Elterngeld, Progressionsvorbehalt: 1. § 32 b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. j EStG wirft nach seinem eindeutigen Wortlaut, das nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) gezahlte Elterngeld dem Progressionsvorbehalt zu unterstellen, keine klärungsbedürftigen, die Revisionszulassung rechtfertigenden Fragen auf. - 2. Das Elterngeld bezweckt, die durch die erforderliche Kinderbetreuung entgangenen Einkünfte teilweise auszugleichen. Dies gilt auch dann, wenn nur der Sockelbetrag nach § 2 Abs. 5 BEEG geleistet wird. - Urt.; BFH 21.9.2009, VI B 31/09; SIS 09 30 35
I. Im finanzgerichtlichen Verfahren war
streitig, ob der monatliche Mindestbetrag des Elterngelds von 300
EUR dem Progressionsvorbehalt unterliegt.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das
Finanzamt - FA - ) erließ gegen die als Eheleute zusammen zur
Einkommensteuer veranlagten Kläger und Beschwerdeführer
(Kläger) den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr
2007. Darin war das für die im Oktober 2007 geborene Tochter
der Kläger nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz
(BEEG) bezogene Elterngeld nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst j
des Einkommensteuergesetzes (EStG) dem Progressionsvorbehalt
unterworfen.
Die Kläger machten dagegen geltend,
dass das Elterngeld nur in Höhe des den Mindestbetrag nach
§ 2 Abs. 5 BEEG übersteigenden Betrags bei der Berechnung
des besonderen Steuersatzes nach § 32b Abs. 2 EStG anzusetzen
sei, weil das im Elterngeld enthaltene Mindestelterngeld von
monatlich 300 EUR unabhängig von einer früheren
Erwerbstätigkeit gezahlt werde und deshalb nicht mit
Lohnersatzleistungen, die einen Progressionsvorbehalt
rechtfertigten, sondern mit reinen Sozialleistungen vergleichbar
sei. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus
den in EFG 2009, 846 = SIS 09 13 94 veröffentlichten
Gründen ab. Der Wortlaut des § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. j
EStG sei eindeutig. Danach unterliege das Elterngeld, das nach dem
Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz gezahlt werde, dem
Progressionsvorbehalt. Die Revision ließ es nicht zu.
Die Kläger wenden sich mit der
Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision und machen als
Revisionszulassungsgrund die grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ) geltend. Die Rechtsfrage, ob das Mindestelterngeld in
Höhe von 300 EUR monatlich dem Progressionsvorbehalt
unterfalle, sei bisher noch nicht Gegenstand der Entscheidung des
Bundesfinanzhofs (BFH) gewesen. Das Erziehungsgeld für vor
2007 geborene Kinder sei als echte Sozialleistung beim
Progressionsvorbehalt außer Ansatz geblieben, dies müsse
auch für das Mindestelterngeld gelten. Denn im Umfang des
Sockelbetrags sei das Elterngeld nicht als
Einkommensersatzleistung, sondern als Sozialleistung anzusehen, da
es auch nicht Berufstätigen gewährt werde. Gegen die
Bemessung des Elterngelds nach dem bereinigten monatlichen
Nettoeinkommen im Jahr vor der Geburt bestünden nicht
unerhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, weil es sich nicht
nach einem durch die Erziehungsaufgabe begründeten Bedarf oder
nach einer besonderen persönlichen Hilfsbedürftigkeit des
Empfängers, sondern nach den früher erzielten
Einkünften richte. Nur einkommensteuerrechtlich erhebliche,
die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beeinflussende
Zuflüsse ließen sich dem Progressionsvorbehalt
widerspruchsfrei zuordnen, etwa Lohnersatzleistungen oder
steuerbefreite Auslandseinkünfte, aber keine reinen
Sozialtransferleistungen. Das Mindestelterngeld sei daher kein in
der Steuerbemessungsgrundlage zu erfassender, die
Leistungsfähigkeit erhöhender Zufluss. Es verstoße
gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes in seiner
freiheitsrechtlichen und in seiner gleichheitsrechtlichen
Ausprägung, reine Sozialtransferleistungen in den
Progressionsvorbehalt einzubeziehen. Denn der erhöhte
Steuersatz sei bei reinen Sozialtransferleistungen nicht durch eine
entsprechend erhöhte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
gerechtfertigt und § 32b EStG setzte sich über die
Unterscheidung von Lohnersatzleistung und reiner
Sozialtransferleistung hinweg.
Die Kläger beantragen, die Revision
zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als
unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet
zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der
geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung
ist nicht gegeben.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche
Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls
maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an
der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts
berührt. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und
in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein
(ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 24.7.2008 VI
B 7/08, BFH/NV 2008, 1838 = SIS 08 38 07, m.w.N.). An der
Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die Antwort auf
die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und
Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich
so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also
eindeutig ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 2.11.1999 I B 163/98,
BFH/NV 2000, 692 = SIS 00 55 16; vom 18.1.2005 V B 24/04, juris).
Allein der Umstand, dass zu der Rechtsfrage noch keine Entscheidung
des BFH vorliegt, begründet noch nicht die grundsätzliche
Bedeutung der Rechtssache.
1. Im Streitfall fehlt es an der
Klärungsbedürftigkeit im vorgenannten Sinne. § 32b
Abs. 1 Nr. 1 Buchst. j EStG ordnet an, dass auf das
„Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und
Elternzeitgesetz“ der besondere Steuersatz nach §
32b Abs. 2 EStG anzuwenden ist, also der Progressionsvorbehalt
gilt. Das Einkommensteuerrecht unterscheidet insoweit nicht
zwischen dem Mindestbetrag und einem darüber hinausgehenden
Betrag des Elterngelds. Der Wortlaut ist mithin eindeutig und wirft
keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen im Hinblick auf
die Geltung des Progressionsvorbehalts auf.
2. Im Ergebnis erfolglos suchen die
Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache damit
zu begründen, dass der Sockelbetrag des Elterngelds eine reine
Sozialleistung darstelle und als solche von Verfassungs wegen nicht
in den Progressionsvorbehalt einbezogen werden dürfe.
a) Die von den Klägern vorgebrachte
Zweiteilung des Elterngelds in einen rein sozialrechtlichen
Sockelbetrag nach § 2 Abs. 5 BEEG und in einen den
Einkünfteausfall ausgleichenden darüber hinausgehenden
Aufstockungsbetrag lässt sich weder dem Bundeselterngeld- und
Elternzeitgesetz selbst noch der Begründung des Entwurfs und
den weiteren Gesetzgebungsmaterialien dazu entnehmen (BTDrucks
16/1889; BTDrucks 16/2454; BTDrucks 16/2785). Die dort zum Ausdruck
kommende Zielsetzung des Gesetzgebers, die durch die erforderliche
Kinderbetreuung entgangenen Einkünfte durch das Elterngeld
jedenfalls teilweise auszugleichen, spricht vielmehr dafür,
das Elterngeld einheitlich als Einkünfteersatz zu
qualifizieren. Und auch das Bundessozialgericht (BSG)
charakterisiert das Elterngeld als Einkommensersatz, weist auf den
gegenüber dem Gesetz zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit vom
Gesetzgeber vorgenommenen Systemwechsel hin und misst insbesondere
auch dem Basisbetrag den Zweck einer Honorierung der Erziehungs-
und Betreuungsleistungen zu (BSG-Urteil vom 19.2.2009 B 10 EG 1/08
R, juris, mit Hinweis auf Fuchsloch/Scheiwe, Leitfaden Elterngeld,
Rdnr. 43).
b) Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen
nicht daran gehindert, den Systemwechsel vom
Bundeserziehungsgeldgesetz zum Bundeselterngeld- und
Elternzeitgesetz zu vollziehen, eine als Einkünfteersatz
charakterisierte Sozialleistung zu schaffen und diese sodann - auch
nach Auffassung der Kläger folgerichtig - in den
Progressionsvorbehalt einzubeziehen. Angesichts dessen kann
für den Streitfall im Weiteren dahinstehen, welche
verfassungsrechtlichen Anforderungen und Grenzen dafür gelten,
reine Sozialleistungen in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen,
zumal auch durch sie eine erhöhte finanzielle
Leistungsfähigkeit gegeben ist und eine Steuerbelastung
überhaupt nur dann eintritt, wenn eine solche reine
Sozialleistung zu weiteren einkommensteuerpflichtigen
Einkünften hinzutritt.