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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) lebt in Deutschland. Er ist arbeitslos und bezieht
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (Arbeitslosengeld II - Alg II - ). Er ist der
Vater des im November 2003 geborenen E, der im Haushalt seiner
Mutter (M) ebenfalls in Deutschland lebt. M ist seit Januar 2006 in
der Schweiz, im Kanton Thurgau, an verschiedenen Schulen
beschäftigt und bei der Schweizerischen Alters- und
Hinterlassenenversicherung sozialversichert. Nach den
Bescheinigungen und Lohnabrechnungen ihrer Schweizer Arbeitgeber
erhielt M ab Januar 2006 Kinder- und Familienzulagen in wechselnder
Höhe.
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Einen von M gestellten Antrag auf deutsches
(Differenz-)Kindergeld lehnte die Beklagte und
Revisionsklägerin (Familienkasse) bestandskräftig
ab.
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Aufgrund eines im Februar 2004 gestellten
Kindergeldantrags erhielt der Kläger ab Geburt von E
zunächst ungekürzt und später gekürztes
(Differenz-)Kindergeld. Nach Vorlage der zur Überprüfung
des zu zahlenden Kindergeldes angeforderten Lohnabrechnungen der M
hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für Januar
2006 teilweise sowie ab Februar 2006 ganz auf und forderte
überzahltes Kindergeld in Höhe von 1.114,44 EUR
zurück. Zur Begründung stellte die Familienkasse darauf
ab, die in der Schweiz gezahlten Zulagen seien höher als das
deutsche Kindergeld. Zu diesem Ergebnis gelangte die Familienkasse,
weil ihrer Ansicht nach nicht nur die Kinderzulage, sondern auch
die Familienzulage auf den Anspruch des Klägers auf
Differenzkindergeld anzurechnen waren.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Die Klage,
mit der der Kläger Kindergeld ab Januar 2006 in Höhe der
Differenz zur Thurgauer Kinderzulage begehrte, hatte insoweit
Erfolg, als das Finanzgericht (FG) die Familienkasse zur erneuten
Bescheidung verpflichtete. Zur Begründung des in EFG 2009, 853
= SIS 09 10 44 veröffentlichten Urteils stellte das FG im
Wesentlichen darauf ab, dass es sich bei der streitigen
Familienzulage - anders als bei der Kinderzulage - nicht um eine
von dem Kanton Thurgau geschuldete „Familienleistung“
i.S. des Art. 1 Buchst. u Ziff. i der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71
des Rates vom 14.6.1971 über die Anwendung der Systeme der
sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie
deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu-
und abwandern (VO Nr. 1408/71), in der durch die Verordnung (EG)
Nr. 118/97 des Rates vom 2.12.1996 (VO Nr. 118/97) geänderten
und aktualisierten Fassung, diese wiederum geändert durch die
Verordnung (EG) Nr. 647/2005 des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 13.4.2005 (VO Nr. 647/2005), handele. Diese sei als
freiwillige kinderbezogene Arbeitgeberleistung Teil der Besoldung
und werde nicht als staatliche Leistung der Allgemeinheit gezahlt.
Der Kindergeldanspruch des Klägers ruhe somit nur in Höhe
der Differenz zur Kinderzulage des Kantons Thurgau.
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Mit der Revision rügt die
Familienkasse die Verletzung materiellen Rechts. Entgegen den
Ausführungen im FG-Urteil sei die vom Kanton Thurgau gezahlte
Familienzulage eine Familienleistung i.S. des Art. 4 Abs. 1 Buchst.
h i.V.m. Art. 1 Buchst. u der VO Nr. 1408/71 und als solche von
einem in Deutschland zu gewährenden Differenzkindergeld
abzuziehen.
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Die Familienkasse beantragt, das FG-Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung
ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Entgegen
der Auffassung des FG ist auch die Thurgauer Familienzulage auf das
Kindergeld für E anzurechnen.
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1. Der im Streitzeitraum in Deutschland
wohnhafte Kläger erfüllte unstreitig die
Anspruchsvoraussetzungen nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung
(EStG) für seinen ebenfalls in Deutschland lebenden Sohn
E.
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2. Nach den - den Senat gemäß
§ 118 Abs. 2 FGO - bindenden Feststellungen des FG bezog die
in der Schweiz im Kanton Thurgau erwerbstätige M ab Januar
2006 nach dortigem kantonalem Recht zunächst eine
Familienzulage und ab Februar 2006 zudem monatlich eine
Kinderzulage. Grundlage für die Gewährung der Zulagen
sind § 11 Abs. 1 der Verordnung des Großen Rates
über die Besoldung der Lehrkräfte vom 18.11.1998, §
6 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. §§ 18 und 19 der Verordnung des
Großen Rates über die Besoldung des Staatspersonals
(BesoldungsVO) vom 18.11.1998 sowie die maßgeblichen
Vorschriften im Gesetz über die Kinder- und Ausbildungszulagen
vom 29.9.1986.
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a) Das FG ist zunächst zutreffend davon
ausgegangen, dass § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, der die
Anrechnung von im Ausland gewährten, dem Kindergeld
vergleichbaren Leistungen regelt, im Streitfall durch Art. 10 Abs.
1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21.3.1972
über die Durchführung der VO Nr. 1408/71 (VO Nr. 574/72)
in der durch die VO Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten
Fassung, diese wiederum geändert durch die VO Nr. 647/2005,
verdrängt wird.
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aa) In welchem Umfang Leistungen eines anderen
Mitgliedstaats als dem, in dem der Anspruchsberechtigte und seine
Familie wohnen, für dasselbe Kind auf das deutsche Kindergeld
anzurechnen sind, richtet sich auch im Verhältnis zwischen
Deutschland und der Schweiz seit 1.6.2002 - dem Inkrafttreten des
Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren
Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen
Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit
(BGBl II 2001, 810, BGBl II 2002, 1692) - ausschließlich nach
den Antikumulierungsregeln des Gemeinschaftsrechts in der VO Nr.
1408/71 und der VO Nr. 574/72. Ist der Kindergeldanspruch im
Wohnland des Kindes - wie hier im Falle des Wohnlands Deutschland -
nicht von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit
abhängig, ist nicht Art. 76 der VO Nr. 1408/71, sondern Art.
10 der VO Nr. 574/72 anzuwenden.
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bb) Unerheblich für die Anwendung der
Antikumulierungsvorschrift des Art. 10 der VO Nr. 574/72 ist, ob
der Kläger als der nach deutschem Recht Kindergeldberechtigte
die Voraussetzungen des Anhangs I Teil I Buchst. D (ab 2007 Buchst.
E) der VO Nr. 1408/71 erfüllt. Ausreichend ist vielmehr, dass
M in der Schweiz eine Tätigkeit als
„Arbeitnehmer“ i.S. von Art. 1 Buchst. a der VO
Nr. 1408/71 ausübt bzw. dass E
„Familienangehöriger“ der in der Schweiz
tätigen M i.S. von Art. 1 Buchst. f Ziff. i der VO Nr. 1408/71
ist und damit sowohl M als auch E in den persönlichen
Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 fallen (vgl. Urteile des
Gerichtshofs der Europäischen Union - EuGH - vom 14.10.2010
C-16/09, Schwemmer, Slg. 2010, I-9717 = SIS 10 33 42 Rdnr. 38; vom
4.7.1985 C-104/84, Kromhout, Slg. 1985, 2205 Rdnr. 15).
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cc) Da der Kläger - als derjenige, der im
Wohnland des Kindes einen Anspruch auf Familienleistungen hat - in
Deutschland nach den Feststellungen des FG im Streitzeitraum
arbeitslos war und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
(Alg II) bezog, ist Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72
einschlägig.
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Insbesondere ist nicht der -
grundsätzlich vorrangige - Art. 10 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i
der VO Nr. 574/72 anzuwenden. Denn nach dem Beschluss Nr. 207 vom
7.4.2006 der Verwaltungskommission der Europäischen
Gemeinschaften für die soziale Sicherheit der
Wanderarbeitnehmer 2006/442/EG zur Auslegung des Art. 76 und des
Art. 79 Abs. 3 VO Nr. 1408/71 sowie des Art. 10 Abs. 1 VO Nr.
574/72 bezüglich des Zusammentreffens von Familienleistungen
oder –beihilfen (Amtsblatt der Europäischen Union 2006
Nr. L 175, S. 83) wird eine Berufstätigkeit i.S. des Art. 10
Abs. 1 der VO Nr. 574/72 bei einer vorübergehenden
Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wegen Arbeitslosigkeit nur
ausgeübt, solange ein Arbeitsentgelt oder andere Leistungen
als Renten im Zusammenhang mit diesem Versicherungsfall zu zahlen
sind (vgl. Nr. 2 Buchst. b Ziff. i des
Verwaltungskommissionsbeschlusses Nr. 207). Dies ist bei dem von
dem Kläger bezogenen Alg II nicht der Fall. Denn bei diesem
handelt es sich um besondere beitragsunabhängige
Geldleistungen i.S. der Art. 4 Abs. 2a und Art. 10a der VO Nr.
1408/71, nicht jedoch um eine Leistung bei Arbeitslosigkeit
gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. g der VO Nr. 1408/71 (vgl.
Anhang II A Teil D (ab 2007 Buchst. E) der VO Nr. 1408/71). Mangels
Bezug zu einer früheren Erwerbstätigkeit hat das Alg II
keine an den bisherigen Verdienst anknüpfende
Entgeltersatzfunktion (vgl. auch Urteil des Bundessozialgerichts
vom 18.1.2011 B 4 AS 14/10 R, BSGE 107, 206).
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dd) Nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr.
574/72 ruht der Anspruch auf Familienleistungen im Wohnland bis zur
Höhe der während desselben Zeitraums für dasselbe
Familienmitglied allein aufgrund der innerstaatlichen
Rechtsvorschriften des Beschäftigungslandes oder nach Art. 73
ff. der VO Nr. 1408/71 geschuldeten Leistungen. Hieraus ergibt
sich, dass die Leistungen, die in einem anderen als dem
Mitgliedstaat, in dem das Kind wohnt, entweder allein aufgrund der
innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder u.a. nach Art. 73 der VO
Nr. 1408/71 geschuldet werden, den nach den Rechtsvorschriften des
Mitgliedstaats, in dem dieses Kind wohnt, geschuldeten Leistungen
vorgehen, so dass diese ausgesetzt werden (vgl. EuGH-Urteil
Schwemmer in Slg. 2010, I-9717 Rdnr. 48).
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b) Entgegen der Ansicht des FG ist nicht nur
die Thurgauer Kinderzulage, sondern auch die Thurgauer
Familienzulage eine Familienleistung, die den Kindergeldanspruch
des Klägers mindert.
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aa) Familienleistungen werden in Art. 1
Buchst. u Ziff. i der VO Nr. 1408/71 definiert als alle Sach- oder
Geldleistungen, die zum Ausgleich von Familienlasten im Rahmen der
in Art. 4 Abs. 1 Buchst. h der VO Nr. 1408/71 genannten
Rechtsvorschriften bestimmt sind, mit Ausnahme von Geburts- oder
Adoptionsbeihilfen. Nach Art. 4 Abs. 1 der VO Nr. 1408/71 fallen in
den sachlichen Geltungsbereich der Verordnung alle
Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, welche
die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a bis h der VO Nr. 1408/71
aufgeführten Leistungsarten betreffen. Dazu gehören die
in Buchst. h aufgeführten Familienleistungen.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des
EuGH hängt die Unterscheidung zwischen Leistungen, die vom
Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 ausgeschlossen sind, und
solchen, die darunter fallen, im Wesentlichen von den grundlegenden
Merkmalen der jeweiligen Leistung ab, insbesondere von ihrem Zweck
und den Voraussetzungen ihrer Gewährung, nicht dagegen davon,
ob eine Leistung von den nationalen Rechtsvorschriften als eine
Leistung der sozialen Sicherheit eingestuft wird. Eine Leistung
kann deshalb dann als Leistung der sozialen Sicherheit betrachtet
werden, wenn sie den Empfängern unabhängig von jeder auf
Ermessensausübung beruhenden Einzelfallbeurteilung der
persönlichen Bedürftigkeit aufgrund einer gesetzlich
umschriebenen Stellung gewährt wird und sich auf eines der in
Art. 4 Abs. 1 der VO Nr. 1408/71 ausdrücklich
aufgezählten Risiken bezieht (z.B. EuGH-Urteile vom 16.7.1992
C-78/91, Hughes, Slg. 1992, I-4839 Rdnrn. 14 und 15; vom 10.10.1996
C-245/94 und C-312/94, Hoever und Zachow, Slg. 1996, I-4895 Rdnrn.
17 und 18; vom 15.3.2001 C-85/99, Offermanns, Slg. 2001, I-2261
Rdnr. 28).
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„Familienleistungen“ sollen
dabei dazu dienen, Arbeitnehmer mit Familienlasten dadurch sozial
zu unterstützen, dass sich die Allgemeinheit an diesen Lasten
beteiligt (vgl. EuGH-Urteile Kromhout in Slg. 1985, 2205 Rdnr. 14;
Offermanns in Slg. 2001, I-2261 Rdnr. 38). Der Ausdruck
„Ausgleich von Familienlasten“ in Art. 1 Buchst.
u Ziff. i der VO Nr. 1408/71 erfasst folglich einen staatlichen
Beitrag zum Familienbudget, der die Kosten des Unterhalts von
Kindern verringern soll (EuGH-Urteile Offermanns in Slg. 2001,
I-2261 Rdnr. 41; vom 7.11.2002 C-333/00, Maaheimo, Slg. 2002,
I-10087 Rdnr. 25). Wie der Mitgliedstaat die Leistung
rechtstechnisch ausgestaltet, ist unerheblich (EuGH-Urteil
Offermanns in Slg. 2001, I-2261 Rdnr. 46).
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bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze
fällt auch die streitige Thurgauer Familienzulage unter die VO
Nr. 1408/71, da sie aufgrund von Rechtsvorschriften über
Zweige der sozialen Sicherheit gewährt wird, die
Familienleistungen betreffen.
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(1) Davon, dass es sich bei der Thurgauer
Familienzulage um eine Leistung der sozialen Sicherheit handelt,
ist auch das FG ausgegangen.
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(2) Die Thurgauer Familienzulage dient jedoch
auch dazu, die Familienlasten i.S. von Art. 1 Buchst. u Ziff. i der
VO Nr. 1408/71 auszugleichen. Unerheblich ist, dass es sich
insoweit nach Kantonsrecht um einen Teil der Besoldung handelt, da
die Rechtsnatur einer Leistung nach nationalem Recht für die
Frage, ob die Leistung in den sachlichen Geltungsbereich der VO Nr.
1408/71 fällt, ohne Belang ist (vgl. EuGH-Urteile Hughes in
Slg. 1992, I-4839 Rdnr. 14; Hoever und Zachow in Slg. 1996, I-4895
Rdnr. 17). Dass eine Leistung dem nationalen Familienrecht
zuzurechnen ist, ist folglich für die Beurteilung ihrer
grundlegenden Merkmale nicht entscheidend (EuGH-Urteil Offermanns
in Slg. 2001, I-2261 Rdnr. 37). Die systematische Einordnung im
Thurgauer Rechtsbuch ist ohne Belang.
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Entscheidend ist vielmehr, dass der
Große Rat des Kantons Thurgau die Familienzulage als
Unterstützung für familiäre Lasten und damit als
Zusatz zur Kinderzulage ansieht (vgl. Seiten 26 und 4 der
Protokolle des Großen Rates vom 16. und 30.8.2006, betreffend
die Änderung der BesoldungsVO; www.parlament.tg.ch). Auch wenn
es sich um einen Besoldungsbestandteil handelt, führt die
Zahlung gleichwohl unmittelbar zu einer Verbesserung der
Liquidität des Familienbudgets und damit des Lebensstandards
der Familie. Dieser durch Abmilderung der finanziellen Belastung
gegebene enge Zusammenhang (vgl. hierzu EuGH-Urteil Maaheimo in
Slg. 2002, I-10087 Rdnr. 26) zwischen den Familienlasten eines
Kantonsbediensteten und der Thurgauer Familienzulage ist
ausreichend.
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cc) Die Einholung einer Vorabentscheidung des
EuGH nach Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise
der Europäischen Union zur Auslegung des Begriffs
„Familienleistung“ ist nicht erforderlich. Zu
dem Begriff „Familienleistung“ besteht bereits
eine gesicherte Rechtsprechung des EuGH (Senatsurteil vom 17.4.2008
III R 36/05, BFHE 221, 50, BStBl II 2009, 921 = SIS 08 28 83, unter
II.4.). Es bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass die
Thurgauer Familienzulage die vom EuGH vorgegebenen Kriterien
erfüllt.
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3. Damit kann die Frage dahinstehen, ob der
Anspruch des Klägers wegen § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG auch
deshalb zu verneinen ist, weil E nach den - den Senat
gemäß § 118 Abs. 2 FGO - bindenden Feststellungen
des FG in den Haushalt der M aufgenommen ist und diese im Hinblick
auf die Fortentwicklung der Rechtsprechung des EuGH (vgl.
insbesondere Urteile vom 20.5.2008 C-352/06, Bosmann, Slg. 2008,
I-3827 = SIS 08 27 55; vom 12.6.2012 C-611/10, Hudzinski, noch
nicht veröffentlicht) trotz ihres Anspruchs auf
Familienleistungen nach dem Recht des Kantons Thurgau gleichwohl im
Wohnland Deutschland möglicherweise ebenfalls
anspruchsberechtigt ist (vgl. auch das Vorabentscheidungsersuchen
des Senats vom 22.12.2011 III R 32/05, BFHE 236, 131 = SIS 12 07 32).
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4. Die Familienkasse war nach § 70 Abs. 2
EStG und § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) dazu
berechtigt, die Kindergeldfestsetzung rückwirkend für
Januar 2006 teilweise und ab Februar 2006 in vollem Umfang
aufzuheben. Die Rückforderung des zu viel gezahlten
Kindergeldes (§ 37 Abs. 2 AO) ist der Höhe nach nicht zu
beanstanden.
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