Versicherungsmakler, Versicherungsvertreter, USt-Freiheit: Zur Tätigkeit als Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler i.S. von § 4 Nr. 11 UStG gehört es, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen. Die Begriffe des Versicherungsvertreters und Versicherungsmaklers i.S. des § 4 Nr. 11 UStG sind richtlinienkonform nach Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG und nicht handelsrechtlich nach den Begriffen des Versicherungsvertreters und Handelsmaklers i.S. von § 92 und § 93 HGB auszulegen (Änderung der Rechtsprechung). (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 9.10.2008, IV B 9 - S 7167/08/10001, BStBl 2008 I S. 948 = SIS 08 38 60) - Urt.; BFH 6.9.2007, V R 50/05; SIS 08 04 27
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) war in den Streitjahren 1993 bis 1997 als sog.
Werbeagent für die KG selbständig tätig. Die KG
vermittelte Versicherungen an Unternehmer, mit denen sie
Gesprächstermine vereinbarte, die durch den Kläger
wahrgenommen wurden. Ziel dieser Erstgespräche war der Aufbau
eines Vertrauensverhältnisses zwischen den Interessenten und
der KG. Der Kläger erhob bei den Gesprächen im Regelfall
Daten über Sozialversicherungen, private Lebensversicherungen,
Pensionsvereinbarungen und Direktversicherungen
(versicherungstechnische Inventur), äußerte sich dabei
aber nicht zu den zu vermittelnden Versicherungen. Für seine
Tätigkeit erhielt der Kläger von der KG Provisionen,
deren Höhe sich nach dem Umfang der durch den Kläger
jeweils ausgeübten Tätigkeit richtete. Es kam insoweit
insbesondere darauf an, ob der Kläger die
versicherungstechnische Inventur nur anbahnte oder auch
durchführte.
Auf der Grundlage der vom Kläger
erhobenen Daten erstellte die KG ein Versicherungskonzept, das den
potentiellen Kunden durch die von der KG gleichfalls beauftragten
Hauptvertreter unterbreitet wurde. Die Hauptvertreter waren zum
Abschluss von Versicherungsverträgen mit den Kunden
berechtigt. Sie erhielten für ihre Tätigkeit
Abschlussprovisionen.
In seinen Umsatzsteuererklärungen
behandelte der Kläger die von der KG bezogenen Provisionen als
Entgelte für nach § 4 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes
1993 (UStG) umsatzsteuerfreie Leistungen.
Demgegenüber ging der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) von
umsatzsteuerpflichtigen Leistungen aus und setzte die Umsatzsteuer
1993 bis 1997 dementsprechend fest. Der hiergegen eingelegte
Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung vom 17.8.2000 als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Klage hatte keinen Erfolg (vgl. SIS 06 09 59). Das Finanzgericht (FG) verneinte die Steuerfreiheit der
Leistungen des Klägers, da § 4 Nr. 11 UStG nur
berufstypische Umsätze erfasse. Maßgeblich seien die
handelsrechtlichen Begriffsbestimmungen nach §§ 92 und 93
des Handelsgesetzbuches (HGB). Der Kläger sei kein
Handelsmakler gewesen, da er ständig für die KG
tätig gewesen sei. Der Kläger habe auch nicht als
Versicherungsvertreter nach § 92 HGB gehandelt, da dies ein
Verhandeln mit den Vertragsparteien des abzuschließenden
Vertrages voraussetze. Der Kläger habe mit der Erhebung von
versicherungsrelevanten Daten lediglich Geschäftsbeziehungen
angebahnt und eine bloße Werbetätigkeit ausgeübt.
Die Tätigkeit des Klägers sei auch nicht der eines
Generalvertreters mit eigenem Vertreterstab vergleichbar, die nach
der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) durch
umsatzsteuerfreie Superprovisionen vergütet werde. Im
Gegensatz zu derartigen Generalvertretern habe der Kläger
weder Mitarbeiter betreut noch überwacht. Der Kläger
könne sich für die Steuerfreiheit seiner Umsätze
auch nicht auf das Gemeinschaftsrecht berufen. Denn Art. 13 Teil B
Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) setze für
die Steuerfreiheit der Leistungen eines Versicherungsvertreters
voraus, dass eine Vertragsbeziehung zwischen dem Versicherer und
dem Versicherten vorliege, an der es im vorliegenden Fall
fehle.
Mit der Revision rügt der Kläger
Verletzung von § 4 Nr. 11 UStG. Er stützt die Revision
insbesondere darauf, dass das FG den Begriff des Handelsvertreters
nach § 84 HGB verkannt habe und beantragt, das Urteil des FG
vom 30.6.2005 und die Umsatzsteuerbescheide 1993 bis 1997 in der
Fassung der Einspruchsentscheidung vom 17.8.2000
aufzuheben.
Das FA beantragt Zurückweisung der
Revision.
Kläger und FA haben auf mündliche
Verhandlung verzichtet.
II. Die zulässige Revision ist
unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.
2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die vom Kläger
ausgeführten Umsätze sind nicht gemäß § 4
Nr. 11 UStG von der Umsatzsteuer befreit.
1. § 4 Nr. 11 UStG befreit die
Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter,
Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler. Die Vorschrift
dient der Umsetzung von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie
77/388/EWG. Danach befreien die Mitgliedstaaten Versicherungs- und
Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazu
gehörenden Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und
-vertretern erbracht werden.
Die von Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG
verwendeten Begriffe sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs
der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) autonom
gemeinschaftsrechtlich auszulegen, um eine in den Mitgliedstaaten
unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems zu verhindern
(Urteil vom 3.3.2005 C-472/03, Arthur Andersen, Slg. 2005, I-1719,
BFH/NV Beilage 2005, 188 = SIS 05 17 37 Randnr. 25).
Zu den wesentlichen Aspekten der nach Art. 13
Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG steuerfreien
Versicherungsvermittlungstätigkeit gehört es, Kunden zu
suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzuführen
(EuGH-Urteil Arthur Andersen in Slg. 2005, I-1719, BFH/NV Beilage
2005, 188 = SIS 05 17 37 Randnr. 36). Leistungen von
Versicherungsvertretern und -maklern sind dabei nur steuerfrei,
wenn sie zugleich zum Versicherer und zum Versicherungsnehmer in
Beziehung stehen (EuGH-Urteil Arthur Andersen in Slg. 2005, I-1719,
BFH/NV Beilage 2005, 188 = SIS 05 17 37 Randnr. 33).
Dienstleistungen wie z.B. die Festsetzung und die Auszahlung der
Provisionen der Versicherungsvertreter, das Halten der Kontakte mit
diesen und die Weitergabe von Informationen an die
Versicherungsvertreter gehören demgegenüber nicht zu den
Tätigkeiten eines Versicherungsvertreters (EuGH-Urteil Arthur
Andersen in Slg. 2005, I-1719, BFH/NV Beilage 2005, 188 = SIS 05 17 37 Randnr. 35). Allgemein sind Unterstützungsleistungen
für die Ausübung der dem Versicherer selbst obliegenden
Aufgaben steuerpflichtig. Insoweit bestehen zwischen den
Steuerbefreiungen für den Versicherungsbereich und für
den Bank- und Finanzbereich nach Art. 13 Teil B Buchst. a und
Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG keine Unterschiede (EuGH-Urteil
Arthur Andersen in Slg. 2005, I-1719, BFH/NV Beilage 2005, 188 =
SIS 05 17 37 Randnr. 37 f.).
Im Hinblick auf die danach gebotene
richtlinienkonforme Auslegung des § 4 Nr. 11 UStG unter
Berücksichtigung von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie
77/388/EWG hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung,
nach der es für den Umfang der Steuerbefreiung auf die
handelsrechtlichen Begriffe des Versicherungsvertreters und
Versicherungsmaklers nach §§ 92 f. HGB ankam
(BFH-Entscheidungen vom 29.1.1998 V R 41/96, BFH/NV 1998, 1004; vom
9.7.1998 V R 62/97, BFHE 187, 56, BStBl II 1999, 253 = SIS 99 02 45, und vom 10.6.1999 V R 10/98, BFHE 189, 192, BStBl II 1999, 686
= SIS 99 19 27) nicht mehr fest (Änderung der
Rechtsprechung).
2. Das FG ist zwar noch von den bisherigen
Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung ausgegangen. Das Urteil
erweist sich im Ergebnis aber gleichwohl als richtig, da die
Tätigkeit des Klägers nicht steuerfrei ist.
a) Der Kläger war nicht an der Suche nach
potentiellen Interessenten beteiligt und führte diese auch
nicht mit Versicherern zusammen. Nach den Feststellungen des FG
vereinbarte die KG die Gesprächstermine mit den Interessenten,
so dass das Ermitteln potentieller Interessenten der KG oblag. Die
Klägerin hat die Interessenten auch nicht mit den Versicherern
zusammengeführt. Die Auswahl der Versicherungsprodukte und
damit das Herstellen der Verbindung zu einzelnen
Versicherungsgesellschaften erfolgte durch die KG, die für
potentielle Kunden auch das Versicherungskonzept erstellte. Der
Kläger beschränkte sich im Wesentlichen auf das
bloße Erheben von Daten. Zwar konnten die Versicherungen ohne
vorherige Datenerhebung nicht abgeschlossen werden. Dies reicht
aber für die Steuerfreiheit nicht aus, da es sich nur um eine
Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Versicherungssituation des
Interessenten handelte, ohne den Kunden Versicherungsangebote auch
nur zu erläutern.
b) Der Senat braucht nicht abschließend
zu entscheiden, inwieweit die nach Art. 13 Teil B Buchst. a der
Richtlinie 77/388/EWG steuerfreie
Versicherungsvermittlungstätigkeit der Versicherungsvertreter
und -makler, die zugleich zum Versicherer und zum
Versicherungsnehmer in Beziehung stehen müssen (EuGH-Urteil
Arthur Andersen in Slg. 2005, I-1719, BFH/NV Beilage 2005, 188 =
SIS 05 17 37 Randnr. 33), in verschiedene einzelne Dienstleistungen
zerfällt, die dann ihrerseits als Vermittlung steuerfrei sind.
Nach dem zu Art. 13 Teil B Buchst. d Nr.
1 der Richtlinie 77/388/EWG ergangenen Urteil des EuGH vom
21.6.2007 C-453/05, Ludwig (BFH/NV Beilage 2007, 398, UR 2007, 617
= SIS 07 23 31 Randnr. 34 ff.) sind die Wirtschaftsteilnehmer bei
einer Kreditvermittlung berechtigt, ein ihnen zusagendes
Organisationsmodell zu wählen, ohne dass dies zur
Steuerpflicht der Leistung führt. Dies gilt aber nur, wenn die
einzelne Leistung ein im Großen und Ganzen
eigenständiges Ganzes darstellt, das die spezifischen und
wesentlichen Funktionen einer Vermittlungsleistung
erfüllt.
Selbst unter Berücksichtigung des zu
Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der
Richtlinie 77/388/EWG ergangenen EuGH-Urteils Ludwig in
BFH/NV Beilage 2007, 398, UR 2007, 617 Randnr. 34 ff. und der in
diesem Urteil betonten Wahlfreiheit hinsichtlich des
Organisationsmodells der Vermittlung war der Kläger nicht als
Versicherungsvertreter oder -makler tätig. Denn das
bloße Einholen von Kundendaten erfüllt nicht als im
Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes die spezifischen
und wesentlichen Funktionen einer
Versicherungsvermittlungstätigkeit.
c) Im Übrigen kommt es nicht darauf an,
dass die für die Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. a der
Richtlinie 77/388/EWG ergangenen Urteile des EuGH zu Sachverhalten
ergangen sind, die durch einen noch geringeren Bezug zur
Versicherungsvermittlung geprägt waren als die Tätigkeit
des Klägers. Denn der EuGH hat nicht über
Einzelfälle, sondern über die abstrakte Auslegung des
Gemeinschaftsrechts zu entscheiden. Seine Urteile enthalten somit
allgemeine Auslegungsgrundsätze, die auch im vorliegenden Fall
zu beachten sind.