Campingplatz, langfristige Vermietung, USt-Freiheit: 1. Die langfristige Vermietung von als Campingplätze erschlossenen Grundstücken ist nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG von der Umsatzsteuer befreit. 2. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG verletzt nicht Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG. - Urt.; BFH 13.2.2008, XI R 51/06; SIS 08 33 07
I. Die Klägerin
und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH & Co. KG,
betreibt auf einem Erbbaurechtsgrundstück einen Campingplatz
mit Yachthafen. Dieser wurde in den Streitjahren 1994 bis 1997 nach
Erteilung entsprechender Baugenehmigungen um weitere 77
Standplätze für Campingwagen erweitert. Die Klägerin
vermietete die Campingstellplätze und behandelte die daraus
erzielten Umsätze als umsatzsteuerpflichtig. Die mit der
Erweiterung des Campingplatzes angefallenen Vorsteuern zog sie
ab.
Nach einer
Außenprüfung nahm der Beklagte und Revisionskläger
(das Finanzamt—FA - ) an, dass die Umsätze aus
„Dauer- und Saisoncamping“ nach § 4 Nr. 12 des
Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) steuerfrei seien und daher die im
Zusammenhang mit der Campingplatzerweiterung getätigten
Investitionen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten, was jeweils in
den Streitjahren zu einer höheren Umsatzsteuerfestsetzung
führte. Der Einspruch hiergegen blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG)
gab der Klage statt (vgl. SIS 06 43 17). Zwar sei nach § 4 Nr.
12 Satz 2 UStG die langfristige, also mehr als sechs Monate
betragende Überlassung einer Campingfläche
umsatzsteuerfrei, was zur Nichtabziehbarkeit der in Ausführung
dieser Umsätze entstandenen Vorsteuerbeträge führe.
Die Klägerin könne sich aber unmittelbar auf Art. 13 Teil
B Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom
17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG)
berufen, wonach die Vermietung von Campingplätzen generell von
der Steuerbefreiung ausgenommen sei. Dies sei für sie
günstig, denn nur so könne sie den für sie
vorteilhaften Vorsteuerabzug vollumfänglich erhalten.
Mit der Revision
rügt das FA Verletzung des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG. Danach
sei nur die kurzfristige Vermietung auf Campingplätzen
steuerpflichtig; lediglich die in Ausführung dieser
Umsätze entstandenen Vorsteuern seien abziehbar. Zwar sei nach
Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG die
Campingplatzvermietung generell steuerpflichtig. Ein Recht, sich
auf den Anwendungsvorrang einer EG-Richtlinie zu berufen, bestehe
aber nur, wenn die Richtliniennorm begünstigende Wirkung habe.
Die von der Klägerin begehrte Umsatzsteuerpflicht sei nicht
unmittelbar begünstigend; das sei nur das mittelbare Recht auf
Vorsteuerabzug.
Das FA beantragt
sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die
Klage abzuweisen.
Die Klägerin
beantragt, die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
Die Überlegungen
des FA zur fehlenden begünstigenden Wirkung der
Richtliniennorm gingen fehl. Bei der Umsatzbesteuerung im Sinne
einer Allphasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug handele es
sich um ein in sich geschlossenes Besteuerungssystem. Es könne
daher nicht unberücksichtigt bleiben, dass durch die von ihr,
der Klägerin, begehrte Steuerpflicht Vorsteuerbeträge
abgezogen werden könnten, die zu einer geringeren
Umsatzsteuerzahllast führten.
II. Die Revision des FA
ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben; die Sache ist
an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
der Finanzgerichtsordnung—FGO - ). Das FG ist zu Unrecht
davon ausgegangen, dass § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG, der nur die
kurzfristige Vermietung auf Campingplätzen von der
Steuerbefreiung ausnimmt, insoweit nicht im Einklang mit Art. 13
Teil B Buchst. b Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG steht.
1. Nach
§ 4 Nr. 12 Satz 1 UStG sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr.
1 UStG fallenden Umsätzen insbesondere die Vermietung und
Verpachtung von Grundstücken steuerfrei. Nach Satz 2 der Norm
nicht befreit sind u.a. die Vermietung von Wohn- und
Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen
Beherbergung von Fremden bereithält, die Vermietung von
Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen und die
kurzfristige Vermietung auf Campingplätzen. Daraus folgt, dass
die langfristige Vermietung auf Campingplätzen von der
Umsatzsteuer befreit ist mit der Folge, dass nach § 15 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 UStG die Steuer für die Lieferung, die Einfuhr
und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie
für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur
Ausführung dieser Umsätze verwendet, vom Vorsteuerabzug
ausgeschlossen ist.
2. Der
Anwendung des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG steht Art. 13 Teil B
Buchst. b Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG nicht entgegen.
a)
Danach befreien die Mitgliedstaaten—unbeschadet sonstiger
Gemeinschaftsvorschriften—unter den Bedingungen, die sie zur
Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der
nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von
Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen
Missbräuchen festsetzen, von der Steuer die Vermietung und
Verpachtung von Grundstücken mit Ausnahme—soweit hier
von Bedeutung—der Gewährung von Unterkunft im
Hotelgewerbe entsprechend den gesetzlichen Begriffsbestimmungen der
Mitgliedstaaten oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung,
einschließlich der Vermietung in Ferienlagern oder auf als
Campingplätze erschlossenen Grundstücken. Obgleich der
Wortlaut der Richtliniennorm nicht zwischen kurz- und langfristiger
Unterkunftsgewährung auf Campingplätzen unterscheidet,
ist die Einschränkung der Steuerpflicht auf kurzfristige
Nutzungsüberlassung in § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG
gemeinschaftsrechtskonform.
b) Der
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat mit
Urteil vom 12.2.1998 Rs. C-346/95 - Blasi - (Slg. 1998, I-481 = SIS 98 07 47) entschieden, Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 1 der
Richtlinie 77/388/EWG „kann dahin ausgelegt werden, dass
die kurzfristige Beherbergung von Fremden als Gewährung von
Unterkunft in Sektoren mit einer ähnlichen Zielsetzung wie das
Hotelgewerbe besteuerbar ist. Insoweit steht Artikel 13 Teil B
Buchstabe b Nummer 1 der Besteuerung von Verträgen, die
für eine Laufzeit von weniger als sechs Monaten abgeschlossen
wurden, nicht entgegen, wenn anzunehmen ist, dass diese Laufzeit
der Absicht der Parteien entspricht“.
Der EuGH vertritt die Auffassung
(Randnr. 23):
„Die Dauer der
Beherbergung stellt ein geeignetes Kriterium für die
Unterscheidung zwischen der Gewährung von Unterkunft im
Hotelgewerbe (als steuerpflichtigem Umsatz) und der Vermietung von
Wohnräumen (als befreitem Umsatz) dar, da sich die
Beherbergung im Hotel u.a. gerade bezueglich der Verweildauer von
der Vermietung eines Wohnraums unterscheidet. Im allgemeinen ist
der Aufenthalt in einem Hotel eher kurz und der Aufenthalt in einer
Mietwohnung von relativ langer Dauer.“
In seiner Begründung
führt er unter den Randnrn. 21 und 22 ferner aus:
„Bei der Definition der
Gewährung von Unterkunft, die abweichend von der Befreiung
für die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken
gemäß Artikel 13 Teil B Buchstabe b Nummer 1 der
Sechsten Richtlinie steuerpflichtig ist, verfügen die
Mitgliedstaaten über einen Gestaltungsspielraum. Dieser wird
begrenzt durch die Zweckbestimmung dieser Vorschrift, die bei der
Bereitstellung von Wohnräumen darin besteht, dass die -
steuerpflichtige - Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe
oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung von der
steuerfreien Vermietung und Verpachtung von Grundstücken
unterschieden werden muss.
Es ist folglich Sache der
Mitgliedstaaten, bei der Umsetzung des Artikels 13 Teil B Buchstabe
b Nummer 1 der Sechsten Richtlinie die ihnen für diese
Unterscheidung geeignet erscheinenden Kriterien
festzulegen.“
c) Die
danach den Mitgliedstaaten zustehende Befugnis zur Festlegung
geeigneter Kriterien erstreckt sich auf die Nr. 1 des Art. 13 Teil
B Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG insgesamt und damit auch auf
Ferienlager und Campingplätze.
Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 1
der Richtlinie 77/388/EWG umschreibt einen einheitlichen Tatbestand
für ausnahmsweise steuerpflichtige Vermietungsumsätze und
zwar, die „Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe
... oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung,
einschließlich der Vermietung in Ferienlagern oder auf als
Campingplätze erschlossenen Grundstücken“. Die
Vermietungen in Ferienlagern wie auf als Campingplätze
erschlossenen Grundstücken sind rechtssystematisch ein
Unterfall der „Gewährung von Unterkunft im
Hotelgewerbe ... oder in Sektoren mit ähnlicher
Zielsetzung“ (vgl.
„einschließlich“). Der EuGH differenziert
nicht zwischen den verschiedenen Tatbestandsvarianten. Das
entspricht zudem seiner ständigen Rechtsprechung, wonach es
der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbietet,
gleichartige und damit in Wettbewerb stehende Unternehmen
hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln
(EuGH-Urteile vom 8.6.2006 Rs. C-430/04 - Feuerbestattungsverein
Halle -, Slg. 2006, I-4999 = SIS 06 29 77; Rs. C-106/05 - L. u. P.
-, Slg. 2006, I-5123 = SIS 06 29 72).
d)
Dementsprechend wird in der Literatur ganz überwiegend §
4 Nr. 12 Satz 2 UStG, soweit dort nur die kurzfristige Vermietung
auf Campingplätzen als steuerpflichtig angesehen wird, unter
Hinweis auf die Entscheidung des EuGH in Slg. 1998, I-481 als
gemeinschaftsrechtskonform beurteilt (vgl. Leonard, UR 2007, 136;
Meyer in Offerhaus/Söhn/ Lange, § 4 Nr. 12 UStG Rz 132;
Brockmann in Hartmann/ Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 4
Nr. 12 Rz 27; Wenzel in Rau/Dürrwächter,
Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 12 Rz 92 f.). Soweit in der
Kommentarliteratur diesbezüglich Zweifel geltend gemacht
werden (vgl. Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 4
Nr. 12 Rz 130, möglicherweise auch Huschens in Vogel/ Schwarz,
UStG, § 4 Nr. 12 Rz 148, aber Rz 7), wird dies nicht
näher begründet.
3. Da
das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist die
Vorentscheidung aufzuheben. Auf der Grundlage seiner
Rechtsauffassung hat es bislang nicht geprüft, ob die
streitige Vermietung von Campingplätzen lang- oder kurzfristig
war (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19.11.1998 V R 21/98, BFH/NV 1999,
837 = SIS 98 58 15).