1
|
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) machte in ihrer
Einkommensteuererklärung für das Jahr 2006 neben
Steuerberatungskosten für die Ermittlung von Einkünften
aus nichtselbständiger Arbeit sowie für die Ermittlung
von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
Steuerberatungskosten für die Erstellung ihrer
Einkommensteuererklärung 2005 in Höhe von 94,57 EUR
geltend. Die Einkommensteuererklärung 2005 wurde im Jahr 2006
erstellt, das Honorar wurde ebenfalls im Jahr 2006 gezahlt. Der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) versagte den
Abzug der Steuerberatungskosten für die Erstellung der
Einkommensteuererklärung mit der Begründung, es handele
sich bei diesen Steuerberatungskosten weder um Betriebsausgaben
noch um Werbungskosten. Sie seien aufgrund der Aufhebung der
Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) durch das Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches
Sofortprogramm (StSofortPG) vom 22.12.2005 (BGBl I 2005, 3682,
BStBl I 2006, 79) ab 2006 nicht mehr abziehbar.
|
|
|
2
|
Die Sprungklage wies das Finanzgericht (FG)
ab; die Entscheidung ist in EFG 2008, 622 = SIS 08 36 54
veröffentlicht. Zur Begründung führte das FG
aus:
|
|
|
3
|
1. Die geltend gemachten
Steuerberatungskosten für die Erstellung der
Einkommensteuererklärung 2005 seien als Kosten der privaten
Lebensführung nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abziehbar. Die
Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG, nach der
Steuerberatungskosten, die weder Betriebsausgaben noch
Werbungskosten seien, als Sonderausgaben abziehbar waren, sei durch
das StSofortPG zum 1.1.2006 aufgehoben worden. Nach neuer
Rechtslage seien Steuerberatungskosten nur noch zu
berücksichtigen, wenn sie Betriebsausgaben oder Werbungskosten
darstellten. Voraussetzung für einen Abzug sei daher, dass die
Aufwendungen bei der Ermittlung der Einkünfte anfielen. Das
Ausfüllen der Steuererklärung oder die Beratung in Tarif-
und Veranlagungsfragen gehörten nicht zur Einkunftsermittlung.
Die hierauf entfallenden Kosten sowie Aufwendungen stellten
vielmehr Kosten der privaten Lebensführung dar.
|
|
|
4
|
2. Die von der Klägerin geltend
gemachten Steuerberatungskosten seien auch nicht deswegen nach
§ 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG als Sonderausgaben abziehbar, weil die
von der Klägerin in 2006 aufgewandten Kosten wirtschaftlich
noch dem Veranlagungszeitraum 2005 zuzuordnen seien, für den
die Einkommensteuererklärung erstellt worden sei.
|
|
|
5
|
3. Die Klägerin werde durch die
Abschaffung des Sonderausgabenabzugs der privaten
Steuerberatungskosten nicht in ihren Grundrechten verletzt. Die
Abschaffung des Sonderausgabenabzugs von privaten
Steuerberatungskosten verletze sie nicht in ihrem Recht aus Art. 3
Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
|
|
|
6
|
Private Steuerberatungskosten zählten
nicht zum zwangsläufigen, pflichtbestimmten Aufwand im Sinne
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Die
Komplexität des Steuerrechts rechtfertige es nicht, private
Steuerberatungskosten als pflichtbestimmte Zwangsaufwendungen oder
unvermeidbare Privatausgaben zu qualifizieren, welche aufgrund des
subjektiven Nettoprinzips vom Gesetzgeber zwingend zum Abzug als
Sonderausgaben zuzulassen seien.
|
|
|
7
|
Es könne offenbleiben, ob die
Aufhebung des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG, wie die Klägerin
meint, insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sei, als
Gesellschafter einer Personengesellschaft möglicherweise
hinsichtlich der Übertragung der Ergebnisse der
Gewinnermittlung in die Steuerformulare der Erklärung zur
gesonderten und einheitlichen Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen gegenüber der Rechtslage bei
Kapitalgesellschaften benachteiligt seien. Der Klägerin, die
im Streitjahr keine Einkünfte als Gesellschafterin einer
Personengesellschaft erzielt habe, fehle es insoweit an der
subjektiven Betroffenheit für eine Berufung auf Art. 3 Abs. 1
GG.
|
|
|
8
|
Die Klägerin sei auch nicht in ihren
Rechten aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt. Soweit die Aufhebung des
§ 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG in die (wirtschaftliche)
Handlungsfreiheit der Klägerin nach Art. 2 Abs. 1 GG
eingreife, sei dieser Eingriff gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe
den Wegfall des Sonderausgabenabzugs mit der Rechtsvereinfachung,
dem Abbau von Ausnahmetatbeständen und der Verbreiterung der
Bemessungsgrundlage begründet (Fraktionsentwurf vom
29.11.2005, BTDrucks 16/105, S. 4).
|
|
|
9
|
Mit der Revision macht die Klägerin
geltend:
|
|
|
10
|
Die vom FG gezogene Schlussfolgerung, dass
private Steuerberatungskosten nicht zum zwangsläufigen,
pflichtbestimmten Aufwand gehörten, sei unzutreffend. Die
Abschaffung des Sonderausgabenabzugs für Steuerberatungskosten
verstoße gegen das subjektive Nettoprinzip. Das subjektive
Nettoprinzip gebiete die steuerliche Verschonung des
Existenzminimums.
|
|
|
11
|
Entgegen der Auffassung des FG stehe es
nicht im Belieben des Steuerpflichtigen, Steuerberatungsleistungen
in Anspruch zu nehmen. Auch könne dem FG nicht beigepflichtet
werden, dass das Steuerrecht nicht übermäßig
kompliziert sei, auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass die
Finanzbehörde nach § 89 der Abgabenordnung (AO) zu
Auskunft und Beratung verpflichtet sei. Nicht gefolgt werden
könne der Aussage, dass die Unübersichtlichkeit vor allem
den Bereich der Einkunftsermittlung betreffe.
|
|
|
12
|
Die Regelung über die steuerliche
Berücksichtigung von privat veranlassten Steuerberatungskosten
sei durch Art. 1 Nr. 5 Buchst. b des Steueränderungsgesetzes
1965 (StÄndG 1965) vom 14.5.1965 (BGBl I 1965, 377) -
zunächst als § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG - in das Gesetz
aufgenommen worden. Der Finanzausschuss habe die angetroffene
Situation als unbefriedigend bezeichnet (zu BTDrucks IV/3189, S.
6).
|
|
|
13
|
Der Steuerpflichtige müsse in der Lage
sein, steuerliche Verpflichtungen, die ihm staatlicherseits
auferlegt seien, zu erfüllen. Wegen der Kompliziertheit und
Unübersichtlichkeit des Steuerrechts sei die Inanspruchnahme
von Steuerberatung faktisch unvermeidlich.
|
|
|
14
|
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid 2006 vom 22.3.2007 in der Weise zu
ändern, dass weitere Steuerberatungskosten in Höhe von
94,57 EUR als Sonderausgaben abgezogen werden.
|
|
|
|
|
15
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
16
|
II. Die Revision ist gemäß §
126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unbegründet. Die
Entscheidung des FG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die (weiteren) Steuerberatungskosten in Höhe von 94,57 EUR
mindern im Streitjahr weder die Einkünfte noch das Einkommen
der Klägerin.
|
|
|
17
|
1. Die (noch geltend gemachten)
Steuerberatungskosten können weder als Betriebsausgaben noch
als Werbungskosten abgezogen werden; sie sind nicht
gemäß § 4 Abs. 4 bzw. § 9 Abs. 1 EStG durch
eine bestimmte Einkunftsart veranlasst. Soweit der Klägerin
Steuerberatungskosten im Zusammenhang mit der Erzielung von
Einkünften entstanden waren, hat das FA diese bereits
berücksichtigt.
|
|
|
18
|
2. Die (verbliebenen) Steuerberatungskosten
können nicht gemäß § 10 EStG als
Sonderausgaben abgezogen werden, da der frühere
Sonderausgabentatbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG mit
Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2006 aufgehoben ist.
|
|
|
19
|
a) Nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG konnten
bis Ende 2005 private Steuerberatungskosten als Sonderausgaben
abgezogen werden. Durch das StSofortPG wurde § 10 Abs. 1 Nr. 6
EStG mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2006 aufgehoben.
Begründet wurde dies mit dem Ziel der Rechtsvereinfachung, des
Abbaus von Ausnahmetatbeständen und der Erweiterung der
Bemessungsgrundlage (Fraktionsentwurf vom 29.11.2005, BTDrucks
16/105, S. 4).
|
|
|
20
|
b) Auch ein Abzug als dauernde Last kommt
nicht in Betracht. Dauernde Lasten sind (rentenähnliche)
wiederkehrende, allerdings der Höhe nach
ungleichmäßige oder abänderbare Leistungen, die
aufgrund eines einheitlichen Entschlusses oder eines einheitlichen
Rechtsgrundes wiederholt mit einer gewissen
Regelmäßigkeit erbracht werden und deren Leistungsinhalt
nicht zwingend in Geld oder vertretbaren Sachen besteht (z.B. eine
Altenteilsverpflichtung oder ein Wohnrecht; vgl. Stoll,
Rentenbesteuerung, 4. Aufl., 1997, Rz 32 ff.. Jansen/Myßen/
Risthaus, Renten, Raten, Dauernde Lasten, 13. Aufl., Rz 568;
Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18.10.1994 IX R 46/88,
BFHE 175, 572, BStBl II 1995, 169 = SIS 95 02 06, und vom
25.10.1994 VIII R 79/91, BFHE 175, 439, BStBl II 1995, 121 = SIS 95 01 01).
|
|
|
21
|
Dauernde Lasten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr.
1a EStG sind traditionell vornehmlich auf bestimmte
Versorgungsleistungen beschränkt; Verpflichtungen aus
Dauerschuldverhältnissen, wie z.B. Zinszahlungen,
Kaufpreisraten, Mieten, werden nicht erfasst (zu Schuldzinsen:
BFH-Urteil vom 14.11.2001 X R 120/98, BFHE 197, 194, BStBl II 2002,
413 = SIS 02 02 14). Aus diesem Grund sah sich der Gesetzgeber 1965
veranlasst, einen besonderen Tatbestand zum Abzug von
Steuerberatungskosten in das Gesetz aufzunehmen. Dementsprechend
hat der BFH mit Urteilen vom 30.4.1965 VI 207/62 S (BFHE 82, 449,
BStBl III 1965, 410 = SIS 65 02 33) und vom 18.11.1965 IV 151/64 U
(BFHE 84, 519, BStBl III 1966, 190 = SIS 66 01 08) entschieden,
dass bis zum Inkrafttreten der
Neuregelung in § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG i.d.F. des StÄndG
1965, also bis zum Veranlagungszeitraum 1964 einschließlich,
(nicht den Einkünftebereich betreffende) Steuerberatungskosten
bei der Einkommensteuer nicht abgezogen werden konnten; aus der
Neufassung des EStG gehe hervor, dass es Steuerberatungskosten
gebe, die nicht als Betriebsausgaben oder als Werbungskosten
anzusehen seien und die deshalb ohne die Aufzählung in dem
Katalog des § 10 EStG nicht abzugsfähig
wären.
|
|
|
22
|
Bestätigt wird diese enge Auslegung des
Begriffs der dauernden Last auch durch die ab dem
Veranlagungszeitraum 2008 geltende Neufassung des § 10 Abs. 1
Nr. 1a EStG, der ausdrücklich nicht mehr auf Renten und
dauernde Lasten abstellt, sondern allein auf bestimmte
Versorgungsleistungen (vgl. Schmidt/Heinicke, EStG, 28. Aufl.,
§ 10 Rz 57).
|
|
|
23
|
Im Streitfall sind die Voraussetzungen des
§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG nicht gegeben; regelmäßige
Steuerberatungsleistungen sind keine Versorgungsleistungen. Es
genügt nicht, dass die Klägerin möglicherweise im
kommenden Jahr - aufgrund eines neuen Entschlusses - erneut
Steuerberatungsleistungen in Anspruch nehmen wird.
|
|
|
24
|
c) Sonderausgaben sind bestimmte ihrer Art
nach unvermeidbare (zwangsläufige und indisponible)
Privatausgaben (Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff,
EStG, § 10 Rz B 143, § 10 Rz A 43). Die als
Sonderausgaben zu berücksichtigenden Aufwendungen sind in
§ 10 EStG enumerativ aufgezählt. Sonderausgaben sind nur
die in §§ 10 bis 10i EStG abschließend
aufgeführten - privaten - Aufwendungen, wenn sie weder
Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind (vgl. § 10 Abs. 1
Satz 1 EStG; Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O.,
§ 10 Rz B 118; Birk, Steuerrecht, 7. Aufl., § 5 Rz 1036
ff.). Über die normierten Tatbestände hinaus kommt ein
Abzug nicht in Betracht. Im Unterschied zu der in § 10 Abs. 1
EStG getroffenen Regelung („Sonderausgaben sind
...“) heißt es z.B. in § 9 Abs. 1 Satz 3 EStG:
„Werbungskosten sind auch ...“ Nicht benannte
Aufwendungen, die weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind,
gehören grundsätzlich zum Bereich der
Einkommensverwendung (Lebenshaltung) und mindern nicht die
einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage.
|
|
|
25
|
3. Die (verbliebenen) Steuerberatungskosten
sind auch nicht als außergewöhnliche Belastung nach
§ 33 EStG abziehbar.
|
|
|
26
|
Ihrer Rechtsnatur nach sind die
außergewöhnlichen Belastungen mit den Sonderausgaben
verwandt. Eine außergewöhnliche Belastung liegt vor,
wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere
Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der
Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher
Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes
erwachsen (§ 33 Abs. 1 EStG; BFH-Urteil vom 26.2.1998 III R
59/97, BFHE 185, 409, BStBl II 1998, 605 = SIS 98 17 04; Birk,
a.a.O., § 5 Rz 1057 ff.). Typische Kosten der normalen
Lebensführung gehören nicht dazu. Die Aufwendungen sind
zwangsläufig, wenn sich der Steuerpflichtige ihnen aus
rechtlichen (Gesetz, Vertrag etc.), tatsächlichen
(unabwendbare Ereignisse wie Tod, Krankheit, Unfall) oder
sittlichen (individuelle sittliche Verpflichtung, z.B.
Hilfeleistung unter Geschwistern) Gründen nicht entziehen kann
und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind
sowie einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33
Abs. 2 Satz 1 EStG).
|
|
|
27
|
Im Streitfall fehlt eine
„außergewöhnliche“ Belastung bereits
deshalb, weil der Klägerin in Bezug auf die
Steuerberatungskosten nicht zwangsläufig größere
Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der
Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher
Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes
erwachsen sind.
|
|
|
28
|
4. Der Gesetzgeber war nicht aus
verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet, den Abzug von
Steuerberatungskosten zuzulassen.
|
|
|
29
|
a) Die Neuregelung verletzt nicht das
objektive Nettoprinzip (Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 9 Rz 1).
Prinzipiell sind nach der Struktur der Einkommensteuer als
„Nettosteuer“ alle Aufwendungen, die durch die
Einnahmeerzielung veranlasst sind, als Betriebsausgaben bzw.
Werbungskosten abziehbar; die Einkommensteuer erfasst das
Nettoeinkommen; dementsprechend definiert § 2 Abs. 2 EStG
(nur) den Gewinn bzw. den Überschuss der Einnahmen über
die Ausgaben als zu erfassende Einkünfte (Beschluss des
Großen Senats des BFH vom 21.9.2009 GrS 1/06, DStR 2010, 101
= SIS 10 00 37, unter C.III.1.b; Senatsurteil vom 18.11.2009 X R
34/07, DStR 2010, 85 = SIS 10 00 39, unter B.I.2.c aa; Kirchhof,
in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 2 Rz A 127 ff.;
Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 9 Rz 54 f.;
Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 2 Rz 10; Birk, a.a.O., Rz 542
f.). Steuerberatungskosten, die in Zusammenhang mit der
Einkünfteerzielung stehen, sind weiterhin abziehbar (vgl.
Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 10 EStG Rz
225).
|
|
|
30
|
b) Die fehlende Möglichkeit,
außerhalb des Einkunftsbereichs entstandene
Steuerberatungskosten abzuziehen, verletzt nicht das subjektive
Nettoprinzip.
|
|
|
31
|
Es ist ein grundsätzliches Gebot der
Steuergerechtigkeit, dass die Besteuerung nach der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit ausgerichtet wird (Söhn, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 10 Rz A 17).
Tragende Grundwertung des § 10 EStG ist die
Berücksichtigung einer durch bestimmte zwangsläufige
Privatausgaben beeinträchtigten subjektiven
Leistungsfähigkeit (Söhn, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 10 Rz A 19), die
Berücksichtigung des einkommensteuerrechtlich zu verschonenden
Existenzminimums. Das Prinzip der Steuerfreiheit des
Existenzminimums schützt nicht nur das sog. sächliche
Existenzminimum. Auch Beiträge zu privaten Versicherungen
für den Krankheits- und Pflegefall können Teil des
einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimums sein.
Für die Bemessung des existenznotwendigen Aufwands ist auf das
sozialhilferechtlich gewährleistete Leistungsniveau als eine
das Existenzminimum quantifizierende Vergleichsebene abzustellen
(BVerfG-Beschluss vom 13.2.2008 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 = SIS 08 16 87; Senatsurteil in DStR 2010, 85 = SIS 10 00 39, unter
B.I.3.e cc).
|
|
|
32
|
Die Sozialhilfe umfasst nach § 8 Nr. 1
des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII) vor allem die
Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 bis 40 SGB XII). Der
notwendige Lebensunterhalt umfasst nach § 27 Abs. 1 SGB XII
insbesondere Ernährung, Unterkunft, Kleidung,
Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche
Bedürfnisse des täglichen Lebens (Einzelheiten bei
Münder, in SGB XII - Lehr- und Praxiskommentar, 8. Aufl.,
2008, § 27 SGB XII, Rz 9 ff.). Der Ersatz von
Steuerberatungskosten wird sozialhilferechtlich nicht
gewährleistet; die Inanspruchnahme von
Steuerberatungsleistungen ist nicht Teil des notwendigen
Existenzminimums. Der Gesetzgeber ist daher nicht verpflichtet, den
Abzug von Steuerberatungskosten unter diesem Aspekt zuzulassen
(a.A. Tipke, Steuerberatung - auf rechtsunsicherem Fundament,
Festschrift Schaumburg, 2009, 183, 204: Steuerberatungskosten als
Zwangsaufwendungen im weiteren Sinne).
|
|
|
33
|
c) Der Nichtabzug verletzt weder den
verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz und noch das Gebot der
Folgerichtigkeit.
|
|
|
34
|
Der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)
gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich
Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. die Entscheidungen des
BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit des § 32c EStG
[BVerfG-Beschluss vom 21.6.2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 = SIS 06 33 60], zur Gewerbesteuer [BVerfG-Beschluss vom 15.1.2008 1 BvL
2/04, BVerfGE 120, 1 = SIS 08 25 65] und zum Abzug von
Versicherungsleistungen gemäß § 10 Abs. 3 EStG
[BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 125 = SIS 08 16 87]). In der
Entscheidung zur Pendlerpauschale (BVerfG-Urteil vom 9.12.2008 2
BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210 =
SIS 08 43 42) hat das BVerfG in erster Linie auf das Gebot der
Folgerichtigkeit abgestellt.
|
|
|
35
|
Etwaige Ungleichheiten sind durch das Verbot,
Steuerberatungskosten im Privatbereich einkommensteuerlich geltend
zu machen, nicht entstanden. Wenn bereits die unvermeidbar zu
zahlenden Personensteuern als solche in verfassungsrechtlich
zulässiger Weise als nicht abziehbar behandelt werden
dürfen (§ 12 Nr. 3 EStG), dann erst recht die
Aufwendungen zur Erfüllung dieser Steuerzahlungspflichten
(ebenso Wüllenkemper, Rückfluss von Aufwendungen im
Einkommensteuerrecht, 1987, 136; HHR/Kulosa, § 10 EStG Rz
220); dann ist es auch unter dem Aspekt der Gleichheit und der
Folgerichtigkeit nicht notwendig, die Ermittlungskosten zum Abzug
zuzulassen.
|
|
|
36
|
d) Schließlich ist ein Abzug auch im
Hinblick auf die Kompliziertheit des Steuerrechts
verfassungsrechtlich nicht geboten (HHR/Kulosa, § 10 EStG Rz
220; a.A. Söhn, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O.,
§ 10 Rz I 2; Korritter, DB 1986, 560).
|
|
|
37
|
aa) Es ist unbestritten, dass die Einschaltung
eines Steuerberaters einem ordnungsgemäßen Ablauf des
Besteuerungsverfahrens zugute kommt (vgl. etwa Tipke,
Steuerberatung tut Not - auch verfassungsrechtlich, BB 2009, 636;
Tipke, Steuerberatung - auf rechtsunsicherem Fundament, Festschrift
Schaumburg, 2009, 183). Daraus folgt aber nicht die
verfassungsrechtliche Verpflichtung für den Gesetzgeber, den
Abzug von Steuerberatungskosten zwingend als Sonderausgabe zu
normieren.
|
|
|
38
|
bb) § 80 AO eröffnet die
Möglichkeit, sich durch einen Bevollmächtigten vertreten
zu lassen, begründet aber keinen Vertretungszwang. Die
Zuziehung eines Steuerberaters beruht auf einer „freien
Entscheidung“ des Steuerpflichtigen.
|
|
|
39
|
cc) Die Finanzbehörde ist nach § 89
Abs. 1 AO zur Beratung verpflichtet; sie soll die Abgabe von
Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die
Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn
diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis
unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind;
sie erteilt, soweit erforderlich, Auskunft über die den
Beteiligten im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die
ihnen obliegenden Pflichten.
|
|
|
40
|
dd) Auch verlangen die Steuergesetze nichts
Unmögliches; gemäß § 150 Abs. 2 AO sind die
Angaben in den Steuererklärungen nach bestem Wissen und
Gewissen zu machen. Maßstab ist das individuelle subjektive
Können und Wissen des einzelnen Steuerpflichtigen.
|
|
|
41
|
ee) Die Ausfüllung von
Steuererklärungsvordrucken kann sicherlich einen erheblichen
Aufwand verursachen. Diese Last ist aber - wie auch andere
Pflichten, etwa die Wehrpflicht - im demokratischen Gemeinwesen
„entschädigungslos“ hinzunehmen.
|
|
|
42
|
Im demokratischen Rechtsstaat sind Steuern
Solidarbeiträge zur Finanzierung der öffentlichen
Aufgaben, an denen jeder nach Maßgabe seiner
Leistungsfähigkeit zu beteiligen ist. Es ist daher die Pflicht
eines jeden Staatsbürgers, Steuererklärungen zu
erstellen, um den von ihm geschuldeten Beitrag an den
öffentlichen Lasten ermitteln zu können. Dabei ist es
jedem Steuerpflichtigen unbenommen, sich steuerlich beraten zu
lassen; im privaten Bereich kann er aber insoweit keine steuerliche
Entlastung in Anspruch nehmen.
|
|
|
43
|
ff) Soweit in der Literatur pauschal
bemängelt wird, dass die Abschaffung des Sonderausgabenabzugs
für Steuerberatungskosten in Anbetracht der anhaltenden
weiteren Verkomplizierung des Steuerrechts vollkommen
unverständlich sei (so - wörtlich - Tipke/Lang, a.a.O.,
§ 9 Rz 714), hat diese Einschätzung keine
verfassungsrechtliche Qualität.
|
|
|
44
|
Ebenso ist der Hinweis auf die
„Kooperation als ein Strukturprinzip des
Steuerverfahrens“ (Drüen, DStR 2010, 2, 8) nicht
geeignet, einen gesetzgeberischen Zwang zum Abzug von privaten
Steuerberatungskosten auszulösen. Dass eine Kooperation
zwischen Steuerbürger, Steuerberater und Finanzverwaltung
wünschenswert ist, ist unbestritten; dieser
Kooperationsgedanke bewirkt aber nicht die gesetzgeberische
Pflicht, denjenigen, der privat Steuerberatungsleistungen in
Anspruch nimmt, steuerlich zu entlasten.
|
|
|
45
|
e) Dass die These von der Unvermeidbarkeit der
Steuerberatungskosten nicht zu belegen ist, zeigt die Tatsache,
dass die große Mehrheit der Steuerpflichtigen ihre
Steuererklärung selbst erstellt (HHR/Kulosa, § 10 EStG Rz
220). Eine Vielzahl von Steuerpflichtigen macht von der
Möglichkeit, einen Steuerberater einzuschalten, keinen
Gebrauch. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die
Finanzbehörde ggf. zur Hilfeleistung verpflichtet ist.
|
|
|
46
|
f) Der Gesetzgeber hat den Wegfall des
Sonderausgabenabzugs mit der Rechtsvereinfachung, dem Abbau von
Ausnahmetatbeständen und der Verbreiterung der
Bemessungsgrundlage begründet (Fraktionsentwurf vom
29.11.2005, BTDrucks 16/105, S. 4). Im Hinblick auf die
Rechtsvereinfachung dürften Zweifel angebracht sein, da in der
Vergangenheit häufig von der nun notwendigen Aufteilung der
Kosten abgesehen worden war (vgl. nur R 10.8 der
Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 2005; R 102 EStR bis 2003). Ob
die weiteren Gründe verfassungsrechtlich tragfähig sind,
kann dahinstehen, da bereits aus den vorstehenden Erwägungen
hervorgeht, dass keine verfassungsrechtliche Verpflichtung besteht,
den Abzug privater Steuerberatungskosten zuzulassen.
|
|
|
47
|
g) § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. war als
ein verfassungsrechtlich zulässiger, aber nicht zwingend
gebotener „Subventionstatbestand“ bezeichnet
worden (Frotscher/Lindberg, § 10 EStG Rz 5). Dem
Steuerpflichtigen sollte die Erfüllung seiner steuerlichen
Pflichten und die Wahrung seiner steuerlichen Rechte dadurch
erleichtert werden, dass Aufwendungen für die Inanspruchnahme
fremder Hilfe begünstigt wurden (BFH-Urteile vom 23.5.1989 X R
6/85, BFHE 157, 512, BStBl II 1989, 865; vom 12.7.1989 X R 35/86,
BFHE 157, 559, BStBl II 1989, 967). Der Gesetzgeber hatte die
seinerzeitige Einführung der Abzugsmöglichkeit denn auch
nicht mit Leistungsfähigkeitsüberlegungen begründet,
sondern damit, dass es „unbefriedigend“ sei,
Steuerberatungskosten für die private Einkommensteuer nicht
abziehen zu können (zu BTDrucks IV/3189, S. 6).
Zusätzlich wurde mit dem Abzugstatbestand ein
Vereinfachungszweck verfolgt, weil eine Aufteilung in
Betriebsausgaben/Werbungskosten einerseits und nichtabziehbare
Aufwendungen andererseits entbehrlich werde (Gutachten der
Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministers der
Finanzen Bd. 17, Tz. II 449).
|
|
|
48
|
h) Das StSofortPG sieht für die Aufhebung
des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG keine besondere Anwendungsregelung
vor, so dass die Grundregel des § 52 Abs. 1 EStG (Anwendung ab
dem Veranlagungszeitraum 2006) gilt. Entscheidend für die
Abziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Sonderausgabe ist
daher, dass der Zahlungszeitpunkt vor dem 1.1.2006 liegt. Hingegen
kommt es nicht darauf an, auf welchen Veranlagungszeitraum sich die
in Anspruch genommenen Steuerberatungsleistungen beziehen. Daher
ist eine im Veranlagungszeitraum 2006 getätigte Zahlung auch
dann nicht mehr abziehbar, wenn die Steuerberatungsleistungen
bereits vor 2006 erbracht wurden (ebenso Drenseck, DB 2006, Beilage
2, 3; HHR/Kulosa, § 10 EStG Rz 220).
|