GrESt, Übergang auf Gesamthand, Abweichung von vorgefasstem Plan als rückwirkendes Ereignis: Vor Einführung des § 5 Abs. 3 GrEStG war die Steuervergünstigung des § 5 Abs. 2 GrEStG ganz oder teilweise zu versagen, wenn zwischen den Gesellschaftern der erwerbenden Gesamthand abgesprochen (geplant) war, dass der grundstückseinbringende Alleineigentümer seine Beteiligung an der erwerbenden Gesamthand aufgibt oder verringert. Da die Versagung der Steuervergünstigung auf der Erwartung beruhte, dass der Plan auch vollzogen wird, stellte die Aufgabe des Plans ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar. - Urt.; BFH 10.12.2008, II R 55/07; SIS 09 08 70
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine GbR, erwarb durch
notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 19.12.1996, später
geändert durch Vertrag vom 13.11.1998, von einer GmbH sechs
Eigentumseinheiten in einem Gebäude, das die GmbH auf einem
ihr gehörenden Grundstück errichten sollte. Der Kaufpreis
betrug 3.106.593,72 DM. Die GmbH war Gesellschafterin der
Klägerin und zu 99 v.H. an deren Vermögen beteiligt. Das
Vorhaben sollte nach den Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag
weitestgehend durch die Einlagen neu aufzunehmender Gesellschafter
finanziert werden. Dadurch sollte sich die Beteiligung der GmbH an
der Klägerin auf 0,19 v.H. verringern.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) setzte wegen des Erwerbs der Klägerin
zuletzt mit bestandskräftigem Bescheid vom 30.12.1999 gegen
die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 31.767,07 EUR
(62.131 DM) fest. Er berücksichtigte dabei die Beteiligung der
GmbH an der Klägerin nicht steuermindernd, sondern legte als
Bemessungsgrundlage den Kaufpreis zugrunde.
Nachdem die Klägerin in der Folgezeit
keine Kapitalgeber gefunden hatte, veräußerte sie die im
Jahre 1998 fertig gestellten Eigentumseinheiten am 30.10.2003. Die
Beteiligung der GmbH an der Klägerin blieb die ganze Zeit
über unverändert bei 99 v.H.
Die Klägerin beantragte am 15.9.2004,
den Grunderwerbsteuerbescheid dahingehend zu ändern, dass die
Grunderwerbsteuer nach § 5 Abs. 2 des
Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) zu 99 v.H. nicht erhoben wird.
Die Gesellschafter der Klägerin hätten den
„Plan“ aufgegeben, die Beteiligung der GmbH an der
Klägerin nach dem Erwerb der Eigentumseinheiten durch Aufnahme
weiterer Gesellschafter zu verringern, wie die
Veräußerung der Eigentumseinheiten zeige. Die Aufgabe
des Plans sei als rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) zu
berücksichtigen.
Das FA lehnte den Antrag ab. Einspruch und
Klage der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid hatten keinen
Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) stellt die Aufgabe
des Plans kein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die
Vergangenheit dar. Maßgebend für die Versagung der
Begünstigung des § 5 Abs. 2 GrEStG bleibe allein der Plan
im Zeitpunkt der Grundstückseinbringung. Das Urteil ist in
DStRE 2008, 1095 = SIS 08 18 55 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin Verletzung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO
sowie des § 5 Abs. 2 GrEStG.
Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung und den Ablehnungsbescheid in Gestalt der
Einspruchsentscheidung aufzuheben sowie das FA zu verpflichten,
unter Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 30.12.1999
die Grunderwerbsteuer auf 317,67 EUR festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision der Klägerin ist
begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung,
der Einspruchsentscheidung und des angefochtenen
Ablehnungsbescheids sowie zur Verpflichtung des FA, die
Grunderwerbsteuer auf 378,02 EUR herabzusetzen (§ 126 Abs. 3
Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu
Unrecht angenommen, dass die Voraussetzungen für eine
Änderung des bestandskräftigen Grunderwerbsteuerbescheids
nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht vorliegen. Die Aufgabe
des „Plans“, die Beteiligung der GmbH an der
Klägerin nach dem Grundstückserwerb durch Aufnahme
weiterer Gesellschafter zu verringern, ist ein Ereignis mit
steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit i.S. von § 175
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
1. Gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 AO kann ein Steuerbescheid geändert werden, soweit ein
Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die
Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Zu den
rückwirkenden Ereignissen zählen alle rechtlich
bedeutsamen Vorgänge, aber auch tatsächliche
Lebensvorgänge, die steuerlich - ungeachtet der
zivilrechtlichen Wirkungen - in der Weise Rückwirkung
entfalten, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor
verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist.
Ob einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts
rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, bestimmt sich
allein nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht
(Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19.7.1993 GrS
2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33, unter
C.II.1.; vom 13.9.2000 X R 148/97, BFHE 193, 129, BStBl II 2001,
641 = SIS 01 01 28).
a) Nach dem hier maßgeblichen § 5
Abs. 2 GrEStG wird beim Übergang eines Grundstücks von
einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand Grunderwerbsteuer
in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der
Veräußerer am Vermögen der Gesamthand beteiligt
ist. Die Steuervergünstigung beruht auf der Erwägung,
dass trotz des durch die Einbringung herbeigeführten
Rechtsträgerwechsels eine Besteuerung in dem Umfang
unterbleiben soll, in dem sich die Berechtigung des bisherigen
Alleineigentümers an dem Grundstück fortsetzt, weil die
formale Änderung der Rechtszuständigkeit wirtschaftlich
zu keiner Änderung führt, soweit der das Grundstück
auf die Gesamthand übertragende Gesamthänder über
seine Gesamthandsberechtigung auch weiterhin am
Grundstückswert beteiligt bleibt.
Die Vergünstigung des § 5 Abs. 2
GrEStG ist deshalb für Erwerbsvorgänge, die wie im
Streitfall vor dem 1.1.2000 verwirklicht wurden und auf die deshalb
der durch Art. 15 Nr. 3 des Steuerentlastungsgesetzes
1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl I 1999, 402) eingeführte
§ 5 Abs. 3 GrEStG (vgl. § 23 Abs. 6 Satz 2 GrEStG) nicht
anzuwenden ist, nicht zu gewähren, wenn trotz bestehender
gesamthänderischer Mitberechtigung des
grundstückseinbringenden Gesamthänders im Zeitpunkt der
Grundstücksübertragung in wirtschaftlicher Hinsicht eine
weitere Beteiligung des Gesamthänders am Grundstückswert
nicht besteht oder nicht bestehen bleiben soll. Dies ist nach der
ständigen Rechtsprechung des BFH u.a. dann der Fall, wenn das
Grundstück zu einem Zeitpunkt auf die Gesamthand
übertragen wurde, zu dem zwischen den Gesamthändern
abgesprochen war, dass der grundstückseinbringende
Gesamthänder seine Beteiligung aufgibt oder verringert (vgl.
BFH-Entscheidungen vom 16.1.1991 II R 38/87, BFHE 163, 246, BStBl
II 1991, 374 = SIS 91 10 10; vom 4.8.1999 II B 3/99, BFHE 189, 547,
BStBl II 1999, 834 = SIS 99 23 20; vom 25.6.2003 II R 20/02, BFHE
203, 178, BStBl II 2004, 193 = SIS 03 45 43; vom 15.12.2004 II R
37/01, BFHE 208, 59, BStBl II 2005, 303 = SIS 05 13 18).
b) Wird ein derartiger Plan nach Übergang
des Grundstücks auf die Gesamthand tatsächlich nicht
ausgeführt, sondern nach außen erkennbar aufgegeben,
bildet dies ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Mit der endgültigen Aufgabe des Plans
entfallen die Voraussetzungen für die Versagung der
Vergünstigung. Die der ursprünglichen Steuerfestsetzung
zugrunde liegende Erwartung, dass der grundstückseinbringende
Gesamthänder in Ausführung des Plans aus der
grundstückserwerbenden Gesellschaft ausscheiden wird, kann
sich nicht mehr erfüllen. Der Plan verknüpft nach der
Rechtsprechung des Senats die spätere tatsächliche
Verringerung der Gesamthandsberechtigung mit dem Zeitpunkt des
Grundstückserwerbs (vgl. BFH-Entscheidungen in BFHE 189, 547,
BStBl II 1999, 834 = SIS 99 23 20; in BFHE 203, 178, BStBl II 2004,
193 = SIS 03 45 43; s.a. Viskorf in Boruttau,
Grunderwerbsteuergesetz, 16. Aufl. 2007, § 5 Rz 57). Durch
seine Aufgabe kann er jedoch diese Verknüpfung nicht mehr
herstellen. Die Steuerbefreiung des § 5 Abs. 2 GrEStG ist
nunmehr - soweit nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO noch
zulässig - zu gewähren.
Der Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr.
2 AO steht das Urteil des Senats vom 10.7.1996 II R 33/94 (BFHE
180, 251, BStBl II 1996, 533 = SIS 96 22 74) nicht entgegen, soweit
dort einer plan-(abrede)gemäßen Verringerung der
Beteiligung des grundstückseinbringenden Gesamthänders an
der Gesamthand keine steuerliche Rückwirkung auf den
Besteuerungszeitpunkt zugemessen wird. Denn es geht im Streitfall
nicht um die steuerliche Rückwirkung der dem Plan
entsprechenden tatsächlichen Verringerung der Beteiligung,
sondern darum, ob die spätere Aufgabe eines im
Einbringungszeitpunkt bestehenden und die Anwendung des § 5
Abs. 2 GrEStG ausschließenden Plans steuerlich in der Weise
zurückwirkt, dass mit dem Wegfall des Plans auch der
Hinderungsgrund für die Gewährung der
Steuervergünstigung (rückwirkend) entfällt. Dies
bejaht der Senat, weil die Versagung der Steuervergünstigung
nur solange und insoweit gerechtfertigt ist, wie die
Gesamthänder an ihrem „Plan“, die
Beteiligung zu verringern, festhalten. Wird der Plan aufgegeben,
besteht kein Grund, die sich aus der ungeschmälerten
Gesamthänderstellung ergebenden günstigen Rechtsfolgen
nach § 5 Abs. 2 GrEStG nicht eintreten zu lassen. Sollte der
BFH-Entscheidung in BFHE 180, 251, BStBl II 1996, 533 = SIS 96 22 74 entnommen werden können, dass die Vergünstigung allein
und endgültig aufgrund des Plans im Zeitpunkt der
Grundstückseinbringung zu versagen sei, hält der Senat
hieran nicht mehr fest.
Da das FG von anderen Grundsätzen
ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben.
2. Die Sache ist spruchreif. Der
Ablehnungsbescheid vom 5.9.2005 ist rechtswidrig und verletzt die
Klägerin in ihren Rechten (§ 101 FGO). Sie hat einen
Anspruch auf Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids vom
30.12.1999 dahingehend, dass die Grunderwerbsteuer zu 98,81 v.H.
nicht erhoben wird.
a) Das FA durfte zwar auf der Grundlage des
bestehenden Plans die Grunderwerbsteuer zunächst ohne
Gewährung der Vergünstigung des § 5 Abs. 2 GrEStG
festsetzen. Die endgültige Aufgabe des Plans durch die
Veräußerung der Eigentumseinheiten beseitigte jedoch die
Voraussetzungen für die Versagung der Vergünstigung, da
die GmbH ihre gesamthänderische Mitberechtigung an den auf die
Klägerin übertragenen Eigentumseinheiten nicht durch
Aufnahme neuer Gesellschafter in die Klägerin verringert hat
und eine solche Verringerung nach der Veräußerung nicht
mehr möglich ist.
Die Klage ist jedoch unbegründet, soweit
die Klägerin die Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids
auch in der Höhe begehrt, zu der die GmbH an ihr nach Aufnahme
weiterer Gesellschafter beteiligt bleiben sollte. Die GmbH war im
Zeitpunkt der Grundstücksübertragung an der Klägerin
zu 99 v.H. beteiligt; diese Beteiligung sollte sich nach dem Plan
auf 0,19 v.H. verringern. Der „Plan“ bestand
demnach nur in Höhe von 98,81 v.H. (99 v.H. ./. 0,19 v.H.) und
konnte nur in dieser Höhe wieder aufgegeben werden. Daher
liegt auch nur insoweit ein rückwirkendes Ereignis vor. Somit
verbleibt eine Steuer in Höhe von 378,02 EUR (31.767,07 EUR x
1,19 v.H.).
b) Die Klägerin hat ihren Antrag auf
Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids vor Ablauf der
Festsetzungsverjährung gestellt. Nach § 175 Abs. 1 Satz 2
AO beginnt die Festsetzungsverjährung mit Ablauf des
Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eintritt. Da
die Aufgabe des Plans als innere Tatsache nicht ohne weiteres
festgestellt werden kann, ist davon auszugehen, dass die
Klägerin ihren Plan erst zu dem Zeitpunkt endgültig
aufgegeben hat, zu dem die Aufgabe nach außen sichtbar
hervorgetreten ist. Das ist im Streitfall die
Veräußerung der Eigentumseinheiten. Damit stand fest,
dass sich der Umfang der Gesamthandsberechtigung der GmbH an den
Eigentumseinheiten nicht mehr wie ursprünglich vereinbart
verringern wird. Die Klägerin hat die Eigentumseinheiten am
30.10.2003 veräußert und am 15.9.2004 den Antrag auf
Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids gestellt. Aus den
Feststellungen des FG ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass die
Gesellschafter der Klägerin ihren Plan - nach außen
sichtbar - so zeitig aufgegeben haben, dass der Antrag auf
Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids verspätet
gestellt worden wäre. Insbesondere kann aus der
Erfolglosigkeit der Suche nach neuen Kapitalgebern bis zur
Fertigstellung der Eigentumseinheiten nicht geschlossen werden,
dass bereits zu dieser Zeit der Plan aufgegeben wurde.