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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger), der zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer
veranlagt wird, ist Landwirt. Er ermittelt seinen Gewinn durch
Bestandsvergleich gemäß § 4 Abs. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG). Das Wirtschaftsjahr läuft vom
1. Juli bis 30. Juni.
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Zu der Landwirtschaft des Klägers
gehört auch eine Pensionspferdehaltung. In den von ihm
vorgelegten Bilanzen der Wirtschaftsjahre 2002/03 bis 2004/05 nahm
er für die zum Anlagevermögen zählenden Pferde eine
Gruppenbewertung nach Durchschnittssätzen vor.
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Im Rahmen einer im Jahr 2008
durchgeführten Außenprüfung, die die Jahre 2004 bis
2006 umfasste, versagte der Prüfer die Gruppenbewertung nach
Durchschnittssätzen und setzte stattdessen - erstmalig in der
Bilanz auf den 30.6.2004 - die deutlich höheren Anschaffungs-
oder Herstellungskosten der Pferde an.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) folgte den Prüfungsfeststellungen und
erließ die hier streitigen geänderten
Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 vom 22.9.2008, in denen es
die Einkommensteuer entsprechend erhöhte.
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Die Einsprüche, mit denen der
Kläger geltend machte, die - dem Grunde und der Höhe nach
unstreitige - Bewertung der Pferde mit den Anschaffungs- oder
Herstellungskosten sei bereits in der Bilanz auf den 30.6.2003
durchzuführen, wurden mit Einspruchsentscheidung vom 17.4.2009
zurückgewiesen.
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Der dagegen erhobenen Klage gab das
Finanzgericht (FG) weitaus überwiegend statt. Nach der
Rechtslage vor der Einfügung des Halbsatzes 2 in § 4 Abs.
2 Satz 1 EStG durch das Jahressteuergesetz (JStG) 2007 vom
13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878) sei ein fehlerhafter Bilanzansatz
selbst dann in der ersten noch offenen Bilanz richtigzustellen,
wenn dadurch die auf den vorausgegangenen, aber
bestandskräftig abgeschlossenen Veranlagungszeitraum
entfallende Gewinnerhöhung nicht mehr berücksichtigt
werden könne (Hinweis auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs -
BFH - vom 25.8.2000 IV B 150/99, BFH/NV 2001, 308 = SIS 01 54 16).
Die Bilanzberichtigung sei daher bereits auf den 30.6.2003
vorzunehmen, da - im maßgebenden Zeitpunkt der
mündlichen Verhandlung - erstmalig die
Einkommensteuerfestsetzung 2003 noch änderbar war. Es sei
hinzunehmen, dass der auf das Jahr 2002 entfallende höhere
Gewinnanteil wegen Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzung
2002 nicht besteuert werde. Die Neuregelung in § 4 Abs. 2 Satz
1 Halbsatz 2 EStG hielt das FG im Streitfall für nicht
anwendbar. Sie gelte nach der Anwendungsregel des § 52 Abs. 1
Satz 1 EStG nur für Bilanzberichtigungen, die die
Veranlagungszeiträume ab 2007 betreffen. Die Vorentscheidung
ist in EFG 2010, 397 = SIS 10 02 91 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung von § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG. Die Bilanzberichtigung
sei unter Berücksichtigung der Neuregelung im Halbsatz 2 auf
den 30.6.2004 vorzunehmen. Danach sei eine Bilanzberichtigung nur
noch zulässig, wenn beide Veranlagungen, auf die sich die
Bilanz auswirkt, geändert werden können. Im Streitfall
könnten erstmals die Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004
noch geändert werden, so dass die diesen beiden
Steuerfestsetzungen zugrunde liegende Bilanz auf den 30.6.2004 zu
berichtigen sei. Die Neuregelung sei im Streitfall anzuwenden. Das
JStG 2007 sei gemäß Art. 20 Abs. 6 am 1.1.2007 in Kraft
getreten und damit auf alle ab diesem Tag vorgenommenen
Bilanzberichtigungen anzuwenden, ohne dass es auf den betroffenen
Veranlagungszeitraum ankomme. Die Bilanzberichtigung in § 4
Abs. 2 Satz 1 EStG sei ihrem Wesen nach eine Korrekturvorschrift,
für die die veranlagungszeitraumbezogene Anwendungsregel des
§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht passe.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen
sinngemäß, die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat im Ergebnis zutreffend
entschieden, dass die Bilanzberichtigung nicht auf den 30.6.2004,
sondern auf den 30.6.2003 vorzunehmen war. Die Neuregelung des
§ 4 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG war im Streitfall nicht
anzuwenden.
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1. Nach der Rechtslage bis zur Neuregelung
durch das JStG 2007 waren die Bilanzen auf den 30.6.2003 und nicht
erst auf den 30.6.2004 zu berichtigen.
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a) Der Steuerpflichtige darf gemäß
§ 4 Abs. 2 Satz 1 (Halbsatz 1) EStG die
Vermögensübersicht (Bilanz) auch nach ihrer Einreichung
beim Finanzamt ändern, soweit sie den Grundsätzen
ordnungsgemäßer Buchführung unter Befolgung der
Vorschriften dieses Gesetzes nicht entspricht.
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Bilanzierungsfehler sind grundsätzlich
und vorrangig in der Bilanz des Wirtschaftsjahres zu berichtigen,
in der es zu der fehlerhaften Bilanzierung gekommen ist. Liegt
für das Jahr, in dem es zu der fehlerhaften Bilanzierung
gekommen ist, bereits ein Steuerbescheid vor, der aus
verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr geändert werden
kann, so ist nach dem Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs
(vgl. BFH-Urteil vom 16.5.1990 X R 72/87, BFHE 161, 451, BStBl II
1990, 1044 = SIS 90 22 10, unter 2.b der Gründe) der
unrichtige Bilanzansatz grundsätzlich in der ersten
Schlussbilanz richtigzustellen, in der dies unter Beachtung der
für den Eintritt der Bestandskraft und der Verjährung
maßgeblichen Vorschriften möglich ist (BFH-Urteil vom
10.12.1992 IV R 118/90, BFHE 170, 336, BStBl II 1994, 381 = SIS 93 12 17, unter II.a der Gründe).
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Bei Land- und Forstwirten, die - wie im
Streitfall - ihren Gewinn gemäß § 4a Abs. 1 Satz 2
Nr. 1 EStG abweichend vom Kalenderjahr ermitteln, ist nach der
Rechtslage vor dem JStG 2007 ein fehlerhafter Bilanzansatz selbst
dann in der ersten noch offenen Bilanz richtigzustellen, wenn
dadurch die auf den vorausgegangenen, aber bestandskräftig
abgeschlossenen Veranlagungszeitraum entfallende
Gewinnerhöhung nicht mehr berücksichtigt werden kann.
Auch der Grundsatz der richtigen Erfassung des Totalgewinns
führt nicht dazu, dass die Berichtigung erst in der Bilanz
vorgenommen werden darf, für die die Veranlagungen der beiden
in Betracht kommenden Veranlagungszeiträume noch offen sind
(BFH-Urteil vom 12.11.1992 IV R 59/91, BFHE 170, 217, BStBl II
1993, 392 = SIS 93 09 17, unter 3.b der Gründe; BFH-Beschluss
in BFH/NV 2001, 308 = SIS 01 54 16).
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Maßgebender Zeitpunkt für die
Entscheidung, ob eine Berichtigung an der Fehlerquelle oder in
einem späteren Jahr durchgeführt werden muss, ist die
Einspruchsentscheidung, weil das FA darin abschließend
über die Frage der Bilanzberichtigung befindet (BFH-Urteil vom
8.12.1988 IV R 33/87, BFHE 155, 532, BStBl II 1989, 407 = SIS 89 08 12, unter 4. der Gründe; Leingärtner/ Kanzler,
Besteuerung der Landwirte, Kap. 29, Rz 79). Soweit das FG dagegen
den Zeitpunkt der - im gleichen Jahr durchgeführten -
mündlichen Verhandlung zugrunde gelegt hat, trifft dies nicht
zu, bleibt aber ohne Auswirkung auf das Ergebnis.
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b) Nach diesen Grundsätzen durfte das FA
mit der Einspruchsentscheidung vom 17.4.2009 eine
Bilanzberichtigung nicht erst auf den 30.6.2004 zulassen.
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Die Bilanzen waren fehlerhaft, soweit der
Kläger die Pferde nach der Gruppenbewertung mit (niedrigeren)
Durchschnittssätzen ansetzte und nicht mit den Anschaffungs-
oder Herstellungskosten. Das ist zwischen den Beteiligten
unstreitig.
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Bei Erlass der Einspruchsentscheidung am
17.4.2009 bestand die früheste Berichtigungsmöglichkeit
auf den 30.6.2003, da zu diesem Zeitpunkt der
Einkommensteuerbescheid 2002 bestandskräftig war, für den
Einkommensteuerbescheid 2003 die Festsetzungsfrist dagegen noch
nicht abgelaufen war: Die Festsetzungsfrist für die
Einkommensteuer 2002 begann, da die Steuererklärung am
17.6.2004 abgegeben worden ist, mit Ablauf des Jahres 2004 (§
170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO - ). Sie endete
nach vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) mit Ablauf des
Jahres 2008 und war somit bei Erlass der Einspruchsentscheidung am
17.4.2009 bereits abgelaufen. Die Festsetzungsfrist für die
Einkommensteuer 2003 begann bei Abgabe der Steuererklärung am
24.5.2005 mit Ablauf des Jahres 2005 und endete damit erst mit
Ablauf des Jahres 2009.
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2. Die Zulässigkeit der
Bilanzberichtigung auf den 30.6.2004 ergibt sich nicht aus der
durch das JStG 2007 geschaffenen Rechtslage.
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a) Durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. a JStG 2007 ist
§ 4 Abs. 2 Satz 1 EStG um einen Halbsatz ergänzt worden,
nach dem eine Änderung nicht zulässig ist, wenn die
Vermögensübersicht (Bilanz) einer Steuerfestsetzung
zugrunde liegt, die nicht mehr aufgehoben oder geändert werden
kann. Die Bilanzberichtigung ist - positiv ausgedrückt -
nunmehr davon abhängig, dass alle Steuerfestsetzungen, auf die
sich die Bilanzberichtigung auswirken würde,
verfahrensrechtlich noch änderbar sind.
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Die Ergänzung betrifft auch Land- und
Forstwirte mit abweichendem Wirtschaftsjahr, bei denen der Gewinn
auf zwei Veranlagungszeiträume verteilt wird (vgl. § 4a
Abs. 2 Nr. 1 EStG). Bei ihnen führte die Rechtsprechung, dass
lediglich eine auf der Bilanz beruhende Steuerfestsetzung
änderbar sein muss (vgl. BFH-Urteil in BFHE 170, 217, BStBl II
1993, 392 = SIS 93 09 17; BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 308 = SIS 01 54 16), zu Besteuerungslücken, da ein durch die
Bilanzberichtigung entstandener höherer Gewinnanteil wegen der
fehlenden Änderungsmöglichkeit zur Hälfte nicht mehr
besteuert werden konnte (BTDrucks 16/3368, S. 16).
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b) Zu Unrecht meint das FA jedoch, dass die
Neuregelung im Streitfall anwendbar sei.
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§ 4 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG
2007 ist nach Art. 20 Abs. 6 JStG 2007 am 1.1.2007 in Kraft
getreten. Das EStG enthält jedoch ergänzend in § 52
und § 52a Anwendungsvorschriften, die abweichend vom Zeitpunkt
des Inkrafttretens bestimmen, für welche
Veranlagungszeiträume eine Gesetzesänderung zugrunde zu
legen ist (vgl. Schneider, Gesetzgebung, 3. Aufl., Rz 525, 547).
Nach der Grundregel in § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Jahr
2007 geltenden Fassung (also einschließlich der
Änderungen durch das JStG 2007) war diese Fassung des
Gesetzes, soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes
bestimmt ist, erstmals für den Veranlagungszeitraum 2007
anzuwenden, wobei die Jahreszahl „2007“ bereits
durch Art. 1 Nr. 20 Buchst. a des Steueränderungsgesetzes 2007
vom 19.7.2006 (BGBl I 2006, 1652) geändert worden war.
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Wie der Wortlaut „für den
Veranlagungszeitraum“ zeigt, liegt § 52 Abs. 1 Satz
1 EStG eine veranlagungszeitraumbezogene Betrachtungsweise
zugrunde. Da Bilanzen der Gewinnermittlung und damit der
Einkommensteuerfestsetzung in einem bestimmten Veranlagungszeitraum
zugrunde liegen, ist die Anwendung des § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG
auf Bilanzberichtigungen ohne Weiteres möglich. Die
Neuregelung ist daher nach § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG in der im
Jahr 2007 geltenden Fassung auf die Berichtigung von Bilanzen
anzuwenden, auf denen die Einkommensteuerfestsetzungen in den
Veranlagungszeiträumen ab 2007 beruhen. Auf den Zeitpunkt der
Vornahme der Bilanzberichtigung kommt es dagegen nicht an (entgegen
dem vom FA vorgelegten Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen vom 7.5.2007 IV B 2-S 2141/0, nicht veröffentlicht;
Verfügung der Oberfinanzdirektion - OFD - Hannover vom
4.6.2007 S 2141-17-StO221/StO222, DStR 2007, 1208 = SIS 07 20 77;
Kurzinformation Einkommmensteuer Nr. 15/2007 der OFD Münster
vom 6.6.2007, BB 2007, 1615 = SIS 07 20 98). Der Gesetzgeber hat -
im Gegensatz zum ebenfalls veranlagungszeitraumbezogenen § 52
Abs. 9 EStG für die Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2
Satz 2 EStG - keine Sonderregel in den nachfolgenden Absätzen
des § 52 EStG oder in § 52a EStG getroffen, nach der der
Zeitpunkt der Durchführung der Bilanzberichtigung
maßgebend sein soll (etwa: „§ 4 Abs. 2 Satz 1
EStG in der Fassung des JStG 2007 ist erstmals auf
Bilanzänderungen anzuwenden, die nach dem 31.12.2006
vorgenommen werden.“).
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Vorliegend ist die Anwendung der Neuregelung
auf die Änderungen von Bilanzen streitig, die den
Einkommensteuerveranlagungen vor 2007 zugrunde liegen. Wie das FG
zutreffend entschieden hat, ist sie daher im Streitfall nicht
anwendbar.
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