Unbebautes Grundstück, Prognosezeitraum bei Verpachtung 30 Jahre: 1. Die § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zugrunde liegende typisierende Annahme, dass bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit der Steuerpflichtige beabsichtigt, letztlich einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften, gilt nicht für die dauerhafte Verpachtung unbebauten Grundbesitzes (Bestätigung des BFH-Beschlusses vom 25.3.2003 IX B 2/03, BFHE 202 S. 262, BStBl 2003 II S. 479 = SIS 03 23 29). - 2. Der Prognosezeitraum beträgt auch bei einer Verpachtung unbebauten Grundbesitzes 30 Jahre. - Urt.; BFH 28.11.2007, IX R 9/06; SIS 08 12 33
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) hatte zusammen mit der Beteiligten, die bis zum
31.12.1999 an der Grundstücksgemeinschaft beteiligt war, im
Jahr 1993 mehrere Grundstücke (zusammen ca. 97.000 qm) in
… zu einem Kaufpreis von 150.000 DM erworben.
Eine Fläche von insgesamt 78.909 qm
war zur Zeit des Kaufes bis zum 31.12.2003 an eine
landwirtschaftliche Produktions-GmbH (im Folgenden: GmbH) für
1.197 DM pro Jahr zur landwirtschaftlichen Nutzung verpachtet. Die
GmbH übersandte der Grundstücksgemeinschaft im Jahr 1997
einen Vertragsentwurf, um die Verpachtung für weitere 12 Jahre
nach Ablauf der ersten Verpachtungsperiode, also bis zum Jahr 2016
zu verlängern.
Der Grund und Boden war überwiegend
weder Bau- noch Bauerwartungsland. Lediglich ein kleiner Teil, der
mit einem nicht im Eigentum der Grundstücksgemeinschaft
stehenden Kulturhaus bebaut war, konnte bebaut werden.
Die Anschaffung des Grundbesitzes war fremd
finanziert; die Darlehen der Sparkasse sollten zum Teil durch
Lebensversicherungen getilgt und mittels Bauspardarlehen
umfinanziert werden.
Die Grundstücksgemeinschaft begehrte
in den Verfahren zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Streitjahre (1998
und 1999) die Feststellung von Werbungskostenüberschüssen
(25.665 DM für 1998 und 24.885 DM für 1999), die
überwiegend aus Schuldzinsen und Sonderwerbungskosten des
Klägers (Fahrtkosten) herrührten. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) lehnte es letztlich ab,
die geltend gemachten Besteuerungsgrundlagen entsprechend
festzustellen, weil es der Grundstücksgemeinschaft an der
Absicht fehle, mit der Verpachtung Einkünfte zu erzielen. Der
Einspruch blieb erfolglos.
Mit der Klage verfolgte die
Grundstücksgemeinschaft ihr Begehren weiter. Sie hätte
zunächst keine Möglichkeit gehabt, die jährlichen
Pachteinnahmen zu erhöhen, weil die Landwirtschaftliche
Produktionsgenossenschaft (die GmbH ist Rechtsnachfolgerin) nach
dem Einigungsvertrag berechtigt gewesen sei, die Ländereien 12
Jahre fest anzumieten. Im Übrigen habe man sich bemüht,
die Flächen im Anschluss an die Bindungsfrist durch Aushandeln
besserer Mietkonditionen rentierlicher zu verpachten oder aber
Teile des nahe der geplanten … Autobahn gelegenen
Geländes zu bebauen und einer gewerblichen Nutzung
zuzuführen.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) kam in seinem in EFG 2006, 1161 = SIS 06 43 10,
veröffentlichtem Urteil zu dem Ergebnis, die Verpachtung zu
einem höheren Entgelt sei in den Streitjahren ebenso wenig
objektiv voraussehbar gewesen, wie die Möglichkeit der
Bebauung einiger Geländeteile. Die auf 30 Jahren anzustellende
Prognose führe zu einem Werbungskostenüberschuss von
43.948,51 EUR.
Hiergegen wendet sich die Revision des
Klägers, die er auf die Verletzung von § 21 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 9 EStG
stützt. Zunächst habe eine Prognose nicht angestellt
werden dürfen. Auch hier gelte: Bei einer auf Dauer angelegten
Vermietungstätigkeit sei ohne weitere Prüfung von der
Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen. Überdies
dürfe bei unbebauten Grundstücken kein 30-jähriger
Prognosezeitraum zugrunde gelegt werden.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Bescheide über die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
für die Jahre 1998 und 1999 jeweils vom 12.10.2000 in Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 14.3.2002 in der Weise zu
ändern, dass bei der Ermittlung der Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung ein Verlust aus der Verpachtung der
landwirtschaftlichen Flächen für das Jahr 1998 in
Höhe von 25.665 DM und für das Jahr 1999 in Höhe von
24.885 DM berücksichtigt wird.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist nach § 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen; denn sie ist
unbegründet. Zutreffend hat das FG die
Einkünfteerzielungsabsicht der Grundstücksgemeinschaft in
Bezug auf die zur landwirtschaftlichen Nutzung verpachteten
Flächen geprüft (1.) und aufgrund einer Prognose (2.)
abgelehnt (3.).
1. Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) erzielt (§ 2
Abs. 1 Nr. 6 EStG), wer sein Grundstück in der Absicht
verpachtet, daraus auf Dauer ein positives Ergebnis zu
erreichen.
Das subjektive Merkmal dieses Tatbestandes,
die Einkünfteerzielungsabsicht, wird von § 21 Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 EStG bei einer auf Dauer angelegten
Vermietungstätigkeit typisiert und muss deshalb
tatsächlich nicht überprüft werden (ständige
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH -, vgl. Urteile vom
30.9.1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771 = SIS 98 02 12; vom 19.4.2005 IX R 15/04, BFHE 210, 24, BStBl II 2005, 754 =
SIS 05 39 39, und vom 10.5.2007 IX R 7/07, BStBl II 2007, 873 = SIS 07 32 99; gleicher Ansicht das Bundesministerium der Finanzen,
Schreiben vom 8.10.2004, BStBl I 2004, 933 = SIS 04 39 32).
Diese Typisierung gilt aber nicht für die
dauerhafte Verpachtung von unbebautem Grundbesitz, wie der BFH
bereits in seinem Beschluss vom 25.3.2003 IX B 2/03 (BFHE 202, 262,
BStBl II 2003, 479 = SIS 03 23 29) dargelegt hat (vgl. zur
Entwicklung der Rechtsprechung Pezzer in Gedächtnisschrift
für Christoph Trzaskalik, 2005, S. 239, 245 ff., m.w.N.). Die
Verpachtung unbebauten Grundbesitzes ist unbeschadet der Art und
Weise seiner Erwerbsfinanzierung nicht schon strukturell
defizitär und bildet keine Grundlage für die typisierende
Annahme der Einkünfteerzielungsabsicht; denn es kommt anders
als bei dem abnutzbaren Wirtschaftsgut Gebäude
grundsätzlich zu keiner durch eine spätere
Veräußerung nicht kompensierbaren Inanspruchnahme von
Absetzungen für Abnutzung.
2. Muss das Merkmal der
Einkünfteerzielungsabsicht tatsächlich vorliegen, ist
eine Prognose anhand der Grundsätze durchzuführen, wie
sie der BFH in seinem Urteil vom 6.11.2001 IX R 97/00 (BFHE 197,
151, BStBl II 2002, 726 = SIS 02 03 94) aufgestellt hat.
Entgegen der Revision gilt der dort zugrunde
gelegte Prognosezeitraum von dreißig Jahren auch, wenn die
Einkünfteerzielungsabsicht bei unbebauten Grundstücken
geprüft werden muss (hiervon ausgehend bereits BFH-Beschluss
vom 27.5.2002 IX B 185/01, BFH/NV 2002, 1299 = SIS 02 93 89).
Zwar hatte der BFH diesen Zeitraum für
die Vermietung von Ferienwohnungen und damit für bebaute
Grundstücke entwickelt. Allerdings kommt es bei der Vermietung
von Gebäuden ebenso wenig wie bei der Verpachtung von
unbebauten Grundstücken auf die Dauer der
Nutzungsmöglichkeit der Immobilie an (so BFH-Urteil vom
5.9.2000 IX R 33/97, BFHE 192, 559, BStBl II 2000, 676 = SIS 00 13 60, unter II. 2. a (1)), sondern auf die voraussichtliche Dauer der
Nutzung, die der BFH typisierend mit 30 Jahren zugrunde legt. Denn
für die Prüfung, ob der Steuerpflichtige durch seine
Tätigkeit einen Einnahmeüberschuss erzielen wird, ist
anders als bei den Gewinneinkunftsarten, bei denen der
Unterschiedsbetrag aus einem Betriebsvermögensvergleich der
Besteuerung unterworfen wird (§ 4 Abs. 1 EStG), das jeweilige
Rechtsverhältnis (z.B. die Kapitalanlage, der Leibrenten- oder
Mietvertrag) oder die auf eine bestimmte Immobilie bezogene
Vermietertätigkeit maßgebend (BFH-Urteil vom 17.8.2005
IX R 23/03, BFHE 211, 143, BStBl II 2006, 248 = SIS 05 47 54).
Das unterscheidet diese Tätigkeit zum
Beispiel von der auf dem Grund und Boden betriebenen Land- und
Forstwirtschaft. Dort ist der anzunehmende Prognosezeitraum zwar im
Einzelnen umstritten (zum Teil wird auch ein 30-Jahres-Zeitraum
erwogen, vgl. z.B. Schmidt/Seeger, EStG, 26. Aufl., § 13 Rz 4;
Blümich/ Selder, EStG, § 13 Rz 139; Gmach in
Herrmann/Heuer/Raupach, EStG § 13 Rz 67, jeweils m.w.N.).
Aufgrund der durch diese Einkunftsart vorgegebenen
Sachgesetzlichkeit hat der BFH z.B. bei der Forstwirtschaft
wiederholt entschieden, dass für die Prüfung der
Einkünfteerzielungsabsicht der gesamte Zeitraum von der
Anpflanzung bis zur Holzernte zu betrachten ist, der häufig um
100 Jahre beträgt, und dass es der
Einkünfteerzielungsabsicht eines Eigentümers nicht
entgegensteht, wenn die Holzernte nicht schon während seiner
Besitzzeit, sondern erst in späterer Zeit anfällt (vgl.
z.B. BFH-Urteile vom 18.3.1976 IV R 52/72, BFHE 118, 441, BStBl II
1976, 482 = SIS 76 02 63; vom 26.6.1985 IV R 149/83, BFHE 144, 67,
BStBl II 1985, 549 = SIS 85 18 37; vom 13.4.1989 IV R 30/87, BFHE
157, 98, BStBl II 1989, 718 = SIS 89 18 48, und vom 24.8.2000 IV R
46/99, BFHE 192, 542, BStBl II 2000, 674 = SIS 00 14 20, m.w.N.).
Maßgebend ist hier ein objektbezogener Beurteilungszeitraum,
der sich nach der Art des Betriebs und den Besonderheiten der auf
dem Grundstück erwirtschafteten Erträge richtet.
Demgegenüber erzielt der Verpächter eines unbebauten
Grundstücks seine Einnahmen unabhängig von der Art der
Bewirtschaftung des Grund und Bodens als Gegenleistung dafür,
dass er sein Grundstück dem Pächter zur Nutzung
überlässt. Darin unterscheidet er sich nicht von dem
Vermieter eines bebauten Grundstücks. Mithin gilt hier der
nämliche Prognosezeitraum.
3. Nach diesen Maßstäben hat das FG
eine zutreffende Prognose durchgeführt. Da nach seinen
Feststellungen, die den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO
binden, weder eine Erhöhung des Pachtzinses absehbar war noch
eine rentierlichere Nutzung der Grundstücke nach ihrer
Bebauung, hat es die Einnahmen der Grundstücksgemeinschaft
aufgrund der jährlichen Pacht ermittelt und als Werbungskosten
die Schuldzinsen auf der Basis des vom Kläger vorgelegten
Finanzierungskonzepts angesetzt. Diese Vorgehensweise ist
jedenfalls möglich und bindet den Senat. Die vom Kläger
im Revisionsverfahren eingereichte Prognoserechnung kann als neues
tatsächliches Vorbringen nicht berücksichtigt werden,
abgesehen davon, dass sie auf einen Zeitraum von 81 Jahren hin
angelegt und deshalb ohnehin nicht zu verwenden ist.