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Grundstückskauf, Rückgängigmachung, GrESt

Grundstückskauf, Rückgängigmachung, GrESt: Eine Auflassungsvormerkung steht der Rückgängigmachung eines Kaufvertrages dann nicht mehr entgegen, wenn dem Veräußerer bereits eine Löschungsbewilligung erteilt ist und er von dieser frei und unbeeinflusst durch den Ersterwerber Gebrauch machen kann. - Urt.; BFH 1.7.2008, II R 36/07; SIS 08 31 41

Kapitel:
Haus - und Grundbesitz > Grunderwerbsteuer
Fundstellen
  1. BFH 01.07.2008, II R 36/07
    BStBl 2008 II S. 882
    LEXinform 0588454

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 14.10.2008
    erl in StuB 18/2008 S. 727
    K.R.K. in BFH-PR 11/2008 S. 481
    rh in UVR 11/2008 S. 330
Normen
[GrEStG] § 16 Abs. 1 Nr. 2
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Köln, 30.08.2006, SIS 06 47 13, Rückgängigmachung, Erwerb, Auflassung, Löschung, Grunderwerbsteuer
Zitiert in... / geändert durch...
  • BFH 25.4.2023, SIS 23 13 93, Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs bei einer Kapitalgesellschaft: 1. Die tatsächliche und vollständi...
  • BFH 21.12.2021, SIS 22 06 33, Zeitpunkt der Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs bei Vollmachtserteilung an den Notar, die Löschung ...
  • Hessisches FG 22.10.2020, SIS 21 01 69, Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung bei Löschung einer Auflassungsvormerkung nach Rückzahlung des ...
  • FG Berlin-Brandenburg 13.12.2018, SIS 22 07 66, Zeitpunkt der Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs bei Vollmachtserteilung an den Notar, die Löschung ...
  • FG Bremen 24.3.2015, SIS 15 27 72, Keine Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung für den Ersterwerb bei Aufhebung eines Kaufvertrags über...
  • BFH 29.3.2012, SIS 12 15 50, Wirtschaftliches Eigentum des Inhabers eines dinglichen Wohnrechts: Die Bestellung eines lebenslangen din...
  • FG Hamburg 21.6.2011, SIS 11 32 25, Rückgängigmachung eines Grundstückskaufvertrags bei einem Wechsel auf der Veräußererseite: 1. Wiedereinse...
  • FG Hamburg 18.5.2010, SIS 10 25 20, Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs: 1. An einer "Rückgängigmachung" des Erwerbsvorgangs i.S. des § 1...
  • FG Münster 22.1.2009, SIS 09 14 20, Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs beim Vermögenserwerb durch Kapitalanlagegesellschaften: 1. Ein Er...

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an der die H GmbH (H) mit 90 % und S mit 10 % beteiligt waren; Alleingesellschafterin der H ist FS, die Tochter des S. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 26.2.2003 erwarb die Klägerin von der luxemburgischen T S.A. (T) ein Grundstück. Bei Abschluss dieses Kaufvertrages handelte S auf Erwerberseite als Geschäftsführer sowohl der H als auch der Klägerin. Zugunsten der Klägerin wurde eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen.

 

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) setzte mit Bescheid vom 16.4.2003 Grunderwerbsteuer in Höhe von ... EUR fest. Die Steuerfestsetzung wurde bestandskräftig.

 

Am 12.6.2003 trat T wegen Nichtzahlung des Kaufpreises vom Kaufvertrag zurück. Die Klägerin beantragte daraufhin, den Grunderwerbsteuerbescheid gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) aufzuheben. Dazu legte sie die Abschrift einer notariell beglaubigten Erklärung vom 14.11.2003 vor, in der sie die Löschung der Auflassungsvormerkung bewilligte und die T die Löschung im Grundbuch beantragte. Diese Erklärung war jedoch nicht dem Grundbuchamt zur Eintragung übersandt worden. Die Klägerin behauptet, die Löschungsbewilligung sei aufgrund eines Sekretariatsversehens nicht an das Grundbuchamt, sondern an die T übermittelt worden.

 

Durch weiteren notariell beurkundeten Vertrag vom 22.1.2004 wurde das Grundstück zusammen mit einem benachbarten Grundstück zu einem nahezu unveränderten Preis von T an H verkauft. Für T handelte dabei S, der aufgrund zweier Vollmachten aus den Jahren 1997 und 2001 umfassend zur Vertretung der T in Grundstücksangelegenheiten befugt war. Auf Seiten der H traten sowohl S als auch FS auf. In derselben Urkunde bewilligten S und FS die Löschung der noch zugunsten der Klägerin eingetragenen Auflassungsvormerkung. H wurde nach Löschung der Auflassungsvormerkung als Eigentümerin eingetragen.

 

Mit Bescheid vom 11.10.2004 lehnte das FA die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids ab, da die Auflassungsvormerkung bei Abschluss des zweiten Kaufvertrages noch im Grundbuch eingetragen und der Klägerin das weitere Schicksal des Grundstücks nicht gleichgültig gewesen sei. Ferner habe S den Geschehensablauf umfassend beherrschen können, da er nicht nur Geschäftsführer der Klägerin und der H, sondern auch Bevollmächtigter der T gewesen sei.

 

Einspruch und Klage blieben erfolglos (vgl. SIS 06 47 13). Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die Steuerfestsetzung könne nicht gemäß § 16 Abs. 1 GrEStG aufgehoben werden, da der Erwerb vom 26.2.2003 nicht vollständig rückgängig gemacht worden sei. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Rechtsstandpunkt weiter.

 

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie des Ablehnungsbescheids vom 11.10.2004 und der Einspruchsentscheidung vom 14.11.2005 das FA zu verpflichten, den Steuerbescheid vom 16.4.2003 aufzuheben.

 

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).

 

Das FG hat zu Unrecht angenommen, dem Ersterwerber sei mit einer Auflassungsvormerkung selbst dann noch eine der Anwendung des § 16 GrEStG entgegenstehende Rechtsposition verblieben, wenn er die Löschung der Auflassungsvormerkung bereits bewilligt habe und der Veräußerer über die Löschungsbewilligung frei verfügen könne.

 

1. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG wird eine Steuerfestsetzung auf Antrag aufgehoben, wenn die Vertragsbedingungen nicht erfüllt werden und der Erwerbsvorgang deshalb aufgrund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird.

 

Ein Erwerbsvorgang ist dann „rückgängig gemacht“, wenn sich die Vertragspartner über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt (vgl. die Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9.3.1994 II R 86/90, BFHE 173, 568, BStBl II 1994, 413 = SIS 94 14 13; vom 19.3.2003 II R 12/01, BFHE 202, 383, BStBl II 2003, 770 = SIS 03 34 41; vom 21.2.2006 II R 60/04, BFH/NV 2006, 1700 = SIS 06 34 63; vom 25.4.2007 II R 18/05, BFHE 217, 276, BStBl II 2007, 726 = SIS 07 24 60; vom 14.11.2007 II R 1/06, BFH/NV 2008, 403 = SIS 08 11 56; BFH-Beschluss vom 21.12.2005 II B 67/05, BFH/NV 2006, 615 = SIS 06 12 50).

 

Die tatsächliche und vollständige Rückgängigmachung i.S. des § 16 Abs. 1 GrEStG setzt demnach voraus, dass die Vertragsparteien sämtliche Wirkungen aus dem Erwerbsvorgang aufheben und sich so stellen, als wäre dieser nicht zustande gekommen (vgl. BFH-Urteile vom 8.3.1995 II R 42/92, BFH/NV 1995, 924; vom 16.2.2005 II R 53/03, BFHE 209, 158, BStBl II 2005, 495 = SIS 05 21 66; BFH-Beschluss vom 10.7.1996 II B 139/95, BFH/NV 1997, 61). Dies erfordert grundsätzlich die Löschung einer zugunsten des Ersterwerbers eingetragenen Auflassungsvormerkung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 202, 383, BStBl II 2003, 770 = SIS 03 34 41). Eine Auflassungsvormerkung beeinträchtigt nämlich die Verkehrsfähigkeit eines Grundstücks unabhängig vom Fortbestand des zivilrechtlichen Übereignungsanspruchs (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1997, 61; vom 21.1.2005 II B 165/03, BFH/NV 2005, 2049 = SIS 05 45 50).

 

Diese Beeinträchtigung entfällt jedoch, wenn der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer eine Löschungsbewilligung in grundbuchrechtlich gebotener Form erteilt hat und der Veräußerer über sie frei und ohne Einflussnahme seitens des Erwerbers verfügen kann. Der Erwerber hat dann keine Rechtsposition mehr, die es ihm ermöglichte, auf die nachfolgende Veräußerung des Grundstücks einzuwirken. Da der Vorentscheidung eine andere Rechtsauffassung zugrunde liegt, war sie aufzuheben.

 

2. Die Sache ist nicht spruchreif.

 

Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der T bereits im November 2003 eine Löschungsbewilligung übersandt worden war und ob T - ggf. - frei und unbeeinflusst durch die Klägerin bzw. die für diese handelnden Personen über diese Löschungsbewilligung verfügen konnte. Dies ist nachzuholen. Dabei wird zu würdigen sein, dass diese Löschungsbewilligung erst längere Zeit nach Rücktritt der T vom Kaufvertrag - nämlich erst am 14.11.2003 - erteilt worden sein soll und dass die Löschung der Auflassungsvormerkung nicht aufgrund dieser Löschungsbewilligung, sondern erst aufgrund der zusammen mit dem Kaufvertrag vom 22.1.2004 notariell beurkundeten Löschungsbewilligung erfolgte. Diese zweite Löschungsbewilligung war selbst nicht geeignet, der Auflassungsvormerkung die Wirkung zu nehmen, einer (vollständigen) Rückgängigmachung des Ersterwerbs entgegen zu stehen, da sie zeitgleich mit der Weiterveräußerung in derselben Urkunde erteilt wurde (vgl. BFH-Urteil vom 23.8.2006 II R 8/05, BFH/NV 2007, 273 = SIS 07 04 12).