Lohnsteuerpauschalierung, Kinderfreibetrag: Bei der Ermittlung des Pauschsteuersatzes für die pauschale Lohnsteuer nach § 40 Abs. 1 EStG werden die auf den Lohnsteuerkarten der Arbeitnehmer eingetragenen Kinderfreibeträge nicht berücksichtigt. - Urt.; BFH 26.7.2007, VI R 48/03; SIS 07 28 31
I. Die S-GmbH, deren Rechtsnachfolgerin die
Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist,
veranstaltete in den Streitjahren (1996 und 1998) Tagungen, die zu
lohnsteuerpflichtigen geldwerten Vorteilen der teilnehmenden
Arbeitnehmer führten. Im Rahmen einer
Lohnsteuer-Außenprüfung wurden unversteuerte geldwerte
Vorteile in Höhe von 23.352 DM für 1996 und von 44.132 DM
für 1998 ermittelt.
Auf Antrag der Klägerin erließ
der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) am
24.11.2000 einen Nachforderungsbescheid, mit dem für die
geldwerten Vorteile in den Streitjahren Lohnsteuer von insgesamt
34.980 DM nachgefordert wurde. Der Nachforderung lag
gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) ein Pauschsteuersatz in Höhe
von 52,94 v.H. für 1996 und von 51,25 v.H. für 1998
zugrunde. Die auf den Lohnsteuerkarten der Arbeitnehmer
eingetragenen Kinderfreibeträge blieben bei der Ermittlung des
Pauschsteuersatzes unberücksichtigt. Ihr Abzug hätte zu
einer Verringerung des Pauschsteuersatzes auf 52,05 v.H. für
1996 und auf 50,26 v.H. für 1998 und einem
Nachforderungsbetrag von insgesamt 34.336 DM geführt.
Das Finanzgericht (FG) wies die nach
erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage mit den in EFG 2003, 1621 =
SIS 03 47 54 veröffentlichten Gründen ab. Zur
Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass es nach
Änderung des Familienleistungsausgleichs durch das
Jahressteuergesetz 1996 (JStG 1996) an einer gesetzlichen Grundlage
für die Berücksichtigung der Kinderfreibeträge beim
Pauschsteuersatz fehle. Die Eintragung der Kinderfreibeträge
auf der Lohnsteuerkarte sei nur im Hinblick auf die Zuschlagsteuern
zur Lohnsteuer erfolgt.
Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG aufzuheben und den Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid vom
24.11.2000 hinsichtlich der Nachforderungen für die Tagungen
dahingehend zu ändern, dass die pauschale Lohnsteuer für
1996 um 207,84 DM und für 1998 um 436,92 DM herabgesetzt
wird.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und nach
§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die auf
den Lohnsteuerkarten der Arbeitnehmer eingetragenen
Kinderfreibeträge bei der Ermittlung des Pauschsteuersatzes
nach § 40 Abs. 1 EStG nicht zu berücksichtigen sind.
1. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
kann das Betriebsstätten-Finanzamt auf Antrag des Arbeitgebers
zulassen, dass die Lohnsteuer mit einem unter Berücksichtigung
der Vorschriften des § 38a EStG zu ermittelnden
Pauschsteuersatz erhoben wird, wenn in einer größeren
Zahl von Fällen Lohnsteuer deshalb nachzuerheben ist, weil der
Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig
einbehalten hat. Zur Ermittlung des Pauschsteuersatzes ist
gemäß § 40 Abs. 1 Satz 4 EStG ein
durchschnittlicher Steuersatz unter Zugrundelegung der
durchschnittlichen Jahresarbeitslöhne und der
durchschnittlichen Jahreslohnsteuer in jeder Steuerklasse für
die begünstigten Arbeitnehmer zu berechnen. In Abschn. 126
Abs. 3 der Lohnsteuer-Richtlinien 1996 wird hierzu ein - für
den Arbeitgeber unverbindliches - Berechnungsverfahren aufgezeigt.
Eine eindeutige Methode zur Berechnung des Pauschsteuersatzes
ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus den Richtlinien.
Dessen ungeachtet knüpft die pauschale
Lohnsteuer materiell-rechtlich aufgrund der in § 40 Abs. 1
Satz 1 EStG enthaltenen Verweisung auf § 38a EStG an die
individuelle Lohnsteuer - und nicht, wie die Klägerin meint,
an die individuelle Einkommensteuer - der Arbeitnehmer an. Dies
bedeutet, dass der Pauschsteuersatz grundsätzlich weder zu
einer geringeren noch zu einer höheren Steuer als die Summe
der für jeden Arbeitnehmer gesondert ermittelten Steuer auf
die zusätzlichen Beträge führen soll (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11.3.1988 VI R 106/84, BFHE 153, 324,
BStBl II 1988, 726 = SIS 88 17 05).
2. Nach diesen Grundsätzen ist die
Entscheidung des FG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Nach den mit Revisionsrügen nicht
angegriffenen und den Senat daher gemäß § 118 Abs.
2 FGO bindenden Feststellungen des FG haben die von der S-GmbH
veranstalteten Tagungen in den Streitjahren bei den Arbeitnehmern
zu lohnsteuerpflichtigen geldwerten Vorteilen geführt, die von
der S-GmbH in - zwischen den Beteiligten unstreitiger - Höhe
von 23.352 DM (1996) und 44.132 DM (1998) nicht
vorschriftsmäßig der Lohnsteuer unterworfen worden
sind.
b) Das FG hat zutreffend angenommen, dass die
aus der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs im JStG 1996
vom 11.10.1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) folgende
grundsätzliche Nichtberücksichtigung der
Kinderfreibeträge beim Lohnsteuerabzug auch für die von
der Klägerin beantragte Pauschalierung der Lohnsteuer nach
§ 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gilt.
aa) Die Ermittlung des Pauschsteuersatzes
richtet sich aufgrund der in § 40 Abs. 1 Satz 1 EStG
enthaltenen Verweisung nach den Grundsätzen des § 38a
EStG zur Berechnung der individuellen Lohnsteuer der Arbeitnehmer.
Bei der Ermittlung der Lohnsteuer werden danach die
Besteuerungsgrundlagen des Einzelfalls unter anderem durch die
Aufstellung von entsprechenden Lohnsteuertabellen nach § 38c
EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung (a.F.)
berücksichtigt (§ 38a Abs. 4 EStG a.F.). Nach Streichung
der Nr. 5 des § 38c Abs. 1 Satz 5 EStG in der bis Ende 1995
geltenden Fassung durch das JStG 1996 werden die
Kinderfreibeträge nicht mehr in die Lohnsteuertabellen
einbezogen. Die Änderung hat zur Folge, dass die
Kinderfreibeträge ab dem Jahr 1996 bei der Erhebung der
Lohnsteuer nicht mehr berücksichtigt werden (BTDrucks 13/1558,
S. 157).
Der Abzug der Kinderfreibeträge bei der
Ermittlung des Pauschsteuersatzes ergibt sich entgegen der Ansicht
der Klägerin nicht aus § 38a Abs. 2 EStG. Nach dieser
Vorschrift wird die Jahreslohnsteuer nach dem Jahresarbeitslohn so
bemessen, dass sie der Einkommensteuer entspricht, die der
Arbeitnehmer schuldet, wenn er ausschließlich Einkünfte
aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. Der Regelungsgehalt des
§ 38a Abs. 2 EStG beschränkt sich damit auf die
Klarstellung, welche Einkünfte in die Bemessungsgrundlage der
Lohnsteuer einzubeziehen sind (vgl. Barein in Littmann/Bitz/Pust,
Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 38a Rz 10). Die
Berücksichtigung der Kinderfreibeträge fällt dagegen
in den Regelungsbereich des § 38a Abs. 4 EStG a.F., der auf
die in anderen Vorschriften enthaltenen Besteuerungsgrundlagen
für die Ermittlung der Lohnsteuer verweist (vgl.
Blümich/Thürmer, § 38a EStG Rz 5; Barein in
Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 38a Rz 14; Frotscher, EStG, 6.
Aufl., § 38a Rz 1).
bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin
lässt sich der Abzug der Kinderfreibeträge bei der
Ermittlung des Pauschsteuersatzes nach § 40 Abs. 1 EStG nicht
daraus ableiten, dass die Kinderfreibeträge gemäß
§ 51a EStG bei der Bemessungsgrundlage des
Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer (Zuschlagsteuern)
berücksichtigt werden (so aber Wagner in Herrmann/Heuer/
Raupach - HHR -, § 40 EStG Rz 30; Albert/Hahn, DB 1996, 1306,
1308). Gemäß § 51a Abs. 2 EStG ist die
Einkommensteuer als Bemessungsgrundlage der Zuschlagsteuern zwar
unter Berücksichtigung der Kinderfreibeträge
festzusetzen. Beim Steuerabzug vom laufenden Arbeitslohn gilt dies
gemäß § 51a Abs. 2a Satz 1 Halbsatz 2 EStG in
gleicher Weise für die Ermittlung der Lohnsteuer als
Bemessungsgrundlage. Demgegenüber sieht der 1. Halbsatz der
Vorschrift beim Steuerabzug vom sonstigen Arbeitslohn lediglich
vor, dass die Zuschlagsteuern nach der Lohnsteuer zu bemessen
sind.
Aus dem systematischen Zusammenhang des §
40 Abs. 1 EStG zur differenzierten Regelung der
Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen bei der Bemessung
der Zuschlagsteuern in § 51a EStG folgt, dass ein Abzug der
Kinderfreibeträge bei der Ermittlung des Pauschsteuersatzes
nach § 40 Abs. 1 Satz 1 EStG im Streitfall nicht systemgerecht
wäre. Denn der Gesetzgeber hat für die Bemessung der
Zuschlagsteuern, die - wie im Streitfall - beim Steuerabzug vom
sonstigen Arbeitslohn erhoben werden, in § 51a Abs. 2a Satz 1
Halbsatz 1 EStG keine Berücksichtigung der
Kinderfreibeträge vorgesehen (vgl. Bundesministerium der
Finanzen, BStBl I 1995, 719 = SIS 96 01 33 Rz 42; Schmieszek in
Bordewin/Brandt, § 51a EStG Rz 30). Die Vorschrift wurde durch
das Jahresteuer-Ergänzungsgesetz vom 18.12.1995 (BGBl I 1995,
1959, BStBl I 1995, 786) eingefügt und stellt eine
Vereinfachungsregelung dar, mit der für die Ermittlung der
Zuschlagsteuern auf einmalige Bezüge eine gegenüber der
Ermittlung der Lohnsteuer gesonderte Berechung erspart werden
sollte (BTDrucks 13/3084, S. 21; Schlief in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 51a Rz A 38).
cc) Der Klägerin ist auch nicht darin zu
folgen, dass die Berücksichtigung der Kinderfreibeträge
bei der pauschalen Lohnsteuer dadurch geboten ist, dass die
Höhe der für die Berechnung des durchschnittlichen
Steuersatzes i.S. des § 40 Abs. 1 Satz 4 EStG
maßgeblichen Jahreslohnsteuer eng mit dem
Familienleistungsausgleich nach § 31 EStG verknüpft ist
(so aber HHR/Wagner, § 40 EStG Rz 30; vgl. auch Albert/Hahn,
a.a.O.). Denn die in § 31 EStG vorgesehene Verrechnung von
Kindergeld und Kinderfreibeträgen findet erst im
Veranlagungsverfahren statt. Sie ist zudem auf die Fälle
beschränkt, in denen die steuerliche Freistellung des
Existenzminimums des Kindes nicht in vollem Umfang durch das
Kindergeld bewirkt wird (§ 31 Satz 4 EStG).
dd) Die Nichtberücksichtigung der
Kinderfreibeträge bei der Ermittlung des Pauschsteuersatzes
nach § 40 Abs. 1 EStG ergibt sich schließlich auch aus
dem Zweck der Vorschrift, das Lohnsteuer-Abzugsverfahren zu
vereinfachen (vgl. dazu Seifert in Korn, § 40 EStG Rz 1;
Wermelskirchen in Lademann, EStG, § 40 EStG Rz 1; Frotscher,
a.a.O., § 40 Rz 1). Der Vereinfachungszweck erfordert es, den
Pauschsteuersatz des § 40 Abs. 1 EStG nicht in gleicher Weise
wie bei der Individualbesteuerung der einzelnen Arbeitnehmer zu
berechnen (HHR/Wagner, § 40 EStG Rz 17;
Blümich/Heuermann, § 40 EStG Rz 62). Die Anknüpfung
an die Grundsätze zur Berechnung der individuellen Lohnsteuer
der Arbeitnehmer aus § 38a EStG dient nur dazu, eine
annähernde Übereinstimmung der pauschalen Lohnsteuer mit
der Summe der individuellen Lohnsteuer aller Arbeitnehmer zu
erreichen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 153, 324, BStBl II 1988, 726 =
SIS 88 17 05; Wermelskirchen, a.a.O., § 40 EStG Rz 33). Ein
von diesen Grundsätzen abweichender Abzug der
Kinderfreibeträge bei der pauschalen Lohnsteuer widerspricht
dem Vereinfachungszweck des § 40 Abs. 1 EStG, da er zu einer -
über die Verweisung auf § 38a EStG hinausgehenden -
Berücksichtigung individueller Besteuerungsmerkmale der
einzelnen Arbeitnehmer führt.
c) Die Nichtberücksichtigung der
Kinderfreibeträge bei der Pauschalierung der Lohnsteuer nach
§ 40 Abs. 1 EStG verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1
des Grundgesetzes (GG). Der Schutz von Ehe und Familie gebietet es,
bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum der Kinder
steuerfrei zu belassen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts -
BVerfG - vom 10.11.1998 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, BStBl II
1999, 174 = SIS 99 04 07). Aus Art. 6 Abs. 1 GG folgt aber keine
Verpflichtung für den Gesetzgeber, Steuerpflichtige vor den
Folgen ihrer selbst gewählten, möglicherweise weniger
vorteilhaften Gestaltungsformen zu bewahren (BverfG-Beschluss vom
26.2.1993 2 BvR 164/92, HFR 1993, 408, und Senatsurteil vom
21.9.2006 VI R 80/04, BStBl II 2007, 11 = SIS 06 42 42). Der
Klägerin stand es gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr.
2 EStG frei, einen Antrag auf Vornahme der pauschalen Besteuerung
zu stellen. Macht sie - wie im Streitfall - von ihrem Antragsrecht
Gebrauch, verstoßen die sich daraus ergebenden
steuerrechtlichen Folgen nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Die
Klägerin kann sich als Dritte zudem nicht auf den Anspruch der
Eltern aus Art. 6 Abs. 1 GG auf Steuerfreistellung des
Existenzminimums der Kinder berufen.