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I. Die Mutter (Schenkerin) des Klägers
und Revisionsbeklagten (Kläger) wandte diesem am 2.5.1994
einen Geldbetrag von ... DM und am 31.10.1994 von ... DM zu. Ihr
Wohnsitz befand sich zum Zeitpunkt der Zuwendungen im Kanton Tessin
(Schweiz). Der Kläger war Inländer i.S. des § 2 Abs.
1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG).
Nachdem der Kläger die Zuwendung mit
Schenkungsteuererklärung vom 3.3.1995 gegenüber dem
Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) erklärt
hatte, setzte das FA mit Bescheiden vom 29.3.1995 Schenkungsteuer
für die erste Zuwendung in Höhe von ... DM und für
die zweite Zuwendung in Höhe von ... DM fest. Es
berücksichtigte dabei mehrere Vorschenkungen.
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Die Finanzbehörde des Kantons Tessin
setzte mit Bescheid vom 17.12.2002 Schenkungsteuer für die
Zuwendungen vom 2.5.1994 und 31.10.1994 in Höhe von
umgerechnet insgesamt ... DM (... EUR) fest. Der Kläger
bezahlte diese Schenkungsteuer und beantragte am 10.5.2004 beim FA,
sie unter Änderung der Bescheide vom 29.3.1995 auf die
deutsche Schenkungsteuer anzurechnen. Das FA lehnte mit Bescheid
vom 27.1.2006 die begehrte Änderung ab, da die Festsetzung und
Zahlung der tessinischen Schenkungsteuer den Tatbestand einer
Korrekturnorm der Abgabenordnung (AO) nicht erfülle. Der
Einspruch hatte keinen Erfolg.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Es war der Ansicht, die Bescheide seien gemäß § 175
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern. Denn es handele sich bei der
Festsetzung und Zahlung der tessinischen Schenkungsteuer um ein
rückwirkendes Ereignis. Der gesetzlichen Regelung über
die Anrechnung ausländischer Schenkungsteuer könne nur
dann in vollem Umfang Rechnung getragen werden, wenn erst nach der
Steuerfestsetzung eintretende Voraussetzungen für die
Anrechnung als rückwirkendes Ereignis verstanden würden.
Das Urteil ist in EFG 2010, 196 = SIS 09 39 04
veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Die Festsetzung
und Zahlung der ausländischen Steuer sei kein
rückwirkendes Ereignis. Es handele sich nicht um einen Fall,
in dem der für die Besteuerung maßgebende Sachverhalt
sich im Nachhinein mit steuerlicher Rückwirkung
ändere.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Zu Recht hat das FG entschieden,
dass die vom Kanton Tessin festgesetzte und vom Kläger
gezahlte Schenkungsteuer nach § 21 ErbStG auf die (deutsche)
Schenkungsteuer anzurechnen ist. Es ist ferner zutreffend davon
ausgegangen, dass die Steuerbescheide vom 29.3.1995
gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern
sind.
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1. Die tessinische Schenkungsteuer ist nach
§ 21 ErbStG auf die (deutsche) Schenkungsteuer
anzurechnen.
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a) Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist bei
Erwerbern, die in einem ausländischen Staat mit ihrem
Auslandsvermögen zu einer der deutschen Erbschaftsteuer
entsprechenden Steuer - ausländische Steuer - herangezogen
werden, in den Fällen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, sofern
nicht die Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung anzuwenden sind, auf Antrag die festgesetzte, auf
den Erwerber entfallende, gezahlte und keinem
Ermäßigungsanspruch unterliegende ausländische
Steuer insoweit auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen, als
das Auslandsvermögen auch der deutschen Erbschaftsteuer
unterliegt. Die ausländische Steuer ist nach § 21 Abs. 1
Satz 4 ErbStG nur anrechenbar, wenn die deutsche Erbschaftsteuer
für das Auslandsvermögen innerhalb von fünf Jahren
seit dem Zeitpunkt der Entstehung der ausländischen
Erbschaftsteuer entstanden ist. § 21 ErbStG gilt
gemäß § 1 Abs. 2 ErbStG auch für Schenkungen
unter Lebenden.
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b) Im Streitfall ist der Tatbestand des §
21 ErbStG erfüllt. Der Kanton Tessin hat gegen den Kläger
mit Bescheid vom 17.12.2002 Schenkungsteuer für die
Schenkungen vom 2.5.1994 und 31.10.1994 festgesetzt. Der
Kläger hat diese Steuer gezahlt und ihre Anrechnung beantragt.
Die Schenkungsteuer unterfällt keinem
Doppelbesteuerungsabkommen. Ferner ist die deutsche Schenkungsteuer
innerhalb von fünf Jahren seit dem Zeitpunkt der Entstehung
der tessinischen Schenkungsteuer entstanden.
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2. Die Schenkungsteuerbescheide vom 29.3.1995
sind gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu
ändern. Denn bei der Zahlung der festgesetzten tessinischen
Schenkungsteuer handelt es sich um ein rückwirkendes
Ereignis.
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a) Gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu
ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung
für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
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Zu den rückwirkenden Ereignissen
zählen alle rechtlich bedeutsamen Vorgänge, aber auch
tatsächliche Lebensvorgänge, die steuerlich - ungeachtet
der zivilrechtlichen Wirkungen - in der Weise Rückwirkung
entfalten, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor
verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist
(Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10.12.2008 II R 55/07,
BFHE 224, 285, BStBl II 2009, 473 = SIS 09 08 70, m.w.N.). Ob einer
nachträglichen Änderung des Sachverhalts
rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, bestimmt sich
allein nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht
(BFH-Beschluss vom 19.7.1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993,
897 = SIS 93 23 33, unter C.II.1.; BFH-Urteil in BFHE 224, 285,
BStBl II 2009, 473 = SIS 09 08 70, m.w.N.). § 175 Abs. 1 Satz
1 Nr. 2 AO ist im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer nur
dann anwendbar, wenn der Gesetzgeber vorsieht, dass einem nach der
Entstehung der Steuer eintretenden Ereignis Wirkung für die
Vergangenheit zukommt (BFH-Urteil vom 18.10.2000 II R 46/98, BFH/NV
2001, 420 = SIS 01 58 10).
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b) Wird festgesetzte ausländische Steuer
gezahlt, nachdem das FA die Erbschaft- oder Schenkungsteuer
festgesetzt hat, kommt diesem Ereignis nach dem Willen des
Gesetzgebers Wirkung für die Vergangenheit zu. Zwar ergibt
sich dieser Wille des Gesetzgebers nicht unmittelbar aus dem
Wortlaut des § 21 ErbStG, jedoch folgt er aus dessen
materiell-rechtlichem Regelungsgehalt.
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§ 21 ErbStG hat den Sinn und Zweck,
Überschneidungen im internationalen Besteuerungsbereich
möglichst zu vermeiden (vgl. BFH-Urteil vom 26.6.1963 II
196/61 U, BFHE 77, 227, BStBl III 1963, 402 = SIS 63 02 60, zu
§ 9 ErbStG 1959, dem § 21 ErbStG entspricht). Er will
eine doppelte steuerliche Belastung von Erwerbern mit
inländischer und ausländischer Steuer beseitigen bzw.
mildern, indem die ausländische Steuer bei der deutschen
Steuer anzurechnen ist. Diese Anrechnung erfolgt im Rahmen des
Festsetzungsverfahrens (vgl. R 24a der Erbschaftsteuer-Richtlinien
2003; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Anh AO Rz 33;
Billig, UVR 2010, 48, 50, m.w.N.). Das FA kann die festgesetzte und
gezahlte ausländische Steuer jedoch nur dann bei der
Festsetzung der inländischen Steuer berücksichtigen, wenn
die Zahlung der festgesetzten ausländischen Steuer Wirkung
für die Vergangenheit hat. Denn die Erbschaftsteuer ist - beim
Erwerb von Todes wegen - so festzusetzen, wie sie im Zeitpunkt des
Todes des Erblassers entstanden ist (vgl. § 38 AO, § 9
Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; Meincke, Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 15. Aufl., § 9 Rz 1). Dieser
Zeitpunkt ist nach § 11 ErbStG zugleich für die
Wertermittlung maßgeblich. Da eine ausländische Steuer
denklogisch erst nach dem Tod des Erblassers festgesetzt und
gezahlt worden sein kann, muss die Festsetzung und Zahlung der
ausländischen Steuer auf den Zeitpunkt der Entstehung der
Erbschaftsteuer im Moment des Todes des Erblassers
zurückwirken (vgl. auch Gebel, IStR 2001, 71, 76, sowie
Billig, UVR 2010, 48, 50). Für die Schenkungsteuer kann
hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
AO nichts anderes gelten.
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Im Übrigen ist nach ganz herrschender
Meinung im Fall des § 34c des Einkommensteuergesetzes (EStG)
die Festsetzung und Zahlung ausländischer Steuer ein
rückwirkendes Ereignis (vgl. Schmidt/Heinicke, EStG, 29.
Aufl., § 34c Rz 26; Blümich/ Wagner, § 34c EStG Rz
71; Szymczak in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl., § 175 Rz 12/2;
siehe auch Urteil des FG Baden-Württemberg vom 5.6.2008 3 K
56/07, nicht veröffentlicht, unter B II. 2. b). Es ist nicht
erkennbar, weshalb die Zahlung festgesetzter ausländischer
Steuer im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrecht hiervon
abweichend nicht als rückwirkendes Ereignis zu beurteilen sein
sollte, zumal der Gesetzgeber § 21 ErbStG nach dem Vorbild des
§ 34c EStG geschaffen hat (vgl. Begründung der
Bundesregierung zum Entwurf eines Zweiten Steuerreformgesetzes
BRDrucks 140/72, S. 73; siehe ferner auch Begründung der
Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Erbschaftsteuergesetzes BTDrucks III/598, S. 8, zu § 8b Abs.
1; BFH-Urteil in BFHE 77, 227, BStBl III 1963, 402 = SIS 63 02 60,
jeweils zu der Vorgängerregelung des § 21 ErbStG in
§ 9 ErbStG 1959).
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Die bis 20.10.1995 bestehende Regelung in
§ 68c Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung
1955 (EStDV) rechtfertigt es nicht, die Zahlung festgesetzter
ausländischer Steuer hinsichtlich der Frage, ob diese ein
rückwirkendes Ereignis darstellt, einkommen- und
erbschaftsteuerrechtlich unterschiedlich zu beurteilen (a.A. Urteil
des FG Düsseldorf vom 21.8.1998 4 K 5740/94 Erb, EFG 1998,
1605). Nach § 68c Abs. 1 EStDV war der für einen
Veranlagungszeitraum erteilte Steuerbescheid zu ändern
(Berichtigungsveranlagung), wenn eine ausländische Steuer, die
auf die in diesem Veranlagungszeitraum bezogenen Einkünfte
entfällt, nach Erteilung dieses Steuerbescheids erstmalig
festgesetzt, nachträglich erhöht oder erstattet wurde und
sich dadurch eine höhere oder niedrigere Veranlagung
rechtfertigte. Diese Regelung hatte lediglich deklaratorischen
Charakter. Der Gesetzgeber hat sie deshalb durch Art. 10 Nr. 12 des
Jahressteuergesetzes 1996 (BGBl I 1995, 1250) aufgehoben. In der
Gesetzesbegründung (BTDrucks 13/901, S. 142) weist er darauf
hin, dass die AO in § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 eine
entsprechende Regelung enthalte.
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