Grundstückskauf, Rückgängigmachung, GrESt: Eine Auflassungsvormerkung steht der Rückgängigmachung eines Kaufvertrages dann nicht mehr entgegen, wenn dem Veräußerer bereits eine Löschungsbewilligung erteilt ist und er von dieser frei und unbeeinflusst durch den Ersterwerber Gebrauch machen kann. - Urt.; BFH 1.7.2008, II R 36/07; SIS 08 31 41
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft
bürgerlichen Rechts, an der die H GmbH (H) mit 90 % und S mit
10 % beteiligt waren; Alleingesellschafterin der H ist FS, die
Tochter des S. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 26.2.2003
erwarb die Klägerin von der luxemburgischen T S.A. (T) ein
Grundstück. Bei Abschluss dieses Kaufvertrages handelte S auf
Erwerberseite als Geschäftsführer sowohl der H als auch
der Klägerin. Zugunsten der Klägerin wurde eine
Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) setzte mit Bescheid vom 16.4.2003
Grunderwerbsteuer in Höhe von ... EUR fest. Die
Steuerfestsetzung wurde bestandskräftig.
Am 12.6.2003 trat T wegen Nichtzahlung des
Kaufpreises vom Kaufvertrag zurück. Die Klägerin
beantragte daraufhin, den Grunderwerbsteuerbescheid
gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 des
Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) aufzuheben. Dazu legte sie die
Abschrift einer notariell beglaubigten Erklärung vom
14.11.2003 vor, in der sie die Löschung der
Auflassungsvormerkung bewilligte und die T die Löschung im
Grundbuch beantragte. Diese Erklärung war jedoch nicht dem
Grundbuchamt zur Eintragung übersandt worden. Die
Klägerin behauptet, die Löschungsbewilligung sei aufgrund
eines Sekretariatsversehens nicht an das Grundbuchamt, sondern an
die T übermittelt worden.
Durch weiteren notariell beurkundeten
Vertrag vom 22.1.2004 wurde das Grundstück zusammen mit einem
benachbarten Grundstück zu einem nahezu unveränderten
Preis von T an H verkauft. Für T handelte dabei S, der
aufgrund zweier Vollmachten aus den Jahren 1997 und 2001 umfassend
zur Vertretung der T in Grundstücksangelegenheiten befugt war.
Auf Seiten der H traten sowohl S als auch FS auf. In derselben
Urkunde bewilligten S und FS die Löschung der noch zugunsten
der Klägerin eingetragenen Auflassungsvormerkung. H wurde nach
Löschung der Auflassungsvormerkung als Eigentümerin
eingetragen.
Mit Bescheid vom 11.10.2004 lehnte das FA
die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids ab, da die
Auflassungsvormerkung bei Abschluss des zweiten Kaufvertrages noch
im Grundbuch eingetragen und der Klägerin das weitere
Schicksal des Grundstücks nicht gleichgültig gewesen sei.
Ferner habe S den Geschehensablauf umfassend beherrschen
können, da er nicht nur Geschäftsführer der
Klägerin und der H, sondern auch Bevollmächtigter der T
gewesen sei.
Einspruch und Klage blieben erfolglos (vgl.
SIS 06 47 13). Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die
Steuerfestsetzung könne nicht gemäß § 16 Abs.
1 GrEStG aufgehoben werden, da der Erwerb vom 26.2.2003 nicht
vollständig rückgängig gemacht worden sei. Mit der
Revision verfolgt die Klägerin ihren Rechtsstandpunkt
weiter.
Die Klägerin beantragt, unter
Aufhebung der Vorentscheidung sowie des Ablehnungsbescheids vom
11.10.2004 und der Einspruchsentscheidung vom 14.11.2005 das FA zu
verpflichten, den Steuerbescheid vom 16.4.2003 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Das FG hat zu Unrecht angenommen, dem
Ersterwerber sei mit einer Auflassungsvormerkung selbst dann noch
eine der Anwendung des § 16 GrEStG entgegenstehende
Rechtsposition verblieben, wenn er die Löschung der
Auflassungsvormerkung bereits bewilligt habe und der
Veräußerer über die Löschungsbewilligung frei
verfügen könne.
1. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG wird
eine Steuerfestsetzung auf Antrag aufgehoben, wenn die
Vertragsbedingungen nicht erfüllt werden und der
Erwerbsvorgang deshalb aufgrund eines Rechtsanspruchs
rückgängig gemacht wird.
Ein Erwerbsvorgang ist dann
„rückgängig gemacht“, wenn sich die
Vertragspartner über die zivilrechtliche Aufhebung des den
Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus
derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die
Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück
nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer
seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt (vgl. die
Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9.3.1994 II R 86/90, BFHE
173, 568, BStBl II 1994, 413 = SIS 94 14 13; vom 19.3.2003 II R
12/01, BFHE 202, 383, BStBl II 2003, 770 = SIS 03 34 41; vom
21.2.2006 II R 60/04, BFH/NV 2006, 1700 = SIS 06 34 63; vom
25.4.2007 II R 18/05, BFHE 217, 276, BStBl II 2007, 726 = SIS 07 24 60; vom 14.11.2007 II R 1/06, BFH/NV 2008, 403 = SIS 08 11 56;
BFH-Beschluss vom 21.12.2005 II B 67/05, BFH/NV 2006, 615 = SIS 06 12 50).
Die tatsächliche und vollständige
Rückgängigmachung i.S. des § 16 Abs. 1 GrEStG setzt
demnach voraus, dass die Vertragsparteien sämtliche Wirkungen
aus dem Erwerbsvorgang aufheben und sich so stellen, als wäre
dieser nicht zustande gekommen (vgl. BFH-Urteile vom 8.3.1995 II R
42/92, BFH/NV 1995, 924; vom 16.2.2005 II R 53/03, BFHE 209, 158,
BStBl II 2005, 495 = SIS 05 21 66; BFH-Beschluss vom 10.7.1996 II B
139/95, BFH/NV 1997, 61). Dies erfordert grundsätzlich die
Löschung einer zugunsten des Ersterwerbers eingetragenen
Auflassungsvormerkung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 202, 383, BStBl II
2003, 770 = SIS 03 34 41). Eine Auflassungsvormerkung
beeinträchtigt nämlich die Verkehrsfähigkeit eines
Grundstücks unabhängig vom Fortbestand des
zivilrechtlichen Übereignungsanspruchs (vgl.
BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1997, 61; vom 21.1.2005 II B 165/03,
BFH/NV 2005, 2049 = SIS 05 45 50).
Diese Beeinträchtigung entfällt
jedoch, wenn der Erwerber des Grundstücks dem
Veräußerer eine Löschungsbewilligung in
grundbuchrechtlich gebotener Form erteilt hat und der
Veräußerer über sie frei und ohne Einflussnahme
seitens des Erwerbers verfügen kann. Der Erwerber hat dann
keine Rechtsposition mehr, die es ihm ermöglichte, auf die
nachfolgende Veräußerung des Grundstücks
einzuwirken. Da der Vorentscheidung eine andere Rechtsauffassung
zugrunde liegt, war sie aufzuheben.
2. Die Sache ist nicht spruchreif.
Das FG hat keine Feststellungen dazu
getroffen, ob der T bereits im November 2003 eine
Löschungsbewilligung übersandt worden war und ob T - ggf.
- frei und unbeeinflusst durch die Klägerin bzw. die für
diese handelnden Personen über diese Löschungsbewilligung
verfügen konnte. Dies ist nachzuholen. Dabei wird zu
würdigen sein, dass diese Löschungsbewilligung erst
längere Zeit nach Rücktritt der T vom Kaufvertrag -
nämlich erst am 14.11.2003 - erteilt worden sein soll und dass
die Löschung der Auflassungsvormerkung nicht aufgrund dieser
Löschungsbewilligung, sondern erst aufgrund der zusammen mit
dem Kaufvertrag vom 22.1.2004 notariell beurkundeten
Löschungsbewilligung erfolgte. Diese zweite
Löschungsbewilligung war selbst nicht geeignet, der
Auflassungsvormerkung die Wirkung zu nehmen, einer
(vollständigen) Rückgängigmachung des Ersterwerbs
entgegen zu stehen, da sie zeitgleich mit der
Weiterveräußerung in derselben Urkunde erteilt wurde
(vgl. BFH-Urteil vom 23.8.2006 II R 8/05, BFH/NV 2007, 273 = SIS 07 04 12).