Abgetretener Vorsteuerüberschuss, Rückforderung: Sind im Umsatzsteuerjahresbescheid abzugsfähige Vorsteuern mit 0 DM/EUR zugrunde gelegt, verliert die Festsetzung eines Vergütungsanspruchs aufgrund einer Umsatzsteuervoranmeldung (Vorbehaltsfestsetzung), soweit sie auf berücksichtigten Vorsteuern beruht, ihre Wirksamkeit als formeller Rechtsgrund für die infolge einer wirksamen Abtretung des Anspruchs bewirkte Auszahlung. Im Falle der Uneinbringlichkeit beim Zedenten ist das FA zur Rückforderung des Betrages vom Zessionar berechtigt (Fortentwicklung der Rechtsprechung). - Urt.; BFH 17.3.2009, VII R 38/08; SIS 09 16 41
I. Die T-GmbH hatte für die Monate
Februar und März 1995 Umsatzsteuervoranmeldungen beim
Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) eingereicht
und die daraus resultierenden Erstattungsbeträge an die
Rechtsvorgängerin der Klägerin und Revisionsbeklagten
(Klägerin), ein Kreditinstitut, abgetreten. Die Beträge
beliefen sich für Februar 1995 auf 344.248,30 DM und für
März 1995 auf 1.876.040,10 DM und ergaben sich aus den
angemeldeten Vorsteuerbeträgen abzüglich der jeweils auf
die jährliche Honorarabrechnung der T-GmbH entfallenden
Umsatzsteuer von 150 DM. Die abgetretenen Beträge wurden mit
Umsatzsteuerschulden der Abtretungsempfängerin beim FA
verrechnet.
Nachdem das FA zunächst die
Jahresumsatzsteuer 1995 in Anlehnung an die Voranmeldungen unter
Berücksichtigung erheblicher Vorsteuern geschätzt hatte,
stellte die Steuerfahndungsstelle im Rahmen eines
Ermittlungsverfahrens gegen die T-GmbH im Laufe des Jahres 2000
fest, dass die T-GmbH hinsichtlich der für Februar und
März 1995 angemeldeten Vorsteuern nicht abzugsberechtigt
war.
Mit Bescheid vom 29.3.2000 änderte das
FA die Jahressteuerfestsetzung 1995 und setzte die Umsatzsteuer der
T-GmbH ohne Berücksichtigung abziehbarer Vorsteuern fest. Noch
während des Einspruchsverfahrens forderte es die an die
Klägerin abgetretenen Beträge von dieser zurück,
nachdem es zunächst vergeblich versucht hatte, den im
Jahressteuerbescheid festgesetzten Rückforderungsbetrag bei
der T-GmbH beizutreiben.
In der Einspruchsentscheidung
schließlich änderte es die Umsatzsteuer nochmals unter
Berücksichtigung von - die streitige Rückabwicklung nicht
betreffenden - Vorsteuern in Höhe von 89,96 DM.
Nach im Übrigen erfolgslosem
Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Es
urteilte, ein Rückforderungsanspruch des FA gegenüber der
Klägerin sei nicht gegeben. Der Rechtsgrund für die
abgetretenen Erstattungsansprüche aus den
Umsatzsteuervoranmeldungen Februar und März 1995 sei nicht
entfallen. Die Festsetzungen seien weder aufgehoben noch
geändert worden. Auch aus der nachfolgenden
Jahressteuerfestsetzung könne der Wegfall des Rechtsgrundes
nicht abgeleitet werden. Allein die Beschränkung des
Vorsteuerabzugs in dem Jahressteuerbescheid auf 0 DM berechtige das
FA nicht, die aufgrund von Voranmeldungen für einzelne
Voranmeldungszeiträume ausgezahlten
Vorsteuerüberschüsse vom Zessionar als
Leistungsempfänger zurückzufordern. Das Urteil ist in EFG
2008, 833 = SIS 08 18 53 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA die
fehlerhafte Anwendung des § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO).
Es ist der Auffassung, dass die aufgrund einer vorhergehenden
Vorbehaltsfestsetzung an den Zessionar ausgezahlten
Vorsteuerüberschüsse von diesem zurückgefordert
werden können, wenn sich - wie bei der Versagung des
Vorsteuerabzugs für das gesamte Kalenderjahr - die
Fehlerhaftigkeit der Vorbehaltsfestsetzung aus der
Jahressteuerfestsetzung ergibt. Werde im Jahressteuerbescheid die
abziehbare Vorsteuer mit 0 DM ausgewiesen, so ergebe sich daraus
automatisch, dass es für das gesamte Kalenderjahr und damit
auch für die betreffenden Voranmeldungszeiträume keine
abziehbaren Vorsteuerbeträge gegeben habe.
Vorsteuerkorrekturen nach § 15a oder § 17 des
Umsatzsteuergesetzes wirkten sich auf den Vorsteuerausweis nicht
aus, da diese Beträge in den Umsatzsteuerbescheiden separat
aufgeführt würden. Im Übrigen ergebe sich der Grund
für die Vorsteuerberichtigung eindeutig aus der
Einspruchsentscheidung, die bei der Beurteilung, ob der Rechtsgrund
für die Auszahlung des Erstattungsbetrages entfallen sei,
nicht unberücksichtigt bleiben dürfe.
Die Klägerin hält die
Entscheidung des FG für zutreffend.
II. Die Revision ist begründet und
führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur
Abweisung der Klage. Die Entscheidung des FG beruht auf einer
Verletzung von Bundesrecht, § 118 Abs. 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO). Das FA hat die an die Klägerin
ausgezahlten Erstattungsbeträge zu Recht
zurückgefordert.
Ist eine Steuervergütung ohne rechtlichen
Grund gezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die
Zahlung bewirkt worden ist, einen Anspruch auf Erstattung des
gezahlten oder zurückgezahlten Betrages. Dies gilt auch, wenn
der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt
(§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO).
1. Das FA hat den
Rückforderungsbescheid zu Recht an die Klägerin
gerichtet. Zu den Steuervergütungen i.S. des § 37 Abs. 2
AO gehören auch an einen Zessionar wirksam abgetretene
Ansprüche aus Umsatzsteuervoranmeldungen. Nach den
Feststellungen des FG hat die T-GmbH ihre
Umsatzsteuervergütungsansprüche der Monate Februar und
März 1995 wirksam an die Klägerin abgetreten. Das FA hat
die Leistung an die Klägerin durch die Verrechnung mit deren
Steuerschulden bewirkt. In einem solchen Fall richtet sich der
Rückforderungsanspruch gegen den Abtretungsempfänger
(ständige Rechtsprechung, zuletzt Urteil vom 19.8.2008 VII R
36/07, BFHE 222, 205, BStBl II 2009, 90 = SIS 08 38 86).
2. Der rechtliche
Grund für die Verrechnung der abgetretenen Vergütungen
zugunsten der Klägerin ist nachträglich entfallen, wie es
§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO voraussetzt.
a) Grundlage für die Auszahlung bzw.
Verrechnung von Steuererstattungen und -vergütungen sind
regelmäßig die der Leistung zugrunde liegenden
Steuerbescheide (§ 218 Abs. 1 AO).
aa) Der Rechtsgrund für die Auszahlung
oder Verrechnung von Umsatzsteuererstattungen an einen Zessionar
sind die sich aus den Umsatzsteuervoranmeldungen ergebenden,
abgetretenen Vergütungsansprüche. Die Voranmeldung steht
nach der - in der Auszahlung oder Verrechnung liegenden -
Zustimmung durch das FA einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt
der Nachprüfung gleich (§§ 168 i.V.m. 164 Abs. 1 AO
- Vorbehaltsfestsetzung - ).
bb) Fallen diese formellen Rechtsgrundlagen
für die Leistung des FA nicht durch ausdrückliche
Aufhebung bzw. Änderung rückwirkend weg, so tritt diese
Rechtswirkung nach der ständigen Rechtsprechung des Senats
auch nicht allein mit dem Erlass des Umsatzsteuerjahresbescheids
ein. Die einen Vorsteuerüberschuss ausweisende
Vorbehaltsfestsetzung bleibt vielmehr als formeller Rechtsgrund
für die Auszahlung des durch ihn festgesetzten
Vorsteuerüberschusses grundsätzlich auch dann erhalten,
wenn der Jahressteuerbescheid ergangen ist. Der
Jahressteuerbescheid wird aber für die Zukunft die
formelle Rechtgrundlage der bislang aufgrund der
Vorbehaltsfestsetzungen geleisteten Zahlungen. Die Ansprüche aus den Festsetzungen
für die Voranmeldungszeiträume des Kalenderjahres gehen
in die für das Kalenderjahr zu entrichtende Steuer oder in den
Überschuss ein. Sie sind Teil der für das Kalenderjahr
entstandenen Umsatzsteuer (vgl.
Senatsentscheidung vom 12.10.1999 VII R 98/98, BFHE 190, 25, BStBl
II 2000, 486 = SIS 00 02 76, m.w.N.). Insoweit sind die
Vorbehaltsfestsetzungen „auf andere Weise“ i.S.
des § 124 Abs. 2 AO erledigt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs
- BFH - vom 29.11.1984 V R 146/83, BFHE 143, 101, BStBl II 1985,
370 = SIS 85 09 40; Senatsurteil vom 2.2.1995 VII R 42/94, BFH/NV
1995, 853).
cc) Durch den nachfolgenden
Jahressteuerbescheid verliert die Vorbehaltsfestsetzung allerdings
dann ihre Wirksamkeit als formeller Rechtsgrund - auch hinsichtlich
des abgetretenen, aus einem Vorsteuerüberschuss
herrührenden Vergütungsanspruchs -, wenn der
Jahressteuerbescheid die Feststellung enthält, dass die
Steuerfestsetzung für den betreffenden Voranmeldungszeitraum
materiell fehlerhaft war. Durch solche nachfolgenden Feststellungen
(Regelungen) verliert der Vorbehaltsbescheid seine Wirksamkeit, er
ist auch insoweit „auf andere Weise“ erledigt
i.S. des § 124 Abs. 2 AO.
Den Wegfall des Rechtsgrundes durch eine
nachfolgende Jahressteuerfestsetzung hat der Senat
ausdrücklich auf die Fälle beschränkt, in denen die
Festsetzung aufgrund der Voranmeldung und der
Umsatzsteuerjahresbescheid dieselben Besteuerungsgrundlagen regeln,
weil z.B. jeweils nur ein Vorbezug betroffen ist, oder wenn durch
den Jahressteuerbescheid (Steuerfestsetzung auf 0 DM) festgestellt
wird, dass mangels Unternehmereigenschaft bzw.
Vorsteuerabzugsberechtigung ein abtretbarer
Vorsteuerüberschuss von vornherein nicht bestand. Dem Umstand,
dass in der Umsatzsteuerjahreserklärung bzw. -festsetzung
niedrigere Vorsteuerbeträge ausgewiesen sind als in den
Umsatzsteuervoranmeldungen geltend gemacht worden waren, hat er
insoweit keine Bedeutung beigemessen (vgl. Senatsurteile vom
24.1.1995 VII R 144/92, BFHE 177, 8,
BStBl II 1995, 862 = SIS 95 11 28; vom 5.8.1986 VII R 167/82, BFHE 147, 398, BStBl II 1987, 8 = SIS 86 24 34; vgl. auch BFH-Beschluss vom 5.10.1990 V B 137/89, BFH/NV
1991, 633).
b) Aus dem der
T-GmbH erteilten Jahressteuerbescheid ergibt sich eindeutig, dass
Steuervergütungsansprüche in den Monaten Februar und
März 1995 nicht bestanden. Die Vorbehaltsbescheide sind
dadurch auf andere Weise i.S. des § 124 Abs. 2 AO
erledigt.
aa) In dem dem Rückforderungsbescheid
zugrunde liegenden Jahressteuerbescheid waren als abzugsfähige
Vorsteuern zunächst 0 DM angesetzt. Mit einem solchen Ansatz
regelt ein Jahressteuerbescheid, dass die Besteuerungsgrundlage
„abziehbare Vorsteuern“ in keinem
Voranmeldungszeitraum des Jahres zu berücksichtigen war.
Zweifelsfrei ist in einem solchen Fall, dass sich in keinem
Zeitraum aus Vorsteuern ein Vergütungsbetrag ergeben
konnte.
Zwar kann sich auch in einem solchen Fall eine
Steuervergütung aus einer Berichtigung eines früheren
Vorsteuerausweises ergeben, wenn seinerzeit die Bemessungsgrundlage
zu niedrig angesetzt worden war. Allerdings wäre dieser Fall
eindeutig als Sonderfall zu erkennen, da die Berichtigung sowohl in
der Vorbehaltsfestsetzung als auch im Jahressteuerbescheid als
Besteuerungsgrundlage ausgewiesen wird.
Im Streitfall beruhten die
Steuervergütungen allein auf Vorsteuerüberschüssen.
Wäre es bei der vollständigen Nichtberücksichtigung
von Vorsteuern im Jahressteuerbescheid geblieben, so wäre die
Fehlerhaftigkeit der Vorbehaltsfestsetzungen eindeutig klargestellt
mit der Folge, dass die Vorbehaltsfestsetzungen mit
Vorsteuerausweis durch den Jahressteuerbescheid gemäß
§ 124 Abs. 2 AO auf andere Weise erledigt wären.
bb) Allerdings weist der Jahressteuerbescheid
in der Fassung der Einspruchsentscheidung einen
berücksichtigten Vorsteuerbetrag in Höhe von 89,96 DM
aus.
Anders als aus der vollständigen
Versagung folgt allein aus der Reduzierung des Vorsteuerbetrages im
Jahressteuerbescheid gegenüber der Summe der in den
Vorbehaltsfestsetzungen berücksichtigten Beträge nicht,
dass der rechtliche Grund für die der Rückforderung
zugrunde liegenden Steuervergütungen entfallen ist. Denn
unbeschadet der - im Streitfall geringen - Höhe der
anerkannten Vorsteuern ist bei einer bloß
betragsmäßigen Änderung des Vorsteuerabzugs nicht
erkennbar, auf welche Vorbehaltsfestsetzung sich die Korrektur
bezieht. Wäre diese Vorsteuer (hier 89,96 DM) in einer der
Vorbehaltsfestsetzungen zu berücksichtigen gewesen, aus denen
sich die abgetretenen Vergütungsansprüche ergeben hatten,
so könnte in Höhe dieses Betrages auch nach Berichtigung
der seinerzeit zu Unrecht ausgewiesenen Vorsteuern ein
Vergütungsanspruch verbleiben. In Höhe dieses Betrages
wäre dann der Rechtsgrund für die Auszahlung an den
Zessionar nicht entfallen.
Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher
Sachverhalt im Streitfall hinsichtlich der nachträglich
berücksichtigten 89,96 DM vorliegt, sind aber nicht
ersichtlich. Der im FG-Urteil in Bezug genommenen
Einspruchsentscheidung, die dem Jahressteuerbescheid seine
endgültige Fassung gegeben hat, ist vielmehr die - von der
Klägerin unbeanstandete und damit für den Senat bindende
- Feststellung zu entnehmen, dass die nunmehr berücksichtigten
(geringen) Vorsteuern mit den streitigen Voranmeldungen der T-GmbH,
aus denen sich die abgetretenen Vergütungsansprüche
ergeben hatten, in keinem Zusammenhang stehen.
cc) Mit der Erledigung der Vorbehaltsfestsetzungen auf andere Weise i.S. des
§ 124 Abs. 2 AO ist der Rechtsgrund für das
Behaltendürfen der der Klägerin gutgebrachten
Umsatzsteuervergütungen entfallen.
Die Rechtswirkungen,
die von einer solchen Erledigung des die Vorsteuervergütung
festsetzenden Bescheides gegenüber dem Steuerpflichtigen
ausgehen, muss der Zessionar nach ständiger Rechtsprechung des
Senats in gleicher Weise wie der Steuerpflichtige gegen sich gelten
lassen. Der Zessionar kann rechtlich nicht besser gestellt werden
als der Steuerpflichtige selbst. Wer sich eine steuerrechtliche
Forderung abtreten lässt, übernimmt eine mit dem Risiko
ihres Bestehens behaftete Forderung (Senatsurteil in BFHE 222, 205,
BStBl II 2009, 90 = SIS 08 38 86, m.w.N.). Der
Rückforderungsbescheid des FA ist
rechtmäßig.