Selbständige, 2007, Ansparabschreibung, Investitionsabzugsbetrag: Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass Steuerpflichtige mit Einkünften aus selbständiger Arbeit für 2007 keine Ansparabschreibung nach § 7 g EStG a.F. geltend machen können, sondern - bei Einhaltung der in § 7 g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a und c EStG n.F. genannten Größenmerkmale - den Investitionsabzugsbetrag nach § 7 g EStG n.F. - Urt.; BFH 13.10.2009, VIII B 62/09; SIS 09 34 04
I. Die Beteiligten streiten über die
Bildung einer Ansparrücklage nach § 7g des
Einkommensteuergesetzes (EStG).
Der Antragsteller und Beschwerdeführer
(Antragsteller) ist ein freiberuflich tätiger Tierarzt, der
seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Für 2007
errechnete er einen Gewinn von 100.559 EUR. Im Rahmen der mit der
Gewinnermittlung für 2007 vorgelegten Anlage EÜR machte
der Antragsteller einen Investitionsabzugsbetrag in Höhe von
36.000 EUR geltend. Auf entsprechende Nachfrage des Antragsgegners
und Beschwerdegegners (Finanzamt - FA - ) erklärte er, mit dem
Investitionsabzugsbetrag sei die Bildung einer Ansparrücklage
in Höhe von 36.000 EUR nach § 7g EStG i.d.F. des
Jahressteuergesetzes 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878) -
§ 7g EStG a.F. - gemeint. Bei der Veranlagung 2007
berücksichtigte das FA die Ansparrücklage mit der
Begründung nicht, eine Rücklage nach § 7g EStG a.F.
sei nur in den Fällen möglich, in denen ein abweichendes
Wirtschaftsjahr nach dem 17.8.2007 ende. Einen
Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG i.d.F. des
Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (UntStRefG 2008) vom
14.8.2007, gültig ab 18.8.2007 (BGBl I 2007, 1912) - § 7g
EStG n.F. - berücksichtigte das FA ebenfalls nicht, weil sich
der Gewinn des Antragstellers in 2007 auf mehr als 100.000 EUR
belief.
Seinen dagegen erhobenen Einspruch
stützte der Antragsteller darauf, im Streitfall sei § 7g
EStG a.F. anzuwenden. In der Übergangsvorschrift des § 52
Abs. 23 EStG n.F. sei die Anwendung nur für den Fall geregelt,
dass Wirtschaftsjahre gebildet worden seien. Er bilde steuerlich
kein Wirtschaftsjahr. Vielmehr bestehe lediglich ein
Gewinnermittlungszeitraum. Deshalb sei die spezielle
Übergangsregelung nicht anwendbar. Es gelte vielmehr
gemäß § 52 Abs. 1 EStG n.F. für das Jahr 2007
noch das alte Recht.
Das FA wies den Einspruch als
unbegründet zurück. Die Neuregelung des § 7g EStG
gelte auch für den Antragsteller. Denn nach § 52 Abs. 23
Satz 1 EStG n.F. sei der neue Investitionsabzugsbetrag erstmals
für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 17.8.2007
endeten. Im Rahmen dieser Übergangsregelung sei der Begriff
„Wirtschaftsjahr“ nicht auf Betriebe der Land- und
Forstwirtschaft und auf Gewerbebetriebe beschränkt, sondern
für alle Gewinneinkunftsarten anzuwenden.
Aus den nämlichen Gründen wies
das FA auch einen Einspruch gegen die Ablehnung der Aussetzung der
Vollziehung (AdV) zurück. Der daraufhin beim Finanzgericht
(FG) gestellte Antrag auf AdV hatte keinen Erfolg (vgl. SIS 09 18 01). Das FG hat gegen seinen (ablehnenden) Aussetzungsbeschluss
wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Beschwerde
zugelassen.
Der Antragsteller beantragt
sinngemäß, die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides
2007 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 26.11.2008 unter
Aufhebung der Vorentscheidung insoweit auszusetzen, als das FA eine
Herabsetzung der Steuer wegen Nichtberücksichtigung einer
Ansparabschreibung nach § 7g EStG a.F. in Höhe von 36.000
EUR abgelehnt hat.
Das FA beantragt, die Beschwerde
zurückzuweisen.
II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Beschwerde ist
unbegründet.
1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1
i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag die
Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, soweit
ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
Verwaltungsaktes bestehen oder seine Vollziehung für den
Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende
öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge
hätte.
Ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn und
soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage
aufgrund des unstreitigen Sachverhalts, der gerichtsbekannten
Tatsachen und der präsenten Beweismittel erkennbar wird, dass
aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von
Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der
Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei
abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt
als rechtswidrig erweisen könnte; dabei ist nicht
erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden
Gründe überwiegen (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs
- BFH - vom 17.5.1978 I R 50/77, BFHE 125, 423, BStBl II 1978, 579
= SIS 78 03 22; BFH-Beschlüsse vom 20.5.1998 III B 9/98, BFHE
186, 236, BStBl II 1998, 721 = SIS 98 17 13, unter II.3.a der
Gründe, m.w.N.; vom 18.5.2001 VIII B 25/01, BFH/NV 2001, 1119
= SIS 01 72 18; vom 16.6.2004 I B 44/04, BFHE 206, 284, BStBl II
2004, 882 = SIS 04 27 46); es genügt, dass der Erfolg des
Rechtsbehelfs ebenso wenig auszuschließen ist wie sein
Misserfolg (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung,
Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Rz 89, m.w.N.). Ist die
Rechtslage nicht eindeutig, ist im Regelfall die Vollziehung
auszusetzen.
2. Bei der im Verfahren zur AdV gebotenen -
aber auch ausreichenden - summarischen Prüfung bestehen nach
Auffassung des Senats keine ernstlichen Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des angefochtenen
Einkommensteuerbescheides 2007 vom 26.10.2008 i.d.F. der
Einspruchsentscheidung vom 26.11.2008.
a) Die vom Antragsteller vertretene
Rechtsauffassung, Freiberufler hätten kein Wirtschaftsjahr und
deshalb sei die Übergangsregelung nach § 52 Abs. 23 Satz
1 EStG n.F. auf diesen Personenkreis nicht anwendbar, mit der
Folge, dass dann nach der Generalklausel des § 52 Abs. 1 Satz
1 EStG n.F. die durch das UntStRefG 2008 eingeführte
Neufassung des § 7g EStG erst ab dem Veranlagungszeitraum 2008
Anwendung finde, wird im Schrifttum von Wendt
(Investitionsabzugsbetrag und Sonderabschreibung nach dem neu
gefassten § 7g EStG 2008, FR 2008, 598) und Röhrig
(Neuregelung zu den Investitionsabzugsbeträgen und
Sonderabschreibungen, Ein Rettungsanker für Freiberufler?,
Einkommensteuerberater 2008, 113) vertreten. Die überwiegende
Meinung im Schrifttum geht - ohne weitere Begründung -
übereinstimmend davon aus, dass § 7g EStG n.F. in jedem
Fall bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2007 anzuwenden ist. Auf
die vom Antragsteller aufgeworfene Problematik gehen konkret
lediglich Schmidt/Kulosa (EStG, 28. Aufl., § 7g Rz 2) sowie
Blümich/Brandis (§ 7g EStG Rz 2) ein. Beide lehnen die
Auffassung des Antragstellers unter Hinweis auf die Auffassung der
Finanzverwaltung und auf eine „reine buchstabengetreue
Gesetzesanwendung“ ab.
b) Die Finanzverwaltung (vgl.
Oberfinanzdirektion Rheinland, Kurzinformation ESt Nr. 35/2008 vom
27.6.2008, DB 2008, 2623 = SIS 08 42 77) vertritt die Auffassung,
der Begriff „Wirtschaftsjahr“ sei nicht auf
Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und auf Gewerbebetriebe
beschränkt, sondern für alle Gewinneinkunftsarten
anzuwenden; die Anwendungsregelung in § 52 Abs. 23 EStG n.F.
sei unabhängig von der Einkunftsart zu beachten. Der Begriff
„Wirtschaftsjahr“ sei durch die
Grundsatzdefinition in § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG für alle
Gewinneinkunftsarten eingeführt und auch der Wortlaut des
§ 7g EStG n.F. knüpfe an die Einhaltung bestimmter
Größenmerkmale am Schluss eines Wirtschaftsjahres an.
Ohne Wirtschaftsjahr könnten Freiberufler keinen
Investitionsabzugsbetrag in Anspruch nehmen.
c) Die Rechtsprechung der Finanzgerichte zu
dieser Problematik ist uneinheitlich. Während die Vorinstanz
und das Schleswig-Holsteinische FG (Beschluss vom 17.8.2009 5 V
122/09, juris = SIS 09 32 27) derselben Auffassung sind wie die
Finanzverwaltung, ist das Hessische FG der Meinung, die Anwendung
des § 7g EStG n.F. auf Freiberufler im Veranlagungszeitraum
2007 sei ernstlich zweifelhaft (Beschluss vom 4.5.2009 11 V 582/09,
EFG 2009, 1366 = SIS 09 20 33).
d) Der Senat hält die Rechtslage bereits
bei summarischer Prüfung für eindeutig. Auch für
Freiberufler ist die Neufassung des § 7g EStG bereits im
Veranlagungszeitraum 2007 anzuwenden. Dafür sprechen sowohl
der Wortlaut der Vorschrift als auch ihr Zweck.
3. a) Nach § 2 Abs. 7 EStG ist die
Einkommensteuer eine Jahressteuer (Satz 1), deren Grundlagen,
namentlich die Einkünfte nach § 2 Abs. 1 EStG, jeweils
für ein Kalenderjahr zu ermitteln sind (Satz 2). Eine Ausnahme
hiervon sieht § 4a EStG nur für Land- und Forstwirte und
Gewerbetreibende vor, die ihren steuerlichen Gewinn nach dem
Wirtschaftsjahr ermitteln, das nicht unbedingt mit dem Kalenderjahr
übereinstimmen muss. Steuerpflichtige mit Einkünften aus
selbständiger Arbeit fallen nicht unter den Anwendungsbereich
des § 4a EStG (vgl. BFH-Urteil vom 18.5.2000 IV R 26/99, BFHE
191, 544, BStBl II 2000, 498 = SIS 00 10 68). Ihr Gewinn ist stets
nach dem Kalenderjahr zu ermitteln, sofern nicht ausnahmsweise
(z.B. bei Gründung, Aufgabe oder Veräußerung einer
Praxis) ein Rumpfwirtschaftsjahr zu bilden ist (vgl. BFH-Urteil in
BFHE 191, 544, BStBl II 2000, 498 = SIS 00 10 68). § 4a EStG
normiert daher Ausnahmen vom Jahresprinzip. Soweit § 4a EStG
nicht greift, bleibt es bei dem Grundsatz des § 2 Abs. 7
EStG.
b) Hieraus kann indes - wie von der Vorinstanz
zutreffend erkannt - nicht abgeleitet werden, dass Steuerpflichtige
mit Einkünften aus selbständiger Arbeit kein
Wirtschaftsjahr kennen und somit die zeitliche Anwendungsvorschrift
des § 52 Abs. 23 EStG n.F. nicht anwendbar sei, mithin diese
Steuerpflichtigen im Jahr 2007 noch eine Ansparabschreibung nach
§ 7g Abs. 3 EStG a.F. in Anspruch nehmen könnten. Eine
solche Betrachtung ließe außer Acht, dass der
Gesetzgeber nicht nur die zeitliche Anwendung des § 7g EStG
n.F. in § 52 Abs. 23 EStG n.F. von dem Wirtschaftsjahr und
dessen Beendigung abhängig gemacht hat, sondern auch in §
7g EStG n.F. selbst den Begriff des Wirtschaftsjahres mehrmals
benutzt. So hat der Gesetzgeber z.B. in § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr.
1 EStG n.F. die Größenklasse der Betriebe
festgeschrieben, die in den Genuss des Investitionsabzugsbetrages
kommen können. Nach Nr. 1 1. Halbsatz der vorstehend genannten
Vorschrift ist das Größenmerkmal „am Schluss
des Wirtschaftsjahres“ ausschlaggebend. In diese
Einteilung nach Größenmerkmalen am Ende eines
Wirtschaftsjahres hat der Gesetzgeber in § 7g Abs. 1 Satz 2
Nr. 1 Buchst. a und c EStG n.F. auch die der selbständigen
Arbeit dienenden Betriebe einbezogen und damit - abweichend von
§ 4a EStG - den Gewinnermittlungszeitraum auch für
Freiberufler als „Wirtschaftsjahr“ bezeichnet.
Dementsprechend ist es folgerichtig, dass in § 52 Abs. 23 Satz
1 EStG n.F., in dem die Anwendung des § 7g EStG n.F. geregelt
ist, mit dem Begriff des Wirtschaftsjahres ebenfalls der jeweilige
Gewinnermittlungszeitraum gemeint ist.
c) Nach dem in § 7g EStG n.F. zugrunde
gelegten Begriffsinhalt verfügen mithin Steuerpflichtige, die
Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielen, über
ein - mit dem Kalenderjahr identisches - Wirtschaftsjahr.
Dafür spricht auch, dass andernfalls die Inanspruchnahme des
Investitionsabzugsbetrages für Freiberufler gänzlich
ausgeschlossen wäre. Denn § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG
n.F. knüpft die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages
daran, dass der „Betrieb“, also z.B. der
Steuerpflichtige mit Einkünften aus selbständiger Arbeit,
am Schluss des Wirtschaftsjahres, in dem der Abzug vorgenommen
wird, bestimmte Größenmerkmale nicht überschreitet.
Gäbe es für Freiberufler kein Wirtschaftsjahr,
könnte dieser Personenkreis die Voraussetzungen des § 7g
EStG n.F. nicht erfüllen. Das wäre mit dem Willen des
Gesetzgebers nicht vereinbar.
4. Da demnach im Streitfall - entgegen der
Auffassung des Antragstellers - § 52 Abs. 23 EStG n.F.
Anwendung findet, kann der Antragsteller für 2007 keine
Ansparrücklage nach § 7g EStG a.F. bilden. Da sein Gewinn
im Jahr 2007 überdies (unstreitig) höher war als 100.000
EUR, kommt auch nach § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c EStG
n.F. ein Investitionsabzugsbetrag nicht in Betracht.