Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, unentgeltlicher Erwerber der Altaktien: Der unentgeltliche Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG 1999 umfasst auch die nach einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln dem unentgeltlichen Erwerber der Altaktien zugeteilten neuen Aktien. - Urt.; BFH 25.2.2009, IX R 26/08; SIS 09 21 19
I. Der Sohn der Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) war an der X GmbH mit einem
Stammkapital von 100.000 DM zu 90 % beteiligt. Er schenkte im Jahr
1998 der Klägerin einen Geschäftsanteil von 5 %
(Nennbetrag 5.000 DM). Nach Einziehung des eigenen Anteils der X
GmbH (Nennbetrag 10.000 DM) war die Klägerin am Stammkapital
mit 5,5 % beteiligt. Im Jahr 1999 erhielt sie nach Umwandlung der X
GmbH in die Y AG zunächst 1.100 Stückaktien für ihre
bis dahin gehaltenen Geschäftsanteile. Infolge der
Erhöhung der Anzahl der Stückaktien hielt die
Klägerin entsprechend ihrem Beteiligungsverhältnis
zunächst 2.750 Aktien, nach einer Kapitalerhöhung aus
Gesellschaftsmitteln zusätzlich 41.800 Aktien, nach einer
weiteren Kapitalerhöhung hielt sie insgesamt 356.400
Stückaktien.
Nach dem Verkauf von Aktien im Rahmen des
Börsengangs der Y AG verblieben der Klägerin 168.222
Stückaktien. Mit Gesellschaftsvertrag vom Dezember 2000
verpflichtete sie sich, das Stammkapital der B GmbH in Form einer
Sacheinlage durch Einbringung von 168.220 Aktien gegen
Gewährung von Gesellschaftsrechten zu erbringen. Die Einlage
wurde im Januar 2001 erbracht. Versehentlich wurden zwei
zusätzliche Aktien übertragen, so dass insgesamt 168.222
Aktien eingebracht wurden.
Die Einbringung der Aktien behandelte die
Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung für das
Streitjahr 2001 als Veräußerung i.S. von § 17 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) und erklärte einen Gewinn in
Höhe von 4.269.425,27 DM. Dem folgte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) mit unter dem Vorbehalt
der Nachprüfung stehendem Einkommensteuerbescheid für das
Streitjahr.
Am 3.12.2002 verkaufte die B GmbH die
168.222 Aktien der Y AG zu einem Kurswert von 0,75 EUR an die
Klägerin (Gesamtkaufpreis 126.166,50 EUR). Am 3.12.2002
veräußerte die Klägerin ihre Geschäftsanteile
an der B GmbH zum Kaufpreis von 126.166,50 EUR an die A GmbH.
Hierdurch entstand der Klägerin ein
Veräußerungsverlust in Höhe von 2.069.141,60 EUR,
da die Einbringung der Aktien zu einem Kurswert von 13,05 EUR je
Aktie erfolgt war. Diesen trug das FA mit
Einkommensteueränderungsbescheid nach § 10d Abs. 1 Satz 5
EStG mit dem Höchstbetrag von 1.000.407 DM (511.500 EUR) auf
den Veranlagungszeitraum 2001 zurück. Im Rahmen des
Einspruchsverfahrens gegen den geänderten
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr machte die
Klägerin geltend, dass die Einbringung der 168.222 Aktien der
Y AG in die B GmbH keine Veräußerung i.S. von § 17
Abs. 1 EStG darstelle. Bei den Anteilen aus der
Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln handele es sich um
neue Anteile, die nicht unter § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG fielen.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab,
da die Einbringung der 168.222 Stückaktien in die GmbH einen
Veräußerungsvorgang i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 5
EStG darstelle (EFG 2008, 1374 = SIS 08 22 47). Der Sohn der
Klägerin sei auch hinsichtlich der jungen Aktien als ihr
Rechtsvorgänger anzusehen.
Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung von § 17 Abs. 1 Satz 5 i.V.m.
§ 17 Abs. 1 Satz 1 EStG. Insbesondere handele es sich bei den
Anteilen, die sie durch Kapitalerhöhung aus
Gesellschaftsmitteln erhalten habe, nicht um unentgeltlich von
einem Rechtsvorgänger erworbene Anteile.
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und den
Einkommensteueränderungsbescheid vom 18.12.2003 insoweit
abzuändern, dass der Gewinn aus der Veräußerung von
aus zwei Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln
entstandenen Aktien der Y AG nicht nach § 17 Abs. 1 Satz 5
EStG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG der Besteuerung
unterworfen wird.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ).
Zutreffend geht das FG davon aus, die
Klägerin habe die ihr aus den Kapitalerhöhungen
zugeteilten jungen Aktien der Y AG mit der Beteiligung an der X
GmbH unentgeltlich von ihrem Sohn erworben.
1. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1
EStG in der im Streitfall anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom
22.12.1999 (BGBl I, 2601, - EStG 1999 - ; vgl. § 52 Abs. 34a
EStG) gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch
der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer
Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der
letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich
beteiligt war. Dies gilt gemäß § 17 Abs. 1 Satz 5
EStG entsprechend, wenn der Veräußerer zwar nicht
selbst, aber der Rechtsvorgänger innerhalb der letzten
fünf Jahre wesentlich beteiligt war und der
Veräußerer den veräußerten Anteil innerhalb
der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung
unentgeltlich erworben hat.
§ 17 Abs. 1 Satz 5 EStG verlangt mit dem
unentgeltlichen Erwerb einen Rechtsträgerwechsel ohne
Gegenleistung und enthält eine Rechtsfolgenverweisung auf Satz
1 (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29.7.1997 VIII R 80/94,
BFHE 184, 74, BStBl II 1997, 727 = SIS 97 21 33). Steuerverhaftet
werden durch § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG ausschließlich die
unentgeltlich übertragenen Anteile. Erwirbt der
Steuerpflichtige zu einem späteren Zeitpunkt - nach der
unentgeltlichen Zuwendung - andere Anteile unentgeltlich oder
entgeltlich hinzu, so bleiben diese von der erweiterten
Steuerverhaftung unberührt. Nacheinander erworbene Anteile
bleiben jeweils selbständig (Gosch in Kirchhof, EStG, 8.
Aufl., § 17 Rz 91, m.w.N.). Die nicht wesentliche Beteiligung
des Steuerpflichtigen erstarkt nicht infolge des unentgeltlichen
Erwerbs zu einer qualifizierten.
2. Nach diesen Grundsätzen hat die
Klägerin die in den jungen Aktien verkörperte Substanz
von ihrem Sohn erworben. Die Zuteilung der jungen Aktien
führte nicht zu einem gegenüber dem unentgeltlichen
Erwerb der Altaktien selbständigen Erwerbsvorgang.
a) Die Kapitalerhöhung aus
Gesellschaftsmitteln führte schon deshalb nicht zu einem
eigenständigen Erwerbsvorgang hinsichtlich der jungen Aktien,
weil insoweit ein Rechtsträgerwechsel nicht stattgefunden hat.
Die Klägerin war vor der Kapitalerhöhung
Rechtsträger derselben Substanz, die nach der
Kapitalerhöhung in den jungen Aktien verkörpert wurde.
Diese Substanz bestand auch bereits in den alten Aktien, so dass
mit der Kapitalerhöhung nicht eigenständige, einem
selbständigen Erwerb zugängliche Wirtschaftsgüter
entstanden sind.
Grundlage der Kapitalerhöhung aus
Gesellschaftsmitteln ist ein Umbuchungsvorgang (vgl. Möhrle,
Buchführung, Bilanz, Kostenrechnung - BBK -, Beilage 1 1998 S.
4). Es ändert sich nicht die Höhe, sondern nur die
Zusammensetzung des Eigenkapitals (dazu § 207 des
Aktiengesetzes). Offene Rücklagen werden in gezeichnetes
Kapital umgewandelt, wobei die bisherigen Aktionäre
zusätzlich zu ihren alten Aktien neue Aktien erhalten. §
1 des Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei
Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei
Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer (KapErhStG) vom
10.10.1967 (BGBl I 1967, 977) i.d.F. des Stückaktiengesetzes
vom 25.3.1998 (BGBl I 1998, 590) nimmt die handelsrechtlich
wirksame Umwandlung offener Rücklagen in Nennkapital aus dem
Bereich der Einkünftebesteuerung heraus. Anteile, die ein
Gesellschafter bei der Kapitalerhöhung aus
Gesellschaftsmitteln erhält, stellen bei ihm keine
Einkünfte i.S. von § 2 Abs. 1 EStG dar.
Anschaffungskosten, die der Anteilseigner für die Altanteile
aufgebracht hat, stellen damit die Anschaffungskosten für die
nunmehr in seinem Besitz befindlichen alten und neuen Anteilsrechte
dar (vgl. § 3 KapErhStG). Der Gesellschafter hat die
Freianteile bereits mit dem Kauf der Altanteile angeschafft. Dies
gilt etwa hinsichtlich der Frist des § 23 EStG (Binnewies in
Nirk/Ziemons/Binnewies, Handbuch der AG, Teil II, Rz 1797). In
diesem Sinne spricht der BFH von Substanzabspaltung der jungen
Aktien aus den alten Aktien (ständige Rechtsprechung,
BFH-Urteile vom 21.1.1999 IV R 27/97, BFHE 188, 27, BStBl II 1999,
638 = SIS 99 07 22; vom 22.5.2003 IX R 9/00, BFHE 202, 309, BStBl
II 2003, 712 = SIS 03 32 19; vom 4.7.2007 VIII R 68/05, BFHE 218,
299, BStBl II 2007, 937 = SIS 07 34 87, jeweils m.w.N.). Insoweit
ist unerheblich, dass im Streitfall keine Bareinlage geleistet und
damit nicht in Gestalt der Bareinlage zusätzliche
Anschaffungskosten entstanden sind. Maßgeblich ist allein das
Verhältnis der alten zu den jungen Aktien. Durch die
Gewährung kostenloser Bezugsrechte oder die Ausgabe von
Gratisaktien erwirbt deren Inhaber unentgeltlich einen Anteil an
den stillen Reserven, die in entsprechender Höhe aus der
Substanz der Stammaktien ausscheiden (BFH-Urteil vom 19.12.2000 IX
R 100/97, BFHE 194, 182, BStBl II 2001, 345 = SIS 01 06 25). Dies
heißt nicht, dass die jungen Aktien als neue Substanz
entstünden und in einem originären Erwerbsvorgang
unabhängig vom Erwerb der alten Aktien erworben werden
könnten. Die Kapitalerhöhung führt wirtschaftlich zu
einer Abspaltung der in den Stammaktien verkörperten Substanz
und lediglich in der Folge zu einer Abspaltung eines Teils der
ursprünglichen Anschaffungskosten. Dies bedeutet aber
zugleich, dass maßgeblicher Erwerbsvorgang sowohl für
die Altaktien wie für die jungen Aktien die ursprüngliche
Anschaffung der Stammaktien ist. Die insoweit maßgebliche
Substanzverschiebung vollzieht sich bei jeder Kapitalerhöhung,
unabhängig davon, ob sie gegen Einlage oder aus
Gesellschaftsmitteln erfolgt (BFH-Urteil in BFHE 188, 27, BStBl II
1999, 638 = SIS 99 07 22).
b) Die jungen Aktien werden vom
unentgeltlichen Erwerb der alten Aktien i.S. von § 17 Abs. 1
Satz 5 EStG erfasst (Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, 27. Aufl.,
§ 17 Rz 85). Dem steht weder entgegen, dass es sich um eine
Rechtsfolge-, nicht um eine Rechtsgrundverweisung von § 17
Abs. 1 Satz 1 EStG handelt, noch, dass § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG
keine quotenmäßige Bestandserfassung enthält, so
dass nacheinander erworbene Anteile jeweils selbständig
bleiben. Denn im Streitfall ist nicht von nacheinander erworbenen
selbständigen Anteilen auszugehen, vielmehr besteht zwischen
den Altaktien und den jungen Aktien wirtschaftliche Identität,
die die Annahme eines selbständigen Erwerbs der jungen Aktien
ausschließt.