Veranstaltung nur für Führungskräfte, keine LSt-Pauschalierung: Eine nur Führungskräften eines Unternehmens vorbehaltene Abendveranstaltung stellt mangels Offenheit des Teilnehmerkreises keine Betriebsveranstaltung i.S. des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG dar. Die Möglichkeit der Lohnsteuer-Pauschalierung mit einem festen Steuersatz von 25 % scheidet aus. - Urt.; BFH 15.1.2009, VI R 22/06; SIS 09 09 90
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine partnerschaftlich
organisierte, international tätige Beratungsgesellschaft. Die
Führung des Unternehmens obliegt neben dem Vorstand auch der
Gesamtheit der als Arbeitnehmer beschäftigten Partner.
Die Klägerin veranstaltete in den
Jahren 1997 bis 2001 verschiedene Partnertreffen mit
anschließenden Abendveranstaltungen; Letztere waren zum Teil
mit musikalischen und künstlerischen Darbietungen verbunden.
Zu einzelnen Veranstaltungen waren auch die Ehegatten der Partner
eingeladen. Die Klägerin sah die Abendveranstaltungen als
Betriebsveranstaltungen i.S. des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) an. Sie versteuerte deshalb die den
Partnern zugeflossenen geldwerten Vorteile pauschal mit einem
festen Steuersatz von 25 %.
Im Anschluss an eine
Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die Auffassung, die
für die Partner arrangierten Abendveranstaltungen könnten
nicht als Betriebsveranstaltungen im genannten Sinne angesehen
werden; eine pauschale Besteuerung der geldwerten Vorteile mit
einem Steuersatz von 25 % scheide aus. Aufgrund eines Antrags der
Klägerin ermittelte das FA die Lohnsteuer mit einem
individuell errechneten Nettopauschsteuersatz und forderte die
Lohnsteuer insoweit nach (§ 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Der
dagegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
den in EFG 2006, 1759 = SIS 06 42 97 veröffentlichten
Gründen ab. Die Auffassung des FA sei zutreffend. Der Begriff
der Betriebsveranstaltung sei restriktiv auszulegen. Eine
Betriebsveranstaltung liege nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) nur vor, wenn die Teilnahme allen
Arbeitnehmern des Betriebs offen stehe (sog. vertikale
Beteiligung). Da die Abendveranstaltungen im Streitfall nur
für die Führungskräfte der Klägerin bestimmt
gewesen seien, liege aufgrund der (horizontalen) Zusammensetzung
des Teilnehmerkreises keine Betriebsveranstaltung i.S. des §
40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG vor.
Mit der Revision rügt die
Klägerin, die Vorentscheidung verletze materielles Recht. Zur
Begründung bringt die Klägerin im Wesentlichen vor, das
FG habe den Begriff der Betriebsveranstaltung fehlerhaft ausgelegt.
Ob eine Betriebsveranstaltung vorliege, entscheide sich anhand von
zwei Kriterien, nämlich nach der Art der Veranstaltung und
anhand des teilnehmenden Personenkreises. Eine Veranstaltung, zu
der nur die Partner eines Unternehmens zugelassen seien, bewirke
keine Privilegierung dieser Personengruppe. Zweck der
Veranstaltungen sei es gewesen, solchen Arbeitnehmern (Partnern),
die auf einer Ebene zusammenarbeiten müssten, die Gelegenheit
zum Kennenlernen einzuräumen. Damit sollte eine gedeihliche
vertrauensvolle Zusammenarbeit über nationale Grenzen hinweg
ermöglicht und der Aufbau von Beziehungen gefördert
werden. Die Beratungsdienstleistungen, die die Klägerin als
Geschäftsgegenstand anbiete, beruhten in großen Teilen
nicht mehr auf althergebrachten vertikalen Organisationseinheiten,
sondern verlangten im Wirtschaftsleben zunehmend eine horizontale
Ausrichtung. Die Klägerin habe entsprechende Fachtagungen,
verbunden mit geselligen Abendveranstaltungen, auch für andere
Arbeitnehmer-Ebenen des Unternehmens durchgeführt. Es sei
deshalb geboten, den Begriff der Betriebsveranstaltung auch aus
betriebsfunktionalen Gründen weiterzuentwickeln und die
gesetzliche Pauschalierungsmöglichkeit in personeller Hinsicht
auch für horizontale Organisationseinheiten
zuzulassen.
Die Klägerin beantragt, das
angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA vom
2.2.2004 aufzuheben sowie die Lohnsteuer - unter Abänderung
des Nachforderungsbescheids vom 30.12.2002 - um 724.501 DM zu
ermäßigen.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision der Klägerin ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Die Übernahme der Kosten für die
Abendveranstaltungen durch die Klägerin stellt einen
geldwerten Vorteil für die Partner (Arbeitnehmer) i.S. des
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dar.
a) Betriebsveranstaltungen sind
Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem
Charakter. Sie zielen darauf ab, den Kontakt der Arbeitnehmer
untereinander und damit das Betriebsklima zu fördern (z.B.
BFH-Urteil vom 25.5.1992 VI R 85/90, BFHE 167, 542, BStBl II 1992,
655 = SIS 92 15 29). Betriebsveranstaltungen liegen deshalb
regelmäßig im ganz überwiegend eigenbetrieblichen
Interesse des Arbeitgebers und führen nicht zu Arbeitslohn.
Insbesondere zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsanwendung und
aus Vereinfachungsgründen hat der BFH jedoch typisierend (in
Form einer Freigrenze) festgelegt, ab wann den teilnehmenden
Arbeitnehmern geldwerte Vorteile von solchem Eigengewicht
zugewendet werden, dass von einem ganz überwiegend
eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers nicht mehr
ausgegangen werden kann. Danach sind bei Überschreiten der
Freigrenze (im Streitfall 200 DM) die Zuwendungen des Arbeitgebers
in vollem Umfang als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren
(zuletzt: u.a. BFH-Urteile jeweils vom 16.11.2005 VI R 157/98, BFHE
212, 48, BStBl II 2006, 437 = SIS 06 13 15; VI R 151/00, BFHE 211,
325, BStBl II 2006, 442 = SIS 06 03 83; VI R 118/01, BFHE 212, 55,
BStBl II 2006, 444 = SIS 06 13 14; jeweils m.w.N.).
b) Die Zuwendungen der Klägerin
anlässlich der in Rede stehenden Abendveranstaltungen haben
die genannte Freigrenze (erheblich) überschritten. Zwischen
den Beteiligten besteht deshalb zu Recht kein Streit darüber,
dass den teilnehmenden Partnern geldwerte Vorteile (Arbeitslohn)
zugeflossen sind.
2. Entgegen der Auffassung der Klägerin
liegen die Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG,
wonach Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen mit einem
festen Pauschsteuersatz von 25 % besteuert werden kann, nicht
vor.
a) Betriebsveranstaltungen richten sich an die
Belegschaft in ihrer Gesamtheit. Es entspricht deshalb
ständiger und gefestigter Rechtsprechung des BFH, dass der
Begriff der Betriebsveranstaltung i.S. des § 40 Abs. 2 Satz 1
Nr. 2 EStG nur dann erfüllt ist, wenn die Teilnahme allen
Betriebsangehörigen offen steht; die Begrenzung des
Teilnehmerkreises darf sich nicht als Bevorzugung bestimmter
Arbeitnehmergruppen erweisen (vgl. BFH-Urteile vom 9.3.1990 VI R
48/87, BFHE 160, 447, BStBl II 1990, 711 = SIS 90 17 33 mit
Anmerkung in HFR 1990, 627 mit näheren Hinweisen auf die
vergleichbare Rechtsprechung des Bundessozialgerichts; vom 4.8.1994
VI R 61/92, BFHE 175, 271, BStBl II 1995, 59 = SIS 94 23 49; vom
5.3.1976 VI R 76/73, BFHE 118, 434, BStBl II 1976, 392 = SIS 76 02 06). Der Senat hat diese Anforderung in seinem Urteil in BFHE 175,
271, BStBl II 1995, 59 = SIS 94 23 49 mit dem Begriff der
„vertikalen Beteiligung“ umschrieben.
Hinsichtlich des Teilnehmerkreises muss folglich sichergestellt
sein, dass weder die Stellung des Arbeitnehmers, noch seine
Gehalts- bzw. Lohngruppe, die Dauer der Betriebszugehörigkeit
oder besondere Leistungen maßgebend sind (s.a. BFH-Urteil vom
22.3.1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529 = SIS 85 18 29).
b) Dem entspricht auch, dass der BFH in
ständiger Rechtsprechung solche Veranstaltungen ebenfalls als
Betriebsveranstaltungen i.S. des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG
anerkannt hat, die für eine Organisationseinheit des Betriebs
(etwa einer Filiale, eines Zweigbetriebs oder einer Abteilung)
durchgeführt werden, wenn alle Arbeitnehmer der betreffenden
Organisationseinheit an der Veranstaltung teilnehmen können
(z.B. BFH-Urteil in BFHE 175, 271, BStBl II 1995, 59 = SIS 94 23 49). Auch hier dürfen Leistungsmerkmale wie etwa Lohngruppe
oder Betriebszugehörigkeit nicht als Abgrenzungsmerkmale
herangezogen werden (vgl. hierzu Breinersdorfer, in:
Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 19 Rz B 365). Aus
diesem Grunde sind sog. Incentive-Veranstaltungen nicht als
Betriebsveranstaltungen i.S. des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG
anzusehen (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 160, 447, BStBl II 1990,
711 = SIS 90 17 33). Denn sie richten sich nicht an sämtliche
Betriebsangehörige, sondern an einen nach gewissen
Leistungsmerkmalen bestimmten und damit privilegierten (begrenzten)
Kreis von Arbeitnehmern.
c) An dieser Auslegung des Begriffs der
Betriebsveranstaltung hält der Senat in Übereinstimmung
mit der - soweit ersichtlich - einhellig zustimmenden Auffassung in
der Literatur fest (u.a. Blümich/Thürmer, § 19 EStG
Rz 280 Stichwort Betriebsveranstaltungen; Wagner in
Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 40 EStG Rz 38;
HHR/Pflüger, § 19 EStG Rz 227; Küttner/Thomas,
Personalbuch 2008, Stichwort Betriebsveranstaltung, Rz 10 ff.; vgl.
auch R 19.5 der Lohnsteuer-Richtlinien 2008; Schmidt/ Drenseck,
EStG, 27. Aufl., § 40 Rz 13). Sie wird gestützt durch den
Umstand, dass - wie nachfolgend ausgeführt - bei typisierender
Betrachtungsweise nur die „vertikale
Beteiligung“ dem nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG
anzuwendenden Pauschsteuersatz entspricht.
d) Die Vorschrift des § 40 Abs. 2 Satz 1
Nr. 2 EStG dient der Vereinfachung des Lohnsteuerverfahrens; sie
trägt damit insbesondere dem Umstand Rechnung, dass der
Arbeitgeber bei Betriebsveranstaltungen praktisch keine
Möglichkeit hat, die von ihm eingeladenen Arbeitnehmer mit der
auf die Betriebsveranstaltung entfallenden Lohnsteuer zu belasten
(vgl. BFH-Urteile vom 7.11.2006 VI R 58/04, BFHE 215, 249, BStBl II
2007, 128 = SIS 06 47 42; vom 7.2.1997 VI R 3/96, BFHE 182, 559,
BStBl II 1997, 365 = SIS 97 09 33). § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
EStG bezweckt aber keine Steuervergünstigung. Die
Pauschalbesteuerung mit einem Durchschnittssteuersatz von 25 % ist
strukturell vielmehr darauf angelegt, eine einfache und auch
sachgerechte Besteuerung von solchen geldwerten Vorteilen zu
ermöglichen, die bei der an der Betriebsveranstaltung
teilnehmenden Belegschaft im Ganzen - unter Einbeziehung aller
Arbeitnehmer mit unterschiedlichsten Lohngruppen - anfallen. Der
Durchschnittssteuersatz von 25 % bildet insoweit die
„vertikale Beteiligung“ der Belegschaft an der
Betriebsveranstaltung sach- und realitätsgerecht ab.
e) Der Einwand der Klägerin, es handele
sich bei ihrem Unternehmen um einen weltweit operierenden Konzern
mit einer besonderen Organisationsstruktur, so dass für den
Begriff der Betriebsveranstaltung andere Maßstäbe gelten
müssten, rechtfertigt nicht die Anwendung des § 40 Abs. 2
Satz 1 Nr. 2 EStG. Gleiches gilt für die Ausführungen der
Klägerin, die Globalisierung und die Notwendigkeit, Netzwerke
über Grenzen hinweg unter bestimmten Arbeitnehmern zu
knüpfen, erforderten zusätzlich zu den Fachtagungen
zwingend auch die Durchführung geselliger
(Abend-)Veranstaltungen. Denn der Klägerin bleibt es
naturgemäß zwar unbenommen, solche Veranstaltungen
durchzuführen. Aber angesichts des Regelungszwecks des §
40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG, mit dem Durchschnittssteuersatz von 25
% die „vertikale Beteiligung“ aller Arbeitnehmer
sach- und realitätsgerecht abzubilden und zu besteuern, kann
der Vorteil aus der Teilnahme an - wie im Streitfall - lediglich
Führungskräften vorbehaltenen geschlossenen
Abendveranstaltungen mit der Anwendung des typisierenden
Durchschnittssteuersatzes nicht realitätsgerecht erfasst und
besteuert werden. Die Pauschalbesteuerung mit einem festen
Steuersatz von 25 % anstelle des - materiell-rechtlich an die
individuelle Lohnsteuer der Arbeitnehmer anknüpfenden -
variablen Nettosteuersatzes (§ 40 Abs. 1 EStG) verfehlte in
diesem Fall das in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verankerte
Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen
Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit.