Datensätze, InvZul: Auf Datenträgern (CDs) in Form von Zahlenkolonnen gespeicherte Koordinaten des Gebäudebestandes der Bundesrepublik (Geopunkte) sind immaterielle Wirtschaftsgüter, für deren Anschaffung keine Investitionszulage gewährt wird. - Urt.; BFH 30.10.2008, III R 82/06; SIS 09 03 39
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine GmbH & Co. KG, erstellt unter Verwendung
primärer Geodaten (sog. Geopunkte) für Computer
verarbeitbare „geocodierte Objekte”. Diese werden z.B.
in digitalen Karten für Navigationssysteme, bei der
Immobilienbewertung oder der Raumplanung eingesetzt. Die
benötigten Rohdaten ließ die Klägerin für
… Mio. DM von einer Fremdfirma auf der Grundlage eines im
Jahr 2000 abgeschlossenen Werkvertrages erheben. Das
ausschließliche Nutzungs- und Verwertungsrecht an den
Geopunkten steht der Klägerin zu; sie durfte die Daten auch
vervielfältigen, entgeltlich Dritten überlassen,
bearbeiten und ändern.
Zur Erhebung der Rohdaten fertigte der
Werkunternehmer zunächst sich überlappende Luftbilder der
gesamten Erdoberfläche der Bundesrepublik Deutschland
(Bundesrepublik) an. Die Aufnahmen wurden zur Beseitigung von
Verzerrungen bearbeitet und daraus mit Hilfe der geografischen
Längen- und Breitengrade die nach dem Werkvertrag bestellten
Koordinaten (Geopunkte) des Gebäudebestandes der
Bundesrepublik - ca. 16 Millionen Gebäudemittelpunkte -
ermittelt. Jede einzelne Gebäudekoordinate ist mittels der
geografischen Längen- und Breitengrade mathematisch bestimmbar
und lässt sich so unabhängig von den zur Erhebung
benötigten Landkarten darstellen.
Die Koordinaten erhielt die Klägerin
in Form von auf mehreren CD-ROMs gelisteten Zahlenkolonnen. Die
Datenträger enthalten keine Systemprogramme oder
Befehlsstrukturen. Ihr Inhalt ist auf die Speicherung der die
Koordinaten bestimmenden mathematischen Werte in Form von
Zahlenfolgen beschränkt. Die so bezogenen Koordinaten gaben
Mitarbeiter der Klägerin selektiv in ein von ihr entwickeltes
Softwareprogramm ein. Hierzu wurden die Koordinaten entweder als
Listen ausgedruckt oder am Monitor dargestellt. In beiden
Fällen wurde dann jede einzelne Koordinate manuell zur
Weiterverarbeitung in das Programm der Klägerin eingegeben.
Hierbei wurde nochmals die Übereinstimmung der
tatsächlichen Gebäudemittelpunkte mit den Koordinaten
überprüft und, soweit erforderlich, vor Ort die Lage der
Geopunkte abgeglichen. Weiter wurde die Verknüpfung der
Geodaten zu den geocodierten Objekten durch Hinzufügen
spezifischer Sachangaben hergestellt, z.B. Straßennamen,
Hausnummern, Städtenamen oder Postleitzahlen.
Im Jahr 2000 wandte sich die Klägerin
an den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA - ), um
die Förderbarkeit des Erwerbs der Geopunkte nach dem
Investitionszulagengesetz 1999 (InvZulG 1999) zu klären. Unter
Hinweis auf die Unverbindlichkeit der Auskunft antwortete das FA,
es sehe die CD-ROMs mit den Geopunkten als bewegliche
Wirtschaftsgüter an.
Die Klägerin beantragte im April 2001
eine Investitionszulage in Höhe von 25 v.H. für die
ersten, im Kalenderjahr 2000 angeschafften Geopunkte. Das FA
reduzierte den Zulagensatz auf 20 v.H., weil die Investition schon
1999 begonnen worden sei. Die Zulage für die
Anschaffungskosten der Geopunkte setzte es unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung mit Bescheid vom 1.8.2001 fest.
Im April 2002 beantragte die Klägerin
auch für die im Jahr 2001 angeschafften Geopunkte eine
Investitionszulage in Höhe von 25 v.H. der Anschaffungskosten
von … DM. Im Gegensatz zum Vorjahr gelangte das FA zu der
Überzeugung, dass es sich bei den Geopunkten um nicht
förderbare immaterielle Wirtschaftsgüter handele. Es
lehnte die Gewährung insoweit ab und forderte die
Investitionszulage für die im Jahr 2000 angeschafften
Geopunkte zurück. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Es entschied mit Urteil vom 18.7.2006 II 849/03 (EFG 2006, 1855 =
SIS 06 46 35), dass es sich bei den auf CD-ROM gespeicherten
Geopunkten um ein materielles Wirtschaftsgut handele.
Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung des § 2 InvZulG 1999). Die Anschaffung
immaterieller Wirtschaftsgüter werde nach dieser Vorschrift
nicht gefördert. Bei den Geodaten handele es sich um
immaterielle Wirtschaftsgüter, denn es sei der Klägerin
bei der Anschaffung allein auf die nichtkörperlichen Daten und
nicht auf die stoffliche Verkörperung, d.h. die CD-ROMs,
angekommen. Der gezahlte Preis stehe zu dem Materialwert der
Datenträger außer Verhältnis. Das vertraglich
ausbedungene Alleinverwertungsrecht der Klägerin regele, dass
der Veräußerer bzw. Werkunternehmer die Daten nicht ein
weiteres Mal kopieren und an Dritte veräußern
dürfe. Es habe sich nicht auf die Materialisierung bezogen, da
eine so verstandene Klausel wegen des Eigentumserwerbs der
Klägerin überflüssig gewesen wäre. Die
Datensammlung habe für die Klägerin die Basis weiterer
Geschäfte begründet und ihr ein
„Alleinstellungsmerkmal“ im Wettbewerb
verschafft.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Geopunkte beruhten
nicht auf geistig-schöpferischen Leistungen. Sie würden
vielmehr aufwendig in manueller Form erstellt; dies sei eine
Tätigkeit auf niedrigem geistigem Niveau. Da es auf die
Körperlichkeit nicht ankomme, die Daten nicht nach bestimmten
Kriterien selektiert werden könnten und ihr Wert die
Herstellungskosten widerspiegele, handele es sich nicht um
immaterielle Wirtschaftsgüter. Dies werde dadurch
bestätigt, dass digitale Druckvorlagen nach dem Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 18.4.2007 (BStBl I 2007,
458 = SIS 07 13 10) als materielle Wirtschaftsgüter zu
behandeln seien.
II. Die Revision ist begründet, sie
führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der
Klage.
Entgegen der Auffassung des FG handelt es sich
bei den auf CD-ROM gespeicherten Geopunkten um immaterielle
Wirtschaftsgüter.
1. Für die Anschaffung und Herstellung
abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter wird nach
Maßgabe des § 2 InvZulG 1999 eine Investitionszulage
gewährt. Immaterielle Wirtschaftsgüter sind keine
beweglichen Wirtschaftsgüter und investitionszulagenrechtlich
nicht begünstigt (ständige Rechtsprechung, z.B.
Senatsurteile vom 3.7.1987 III R 7/86, BFHE 150, 259, BStBl II
1987, 728 = SIS 87 18 35, Standardsoftware; vom 28.7.1994 III R
47/92, BFHE 175, 184, BStBl II 1994, 873 = SIS 94 20 54, m.w.N.,
Systemsoftware).
Materielle Wirtschaftsgüter sind
körperliche Gegenstände, wie z.B. Sachanlagen,
Grundstücke, Gebäude, Maschinen, maschinelle Anlagen,
Kraftfahrzeuge, Betriebsvorrichtungen, Geschäftsausstattungen,
Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe. Ohne Bedeutung ist, ob es sich
dabei um Sachen i.S. des § 90 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs (BGB), Bestandteile von Sachen gemäß §
93 BGB oder Zubehör nach § 97 BGB handelt. Immaterielle
Wirtschaftsgüter unterscheiden sich von den materiellen
Wirtschaftsgütern durch ihre
„Unkörperlichkeit“; es handelt sich zumeist
um „geistige Werte“ (z.B. Ideen) und Rechte
(Berechtigungen). Immaterielle Wirtschaftsgüter sind z.B.
Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte, Urheberrechte,
Lizenzrechte, aber auch ungeschützte Erfindungen, Software,
Rechte aus vertraglichen Wettbewerbsverboten, Belieferungsrechte,
Kauf- und Verkaufsoptionen sowie der Geschäftswert (Beschluss
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4.12.2006 GrS 1/05, BFHE 216, 168,
BStBl II 2007, 508 = SIS 07 13 20, m.w.N.).
Zur Einordnung von Wirtschaftsgütern mit
materiellen und immateriellen Komponenten, die nicht nur für
die Investitionszulage, sondern z.B. auch für das
Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes
(EStG), für geringwertige Wirtschaftsgüter i.S. des
§ 6 Abs. 2 EStG sowie die Abgrenzung von Lieferungen und
sonstigen Leistungen im Umsatzsteuerrecht von Bedeutung ist, wird
vorrangig auf das wirtschaftliche Interesse abgestellt, d.h.
wofür der Kaufpreis gezahlt wird (Wertrelation) und ob es dem
Erwerber überwiegend auf den materiellen oder den
immateriellen Gehalt ankommt (BFH-Urteile vom 20.11.1970 VI R
44/69, BFHE 100, 555, BStBl II 1971, 186 = SIS 71 01 09, Filme; vom
22.5.1979 III R 129/74, BFHE 128, 289, BStBl II 1979, 634 = SIS 79 03 21, Prototypen; vom 14.6.1985 V R 11/78, BFH/NV 1985, 58,
Werbefilme; vom 2.9.1988 III R 38/84, BFHE 154, 573, BStBl II 1989,
160 = SIS 89 02 47, Datenträger mit Adressen;
Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 27. Aufl., § 5 Rz 171).
Daneben wird auch danach unterschieden, ob der
Verkörperung eine eigenständige Bedeutung zukommt oder ob
sie lediglich als „Träger“ den
immateriellen Gehalt festhalten soll (Wolffgang, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rz C 69 ff., C 76,
m.w.N.). Bei Büchern und Tonträgern wird angenommen, dass
durch Festhalten geistiger Inhalte auf einem materiellen Gegenstand
und dessen Vervielfältigung eine Umwandlung stattfinde und die
immaterielle Eigenschaft infolge der Häufigkeit der
Materialisierung untergehe (Wolffgang, a.a.O., § 5 Rz C 79).
Standardsoftware wird ähnlich einem Buch oder einer
Schallplatte ebenfalls als materielles Wirtschaftsgut oder als Ware
angesehen (Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 29.1.2008 5 K
2543/04 B, EFG 2008, 1020 = SIS 08 19 29, bestätigt durch
BFH-Urteil vom 28.10.2008 IX R 22/08 = SIS 08 44 60, zur amtlichen
Veröffentlichung bestimmt; R 5.5 Abs. 1 der
Einkommensteuer-Richtlinien 2007).
Im Streitfall hat die Klägerin danach ein
immaterielles Wirtschaftsgut erworben. Ihr wirtschaftliches
Interesse richtete sich auf die speziell für sie zu erhebenden
Daten (Geopunkte), deren Lagegenauigkeit und Ermittlungszeitraum
vertraglich geregelt waren, und die nur sie verwerten durfte. Der
an den Werkunternehmer gezahlte Preis spiegelt nicht den Wert der
12 CDs wider, die lediglich als Träger der nicht
körperlichen Daten dienten, sondern überstieg diesen um
ein Vielfaches. Eine höhere oder geringere Anzahl von CDs
hatte nach der ausdrücklichen Regelung in § 3 des
Werkvertrages auch keinen Einfluss auf den Preis, der sich durch
den für die Erfassung der Geopunkte - nicht den für die
Herstellung der CDs - benötigten hohen Aufwand und das
dafür erforderliche Know-how rechtfertigte. Das Fehlen von
Befehlsstrukturen auf den CDs, z.B. zur Selektierung einzelner
Daten, verleiht den Datensätzen keine Körperlichkeit und
den CDs damit nicht den Charakter materieller
Wirtschaftsgüter.
Der Sachverhalt ist danach mit der
Beauftragung eines Dritten mit besonders beschriebenen Forschungs-,
Entwicklungs- oder Messarbeiten vergleichbar (vgl. z.B.
Sächsisches FG, Urteil vom 6.10.2004 4 K 172/02, EFG 2005,
1217 = SIS 05 29 88, rkr., Prototyp eines Flugzeugmotors); trotz
Verkörperung der Arbeitsergebnisse auf Papier oder einem
elektronischen Datenträger wird in derartigen Fällen ein
immaterielles Wirtschaftsgut erworben.
Ob „Computer to
Plate“-Druckvorlagen im BMF-Schreiben in BStBl I 2007,
458 = SIS 07 13 10 zutreffend als materielle Wirtschaftsgüter
beurteilt werden, ist für die Entscheidung des Streitfalles
nicht erheblich.