1
|
I. Die Beteiligten streiten darüber,
welchem Steuersatz das im Streitjahr (2004) bezogene Einkommen des
Klägers und Revisionsklägers (Kläger)
unterliegt.
|
|
|
2
|
Der Kläger ist Staatsbürger der
Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und selbständig
tätiger Rechtsanwalt. Er ist Partner einer
Anwaltssozietät, die im Streitjahr eine Niederlassung in
Deutschland unterhielt. Einen Wohnsitz oder gewöhnlichen
Aufenthalt im Inland hatte der Kläger im Streitjahr nicht.
Sein bei der deutschen Besteuerung zu berücksichtigendes
Einkommen belief sich auf 1.424 EUR.
|
|
|
3
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) setzte auf dieser Basis gegenüber dem
Kläger eine Einkommensteuer in Höhe von 356 EUR fest.
Diese Festsetzung beruht auf der Anwendung des Mindeststeuersatzes
von 25 %, den § 50 Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes
(EStG 2002) bestimmte. Die gegen den Steuerbescheid gerichtete
Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen (FG Berlin-Brandenburg,
Urteil vom 6.5.2010 13 K 6429/06 B); sein Urteil ist in EFG 2011,
139 = SIS 10 30 26 abgedruckt.
|
|
|
4
|
Mit seiner Revision rügt der
Kläger eine Verletzung materiellen Rechts. Er verweist auf die
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH),
nach der ein Gebietsfremder nur unter bestimmten Voraussetzungen
einem Mindeststeuersatz von 25 % unterworfen werden dürfe
(EuGH-Urteil vom 12.6.2003 C-234/01 „Gerritse“, Slg.
2003, I-5933 = SIS 03 29 10). Die in dieser Rechtsprechung
entwickelten Grundsätze seien nach Art. 24 des Abkommens
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten
von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur
Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern
vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom
29.8.1989 (BGBl II 1991, 355, BStBl I 1991, 95) - DBA-USA 1989 a.F.
- und nach Art. XI des Freundschafts-, Handels- und
Schiffahrtsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den
Vereinigten Staaten von Amerika (nachfolgend: Freundschaftsvertrag)
vom 29.10.1954 (BGBl II 1956, 488) bei seiner - des Klägers -
Besteuerung entsprechend anzuwenden; aus ihnen folge, dass im
Streitfall nur eine Einkommensteuer in Höhe von 243 EUR
festgesetzt werden dürfe. Der Kläger beantragt deshalb,
das Urteil des FG sowie die Einspruchsentscheidung des FA
aufzuheben und den angefochtenen Bescheid dahin zu ändern,
dass die Einkommensteuer auf 243 EUR festgesetzt wird.
|
|
|
5
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
6
|
Das Bundesministerium der Finanzen ist dem
Revisionsverfahren gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten. Es stützt in der
Sache die Position des FA, hat aber keinen Antrag gestellt.
|
|
|
7
|
II. Die Revision ist unbegründet und
deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Der
angefochtene Bescheid verletzt den Kläger nicht in seinen
Rechten.
|
|
|
8
|
1. Der Kläger ist gemäß §
1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG 2002 mit seinen im
Streitjahr erzielten Einkünften aus der im Inland belegenen
Zweigniederlassung der Anwaltskanzlei beschränkt
steuerpflichtig. Der dahingehenden Würdigung seitens des FG
ist die Revision nicht entgegengetreten, weshalb es insoweit keiner
näheren Erörterung bedarf. Über die Höhe der in
diesem Zusammenhang anzusetzenden Einkünfte besteht ebenfalls
kein Streit.
|
|
|
9
|
2. Das FA hat die Einkünfte des
Klägers gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG 2002
einem Steuersatz von 25 % unterworfen. Diese Handhabung ist nicht
zu beanstanden.
|
|
|
10
|
a) Ihr steht, wie das FG zutreffend
entschieden hat, Art. 24 Abs. 1 Satz 1 DBA-USA 1989 a.F. nicht
entgegen.
|
|
|
11
|
Nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 DBA-USA 1989 a.F.
dürfen Staatsangehörige eines Vertragsstaats im anderen
Vertragsstaat keiner Besteuerung unterworfen werden, die anders
oder belastender ist als die Besteuerung, der Staatsangehörige
des anderen Staats unter gleichen Verhältnissen unterworfen
sind oder unterworfen werden können. Der Kläger hält
dieses Verbot deshalb für verletzt, weil er durch die
Anwendung des § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG 2002 einer höheren
Steuerbelastung ausgesetzt ist als derjenigen, die einen in einem
anderen Staat der Europäischen Union (EU) ansässigen
Freiberufler unter ansonsten gleichen Voraussetzungen träfe.
Ein solcher müsse nämlich auf Einkünfte in Höhe
von 1.424 EUR nur eine Einkommensteuer in Höhe von 243 EUR -
und damit 113 EUR weniger als den im Streitfall festgesetzten
Betrag - zahlen. Eine in diesem Sinne unterschiedliche Besteuerung
schließt Art. 24 Abs. 1 Satz 1 DBA-USA 1989 a.F. indessen
nicht aus.
|
|
|
12
|
Denn diese Vorschrift verbietet, wie der Senat
wiederholt entschieden hat, nur eine an die
Staatsangehörigkeit anknüpfende steuerliche
Benachteiligung (Senatsurteile vom 19.11.2003 I R 22/02, BFHE 205,
37, BStBl II 2004, 560 = SIS 04 18 31; vom 17.11.2004 I R 20/04,
BFH/NV 2005, 892 = SIS 05 22 18). Um eine solche geht es im
Streitfall jedoch nicht. Der Kläger wird nicht deshalb der
beschränkten Steuerpflicht und - daraus folgend - dem in
§ 50 Abs. 3 Satz 2 EStG 2002 bestimmten Steuersatz
unterworfen, weil er amerikanischer Staatsbürger ist; er
würde in derselben Weise besteuert, wenn er die deutsche
Staatsangehörigkeit oder die eines anderen EU-Staats
hätte. Richtig mag vielmehr allenfalls sein, dass er - und
zwar unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit - in
Deutschland geringer als geschehen besteuert würde, wenn er in
einem anderen EU-Staat ansässig wäre. Eine an die
Ansässigkeit in den USA anknüpfende steuerliche
Benachteiligung verbietet Art. 24 Abs. 1 Satz 1 DBA-USA 1989 a.F.
aber nicht (Senatsurteil in BFHE 205, 37, BStBl II 2004, 560 = SIS 04 18 31). Nach der genannten Rechtsprechung, an der festzuhalten
ist, greift die Vorschrift deshalb im Streitfall nicht ein. Die von
der Revision angesprochene Rechtsprechung zu Art. 24 Abs. 4 DBA-USA
1989 a.F. (Senatsurteil vom 29.1.2003 I R 6/99, BFHE 201, 463,
BStBl II 2004, 1043 = SIS 03 25 03) ist insoweit schon deshalb
nicht einschlägig, weil Art. 24 Abs. 4 DBA-USA 1989 a.F.
anders als Art. 24 Abs. 1 Satz 1 DBA-USA 1989 a.F. nicht an die
Staatsangehörigkeit, sondern an die Ansässigkeit der dort
benannten Personen anknüpft.
|
|
|
13
|
b) Ebenso verstößt die Besteuerung
des Klägers nicht gegen Art. 24 Abs. 2 Satz 1 DBA-USA 1989
a.F.
|
|
|
14
|
aa) Nach dieser Vorschrift darf die
Besteuerung einer Betriebsstätte, die ein Unternehmen eines
Vertragsstaats im anderen Vertragsstaat hat, nicht ungünstiger
sein als die Besteuerung eines die gleiche Tätigkeit
ausübenden Unternehmens eines anderen Staats. Die damit
getroffene Regelung ist im Streitfall schon ihrem Wortlaut nach
nicht einschlägig. Sie betrifft nämlich nur die
Besteuerung von „Betriebsstätten“ eines
„Unternehmens“, und darum geht es hier nicht.
Der Kläger wird sowohl aus abkommensrechtlicher Sicht als auch
aus der Sicht des internen deutschen Rechts nicht deshalb in
Deutschland besteuert, weil er seine Tätigkeit im Rahmen einer
hiesigen Betriebsstätte ausgeübt hat. Da seine in Rede
stehenden Einkünfte aus einer freiberuflichen Tätigkeit
beruhen, gründet sich seine Besteuerung vielmehr darauf, dass
seine Arbeit im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder
worden ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG 2002) und die
Einkünfte einer ihm zur Verfügung stehenden festen
Einrichtung zuzurechnen sind (Art. 14 Abs. 1 DBA-USA 1989 a.F.).
Die ständige Einrichtung i.S. des Art. 14 Abs. 1 DBA-USA 1989
a.F. wird in Art. 24 Abs. 2 Satz 1 DBA-USA 1989 a.F. nicht
erwähnt und daher von der dort getroffenen Regelung nicht
erfasst (ebenso zum OECD-Musterabkommen Rust in Vogel/Lehner, DBA,
5. Aufl., Art. 24 Rz 98 und 126; vgl. auch Lang, Steuer und
Wirtschaft International 2011, 9). Ob nach der im Jahr 2006
erfolgten Streichung des Art. 14 DBA-USA 1989 a.F. (Protokoll zur
Änderung des am 29.8.1989 unterzeichneten Abkommens zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von
Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung
der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen
und vom Vermögen und einiger anderer Steuern, BGBl II 2006,
1185, BStBl I 2008, 767) - DBA-USA 1989 n.F. - insoweit eine andere
Beurteilung Platz greift (so z.B. Wassermeyer in
Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 14 MA Rz 8; Rust in
Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 24 Rz 98 und 126), muss im Streitfall
nicht erörtert werden. Denn jedenfalls wirkt jene Streichung
nicht auf die Anwendung des für das Streitjahr
maßgeblichen Art. 24 Abs. 2 Satz 1 DBA-USA 1989 a.F.
zurück.
|
|
|
15
|
bb) Abgesehen davon würde, selbst wenn
man - der Ansicht der Revision folgend - im Zusammenhang mit
Einkünften aus einem freien Beruf Art. 24 Abs. 2 Satz 1
DBA-USA 1989 a.F. entsprechend anwenden wollte, dies die im
Streitfall erfolgte Besteuerung des Klägers nicht
ausschließen. Denn dann wäre zwar der in den USA
ansässige Kläger so zu behandeln, als betriebe er mit
seiner selbständigen Tätigkeit ein US-amerikanisches
Unternehmen i.S. des Art. 24 Abs. 2 Satz 1 DBA-USA 1989 a.F. (Art.
3 Abs. 1 Buchst. f DBA-USA 1989 a.F.); zudem ist ihm die im Inland
belegene feste Einrichtung der Anwaltssozietät
abkommensrechtlich als eigene feste Einrichtung zuzurechnen. Doch
würde dann die vom FG angestellte Überlegung
durchgreifen, dass der Kläger durch die Anwendung des
Mindeststeuersatzes deshalb nicht in abkommenswidriger Weise
benachteiligt wird, weil seine außerhalb Deutschlands
erzielten Einkünfte in die maßgebliche
Vergleichsbetrachtung einzubeziehen sind.
|
|
|
16
|
aaa) Nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) setzt das in Art. 24 Abs. 2 Satz 1 DBA-USA
1989 a.F. enthaltene Diskriminierungsverbot über den Wortlaut
der Vorschrift hinaus voraus, dass die inländische
Betriebsstätte eines im anderen Vertragsstaat ansässigen
Unternehmens nicht nur die gleiche Tätigkeit ausübt wie
das zum Vergleich herangezogene inländische Unternehmen,
sondern auch ansonsten bei beiden Unternehmen gleiche
Verhältnisse vorliegen (BFH-Urteil vom 10.3.2005 II R 51/03,
BFH/NV 2005, 1500, 1502 = SIS 05 36 74; ebenso Wolff in
Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 24 USA Rz 28). Der erkennende
Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.
|
|
|
17
|
bbb) Zu den
„Verhältnissen“, die bei dem anzustellenden
Vergleich zu berücksichtigen sind, zählen auch die im
Ausland erzielten und dort steuerpflichtigen Einkünfte der
jeweiligen Vergleichsunternehmen. Es ist also nicht ein
ausländisches Unternehmen mit im Ansässigkeitsstaat
erzielten Einkünften und zusätzlichen Einkünften aus
einer inländischen Betriebsstätte mit einem
inländischen Unternehmen zu vergleichen, das insgesamt nur
Einkünfte in Höhe der Betriebsstätteneinkünfte
erzielt. Vergleichsobjekt muss vielmehr ein inländisches
Unternehmen sein, das im Inland Einkünfte in Höhe der
Betriebsstätteneinkünfte und darüber hinaus im
Ausland Einkünfte in derjenigen Höhe erzielt hat, die bei
dem ihm gegenüberzustellenden ausländischen Unternehmen
angefallen ist. Nur eine solche Handhabung entspricht dem Zweck des
Art. 24 Abs. 2 Satz 1 DBA-USA 1989 a.F., der zwar eine
Gleichbehandlung ausländischer Unternehmen mit
inländischen Betriebsstätten einerseits und
inländischer Unternehmen andererseits, nicht aber eine
Bevorzugung ausländischer gegenüber inländischen
Unternehmen erreichen soll. Zu einer solchen Bevorzugung würde
es kommen, wenn z.B. bei einem ausländischen Unternehmen mit
ausländischen Einkünften die inländischen
Betriebsstätteneinkünfte nur demjenigen Steuersatz
unterworfen werden dürften, der bei einem inländischen
Unternehmen ohne ausländische Einkünfte anfallen
würde. Das rechtfertigt die Annahme des FG, dass der im
Streitfall maßgebliche Vergleichswert die inländische
Steuerlast eines deutschen Freiberuflers ist, der sowohl im Inland
als auch in den USA Einkünfte in derselben Höhe wie der
Kläger erzielt hat.
|
|
|
18
|
Zudem wird diese Handhabung durch den Blick
auf die systematische Stellung der Betriebsstätte im
Abkommensrecht gestützt. Die Betriebsstätte ist
abkommensrechtlich nicht ein eigenständiges Unternehmen,
sondern unselbständiger Bestandteil des Gesamtunternehmens.
Das rechtfertigt den Schluss, dass auch bei der von Art. 24 Abs. 2
Satz 1 DBA-USA 1989 a.F. geforderten Vergleichsbetrachtung das im
anderen Vertragsstaat ansässige Unternehmen in seiner
Gesamtheit zu betrachten ist (ebenso Rust in Vogel/Lehner, a.a.O.,
Art. 24 Rz 95). Dies schließt die Einbeziehung der im
Ansässigkeitsstaat erzielten Einkünfte jenes Unternehmens
ein.
|
|
|
19
|
ccc) Das FG hat festgestellt, dass unter
Berücksichtigung der in den USA erzielten Einkünfte des
Klägers das zu versteuernde Einkommen eines mit dem
Kläger vergleichbaren deutschen Unternehmers einem Steuersatz
von mehr als 25 % unterliegen würde. Diese Feststellung ist
nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen
angegriffen worden und deshalb für den Senat bindend (§
118 Abs. 2 FGO). Sie führt in rechtlicher Hinsicht dazu, dass
die gegenüber dem Kläger vorgenommene Besteuerung diesen
nicht in einer gegen Art. 24 Abs. 2 Satz 1 DBA-USA 1989 a.F.
verstoßenden Weise benachteiligt.
|
|
|
20
|
c) Schließlich verstößt diese
Besteuerung nicht gegen Art. XI des Freundschaftsvertrags. In
diesem Zusammenhang muss nicht näher auf die in der
mündlichen Verhandlung erörterte Frage eingegangen
werden, ob seit der Geltung des Art. 1 Abs. 3 Buchst. a
Doppelbuchst. bb DBA-USA 1989 n.F. der Freundschaftsvertrag in
Besteuerungsfragen weiterhin anzuwenden und ob die im
Änderungsprotokoll vorgesehene rückwirkende Anwendung des
Art. 1 Abs. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb DBA-USA 1989 n.F. (Art.
XVII Nr. 3 Buchst. a des Änderungsprotokolls) ggf. unter
verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bedenklich ist. Denn selbst
wenn er im Streitfall zu beachten sein sollte, kann jener Vertrag
der Revision nicht zum Erfolg verhelfen.
|
|
|
21
|
aa) Das gilt zunächst für Art. XI
Abs. 1 des Freundschaftsvertrags. Danach unterliegen u.a. die
Staatsangehörigen eines Vertragsteils, die sich in dem Gebiet
des anderen Vertragsteils geschäftlich betätigen, keiner
stärkeren Belastung als unter gleichartigen Voraussetzungen
die Staatsangehörigen des anderen Vertragsteils. Nach ihrem
insoweit eindeutigen Wortlaut verbietet die Vorschrift mithin im
Hinblick auf natürliche Personen ebenso wie Art. 24 Abs. 1
Satz 1 DBA-USA 1989 a.F. nur eine an die Staatsangehörigkeit
anknüpfende Benachteiligung (Senatsurteil in BFHE 205, 37,
BStBl II 2004, 560 = SIS 04 18 31). Um eine solche geht es im
Streitfall jedoch nicht.
|
|
|
22
|
bb) Art. XI Abs. 3 des Freundschaftsvertrags
bestimmt zur Besteuerung natürlicher Personen, dass
Staatsangehörige eines Vertragsteils in dem Gebiet des anderen
Vertragsteils u.a. hinsichtlich der Zahlung von Steuern keinesfalls
einer stärkeren Belastung unterliegen dürfen als unter
gleichartigen Voraussetzungen die Staatsangehörigen oder
Einwohner (residents) irgendeines dritten Landes. Maßstab
dieses Benachteiligungsverbots ist damit ebenfalls die
Staatsangehörigkeit. Zudem stellt die Vorschrift auf
„gleichartige Voraussetzungen“ ab, und zu diesen
Voraussetzungen zählt u.a. die Ansässigkeit einer Person
in einem bestimmten Gebiet. Deshalb ist Art. XI Abs. 3 des
Freundschaftsvertrags im hier interessierenden Zusammenhang
möglicherweise dahin zu verstehen, dass er lediglich
verbietet, einen in der EU ansässigen amerikanischen
Staatsbürger höher als einen - unter ansonsten gleichen
Verhältnissen - innerhalb der EU ansässigen
EU-Bürger zu besteuern. Bei dieser Lesart gäbe die
Regelung im Streitfall keine
„Meistbegünstigung“ des Klägers
vor.
|
|
|
23
|
Allerdings weist die Revision zu Recht darauf
hin, dass Art. XI Abs. 3 des Freundschaftsvertrags als
maßgebliche Vergleichsgruppe neben den
„Staatsangehörigen“ auch die
„Einwohner (residents)“ eines dritten Landes
benennt und dass ihm unter diesem Gesichtspunkt möglicherweise
das Verbot entnommen werden kann, jeden Staatsbürger der USA
unabhängig von seiner Ansässigkeit nicht höher als -
unter ansonsten vergleichbaren Verhältnissen - eine in der EU
ansässige Person zu besteuern. Dieser Überlegung muss im
Streitfall aber ebenfalls nicht abschließend nachgegangen
werden. Denn selbst wenn ihr im Grundsatz zuzustimmen wäre,
wäre jedenfalls der Ansicht des FG zu folgen, dass Art. XI
Abs. 5 Buchst. a des Freundschaftsvertrags eine Benachteiligung des
Klägers gegenüber in der EU ansässigen Personen
erlaubt.
|
|
|
24
|
aaa) Nach dieser Vorschrift behält sich
jeder Vertragsteil vor, bestimmte Steuervorteile auf der Grundlage
der Gegenseitigkeit einzuräumen. Parallel dazu enthält
Art. XI Abs. 5 Buchst. b des Freundschaftsvertrags den Vorbehalt,
besondere Steuervorteile aufgrund von Vereinbarungen zur Vermeidung
der Doppelbesteuerung oder zum beiderseitigen Schutz des
Steueraufkommens zu gewähren. Vor allem die letztgenannte
Bestimmung zeigt, dass es in Art. XI Abs. 5 des
Freundschaftsvertrags nicht um besondere Vereinbarungen zwischen
Deutschland und den USA, sondern um Vereinbarungen zwischen einem
der Vertragsstaaten und dritten Staaten geht (ebenso Hofbauer, Das
Prinzip der Meistbegünstigung im grenzüberschreitenden
Ertragsteuerrecht, 2005, S. 40; vgl. auch Reimer in Cordewener/
Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung im Steuerrecht der
EU-Staaten, 2006, S. 41, 63 f.; a.A. Kempf, IStR 1997, 545, 547);
ein Vorbehalt von Steuervorteilen, die im Verhältnis zwischen
den beiden Vertragsstaaten gewährt werden, hätte im
Bereich des Art. XI des Freundschaftsvertrags keinen
vernünftigen Sinn. Zudem kann die ausdrückliche
Bestimmung eines Vorbehalts bei verständiger Betrachtung nur
bedeuten, dass die in Art. XI Abs. 1 bis 4 des
Freundschaftsvertrags angeordneten Gleichbehandlungsgebote nicht
eingreifen, wenn es um einen nach Maßgabe des Art. XI Abs. 5
des Freundschaftsvertrags eingeräumten Steuervorteil geht. Im
Ergebnis ist demnach Art. XI Abs. 5 des Freundschaftsvertrags dahin
zu verstehen, dass die Vertragsstaaten nicht verpflichtet sind, die
dieser Regelung unterfallenden Steuervorteile auf die
Angehörigen des jeweils anderen Vertragsstaats zu erstrecken.
In diesem Sinne geht Art. XI Abs. 5 Buchst. a der in Art. XI Abs. 3
des Freundschaftsvertrags getroffenen Regelung vor.
|
|
|
25
|
bbb) Die im EU-Recht verankerten
Grundfreiheiten, auf die sich der Kläger im Streitfall beruft,
beinhalten „Steuervorteile auf der Grundlage der
Gegenseitigkeit“ i.S. des Art. XI Abs. 5 Buchst. a des
Freundschaftsvertrags (ebenso Lampe, IStR 1998, 483, 485). Es
handelt sich um Steuervorteile, da sie nur Angehörigen der
EU-Staaten und in diesen Staaten ansässigen Personen
eingeräumt sind. Auf der Grundlage der Gegenseitigkeit
bestehen sie deshalb, weil das EU-Recht darauf aufbaut, dass jeder
EU-Staat sie den Angehörigen eines jeden anderen EU-Staats
gewährt. Dass die Vorteile in einem zweiseitigen
völkerrechtlichen Vertrag verankert sind, verlangt Art. XI
Abs. 5 Buchst. a des Freundschaftsvertrags nicht.
|
|
|
26
|
Schließlich kann dieser Beurteilung
nicht entgegengehalten werden, dass die europarechtlichen
Grundfreiheiten nicht von Deutschland und den übrigen
EU-Staaten „eingeräumt“, sondern vom EuGH
angeordnet worden seien. Bei seiner dahingehenden Argumentation
verkennt der Kläger, dass der EuGH nicht europäisches
Recht schafft, sondern lediglich den EU-Vertrag und die ihm
nachgeordneten europarechtlichen Vorschriften auslegt. Auf diese
Weise hat er u.a. die Bedeutung der Grundfreiheiten für den
Bereich der Besteuerung „ermittelt“. Die
maßgebliche Rechtsetzung - und damit das
„Einräumen“ der Grundfreiheiten in deren
Auslegung durch den EuGH - ist hingegen durch die einzelnen
EU-Staaten und damit auch durch die Bundesrepublik Deutschland
erfolgt. Im Ergebnis erfüllt das EU-Recht mithin die Vorgaben
des Art. XI Abs. 5 Buchst. a des Freundschaftsvertrags, weshalb der
Kläger sich auf die Grundfreiheiten nicht berufen kann.
|
|
|
27
|
d) Der Hinweis auf Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes verhilft der Revision ebenfalls nicht zum Erfolg. Der
Kläger wird zwar höher besteuert als ein mit ihm
vergleichbarer EU-Bürger. Dadurch wird der Gleichheitssatz
aber nicht verletzt, weil die Bevorzugung des EU-Bürgers auf
europäischem Recht beruht und dem deutschen Gesetzgeber nicht
zuzurechnen ist (Senatsurteil vom 15.7.2005 I R 21/04, BFHE 210,
43, BStBl II 2005, 716 = SIS 05 39 60). Und eine verfassungswidrige
Benachteiligung des Klägers gegenüber einem
ausländischen Arbeitnehmer mit gleich hohen
Inlandseinkünften liegt deshalb nicht vor, weil sich ein
selbständig Tätiger typischerweise in einer anderen
wirtschaftlichen Situation befindet als ein mit ihm zu
vergleichender Arbeitnehmer (vgl. dazu Senatsurteil vom 19.11.2003
I R 34/02, BFHE 204, 449, 453, BStBl II 2004, 773, 775 = SIS 04 13 92). Im Ergebnis erweisen sich daher das angefochtene Urteil als
rechtmäßig und die Revision als unbegründet.
|
|
|