Zwangsversteigerung mehrerer Grundstücke, zusammengefasster GrESt-Bescheid: 1. Ein unaufgegliederter Grunderwerbsteuerbescheid über den Erwerb mehrerer Grundstücke aufgrund eines Gesamtausgebots in einem Zwangsversteigerungsverfahren ist hinreichend bestimmt, wenn die Grunderwerbsteuer für jedes Grundstück anhand des Bescheids und ggf. weiterer dem Steuerpflichtigen bekannter Unterlagen zweifelsfrei ermittelt werden kann. - 2. Der gemäß § 74 a Abs. 5 ZVG festgesetzte Grundstückswert ist für die Berechnung des neben dem Meistgebot als weitere Gegenleistung anzusetzenden Forderungsverlusts gemäß § 114 a ZVG nicht bindend, wenn der Erwerber mangels Rechtsschutzinteresses im Zwangsversteigerungsverfahren keinen Antrag auf Änderung dieser Festsetzung stellen konnte. - Urt.; BFH 13.12.2007, II R 28/07; SIS 08 16 91
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb eine
Gesamtgrundschuld an 72 Sondereigentumseinheiten (64
Eigentumswohnungen und 8 im Teileigentum stehende
Tiefgaragenstellplätze) in Höhe von 7.850.000 DM nebst
den damit gesicherten Forderungen, nachdem das zuständige
Amtsgericht (AG) die Zwangsversteigerung der
Sondereigentumseinheiten angeordnet hatte.
In zahlreichen Versteigerungsterminen
für die Einzelobjekte wurden entweder keine oder keine
zuschlagsfähigen Gebote abgegeben. Daraufhin verband das AG
auf Antrag der Klägerin die Zwangsversteigerungsverfahren
über die Sondereigentumseinheiten gemäß § 18
des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die
Zwangsverwaltung (ZVG). In der Terminsbestimmung vom 7.1.2004
wurden die bereits früher nach § 74a Abs. 5 ZVG
festgesetzten Grundstückswerte der Sondereigentumseinheiten
nochmals einzeln aufgeführt und zu einem Gesamtbetrag von
2.137.200,07 EUR zusammengefasst.
Die Klägerin gab im
Zwangsversteigerungstermin vom 24.5.2004 mit 200.001 EUR das
Meistgebot ab und erhielt durch Beschluss vom 8.6.2004 den
Zuschlag. Rechte Dritter blieben nicht bestehen.
Mit Bescheid vom 22.7.2004 setzte der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - )
Grunderwerbsteuer in Höhe von 52.261 EUR fest. Das FA rechnete
zur Gegenleistung neben dem Meistgebot auch den Teil der
schuldrechtlichen Forderung der Klägerin gegen die
Vollstreckungsschuldner, in deren Höhe die Klägerin nach
seiner Auffassung gemäß § 114a ZVG als befriedigt
galt, und gelangte somit zu einer Gesamtgegenleistung in Höhe
von 1.496.040 EUR. Die Grunderwerbsteuer wurde in einem
Gesamtbetrag für alle Sondereigentumseinheiten in einem
einzigen Steuerbescheid festgesetzt, der im Abschnitt
„Sachverhalt“ nur das Aktenzeichen des
Zwangsversteigerungsverfahrens und das Datum des Zuschlags nannte.
Der Beschluss über den Zuschlag wurde dabei als
„Kaufvertrag“ und das AG als „Notar“
bezeichnet. Der Einspruch blieb erfolglos.
Mit ihrer Klage wandte sich die
Klägerin gegen die Zusammenfassung aller Erwerbe in einem
einzigen Grunderwerbsteuerbescheid; zudem sei im Rahmen des §
114a ZVG zu berücksichtigen, dass ihre Forderungen wegen
Überschuldung des früheren Eigentümers nicht mehr
vollwertig gewesen seien und die Grundstückswerte der
Sondereigentumseinheiten im Verlauf des
Zwangsversteigerungsverfahrens infolge von Leerstand und
Verwahrlosung der Gebäude, Verfall der Attraktivität der
Wohngegend und allgemein rückläufiger Mieten wesentlich
nachgegeben hätten.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab
(vgl. SIS 07 26 09), da der Grunderwerbsteuerbescheid nicht an
einem Bestimmtheitsmangel leide und in die Bemessung der
Grunderwerbsteuer nicht nur das Meistgebot, sondern auch die
gemäß § 114a ZVG (fiktiv) getilgte Forderung
einzubeziehen sei, deren Höhe sich aus den gemäß
§ 74a Abs. 5 ZVG festgesetzten Grundstückswerten
errechne.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin
ihr ursprüngliches Klageziel weiter.
Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, für die
einzelnen Sondereigentumseinheiten gesonderte
Grunderwerbsteuerbescheide zu erlassen, wobei die Grunderwerbsteuer
nach dem jeweiligen Anteil am Meistgebot bemessen werden soll,
hilfsweise die Grunderwerbsteuer nach dem Meistgebot, weiter
hilfsweise zuzüglich der gemäß § 114a ZVG
getilgten Forderung unter Zugrundelegung eines
Grundstückswerts am Ersteigerungstag in Höhe von 300.000
EUR, weiter hilfsweise unter Zugrundelegung des von einem
Sachverständigen noch zu ermittelnden Grundstückswerts am
Ersteigerungstag, weiter hilfsweise unter Zugrundelegung des zu
diesem Zeitpunkt wirtschaftlich werthaltigen und durchsetzbaren
Teils der Forderung zu bemessen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Der angefochtene
Grunderwerbsteuerbescheid ist zwar hinreichend bestimmt. Das FG hat
aber zu Unrecht angenommen, dass die gemäß § 74a
Abs. 5 ZVG für die Sondereigentumseinheiten festgesetzten
Grundstückswerte für die Bestimmung der Höhe des
Forderungsverlusts gemäß § 114a ZVG bindend seien.
Insoweit sind vielmehr die Verkehrswerte bei Erteilung des
Zuschlags maßgebend.
1. Der Grunderwerbsteuerbescheid ist
hinreichend bestimmt.
Schriftliche Steuerbescheide müssen die
festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer
die Steuer schuldet (§ 157 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung -
AO - ). Dies ist eine Ausprägung des in § 119 Abs. 1 AO
allgemein niedergelegten Grundsatzes, dass Verwaltungsakte
inhaltlich hinreichend bestimmt sein müssen. Danach muss der
Regelungsinhalt eines Verwaltungsakts diesem eindeutig entnommen
werden können. Dabei kann der gesamte Inhalt des
Verwaltungsakts einschließlich seiner Begründung zur
Auslegung herangezogen werden (Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH
- vom 5.7.1978 II B 50/77, BFHE 125, 312, BStBl II 1978, 542 = SIS 78 03 03; BFH-Urteil vom 22.11.1995 II R 26/92, BFHE 179, 177,
BStBl II 1996, 162 = SIS 96 06 18).
a) Der besteuerte Lebenssachverhalt ist durch
die Nennung des Aktenzeichens des Zwangsversteigerungsverfahrens
und des Datums des Zuschlags sowie die Angabe des Meistgebots und
des nach der näher erläuterten Berechnung des FA
gemäß § 114a ZVG eingetretenen Forderungsverlusts
als Besteuerungsgrundlagen hinreichend bestimmt beschrieben.
Die - für die Klägerin offenkundige
- Falschbezeichnung des Beschlusses als
„Kaufvertrag“ und des AG als
„Notar“ ist unschädlich, da der der
Besteuerung zugrunde liegende Lebenssachverhalt aufgrund der Angabe
von Datum und Aktenzeichen des Beschlusses eindeutig bestimmt war
und keine Gefahr einer Verwechslung bestand.
b) Der Grunderwerbsteuerbescheid ist auch im
Übrigen hinreichend bestimmt. Die unaufgegliederte
Zusammenfassung der einzelnen Erwerbe ohne Angabe der jeweils auf
sie entfallenden Besteuerungsgrundlagen und der Steuer steht dem
nicht entgegen. Denn die unaufgegliederte Zusammenfassung mehrerer
Steuerfälle in einem Bescheid ist nicht schlechthin
unzulässig. Ob durch eine solche Zusammenfassung die
erforderliche hinreichende Bestimmtheit des Steuerbescheids
beeinträchtigt wird, hängt vielmehr von den
Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BFH-Urteile vom 12.10.1983
II R 56/81, BFHE 139, 432, BStBl II 1984, 140 = SIS 84 25 02; in
BFHE 179, 177, BStBl II 1996, 162 = SIS 96 06 18).
Bei einem Erwerb mehrerer Grundstücke zu
einem einheitlichen Kaufpreis ist dem Bestimmtheitsgebot
Genüge getan, wenn sich durch ausdrückliche Bezugnahme
auf den Kaufvertrag, in dem der Erwerb mehrerer Grundstücke zu
einem einheitlichen Kaufpreis beurkundet ist, ergibt, für
welche Erwerbsvorgänge die aus dem Gesamtkaufpreis
festgesetzte Steuer erhoben worden ist (BFH-Urteil vom 17.9.1986 II
R 62/84, BFH/NV 1987, 738).
Im Streitfall lagen 72 Einzelsteuerfälle
vor, weil die Sondereigentumseinheiten keine wirtschaftliche
Einheit i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 des
Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) darstellen; die
Steuerfestsetzungen für die verschiedenen
Grundstückserwerbe konnten ohne Verstoß gegen den
Bestimmtheitsgrundsatz unaufgegliedert in einem
Grunderwerbsteuerbescheid zusammengefasst werden, da die
Klägerin im Zwangsversteigerungsverfahren ein einheitliches
Meistgebot abgegeben hatte und sich durch die ausdrückliche
Bezugnahme auf den Beschluss des AG über die Erteilung des
Zuschlags ergibt, für welche Erwerbsvorgänge die
festgesetzte Steuer erhoben worden ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV
1987, 738). Der Klägerin waren darüber hinaus die
für die einzelnen Sondereigentumseinheiten festgesetzten
Grundstückswerte aus der Ladung zur Versteigerung bekannt,
nach denen sowohl das Meistgebot wie auch der Forderungsverlust auf
die einzelnen Sondereigentumseinheiten aufzuschlüsseln ist.
Ausgehend von seiner materiell-rechtlichen Beurteilung, wonach die
Tilgungsfunktion des § 114a ZVG an den gemäß §
74a Abs. 5 ZVG festgesetzten Grundstückswerten auszurichten
sei, war das FA daher nicht genötigt, die Steuer
aufzuschlüsseln.
2. Das FG hat aber zu Unrecht angenommen, dass
die gemäß § 74a Abs. 5 ZVG für die
Sondereigentumseinheiten festgesetzten Grundstückswerte
für die Bestimmung des Umfangs der Tilgungsfiktion des §
114a ZVG bindend seien. Die grundsätzlich gegebene Bindung an
die festgesetzten Grundstückswerte entfiel, weil die
Klägerin im Zwangsversteigerungsverfahren kein
Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Herabsetzung
dieser Werte hatte.
a) Gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG
bemisst sich die Grunderwerbsteuer nach dem Wert der Gegenleistung.
Hierzu zählen neben dem Meistgebot im
Zwangsversteigerungsverfahren (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG)
gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG auch die
Beträge, hinsichtlich derer der Erwerber gemäß
§ 114a ZVG als aus dem Grundstück befriedigt gilt
(BFH-Urteile vom 17.9.1975 II R 42/70, BFHE 117, 280, BStBl II
1976, 126 = SIS 76 00 71; vom 15.11.1989 II R 71/88, BFHE 159, 241,
BStBl II 1990, 228 = SIS 90 05 07). § 114a ZVG soll
nämlich verhindern, dass ein zur Befriedigung aus dem
Grundstück Berechtigter, der nur bis zur unteren Grenze seines
weit höheren dinglichen Rechts bietet, wegen dieses Rechts von
anderen nicht überboten wird und bei der Erlösverteilung
ganz oder zum Teil ausfällt, seine Forderung dennoch
behält, obwohl ihm das Grundstück weit unter Wert
zugeschlagen wurde (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom
13.11.1986 IX ZR 26/86, BGHZ 99, 110). § 114a ZVG soll ferner
einen Ausgleich dafür schaffen, dass andere potentielle Bieter
erfahrungsgemäß von Geboten absehen, solange ein
dinglich gesicherter Gläubiger innerhalb der Grenzen seiner
Sicherheit bietet (BGH-Urteile vom 6.7.1989 IX ZR 4/89, BGHZ 108,
248; vom 9.1.1992 IX ZR 165/91, BGHZ 117, 8).
b) Der insoweit vertretenen Auffassung des FG,
die zusätzliche Leistung i.S. des § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG
i.V.m. § 114a ZVG sei nach den gemäß § 74a
Abs. 5 ZVG im Zwangsversteigerungsverfahren für die
Sondereigentumseinheiten festgesetzten Grundstückswerten zu
berechnen, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
Zwar ist der gemäß § 74a Abs.
5 ZVG festgesetzte Grundstückswert für das Prozessgericht
bei der Bestimmung des Umfangs der zivilrechtlichen Tilgungswirkung
des Zuschlags gemäß § 114a ZVG grundsätzlich
bindend (BGH-Urteile in BGHZ 99, 110; in BGHZ 117, 8), so dass
insoweit auch grunderwerbsteuerrechtlich nichts anderes gelten kann
(BFH-Urteil in BFHE 159, 241, BStBl II 1990, 228 = SIS 90 05 07).
Bei dieser Bindungswirkung bleibt es im Regelfall auch dann, wenn
sich der Verkehrswert nach formell rechtskräftiger Festsetzung
des Grundstückswerts ändert. Grundsätzlich kann
nämlich noch bis zur Erteilung des Zuschlags ein Antrag auf
Abänderung des Grundstückswerts wegen neuer Tatsachen
gestellt werden (vgl. BGH-Beschluss vom 10.10.2003 IXa ZB 128/03,
NJW-RR 2004, 302; Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 74a Rz 38;
Stöber, ZVG-Handbuch, 8. Aufl., Rz 215a).
Die Bindung des Prozessgerichts an den
gemäß § 74a Abs. 5 ZVG festgesetzten
Grundstückswert setzt aber voraus, dass ein zulässiger
Antrag auf dessen Abänderung gestellt werden konnte. Fehlt das
Rechtsschutzinteresse für einen derartigen Antrag, kann der
Ersteher nicht mehr an der überholten Festsetzung des
Grundstückswerts festgehalten werden. Dieser Wert ist
dementsprechend auch für die Bemessung des Forderungsverlusts
gemäß § 114a ZVG nicht mehr bindend (vgl.
BGH-Beschluss vom 27.2.2004 IXa ZB 298/03, NJW-RR 2004, 666).
Grunderwerbsteuerrechtlich kann auch insoweit nichts anderes
gelten.
Im Streitfall fehlte der Klägerin das
Rechtsschutzinteresse für einen Änderungsantrag. Die
7/10- und die 5/10-Grenze gemäß § 74a Abs. 1,
§ 85a Abs. 1 ZVG spielten für die Gebote der
Klägerin als erstrangiger Grundpfandgläubigerin
gemäß § 74b ZVG bzw. § 85a Abs. 3 ZVG wegen
der Höhe ihres Ausfalls bei der Verteilung des Erlöses
keine Rolle. Demnach können die nach § 74a Abs. 5 ZVG
festgesetzten Grundstückswerte nicht der Bemessung der
Tilgungswirkung gemäß § 114a ZVG zugrunde gelegt
werden.
Abweichend vom Regelfall kann nicht angenommen
werden, dass die gemäß § 74a Abs. 5 ZVG vom AG
festgesetzten Grundstückswerte nach wie vor zutreffend seien.
Die von der Klägerin vorgetragenen Entwicklungen (Leerstand
und Verwahrlosung der Gebäude, Verfall der Attraktivität
der Wohngegend, allgemein rückläufige Mieten) stehen
einer solchen Annahme entgegen.
Da das FG zu Unrecht von der Bindung an die
vom AG nach § 74a Abs. 5 ZVG festgesetzten
Grundstückswerte ausgegangen ist, war die Vorentscheidung
aufzuheben.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat
noch keine Feststellungen zu den Verkehrswerten der
Sondereigentumseinheiten am Tag der Erteilung des Zuschlags
getroffen. Es wird dies nunmehr nachzuholen haben. Die Sache ist
daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG
zurückzuverweisen. Bei der Entscheidung ist nach der Wertung
des § 114a ZVG davon auszugehen, dass die durch die
Gesamtgrundschuld gesicherten Forderungen der Klägerin in
Höhe des in dieser Vorschrift genannten Teils der
Grundstückswerte werthaltig waren. Die Freigrenze des § 3
Nr. 1 GrEStG bezieht sich auf die einzelnen Objekte.