertraglichen Gestaltung hatten lediglich Mitarbeiter der F-AG
sowie Aufsichtsratsmitglieder die Möglichkeit, sich mittels
Aktienerwerbs an der F-AG zu beteiligen; fremde Dritte hatten diese
Möglichkeit nicht, weil das Beteiligungsprogramm allein dazu
dienen sollte, Mitarbeiter und Aufsichtsräte an das
Unternehmen zu binden. Entsprechendes gilt für die
Möglichkeit, die erworbenen Aktien bis zum 31.12.2002 zum
Einstandspreis an die F-AG zurückzugeben; auch diese
Möglichkeit stand nur Mitarbeitern und
Aufsichtsratsmitgliedern der F-AG offen. Diese Möglichkeit der
Rückübertragung ist - wie vom FG zutreffend festgestellt
- letztlich untrennbar mit der Tätigkeit des Klägers als
Vorsitzender des Aufsichtsrats der F-AG verknüpft und damit
Ertrag aus einer Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3
EStG und nicht Ertrag einer Beteiligung.
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Demnach hat der Kläger mit der
Rückgabe der Aktien zum Ausgabepreis von 11,50 EUR, obwohl
deren tatsächlicher Wert im Zeitpunkt der Rückgabe
lediglich 6 EUR betrug, einen - der Höhe nach zwischen den
Beteiligten unstreitigen - geldwerten Vorteil i.S. des § 18
Abs. 1 Nr. 3 EStG von 5,50 EUR je Aktie erlangt. Im Ausgleich des
zwischenzeitlich eingetretenen Wertverlusts der Aktien liegt der
geldwerte Vorteil i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, denn ein
fremder Dritter, dem die Möglichkeit der Rückgabe der
Aktien zum Ausgabepreis nicht eröffnet gewesen wäre,
hätte je Aktie einen Verlust von 5,50 EUR erlitten.
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Zugeflossen ist dieser Vorteil dem Kläger
im Streitjahr, d.h. im Zeitpunkt der Ausübung der Option (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 223, 419, BStBl II 2009, 382 = SIS 09 03 43 zum
Zuflusszeitpunkt bei handelbaren Optionsrechten sowie BFH-Urteil in
BFHE 239, 221, BStBl II 2013, 289 = SIS 13 02 64 zum
Zuflusszeitpunkt von Aktienoptionsrechten für Arbeitnehmer
erst bei Ausübung der Option). Wenn das FG davon ausgeht, der
für den Zufluss beim Kläger im Streitfall
maßgebliche Vorteil von 5,50 EUR pro Aktie sei diesem im
Zeitpunkt der Rückübertragung gewährt worden, d.h.
im Jahr 2002, ist das revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zum
einen handelt es sich beim An- und Verkauf der Aktien um
unterschiedliche Rechtsgeschäfte, die eigene steuerrechtliche
Folgen auslösen. Zum anderen ist dem Kläger der bei den
Aktien eingetretene tatsächliche Wertverlust aufgrund der mit
der F-AG vereinbarten Wertsicherungsklausel im Streitjahr erstattet
worden.
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3. Unbegründet ist auch der Hilfsantrag
der Kläger. Die Auffassung des FG, auf die Gewährung des
steuerpflichtigen geldwerten Vorteils des Klägers finde das
Halbeinkünfteverfahren gemäß § 20 Abs. 2 EStG
a.F. i.V.m. § 3 Nr. 40 Buchst. f EStG a.F. keine Anwendung,
ist revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.
Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG a.F.
gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch
besondere Entgelte oder Vorteile, die neben den in den Abs. 1 und 2
bezeichneten Einnahmen oder an deren Stelle gewährt werden.
§ 3 Nr. 40 Buchst. f EStG a.F. regelt die Steuerfreiheit der
Hälfte der besonderen Entgelte oder Vorteile i.S. des §
20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG a.F., die neben den in § 20 Abs. 1
Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG a.F. bezeichneten
Einnahmen oder an deren Stelle gewährt werden. Zwar ist §
20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG a.F. weit auszulegen und erfasst alle
Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung ein
Entgelt für die Kapitalüberlassung darstellen (BFH-Urteil
vom 21.10.1997 VIII R 18/96, BFH/NV 1998, 582, m.w.N.; vgl. dazu
auch BFH-Urteile vom 6.4.1993 VIII R 68/90, BFHE 172, 25, BStBl II
1993, 825 = SIS 93 20 04; vom 16.3.2010 VIII R 4/07, BFHE 229,
141, BFH/NV 2010, 1527 = SIS 10
19 14). Der hier dem Kläger
erstattete Wertverlust ist indes kein Entgelt, das für eine
Kapitalüberlassung im weitesten Sinne zugeflossen ist. Der
Kläger hat diesen Vorteil nicht erhalten, weil er Aktien der
F-AG gegen Entgelt erworben hat, sondern weil ihm als Mitglied des
Aufsichtsrats der F-AG die Möglichkeit eröffnet werden
sollte, Aktien der F-AG ohne jedes wirtschaftliche Risiko zu
zeichnen. Auch wenn der Vorteil an den Erwerb neuer Aktien
geknüpft ist, steht doch - so auch die zutreffende
Würdigung des FG - im Vordergrund, dass dieser Vorteil
untrennbar mit der persönlichen Eigenschaft des Klägers
als Vorstand des Aufsichtsrats der F-AG verknüpft war.
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