Versicherungsvertreter, Zuführungsprovision, USt-Freiheit: 1. Die Steuerfreiheit für die Tätigkeit als Versicherungsvertreter nach § 4 Nr. 11 UStG 1999 setzt voraus, dass die Leistungen des Unternehmers die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Versicherungsvermittlung erfüllen, nämlich die am Abschluss der Versicherung interessierten Personen zusammen zu führen. - 2. Dies ist der Fall, wenn ein Unternehmer einem Versicherungsmakler am Abschluss eines Versicherungsvertrages potentiell interessierte Personen nachweist und hierfür eine sog. "Zuführungsprovision" erhält. - Urt.; BFH 28.5.2009, V R 7/08; SIS 09 26 38
I. Streitig ist die Steuerbefreiung nach
§ 4 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) für die
Benennung von am Abschluss von Versicherungen interessierten Kunden
gegenüber einem Versicherungsmakler gegen
Unterprovision.
T war selbständiger
Versicherungsmakler nach § 93 des Handelsgesetzbuches (HGB),
der im Auftrag eines Lebensversicherungsunternehmens Kunden warb
und ein spezielles rentenversicherungsgestütztes
Versicherungsmodell entwickelt hatte. Da die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) im Zusammenhang mit ihrer
beruflichen Tätigkeit häufig Kontakt zu Kunden hatte, die
am Abschluss dieser Lebensversicherungen interessiert und an
fremdfinanzierten Immobilienobjekten beteiligt waren, schloss die
Klägerin mit T am 15.1.1999 einen Vertrag, wonach ihr bei
Benennung eines Interessenten und Abschluss eines
Versicherungsvertrages eine „Zuführungsprovision“
von 80 bis 85 % der Provision des T zustehen sollte.
Demgemäß führte die
Klägerin diese potentiellen Versicherungsnehmer dem T unter
Hinweis auf den konkreten Versicherungsbedarf zu.
In ihrer Umsatzsteuererklärung
für 1999 erklärte die Klägerin steuerpflichtige
Umsätze in Höhe von ... DM; die von T erhaltenen
Zahlungen in Höhe von ... DM beließ sie steuerfrei und
erklärte eine verbleibende Umsatzsteuer von ... DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) vertrat im Anschluss an eine
Außenprüfung die Auffassung, die Klägerin habe
gegenüber T steuerpflichtige Umsätze erbracht und
erfasste diese zunächst in vollem Umfang und in dem
während des Einspruchsverfahrens nach § 164 Abs. 2 der
Abgabenordnung geänderten Umsatzsteuerbescheid 1999
abzüglich der enthaltenen Umsatzsteuer als zusätzliche
steuerpflichtige Umsätze. Der Einspruch der Klägerin
blieb ebenso wie die Klage ohne Erfolg.
Zur Begründung führte das
Finanzgericht (FG) aus, die Umsätze der Klägerin seien
nicht nach § 4 Nr. 11 UStG (Umsätze aus der
Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter
und Versicherungsmakler) befreit, weil ihre Tätigkeit nicht im
Wesentlichen dem Aufgabenbild eines Versicherungsvertreters
entspreche. Die Klägerin habe lediglich einen Ausschnitt aus
der im Gesetz beschriebenen Tätigkeit erbracht. Zur Bestimmung
der wesentlichen Aspekte einer
Versicherungsvermittlungstätigkeit sei die Richtlinie
77/92/EWG des Rates vom 13.12.1976 über „Maßnahmen
zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung der
Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs
für die Tätigkeiten des Versicherungsagenten und des
Versicherungsmaklers“ (Richtlinie 77/92/EWG) heranzuziehen.
Dazu gehörten nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b der
Richtlinie 77/92/EWG die Herstellung einer Verbindung zwischen
Versicherungsnehmer und Versicherer, die Vorbereitung des
Abschlusses der Versicherungsverträge und gegebenenfalls die
Mitwirkung bei der Verwaltung und Erfüllung von
Versicherungsverträgen. Diese Tätigkeiten eines
Versicherungsvertreters seien abzugrenzen zur Tätigkeit eines
Gelegenheitsvermittlers, der für Rechnung eines
Versicherungsvertreters handele und mit der Durchführung von
einführenden Arbeiten, der Vorlage der
Versicherungsverträge oder der Einziehung von Prämien
beauftragt sei, ohne dass er dadurch Verpflichtungen gegenüber
der Öffentlichkeit übernehme. Um einen derartigen
Gelegenheitsvermittler handele es sich im Streitfall, weil die
Klägerin über die von ihr vorgenommene Akquisition von
Kunden hinaus weder Vertragsabschlüsse vorbereitet noch bei
der Erfüllung oder Verwaltung von Versicherungsverträgen
mitgewirkt habe. Unter diesen Umständen könne
dahingestellt bleiben, ob die Klägerin zum Versicherer und zum
Versicherten in einer Beziehung stehe und möglicherweise auch
Vertragsunterlagen überreicht habe.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit
der Revision. Die Entscheidung des FG stehe in Widerspruch zu den
Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6.9.2007 V R 50/05 (BFHE
219, 237, BStBl II 2008, 829 = SIS 08 04 27) und vom 20.12.2007 V R
62/06 (BFHE 221, 92, BStBl II 2008, 641 = SIS 08 11 77). Danach
seien die Wirtschaftsteilnehmer bei einer Kreditvermittlung
berechtigt, ein ihnen zusagendes Organisationsmodell zu
wählen, ohne dass dies zur Steuerpflicht der Leistung
führe. Entscheidend sei, dass die Leistung ein „im
Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes“
darstelle, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer
Vermittlungsleistung erfülle. Im BFH-Urteil in BFHE 219, 237,
BStBl II 2008, 829 = SIS 08 04 27 sei die Steuerfreiheit versagt
worden, weil zu den Aufgaben des dortigen Klägers lediglich
der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zwischen Kunde und
Vermittler gehört habe sowie die Aufnahme von
persönlichen Daten. Entscheidend sei gewesen, dass der
Steuerpflichtige nicht an der Suche nach potentiellen Interessenten
beteiligt worden sei. Gerade dies sei aber ihre Aufgabe gewesen.
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) habe zu
Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates
vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie
77/388/EWG) entschieden, dass eine Mittlertätigkeit darin
bestehen könne, einer Vertragspartei Gelegenheiten zum
Abschluss eines Vertrages nachzuweisen, mit der anderen Partei
Kontakt aufzunehmen oder über die gegenseitigen Leistungen zu
verhandeln. Für den Begriff der Vermittlungstätigkeit
nach Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG könne
nichts anderes gelten. Dies ergebe sich auch aus dem zur
Versicherungsvermittlungstätigkeit ergangenen Urteil des EuGH
vom 3.4.2008 Rs. C-124/07, J.C.M. Beheer (BFH/NV Beilage 2008, 216
= SIS 08 20 56). Dem Regelungsinhalt von Art. 2 der Richtlinie
77/92/EWG über das erforderliche Maß der
Vermittlungstätigkeit komme nur indizielle Bedeutung
zu.
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, unter Aufhebung des FG-Urteils den
Umsatzsteuerbescheid 1999 vom 19.11.2002 dahingehend zu
ändern, dass die Umsatzsteuer auf ... DM herabzusetzen
sei.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
Die Klägerin habe nicht die
wesentlichen Teile einer Versicherungsvermittlungstätigkeit
erbracht. Nach dem BFH-Urteil in BFHE 219, 237, BStBl II 2008, 829
= SIS 08 04 27 komme es darauf an, ob die einzelnen Leistungen
innerhalb eines Organisationsmodells ein im Großen und Ganzen
eigenständiges Ganzes darstellten, das die spezifischen und
wesentlichen Funktionen einer Vermittlungstätigkeit
erfülle. Daran fehle es, da die Klägerin lediglich
potentielle Versicherungsnehmer zugeführt habe. Das
EuGH-Urteil vom 21.6.2007 Rs. C-453/05, Ludwig (BFH/NV Beilage
2007, 398 = SIS 07 23 31 Rdnrn. 29 ff. zur umsatzsteuerfreien
Kreditvermittlung) sei im vorliegenden Fall nicht
einschlägig.
Das Urteil des FG ist in EFG 2008, 1415 =
SIS 08 15 95 veröffentlicht.
II. Die Revision der Klägerin ist
begründet und führt zur antragsgemäßen
Herabsetzung der Umsatzsteuer (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Der Rechtsauffassung des FG,
wonach die Leistungen der Klägerin nicht nach § 4 Nr. 11
UStG steuerfrei sind, folgt der Senat nicht.
1. § 4 Nr. 11 UStG befreit die
Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter,
Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler. Die Vorschrift
dient der Umsetzung von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie
77/388/EWG. Danach befreien die Mitgliedstaaten Versicherungs- und
Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazu
gehörenden Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und
-vertretern erbracht werden.
a) Die von Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG
verwendeten Begriffe sind nach der Rechtsprechung des EuGH autonom
gemeinschaftsrechtlich auszulegen, um eine in den Mitgliedstaaten
unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems zu verhindern
(EuGH-Urteil vom 3.3.2005 Rs. C-472/03, Arthur Andersen, BFH/NV
Beilage 2005, 188 = SIS 05 17 37 Rdnr. 25). Auf die
handelsrechtlichen Begriffe des Versicherungsvertreters und
Versicherungsmaklers nach §§ 92 f. HGB kommt es nicht an
(BFH-Urteil in BFHE 219, 237, BStBl II 2008, 829 = SIS 08 04 27).
b) Für die Anforderungen an den Inhalt
der steuerbefreiten Tätigkeit eines Versicherungsvertreters
gelten folgende Rechtsgrundsätze:
aa) Nach der Rechtsprechung (EuGH-Urteil
Arthur Andersen in BFH/NV Beilage 2005, 188 Rdnr. 36) ist es
für die steuerfreie Versicherungsvermittlungstätigkeit
wesentlich, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer
zusammenzubringen. Die Vermittlung kann in einer Nachweis-, einer
Kontaktaufnahme- oder in einer Verhandlungstätigkeit bestehen,
wobei sich die Tätigkeit auf ein einzelnes Geschäft, das
vermittelt werden soll, beziehen muss (BFH-Urteil vom 30.10.2008 V
R 44/07, BFH/NV 2009, 330 = SIS 08 43 35).
bb) Nicht steuerfrei sind hingegen Leistungen,
die keinen spezifischen und wesentlichen Bezug zu einzelnen
Vermittlungsgeschäften aufweisen, sondern allenfalls dazu
dienen, als Subunternehmer den Versicherer bei den ihm selbst
obliegenden Aufgaben zu unterstützen, ohne Vertragsbeziehungen
zu den Versicherten zu unterhalten, wie z.B. bei der Festsetzung
und Auszahlung der Provisionen der Versicherungsvertreter, das
Halten der Kontakte mit diesen und die Weitergabe von Informationen
an die Versicherungsvertreter (zu sog.
„Backoffice“-Tätigkeiten EuGH-Urteil Arthur
Andersen in BFH/NV Beilage 2005, 188 Rdnrn. 37, 38).
Demgemäß sind nach der Rechtsprechung des BFH nicht
steuerfrei die Tätigkeit eines Schadensabwicklers, der sich
mit Schadensmeldungen, Kundenanfragen, der Regulierung von
Schäden und Begutachtung vor Ort befasst (BFH-Beschluss vom
14.8.2006 V B 65/04, BFH/NV 2007, 114 = SIS 06 48 76), die
Tätigkeit eines Werbeagenten, der Kundendaten zur Vorbereitung
eines Versicherungsabschlusses erhebt (BFH-Urteil in BFHE 219, 237,
BStBl II 2008, 829 = SIS 08 04 27) oder eines
„Overhead-Handelsvertreters“, der Betreuungs-,
Schulungs- und Überwachungsleistungen erbringt (BFH-Urteil in
BFH/NV 2009, 330 = SIS 08 43 35).
2. Nach diesen Rechtsgrundsätzen hat das
FG zu Unrecht die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 11 UStG versagt,
weil die Tätigkeit der Klägerin die spezifischen und
wesentlichen Funktionen einer Versicherungsvermittlung
erfüllt.
a) Die Klägerin hat dem Handelsvertreter
T am Abschluss einer Lebensversicherung interessierte Kunden
nachgewiesen und hierfür vereinbarungsgemäß eine
„Zuführungsprovision“ von 80 bis 85 % der
dem T zustehenden Abschlussprämie erhalten. Wie der EuGH in
seinem Urteil J.C.M. Beheer in BFH/NV Beilage 2008, 216 = SIS 08 20 56 ausführt, schließt Art. 13 Teil B Buchst. a der
Richtlinie 77/388/EWG seinem Wortlaut nach nicht aus, dass die
Tätigkeit eines Versicherungsvertreters sich in verschiedene
Dienstleistungen aufteilen lässt. Daher können auch
Untervermittler, die bei der Vermittlung von Krediten ohne
unmittelbare Beauftragung durch eine der beiden Parteien des
abzuschließenden Kreditvertrages tätig werden,
steuerfreie Vermittlungsleistungen erbringen. Dies folgt aus dem
Grundsatz der steuerlichen Neutralität, wonach die
Wirtschaftsteilnehmer befugt sind, das Organisationsmodell zu
wählen, das ihren wirtschaftlichen Bedürfnissen am
ehesten entspricht, ohne Gefahr zu laufen, eine Steuerbefreiung zu
verlieren. Hierzu gehört auch die Befugnis, die
Dienstleistungen eines Versicherungsvertreters i.S. des Art. 13
Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG in verschiedene
Dienstleistungen aufzuteilen (EuGH-Urteil J.C.M. Beheer in BFH/NV
Beilage 2008, 216 = SIS 08 20 56 Rdnrn. 27, 28).
Bei der Nachweistätigkeit der
Klägerin handelt es sich auch nicht nur um eine
Übertragung eines Teils der mit dem Abschluss von
Versicherungsverträgen verbundenen Sacharbeit, sondern um den
Kern der steuerbefreiten Tätigkeit, nämlich die am
Abschluss einer Versicherung interessierten Personen ausfindig zu
machen und mit dem Versicherer zusammen zu bringen.
b) Zu Unrecht hat das FG die Steuerfreiheit
unter Hinweis auf die Richtlinie 77/92/EWG verneint, weil die
Klägerin nicht auch bei der Vorbereitung des Abschlusses der
Versicherungsverträge und „gegebenenfalls“
bei der Verwaltung und Erfüllung von
Versicherungsverträgen mitgewirkt hat. Es liegt im Wesen eines
arbeitsteiligen Zusammenwirkens, dass von jedem der Mitwirkenden
lediglich ein Teil der gesamten die Vermittlung betreffenden Arbeit
geleistet wird.
3. Der Steuerfreiheit der von der
Klägerin erbrachten Leistungen als Versicherungsvertreter
steht auch nicht bereits entgegen, dass sie ihre Leistungen
gegenüber dem Hauptvermittler T, nicht aber gegenüber dem
Lebensversicherer erbrachte und somit nicht unmittelbar durch eine
der Parteien des zu vermittelnden Vertrages beauftragt wurde. Denn
für die erforderliche Verbindung zwischen dem
Versicherungsvermittler und den Vertragsparteien genügt nach
der jüngeren Rechtsprechung des EuGH (Urteil J.C.M. Beheer in
BFH/NV Beilage 2008, 216 = SIS 08 20 56), der sich der BFH
angeschlossen hat (Urteil in BFH/NV 2009, 330 = SIS 08 43 35), dass
der Versicherungsvertreter zu dem Versicherungsunternehmen eine
mittelbare Verbindung über einen anderen Steuerpflichtigen
unterhält, der selbst in unmittelbarer Verbindung zu einer
dieser Parteien steht.