1
|
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) hat auf einem im Randgebiet des Hamburger Hafens
liegenden schiffbaren Kanal eine aus drei Schwimmkörpern
(„Terrasse“, „Lounge“ und
„Conference“) und einem Pfahlbau („Foyer“)
bestehende und als gastronomisches Event- und Konferenzzentrum
genutzte Anlage errichtet. Für diese ca. 450 qm große
Anlage ist der Klägerin durch die zuständige
Wasserbehörde eine Sondernutzungsgenehmigung als sog. Lieger
i.S. des § 2 Nr. 12 der Hamburger Hafenverkehrsordnung -
HfVerkO HA - vom 12.7.1979 (HmbGVBl. 1979, 227) erteilt worden. Die
Anlage ist durch bewegliche Versorgungsleitungen mit dem Festland
verbunden.
|
|
|
2
|
Der Pfahlbau, dessen Pfähle unter dem
Wasser im Kanalgrund stehen, dient dem Hauptzugang zu den
beiderseits liegenden Schwimmkörpern. Er ist überdacht
und mit Wandkonstruktionen zur Kanalmitte sowie zur Eingangs- und
Uferseite hin versehen und mit den Schwimmkörpern durch
selbstnivellierende Treppenanlagen verbunden. Der Hauptzugang vom
Kai zum Pfahlbau erfolgt über eine unbewegliche und fest
montierte offene Brücke („Gangway“).
|
|
|
3
|
Die beidseitig neben dem Pfahlbau liegenden
Schwimmkörper „Lounge“ und
„Conference“ sind Stahlbeton-Konstruktionen mit
gedeckten Aufbauten; sie erhalten ihren Auftrieb durch nach unten
zugängliche Rümpfe.
|
|
|
4
|
Der Schwimmkörper
„Terrasse“ ist mit dem Schwimmkörper
„Lounge“ durch einen beweglichen Übergang und
ferner mit dem Kanalufer durch eine bewegliche Gangway verbunden.
Er ist ein Stahlponton mit nach innen geschlossenen Hohlräumen
und auf seiner Oberseite als eine mit Windschutz und Geländer
eingefasste Plattform gestaltet.
|
|
|
5
|
Die Befestigung der Schwimmkörper
erfolgt, zusätzlich zu derjenigen am Pfahlbau, durch weitere
Befestigungen an sog. „Dalben“ (d.h. in den Hafengrund
eingerammten Pfählen) sowie durch Dalbenschlösser, so
dass den Schwimmkörpern nur eine durch Wasserstand, Wellen,
Gewichtsbelastung und Winddruck bedingte vertikale, nicht jedoch
eine horizontale Positionsänderung möglich ist.
|
|
|
6
|
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) stellte mit Bescheid vom 24.3.2009 den
Einheitswert für die Anlage als Geschäftsgrundstück
- Gebäude auf fremdem Grund und Boden - auf den 1.1.2009 auf
148.939 EUR fest, wobei es eine Wertzahl von 80 % für
übrige Geschäftsgrundstücke/ Nachkriegsbauten
zugrunde legte. Für den Pfahlbau ermittelte das FA einen
Gebäudesachwert von 11.475 DM und den Wert der zum Pfahlbau
führenden unbeweglichen Gangway mit 1.050 DM. Der Einspruch
blieb erfolglos.
|
|
|
7
|
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage
teilweise statt, wobei es die Gebäudeeigenschaft lediglich
für den Pfahlbau bejahte. Dessen Einheitswert minderte das FG
entsprechend einer von den Beteiligten erzielten tatsächlichen
Verständigung um einen zusammengefassten Abschlag von 30 %.
Das FG bezog ferner als Außenanlage die zum Pfahlbau
führende unbewegliche Gangway mit dem vom FA festgestellten
Einheitswert ein und bestimmte für den Gesamtgebäudewert
und den Gesamtwert der Außenanlage die Wertzahl von 70 %
für Hotels. Den Schwimmkörpern fehle es hingegen an einer
festen Verbindung mit dem Grund und Boden. Die Eigenschwere der
Schwimmkörper werde nicht auf den darunter liegenden Grund und
Boden abgeleitet; die Befestigung der Schwimmkörper betreffe
nur die je nach Wind, Strom und Wellen zeitweise horizontal bzw.
seitlich wirkenden Kräfte, während die Schwimmkörper
vertikal mobil blieben. Aus den beweglichen Versorgungsleitungen
ergebe sich keine feste Verbindung mit dem Grund und Boden. Auch
eine jahrelange stationäre Nutzung lasse die Eigenschaft als
Schwimmkörper unberührt. Zudem sei bei einer auf dem
Wasser schwimmenden Anlage die für ein Gebäude
erforderliche Standfestigkeit von vornherein nicht gegeben. Das
Urteil ist in EFG 2010, 1289 = SIS 10 19 89
veröffentlicht.
|
|
|
8
|
Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung des § 68 Abs. 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes
(BewG). Die Anlage erfülle als sog. Lieger aufgrund des
äußeren Erscheinungsbildes sowie der äußeren
und inneren Beschaffenheit und Ausgestaltung alle Merkmale eines
Gebäudes. Die Anlage gewähre Menschen oder Sachen durch
räumliche Umschließung Schutz gegen äußere
Einflüsse, gestatte den nicht nur vorübergehenden
Aufenthalt von Menschen und sei von einiger Beständigkeit. Die
Anlage sei aufgrund der Dalben und Dalbenschlösser auch
mittelbar fest mit dem Grund und Boden verbunden. Eine noch festere
Verbindung mit dem Grund und Boden sei unter den gegebenen
Voraussetzungen mit der zur Bauzeit zur Verfügung stehenden
Technik nicht möglich gewesen. Die Anlage sei entsprechend
ihrer Konstruktion und der Beschaffenheit der Baumaterialien
überdies von einiger Beständigkeit. Auch die
Standfestigkeit sei gegeben, da die Konstruktion statische
Anforderungen erfülle und Kippstabilität sowie einen
hinreichenden Schutz gegen Tidenhub, Eis und Treibgut
gewährleiste.
|
|
|
9
|
Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung
der Vorentscheidung - soweit nicht die Wertfeststellungen für
den Pfahlbau sowie die zu ihm führende Gangway betroffen sind
- abzuweisen.
|
|
|
10
|
Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
11
|
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zutreffend die
Schwimmkörper mit den auf ihnen ruhenden Aufbauten nicht als
der Einheitsbewertung unterliegende Gebäude beurteilt und
demgemäß nicht in die wirtschaftliche Einheit des als
Gebäude auf fremdem Grund und Boden zu behandelnden Pfahlbaus
einbezogen.
|
|
|
12
|
1. Nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG
gehören zum Grundvermögen außer dem Grund und Boden
auch die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das
Zubehör. Gemäß § 70 Abs. 3 BewG gilt als
Grundstück im Sinne des Bewertungsgesetzes auch ein
Gebäude, das auf fremdem Grund und Boden errichtet oder in
sonstigen Fällen einem anderen als dem Eigentümer des
Grund und Bodens zuzurechnen ist, selbst wenn es wesentlicher
Bestandteil des Grund und Bodens geworden ist.
|
|
|
13
|
a) Bewertungsrechtlich ist ein Gebäude
ein Bauwerk, das durch räumliche Umschließung Schutz
gegen äußere Einflüsse gewährt, den nicht nur
vorübergehenden Aufenthalt von Menschen gestattet, fest mit
dem Grund und Boden verbunden sowie von einiger Beständigkeit
und standfest ist (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
27.11.1991 II R 12/89, BFHE 166, 387, BStBl II 1992, 298 = SIS 92 06 02; vom 25.4.1996 III R 47/93, BFHE 180, 506, BStBl II 1996, 613
= SIS 96 21 25; vom 15.6.2005 II R 67/04, BFHE 210, 52, BStBl II
2005, 688 = SIS 05 30 97; vom 9.7.2009 II R 7/08, BFH/NV 2009, 1609
= SIS 09 29 29, ständige Rechtsprechung).
|
|
|
14
|
b) Die feste Verbindung mit dem Boden ist
zunächst dann gegeben, wenn einzelne oder durchgehende
Fundamente vorhanden sind, das Bauwerk auf diese gegründet und
dadurch mit dem Boden verankert ist (BFH-Urteil vom 10.6.1988 III R
65/84, BFHE 154, 143, BStBl II 1988, 847 = SIS 88 18 19, m.w.N.).
Befindet sich das Bauwerk auf einem Fundament, so ist es
unerheblich, ob es mit diesem fest verbunden ist (vgl. BFH-Urteile
vom 3.3.1954 II 44/53 U, BFHE 58, 575, BStBl III 1954, 130 = SIS 54 00 72; vom 18.6.1986 II R 222/83, BFHE 147, 262, BStBl II 1986, 787
= SIS 86 19 18, und in BFHE 154, 143, BStBl II 1988, 847 = SIS 88 18 19). Für die Annahme eines Fundaments genügt jede
gesonderte (eigene) Einrichtung, die eine feste Verbindung des
aufstehenden „Bauwerks“ mit dem Grund und Boden
bewirkt (BFH-Urteil in BFHE 154, 143, BStBl II 1988, 847 = SIS 88 18 19). Es reicht aus, wenn die feste Verbindung mit dem Grund und
Boden durch eingerammte Holzpfähle hergestellt wird
(BFH-Urteil vom 21.2.1973 II R 140/67, BFHE 109, 156, BStBl II
1973, 507 = SIS 73 02 63).
|
|
|
15
|
c) Ausnahmsweise liegt eine „feste
Verbindung“ auch vor, wenn das Bauwerk lediglich durch
sein Eigengewicht auf dem Grundstück festgehalten wird, sofern
nur dieses Eigengewicht einer Verankerung gleichwertig ist
(BFH-Urteil vom 23.9.1988 III R 67/85, BFHE 155, 228, BStBl II
1989, 113 = SIS 88 24 16 für einen auf lose verlegten
Kanthölzern aufgestellten Container; BFH-Urteil vom 4.10.1978
II R 15/77, BFHE 126, 481, BStBl II 1979, 190 = SIS 79 01 00
für eine Fertiggarage aus Beton). Soweit die Rechtsprechung
für die Gebäudeeigenschaft derartiger Bauwerke
ergänzend auf deren individuelle Zweckbestimmung abstellt
(z.B. BFH-Urteil in BFHE 180, 506, BStBl II 1996, 613 = SIS 96 21 25 m.w.N.), setzt die Gebäudeeigenschaft jedoch unabdingbar
voraus, dass das Gebäude kraft seiner Eigenschwere auf dem
Grund und Boden ruht.
|
|
|
16
|
2. Nach diesen Grundsätzen erfüllt
der ausschließlich auf Schwimmkörpern ruhende Teil der
Anlage der Klägerin nicht die Merkmale eines
Gebäudes.
|
|
|
17
|
a) Einer auf dem Wasser schwimmenden Anlage
fehlt die feste Verbindung mit dem Grund und Boden. Eine solche
Anlage ist mit dem Boden weder durch ein Fundament oder Träger
fest verbunden noch ruht sie kraft ihres Eigengewichts auf dem
Grundstück und erfüllt daher nicht die Merkmale des
Gebäudebegriffs (vgl. auch - zum grunderwerbsteuerrechtlichen
Grundstücksbegriff - Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz,
Kommentar, 9. Aufl., § 2 Rz 28).
|
|
|
18
|
aa) Entgegen der Auffassung des FA reicht es
für die Gebäudeeigenschaft nicht aus, dass eine solche
schwimmende Anlage aufgrund kraftschlüssiger Verbindungen
durch Dalbenschlösser „mittelbar“ fest mit
dem Grund und Boden verbunden ist. Derartige Verbindungen
vermitteln - lediglich - eine positionsgenaue horizontale
„Ortsfestigkeit“ der Anlage, weil die Bewegung
des Wassers keine Veränderung des Standorts herbeiführen
kann. Sie bewirken jedoch nicht, dass die Anlage kraft ihrer
Eigenschwere auf dem Boden ruht. Hierbei sind die für das
Fehlen einer unmittelbaren Verbindung mit dem Boden
maßgebenden (technischen) Gründe unerheblich. Es kommt
insbesondere nicht darauf an, dass - wie das FA vorträgt -
eine noch festere Verbindung mit dem Grund und Boden mit der zur
Bauzeit zur Verfügung stehenden Technik nicht möglich
ist. Hiernach können weder die „gewisse
Ortsfestigkeit“ der Anlage noch ihr äußeres
Erscheinungsbild und ihre äußere und innere
Beschaffenheit und auch nicht ihre Nutzungsdauer, das Vorhandensein
ortsfester Versorgungseinrichtungen (Strom, Wasser, Sielanschluss)
sowie ihre bauordnungsrechtliche Behandlung je für sich allein
oder in ihrer Zusammenschau eine bewertungsrechtliche Beurteilung
als Gebäude begründen (a.A. Gürsching/Stenger,
Bewertungsrecht, § 68 BewG Rz 66). Für den
Gebäudebegriff ist es schließlich auch ohne Bedeutung,
dass die Anlage gemäß § 2 Nr. 12 HfVerkO HA als
sog. Lieger - mit Ausnahme des Falls der Überführung -
nicht als Fahrzeug behandelt wird.
|
|
|
19
|
bb) Auch dem Vorbringen des FA, die
Gebäudeeigenschaft sei unter Berücksichtigung der
Verkehrsanschauung zu bejahen, kann nicht gefolgt werden. Aus
Gründen der Rechtssicherheit und der für den
Gebäudebegriff allein maßgebenden objektiven Merkmale
kann ein Bauwerk, das nicht sämtliche Merkmale eines
Gebäudes aufweist, nicht auf der Grundlage einer
Verkehrsanschauung als Gebäude erfasst werden (BFH-Urteil vom
13.6.1969 III R 132/67, BFHE 96, 365, BStBl II 1969, 612 = SIS 69 03 91; ebenso Gürsching/Stenger, a.a.O., § 68 Rz 27).
|
|
|
20
|
b) Eine auf dem Wasser schwimmende Anlage
erfüllt überdies nicht die Anforderungen der für ein
Gebäude erforderlichen Standfestigkeit. Fehlt einem Bauwerk -
wie hier - schon die feste Verbindung mit dem Grund und Boden,
erfüllt es auch von vornherein nicht die Anforderungen der
Standfestigkeit. Bei einem schwimmenden Bauwerk kann die
Standfestigkeit bei einer fehlenden festen Verbindung mit dem Boden
auch nicht durch eine Konstruktion bewirkt werden, die die
Kippstabilität sowie einen hinreichenden Schutz gegen
Tidenhub, Eis und Treibgut gewährleistet.
|
|
|
21
|
3. Die vom FG für die
Einheitswertfeststellung vorgegebenen Werte für den -
zutreffend - als Gebäude auf fremdem Grund und Boden (§
70 Abs. 3 und § 94 BewG) behandelten Pfahlbau sowie für
die zu ihm führende unbewegliche Gangway als Außenanlage
hat das FA bei sachgerechter Auslegung seines Revisionsantrags
nicht angegriffen. Dies gilt auch für die gemäß
§ 90 BewG anzuwendende Wertzahl von 70 %, deren
Maßgeblichkeit - entsprechend der tatsächlichen
Verständigung der Beteiligten - auf der Eigenschaft der
fraglichen Anlage als Hotelbau beruht. Die Frage der
Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung des
Grundvermögens (dazu BFH-Urteile vom 30.6.2010 II R 60/08,
BFHE 230, 78, BStBl II 2010, 897 = SIS 10 22 27; vom 30.6.2010 II R
12/09, BFHE 230, 93, BStBl II 2011, 48 = SIS 10 22 51) stellt sich
hier demgemäß nicht.
|