Ehegatten, getrennte Veranlagung: Ist ein Ehegatte gemäß § 25 EStG zur Einkommensteuer zu veranlagen und wird auf seinen Antrag eine getrennte Veranlagung durchgeführt, ist auch der andere Ehegatte gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG zwingend getrennt zu veranlagen. Für die Veranlagung des anderen Ehegatten kommt es in einem solchen Fall auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 8 EStG nicht mehr an. - Urt.; BFH 21.9.2006, VI R 80/04; SIS 06 42 42
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) erzielte in den Streitjahren
1997 bis 2000 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Ihr Ehemann, von dem sie nicht dauernd getrennt lebt, erzielte als
Rechtsanwalt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Bei den
Einkünften der Klägerin erfolgte der Lohnsteuerabzug nach
Steuerklasse III gemäß § 38b Satz 2 Nr. 3 des
Einkommensteuergesetzes (EStG).
Der Ehemann der Klägerin beantragte
für die Streitjahre die Durchführung der getrennten
Veranlagung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA
- ) forderte die Klägerin daraufhin zur Abgabe von
Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre auf. Die
Klägerin reichte die Einkommensteuererklärungen beim FA
ein und teilte gleichzeitig mit, ein Antrag auf Veranlagung werde
nicht gestellt.
Das FA veranlagte die Klägerin
für die Streitjahre getrennt zur Einkommensteuer. Aufgrund des
Lohnsteuerabzugs nach Steuerklasse III führten die
Veranlagungen zu erheblichen Nachzahlungen. Das FA wies die gegen
die Einkommensteuerbescheide erhobenen Einsprüche als
unbegründet zurück.
Die Klage hatte aus den in EFG 2004, 1458 =
SIS 04 31 03 veröffentlichten Gründen ebenfalls keinen
Erfolg.
Mit der Revision rügt die
Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie dürfe nicht
zur Einkommensteuer veranlagt werden, da sie keinen Antrag auf
Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG gestellt habe.
Für die Frage, ob eine Veranlagung durchzuführen sei, sei
beim Bezug von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit
ausschließlich § 46 EStG von Bedeutung. Die
Ausübung des Wahlrechts hinsichtlich der Veranlagungsart nach
§ 26 Abs. 2 EStG sei vom Antrag auf Veranlagung nach § 46
Abs. 2 Nr. 8 EStG zu unterscheiden. Die Wahl der getrennten
Veranlagung habe lediglich zur Folge, dass die
Veranlagungsvoraussetzungen bei jedem Ehegatten gesondert zu
prüfen seien.
Die Klägerin beantragt, das
angefochtene Urteil und die Einkommensteuerbescheide für 1997
bis 2000 vom 5. bzw. 7.8.2002 in der Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 22.10.2002 aufzuheben.
Das FA tritt der Revision entgegen.
II. Die Revision der Klägerin ist
unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das Finanzgericht
(FG) hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin für die
Streitjahre zur Einkommensteuer zu veranlagen war.
1. Gemäß § 25 Abs. 1 EStG wird
die Einkommensteuer nach Ablauf des Kalenderjahres
(Veranlagungszeitraum) nach dem Einkommen veranlagt, das der
Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat, soweit
nicht nach § 46 EStG eine Veranlagung unterbleibt. Ehegatten
können nach § 26 Abs. 1 EStG unter den weiteren
Voraussetzungen dieser Vorschrift zwischen getrennter Veranlagung
(§ 26a EStG), Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) und
für den Veranlagungszeitraum der Eheschließung
besonderer Veranlagung (§ 26c EStG) wählen.
Gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG werden Ehegatten
getrennt veranlagt, wenn einer der Ehegatten getrennte Veranlagung
wählt. Eine Zusammenveranlagung kommt nur in Betracht, wenn
beide Ehegatten die Zusammenveranlagung wählen (§ 26 Abs.
2 Satz 2 EStG) oder wenn sie keine Erklärungen abgeben (§
26 Abs. 3 EStG). Folglich sind nach § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG
zwingend getrennte Veranlagungen für beide Ehegatten
durchzuführen, wenn einer der Ehegatten die getrennte
Veranlagung verlangt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
15.12.2005 III R 49/05, BFH/NV 2006, 933 = SIS 06 17 30).
2. Im Streitfall erzielte der Ehegatte der
Klägerin nach den tatsächlichen Feststellungen des FG,
die den Senat mangels zulässiger und begründeter
Revisionsrügen gemäß § 118 Abs. 2 FGO binden,
in den Streitjahren nur Einkünfte aus selbständiger
Arbeit. Er war folglich nach § 25 Abs. 1 EStG von Amts wegen
zur Einkommensteuer zu veranlagen. Die Veranlagung konnte nicht
gemäß § 46 EStG unterbleiben, da der Ehegatte keine
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielte, von
denen ein Steuerabzug vorgenommen worden war. Nach den bindenden
Feststellungen des FG wählte der Ehegatte der Klägerin
die getrennte Veranlagung. Bei dieser Sachlage war auch die
Klägerin gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG von
Amts wegen zur Einkommensteuer zu veranlagen. Dem steht nicht
entgegen, dass sie nur dem Lohnsteuerabzug unterliegende
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielte und
selbst keinen Antrag auf Durchführung der Veranlagung
gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG gestellt hat (vgl.
Nolde in Herrmann/ Heuer/Raupach - HHR -, § 46 EStG Anm. 133;
Schmidt/Glanegger, EStG, 11. Aufl. 1992, § 46 Anm. 23;
Frotscher, EStG, § 46 Rz. 100).
3. Der erkennende Senat folgt damit nicht der
von der Klägerin und einer auch im Schrifttum vertretenen
Auffassung, wonach die Entscheidung eines Ehegatten für die
getrennte Veranlagung lediglich zur Folge habe, dass die
Veranlagungsvoraussetzungen i.S. von § 46 Abs. 2 EStG für
jeden Ehegatten gesondert zu prüfen seien (Trzaskalik, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 46 Rdnr. B 13;
Bergan/Martin, DStR 2006, 645). Zwar ist auch bei der Veranlagung
von Ehegatten § 25 EStG als Grundnorm der Veranlagung
anzuwenden (Pflüger in HHR, § 26 EStG Anm. 14). Für
die Ehegattenveranlagung gemäß § 26 EStG ist danach
kein Raum, wenn für beide Ehegatten die Veranlagung nach
§ 25 EStG i.V.m. § 46 EStG unterbleibt. In einem solchen
Fall scheidet die Ausübung des Wahlrechts zwischen getrennter
Veranlagung, Zusammenveranlagung und besonderer Veranlagung aus.
Denn die Entscheidung für eine der nach § 26 EStG
möglichen Veranlagungsarten kommt nur in Betracht, wenn
verfahrensrechtlich eine Veranlagung gemäß § 25
EStG i.V.m. § 46 EStG überhaupt durchgeführt wird
(Dürr in Frotscher, a.a.O., § 26 Rz. 16). Deshalb geht
auch der Einwand fehl, § 46 Abs. 2 Nr. 3a EStG habe nach der
vom Senat für zutreffend erachteten Auslegung von § 26
Abs. 2 Satz 1 EStG keine Bedeutung mehr (so aber Bergan/Martin,
a.a.O.).
Für eine einschränkende
Interpretation von § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG in dem Sinne, dass
die Vorschrift auch im Falle der Wahl getrennter Veranlagung durch
einen Ehegatten hinsichtlich des anderen Ehegatten nicht regele,
ob, sondern nur wie letzterer zu veranlagen sei, besteht kein
Anlass. Der Wortlaut der Vorschrift enthält für eine
solche Auslegung keinen Anhaltspunkt. Der Gesetzgeber ging bei
Aufhebung von § 46 Abs. 2 Nr. 7 EStG a.F., der eine
Amtsveranlagung vorsah, wenn der Arbeitnehmer oder sein Ehegatte
getrennte Veranlagung beantragte, ebenfalls davon aus, dass die
Veranlagungspflicht des anderen Ehegatten, der die getrennte
Veranlagung nicht beantragt hatte, nach § 26 Abs. 2 EStG
gewährleistet sei (BTDrucks 12/1506, S. 174). Dies entspricht
auch der Systematik des Gesetzes. Die Veranlagungsart kann für
beide Ehegatten nur einheitlich angewendet werden. Der Anspruch auf
getrennte Veranlagung, die der Einzelveranlagung als Grundform der
Veranlagung nahe kommt, wird jedem Ehegatten aus Gründen der
Gleichbehandlung mit nicht miteinander verheirateten
Steuerpflichtigen zugebilligt (vgl. BFH-Urteil vom 15.7.2004 III R
66/98, BFH/NV 2005, 186 = SIS 05 07 56). Die Einräumung dieses
Anspruchs hat damit aber notwendigerweise ebenfalls zur Folge, dass
beide Ehegatten zwingend getrennt zu veranlagen sind, auch wenn nur
einer der Ehegatten die getrennte Veranlagung verlangt (BFH-Urteil
vom 3.3.2005 III R 22/02, BFHE 209, 454, BStBl II 2005, 690 = SIS 05 31 25).
Die Durchführung der Veranlagung steht
schließlich mit dem Gesetzeszweck in Einklang. Bei
Steuerpflichtigen, die - wie die Klägerin - dem Steuerabzug
unterliegende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
erzielen, hat die Veranlagung die Aufgabe, Unvollkommenheiten des
ausschließlich auf die Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit bezogenen Lohnsteuerabzugsverfahrens
auszugleichen und über die Veranlagung die Gleichheit zwischen
allen Steuerpflichtigen herzustellen (vgl. Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 13.12.1967 1 BvR 679/64,
BVerfGE 23, 1, BStBl II 1968, 70 = SIS 68 00 47). Diesem Zweck
entspricht eine Auslegung des Gesetzes, die die Festsetzung der
materiell richtigen Einkommensteuer im Rahmen der Veranlagung
ermöglicht und sie nicht verfahrensrechtlich verhindert.
4. Die Veranlagung der Klägerin
verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes
(GG). Der Schutz von Ehe und Familie verbietet es, Ehegatten
gegenüber Ledigen steuerlich zu benachteiligen (ständige
Rechtsprechung: z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 14.4.1959 1 BvL 23,
34/57, BVerfGE 9, 237, 247, und vom 4.10.1988 1 BvR 843/88, HFR
1990, 43, jeweils m.w.N.). Aus Art. 6 Abs. 1 GG folgt aber keine
Verpflichtung für den Gesetzgeber, Steuerpflichtige vor den
Folgen ihrer selbst gewählten, möglicherweise weniger
vorteilhaften Gestaltungsformen zu bewahren oder die
rückwirkende Korrektur von im nachhinein als nachteilig sich
erweisenden Sachverhaltsgestaltungen zu gestatten, soweit die
Begünstigung aus Gründen, die in der Sphäre des
Begünstigten liegen, entfällt und der Gesetzgeber
gleichzeitig Gestaltungsformen zulässt, die es gestatten, die
Begünstigungen fortzuführen (vgl. BVerfG-Beschluss vom
26.2.1993 2 BvR 164/92, HFR 1993, 408). Mit § 26 Abs. 1 Satz 1
EStG eröffnet der Gesetzgeber eine nur Eheleuten
zugängliche Gestaltungsmöglichkeit hinsichtlich der
Veranlagung zur Einkommensteuer. Wählen die Ehegatten eine
Veranlagungsform, die der von Ledigen nahe kommt, verstoßen
die sich daraus ergebenden einkommensteuerrechtlichen Folgen nicht
gegen Art. 6 Abs. 1 GG.
5. Einwendungen gegen die Höhe der
festgesetzten Einkommensteuern hat die Klägerin nicht
erhoben.