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Behinderungsbedingte Umbaukosten als außergewöhnliche Belastungen

Behinderungsbedingte Umbaukosten als außergewöhnliche Belastungen: 1. Mehraufwand, der auf einer behindertengerechten Gestaltung des individuellen Wohnumfelds beruht, steht stets so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit, dass die Erlangung eines etwaigen Gegenwerts in Anbetracht der Gesamtumstände regelmäßig in den Hintergrund tritt (Anschluss an BFH-Urteil vom 22.10.2009, VI R 7/09, BFHE 226 S. 536, BStBl 2010 II S. 280 = SIS 09 39 18; entgegen BFH-Urteil vom 10.10.1996, III R 209/94, BFHE 182 S. 333, BStBl 1997 II S. 491 = SIS 97 13 05). - 2. Es ist insbesondere nicht erforderlich, dass die Behinderung auf einem nicht vorhersehbaren Ereignis beruht und deshalb ein schnelles Handeln des Steuerpflichtigen oder seiner Angehörigen geboten ist. Auch die Frage nach zumutbaren Handlungsalternativen stellt sich in solchen Fällen nicht (Fortentwicklung von BFH-Urteil in BFHE 226 S. 536, BStBl 2010 II S. 280 = SIS 09 39 18). - 3. Gegebenenfalls hat das FG zu der Frage, welche baulichen Maßnahmen durch die Behinderung des Steuerpflichtigen oder eines seiner Angehörigen veranlasst sind, und zur Quantifizierung der darauf entfallenden Kosten ein Sachverständigengutachten einzuholen. - Urt.; BFH 24.2.2011, VI R 16/10; SIS 11 11 56

Kapitel:
Privatbereich > Behinderte
Fundstellen
  1. BFH 24.02.2011, VI R 16/10
    BStBl 2011 II S. 1012
    DStR 2011 S. 713
    NJW 2011 S. 1902
    LEXinform 0927861

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 30.11.2011
    -/- in NWB 16/2011 S. 1303
    AK in DStZ 10/2011 S. 340
    ge in DStR 15/2011 S. 716
    St.G. in NWB 18/2011 S. 1526
    St.Sch. in StC 6/2011 S. 11
    St.Sch. in BFH/PR 6/2011 S. 223
    N.B. in AktStR 2/2011 S. 259
    H.J.K. in FR 12/2011 S. 583
    St.G. in HFR 6/2011 S. 654
    G.B. in StC 12/2011 S. 23
Normen
[EStG] § 33 Abs. 1
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Düsseldorf, 03.02.2010, SIS 10 38 47, Umbau, Neubau, Modernisierung, Schuldzinsen, Kind, Außergewöhnliche Belastung
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG München 27.10.2022, SIS 23 19 09, Mieterhöhung infolge behindertengerechter (Um-)Baumaßnahmen als außergewöhnliche Belastung: 1. Mehraufwen...
  • FG Münster 15.1.2020, SIS 19 21 77, Außergewöhnliche Belastungen, Anlage eines rollstuhlgerechten Weges im Garten: Aufwendungen für die Anlag...
  • Niedersächsisches FG 29.10.2014, SIS 15 01 94, Vergebliche Bau-, Abriss- und Prozesskosten bei einem mangelhaften, gemischt genutzten Gebäude: 1. Aufwen...
  • FG Köln 27.8.2014, SIS 14 31 14, Kosten eines Fahrstuhls: Die Kosten für den Einbau eines Fahrstuhls stellen - bei Erfüllung der gesetzlic...
  • FG Düsseldorf 20.8.2014, SIS 16 03 51, Außergewöhnliche Belastungen, Behindertengerechter Umbau einer Wohnung, Verteilung der Aufwendungen auf f...
  • BFH 17.7.2014, SIS 14 24 95, Anschaffungskosten für ein Grundstück sind keine außergewöhnlichen Belastungen: 1. Mehrkosten für die Ans...
  • FG Baden-Württemberg 19.3.2014, SIS 15 02 29, Steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau einer Dusche als außerge...
  • Niedersächsisches FG 2.12.2013, SIS 14 20 69, Außergewöhnliche Belastungen, Behindertengerechter Umbau einer Motoryacht: 1. Vom Behindertenpauschbetrag...
  • Sächsisches FG 4.11.2013, SIS 13 31 79, Minderung des Ausbildungsfreibetrags um das BAföG auch bei dessen Auszahlung an den die Internatskosten ü...
  • Niedersächsisches FG 17.1.2013, SIS 13 13 41, Außergewöhnliche Belastung, Behinderungsbedingter Mehraufwand durch Grundstückskauf: 1. Mehraufwendungen ...
  • FG Rheinland-Pfalz 30.4.2012, SIS 12 17 96, Begriff der außergewöhnlichen Belastung im Sinne des § 33 EStG: Die Kosten für die Errichtung eines blick...
  • BFH 25.5.2011, SIS 11 29 47, Behinderungsbedingte Umbaukosten als außergewöhnliche Belastungen, grundsätzliche Bedeutung: 1. Die Recht...
  • BFH 12.5.2011, SIS 11 22 60, Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen: 1. Zivilprozesskosten können Kläger wie Beklagtem un...
  • FG Baden-Württemberg 6.4.2011, SIS 11 21 84, Aufwendungen eines stark gehbehinderten Steuerpflichtigen für den Einbau eines Treppenschrägliftes im Gar...
Fachaufsätze
  • LIT 02 17 50 St. Geserich, NWB 18/2011 S. 1526: Behinderungsbedingte Umbaukosten als außergewöhnliche Belastungen - Fortsetzung des Rechtsprechungswandel...
  • LIT 02 18 09 K. Schulz-Trieglaff, IStR 7/2011 S. 244: Der BFH und finale Verluste bei ausländischen Tochtergesellschaften: das falsche Vergleichspaar - Anmerku...
  • LIT 02 28 50 G. Bruschke, StC 12/2011 S. 23: Behindertengerechter Um- oder Neubau einer Wohnung als außergewöhnliche Belastung - BFH vom 24.2.2011, VI...
Anmerkung RiBFH i.R. Dr. Dürr

 

1

I. Streitig ist, ob die anteiligen Kosten für den behindertengerechten Umbau einer kurz zuvor erworbenen Immobilie als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.

 

 

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammen veranlagte Eheleute. Sie haben drei Kinder. Die 1989 geborene C, die leibliche Tochter der Klägerin und Stieftochter des Klägers, ist schwerbehindert (Grad der Behinderung 100 %). Die Kläger erwarben durch notariellen Kaufvertrag vom 19.12.2005 ein 1.295 qm großes bebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 30.000 EUR. Das Gebäude (Baujahr ca. 1900) wurde nach Erwerb für 193.800 EUR modernisiert. Es wurden u.a. folgende Baumaßnahmen durchgeführt:

 

 

 

 

-

Erneuerung der elektrischen Versorgung

 

-

Erneuerung der Wasserleitungen

 

-

Austausch der Fenster und Türen

 

-

Erneuerung des Fußbodens

 

-

Einbau einer Fußbodenheizung

 

-

Einbau zwei neuer Badezimmer mit bodengleichen Duschen

 

-

neues Dach

 

-

Isolierung der Außenmauern

 

3

Die Tochter nutzt eine abgetrennte Wohnfläche (Anbau) von 79 qm mit Schlafzimmer, Wohnzimmer, Arbeitszimmer, Bad und Küchenzeile. Mit sozialmedizinischem Gutachten vom 30.8.2006 bestätigte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung, dass die Neuinstallation einer bodengleichen Dusche und die Schaffung eines barrierefreien Umfelds die Selbständigkeit der Tochter weiter fördern und den Pflegeaufwand reduzieren würde. Die Krankenkasse bezuschusste den Einbau eines solchen Badezimmers mit 2.557 EUR. In der Einkommensteuererklärung des Streitjahres 2006 machten die Kläger außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 29.580 EUR geltend, die zu 29.390 EUR auf die Umbaukosten für den von der Tochter genutzten Wohnraum entfielen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) erkannte im Einkommensteuerbescheid 2006 vom 4.10.2007 diese Aufwendungen nicht an. In der Einkommensteuererklärung des Streitjahres 2007 erklärten die Kläger außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 4.225 EUR; davon entfallen 2.355 EUR auf den der schwerbehinderten Tochter C überlassenen Wohnraum (anteilige Schuldzinsen und anteilige laufende Hauskosten). Diesen Betrag erkannte das FA im Einkommensteuerbescheid 2007 vom 22.9.2008 ebenfalls nicht an.

 

 

4

Gegen die Einkommensteuerbescheide für 2006 und 2007 legten die Kläger Einsprüche ein. Zugleich machten sie für 2006 weitere Kosten für den Wohnbereich der C (2.234 EUR anteilige laufende Kosten und Aufwendungen für eine Ausgangstür) geltend. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens führte das FA am 12.11.2008 eine Ortsbesichtigung durch. Zu dem Zeitpunkt lebte die Großmutter mit im Wohnbereich der C. Mit Einspruchsentscheidungen vom 29.1.2009 wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück. Die daraufhin erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen.

 

 

5

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

 

 

6

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG Düsseldorf vom 3.2.2010 7 K 814/09 E aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 vom 4.10.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung für das Jahr 2006 vom 29.1.2009 dahingehend zu ändern, dass weitere 29.390 EUR als außergewöhnliche Belastungen i.S. von § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anerkannt werden sowie den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 vom 22.9.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung für das Jahr 2007 - ebenfalls - vom 29.1.2009 insoweit zu ändern, dass weitere 2.355 EUR als außergewöhnliche Belastungen i.S. von § 33 Abs. 1 EStG berücksichtigt werden.

 

 

7

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

8

II. 1. Die Revision der Kläger ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung). Das FG hat die Aufwendungen der Kläger für die behinderungsbedingten Umbaumaßnahmen zu Unrecht vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen.

 

 

9

a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG).

 

 

10

aa) Mehraufwendungen für einen behindertengerechten Um- oder Neubau eines Hauses oder einer Wohnung können als außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 Abs. 1 EStG abziehbar sein, denn es sind größere Aufwendungen, als sie der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstandes erwachsen. Diese Aufwendungen sind weder durch den Grund- oder Kinderfreibetrag (§ 32a Abs. 1 EStG, § 32 Abs. 6 EStG) noch durch den Behinderten- und Pflege-Pauschbetrag abgegolten. Grund- und Kinderfreibetrag decken den gewöhnlichen Wohnbedarf des gesunden und nicht behinderten Steuerpflichtigen und seiner Angehörigen ab. Der Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 1 bis 3 EStG gilt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur laufende und typische Mehraufwendungen des Behinderten ab, so dass „zusätzliche Krankheitskosten“ nicht von der Abgeltungswirkung des Pauschbetrags erfasst werden. Dies gilt erst recht für den Pauschbetrag nach § 33b Abs. 6 EStG, der nur die durch die Pflege einer Person veranlassten Aufwendungen erfasst (Senatsurteil vom 22.10.2009 VI R 7/09, BFHE 226, 536, BStBl II 2010, 280 = SIS 09 39 18, m.w.N.).

 

 

11

bb) Die Mehraufwendungen für die behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfelds der C sind den Klägern im Streitfall auch zwangsläufig erwachsen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Aufwendungen infolge Körperbehinderung waren ebenso wie Krankheitskosten von jeher ein Anwendungsfall der Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen (Senatsurteil in BFHE 226, 536, BStBl II 2010, 280 = SIS 09 39 18, m.w.N.). Dies gilt insbesondere auch für behinderungsbedingte Mehrkosten eines Um- oder Neubaus. Denn eine schwerwiegende Behinderung des Steuerpflichtigen oder eines Angehörigen begründet eine tatsächliche Zwangslage, die eine behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfelds unausweichlich macht.

 

 

12

Zwar ist der Steuerpflichtige grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, ob er sich zur Befriedigung seiner Wohnbedürfnisse ein Haus bauen will oder stattdessen beispielsweise zur Miete wohnt. Das gilt selbst dann, wenn ein Steuerpflichtiger oder ein in seinem Haushalt lebender Angehöriger infolge einer Krankheit oder eines Unfalls in seiner bisherigen Wohnung bzw. in seinem bisherigen Haus nicht wohnen bleiben kann. Entschließt sich der Steuerpflichtige in einem solchen Fall zum Um- oder Neubau einer eigenen Immobilie, hängt die konkrete Gestaltung des neuen Hauses zunächst von seinem Geschmack, seinen Lebensgewohnheiten, den ihm für den Bau zur Verfügung stehenden Mitteln und anderen selbstbestimmten Vorentscheidungen ab (BFH-Urteil vom 10.10.1996 III R 209/94, BFHE 182, 333, BStBl II 1997, 491 = SIS 97 13 05). Dieser Befund steht jedoch nur der Steuererheblichkeit von Baukosten entgegen, die keinen Bezug zu Krankheit oder Behinderung aufweisen und deshalb auch einem gesunden Steuerpflichtigen entstanden wären. Diese Entschließungsfreiheit des Steuerpflichtigen steht der Zwangsläufigkeit behinderungsbedingter Mehraufwendungen indes nicht entgegen. Denn die Notwendigkeit einer behindertengerechten Ausgestaltung des Wohnumfelds und damit die Zwangsläufigkeit der darauf entfallenden Mehrkosten aus tatsächlichen Gründen beruht nicht auf der frei gewählten Wohnsituation des Steuerpflichtigen, sondern auf seiner Krankheit oder Behinderung.

 

 

13

b) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz und des FA wird der Abzug dieser zwangsläufigen Aufwendungen vorliegend auch nicht durch einen Gegenwert gehindert. Dabei kann der Senat erneut dahinstehen lassen, ob er der im Schrifttum geäußerten Fundamentalkritik an der sog. Gegenwertlehre folgen könnte (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33 EStG Rz 37, m.w.N.; s. auch Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz B 34 ff.). Denn behinderungsbedingter Mehraufwand steht stets so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit, dass die Erlangung eines etwaigen Gegenwerts in Anbetracht der Gesamtumstände in den Hintergrund tritt (Senatsurteil vom 27.11.1959 VI 62/59, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 33, Rechtsspruch 109). Es ist insbesondere nicht erforderlich, dass die Behinderung auf einem nicht vorhersehbaren Ereignis beruht und deshalb ein schnelles Handeln des Steuerpflichtigen oder seiner Angehörigen geboten ist. Auch die Frage nach zumutbaren Handlungsalternativen stellt sich in solchen Fällen nicht. Denn abzugsfähig sind nur Mehraufwendungen, die durch die Behinderung des Steuerpflichtigen veranlasst und zur behindertengerechten Umgestaltung seines individuellen Wohnumfelds erforderlich sind. Deshalb ist nach Auffassung des erkennenden Senats unerheblich, ob die der Krankheit oder Behinderung geschuldeten Mehrkosten im Rahmen eines Neubaus, der Modernisierung eines Altbaus oder des Umbaus eines bereits selbstgenutzen Eigenheims oder einer Mietwohnung entstehen.

 

 

14

Behinderungsbedingte, notwendige Umbaumaßnahmen begründen keinen über den individuellen Nutzungsvorteil hinausgehenden Gegenwert, sondern eine aus tatsächlichen Gründen zwangsläufige Mehrbelastung des Steuerpflichtigen. Auch ist ein Gegenwert, der allein auf der möglichen Nutzung der Umbauten durch nichtbehinderte Familienangehörige beruhen soll, kein realer Gegenwert und mithin ungeeignet, ein Abzugsverbot für zwangsläufig erwachsene und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindernde Aufwendungen zu begründen (Senatsurteil in BFHE 226, 536, BStBl II 2010, 280 = SIS 09 39 18). Aus diesem Grunde bedarf es auch keiner Feststellungen zu der von den Klägern aufgeworfenen Frage, ob die behinderungsbedingten Umbaumaßnahmen den Wert des Grundstücks gemindert haben.

 

 

15

c) Der Senat folgt damit nicht der im BFH-Urteil in BFHE 182, 333, BStBl II 1997, 491 = SIS 97 13 05 vertretenen Auffassung, wonach für die Beurteilung der Frage, ob der Steuerpflichtige durch den behinderungsbedingten Mehraufwand zwangsläufig „belastet“ ist oder er einen Gegenwert erhält, grundsätzlich nur das Haus als solches und als ganzes, nicht aber die einzelnen im Zusammenhang mit seiner Krankheit oder Behinderung stehenden Maßnahmen in den Blick zu nehmen sind. Denn der erkennende Senat teilt nicht die Auffassung, dass eine solche Betrachtungsweise mit kaum lösbaren Schwierigkeiten im Besteuerungsverfahren verbunden wäre (vgl. BFH-Urteil in BFHE 182, 333, BStBl II 1997, 491 = SIS 97 13 05, m.w.N.). Vielmehr kann der wegen der behinderten- oder krankheitsgerechten Gestaltung eines Hauses einem Steuerpflichtigen entstehende Mehraufwand dann als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn eine eindeutige und anhand objektiver Merkmale durchführbare Unterscheidung zwischen den steuerlich irrelevanten Motiven für die Errichtung und Gestaltung eines Hauses und den ausschließlich durch eine Krankheit oder Behinderung verursachten Aufwendungen möglich ist. Eine solche Unterscheidung ist in aller Regel unproblematisch durchzuführen, auch wenn das selbstgenutzte Wohnungseigentum grundsätzlich als einheitliches Wirtschaftsgut anzusehen und als solches steuerlich zu behandeln ist. Selbst wenn sämtliche Aufwendungen für die Herstellung des Baus im Allgemeinen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, lassen sich doch einzelne Gewerke und Baumaßnahmen bei einem Neu- wie beim einem Umbau daraufhin überprüfen, ob sie der Linderung einer Krankheit dienen oder den behinderungsbedingten Lebenserschwernissen des Steuerpflichtigen oder eines Angehörigen Rechnung tragen und für ihn notwendig waren. Eine solche Überprüfung ist beispielsweise im Rahmen der Bezuschussung von (baulichen) Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfelds Pflegebedürftiger nach § 40 Abs. 4 des Elften Buches Sozialgesetzbuch durch den Medizinische Dienst der Krankenversicherung ständige Übung. Damit wird der einheitliche Funktionszusammenhang eines Gebäudes nicht aufgelöst, sondern lediglich dem Umstand Rechnung getragen, dass bestimmte Baumaßnahmen durch eine Krankheit oder Behinderung veranlasst sind.

 

 

16

2. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Von seinem Standpunkt aus zu Recht hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, in welchem Umfang die geltend gemachten Aufwendungen durch die Behinderung der C veranlasst waren. Dies wird das FG im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben. Es hat dabei zu berücksichtigen, dass nicht die gesamten Aufwendungen der Kläger für den von C genutzten Wohnraum, sondern nur die auf der behindertengerechten Ausgestaltung des Objekts beruhenden Mehrkosten sowie die darauf entfallenden Schuldzinsen als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG abzugsfähig sind. Sofern dies für das Gericht nicht offenkundig ist, hat das FG zu der Frage, welche baulichen Maßnahmen durch die Behinderung der C veranlasst sind, und zur Quantifizierung der darauf entfallenden Kosten ein Sachverständigengutachten einzuholen. Darüber hinaus weist der Senat darauf hin, dass nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG außergewöhnliche Belastungen nur insoweit abziehbar sind, als sie einen angemessenen Betrag nicht überschreiten, und sich die Kläger im Rahmen der Vorteilsanrechnung die von der Pflegekasse geleisteten Zuschüsse auf die behinderungsbedingten Mehrkosten anrechnen lassen müssen.

 

 

 

Anmerkung RiBFH i.R. Dr. Dürr

Der BFH hat auch hier offen gelassen, ob er der im Schrifttum geäußerten Fundamentalkritik an der Gegenwertlehre generell folgen könnte. Bei behinderungsbedingten Maßnahmen – dasselbe muss allgemein für durch Krankheit veranlasste Aufwendungen gelten – geht der BFH jedenfalls nicht von der Erlangung eines die Belastung mindernden oder ausgleichenden Gegenwerts aus. Ebenso sieht er allein in der möglichen Nutzung der Umbauten durch nichtbehinderte Familienmitglieder keinen realen Gegenwert. Nachweisprobleme dürften in der Praxis nicht unüberwindbar sein. Gegebenenfalls ist ein Sachverständigengutachten dazu einzuholen, welche Aufwendungen anhand objektiver Merkmale ausschließlich durch Krankheit oder Behinderung verursacht sind. Im Rahmen der Bezuschussung von Baumaßnahmen ist eine solche Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung ständige Übung (§ 40 Abs. 4 SGB XI). Abschließend weist der BFH darauf hin, dass die Aufwendungen nur bis zu einem angemessenen Betrag berücksichtigt werden und dass Zuschüsse (z.B. der Pflegekasse) anzurechnen sind.