Todesfall, Ausübung des Veranlagungswahlrechts durch Erben: Das Veranlagungswahlrecht steht nach dem Tode eines Ehegatten dessen Erben zu. Das Einverständnis des Erben mit der Zusammenveranlagung kann nur dann nach § 26 Abs. 3 EStG unterstellt werden, wenn er Kenntnis von seiner Erbenstellung und den steuerlichen Vorgängen des Erblassers hat. Bis zur Ermittlung des Erben ist daher getrennt zu veranlagen. - Urt.; BFH 21.6.2007, III R 59/06; SIS 07 27 19
I. Der Ehemann der Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) verstarb am 17.2.2003. Die
überschuldete Erbschaft ist von der Klägerin und anderen
möglichen Erben ausgeschlagen worden. Bisher wurde weder ein
Erbe festgestellt noch ein Nachlasspfleger bestellt.
Am 30.3.2004 gab die Klägerin für
sich und ihren verstorbenen Ehemann die
Einkommensteuererklärung 2001 ab. Die Erklärung war nur
von ihr unterzeichnet worden; sie hatte
„Zusammenveranlagung“ angekreuzt. Die Klägerin
erklärte für sich Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung in Höhe von 8.047 DM und für den verstorbenen
Ehemann einen Verlust aus Gewerbebetrieb gemäß § 17
des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 347.871 DM,
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von
166.979 DM, von denen Lohnsteuer in Höhe von 47.052 DM
einbehalten worden war und Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung in Höhe von 422 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) veranlagte die Klägerin durch Bescheid vom
5.5.2004 einzeln oder getrennt - dies lässt sich dem Bescheid
nicht entnehmen - und setzte die Einkommensteuer 2001 auf Null DM
fest; ein Erstattungsbetrag ergab sich nicht.
Die auf Zusammenveranlagung mit dem
verstorbenen Ehemann und Erstattung der von dessen Arbeitslohn
einbehaltenen Lohnsteuer gerichtete Klage wies das Finanzgericht
(FG) ab. Sein Urteil ist in EFG 2006, 1846 = SIS 06 36 21
abgedruckt.
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung des § 26 Abs. 3 EStG. Sie
trägt vor, die Zusammenveranlagung müsse vorgenommen
werden, wenn nur ein Ehegatte die Erklärung abgebe und die
Zusammenveranlagung wähle. Für diesen Fall unterstelle
§ 26 Abs. 3 EStG, dass die Ehegatten die Zusammenveranlagung
wählten; dabei handele es sich nicht um eine widerlegliche
Vermutung, sondern um eine zwingende Rechtsfolge (Seiler in
Kirchhof, EStG, 5. Aufl., § 26 Rz 72). § 26 Abs. 3 EStG
setze nicht voraus, dass beide Ehegatten lebten.
Ehegatten bildeten in der Regel eine
Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft. Der Gesetzgeber gehe in §
1360 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) von einer gleichen
Teilhabe der Eheleute am Einkommen aus und wolle diese - wie §
26 Abs. 3 EStG zeige - regelmäßig zusammen veranlagen.
Die Zusammenveranlagung sei auch nach den Ausführungen des
Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.11.1982 1 BvR 620/78 u.a.
(BVerfGE 61, 319, BGBl I 1982, 1594, BStBl II 1982, 717 = SIS 82 22 02) geboten, da sie dem Grundsatz der Gleichwertigkeit der Arbeit
von Mann und Frau entspreche, wonach das während der Ehe
Erworbene gemeinschaftlich erwirtschaftet sei.
Das Veranlagungswahlrecht könne nur
höchstpersönlich ausgeübt werden und sei nicht
vererblich. Auf die Ermittlung etwaiger Erben komme es daher nicht
an. Die Ausschlagung der Erbschaft durch sie - die Klägerin -
könne nicht als Versagung der Zustimmung zur
Zusammenveranlagung verstanden werden. Sollte der Fiskus Erbe
werden, so könne auch er nicht die getrennte Veranlagung
wählen, da ihr - der Klägerin - ein familienrechtlicher
Anspruch gegen den anderen Ehegatten bzw. dessen Erben zustehe, der
Zusammenveranlagung zuzustimmen, wenn diese zur geringsten
Steuerbelastung führe und keinem der Ehegatten ein
steuerlicher Nachteil entstehe oder dieser zivilrechtlich
ausgeglichen werde. Angesichts der Überschuldung des
Nachlasses sei es ausgeschlossen, dass sich ein Erbe finde, der die
Erbschaft nicht ausschlage. Der Fiskus könne als Erbe kein
Interesse an einer getrennten Veranlagung haben, da ein
Verlustabzug ihm nichts nutze. Da der Erbe nach dem Urteil des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3.3.2005 III R 22/02 (BFHE 209, 454,
BStBl II 2005, 690 = SIS 05 31 25) auch nach Bestandskraft des
Zusammenveranlagungsbescheides die getrennte Veranlagung beantragen
könne, sei er hinreichend geschützt. Deshalb
überwiege ihr Interesse an einer sofortigen
Zusammenveranlagung.
Der sich aus der Zusammenveranlagung
ergebende Erstattungsbetrag stehe ihr - der Klägerin - zu. Die
zusammen veranlagten Eheleute seien gemäß § 26b
EStG materiell-rechtlich und verfahrensrechtlich als ein
Steuerpflichtiger zu behandeln. Jede Steuerzahlung, auch der
Lohnsteuerabzug, werde für die Ehegatten als Gesamtschuldner
geleistet. Erstattungsberechtigt sei nach dem BFH-Urteil vom
15.11.2005 VII R 16/05 (BFHE 211, 396, BStBl II 2006, 453 = SIS 06 08 89) deshalb allein sie als Gesamtgläubigerin. Ein
möglicher Erbe habe zivilrechtlich gegen sie
vorzugehen.
Das FA gehe mit einer Auszahlung an sie
wegen der Befreiungsvorschrift des § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG
kein Risiko ein; dessen Wirkung trete nur dann nicht ein, wenn dem
FA bekannt sei, dass der mögliche Erbe mit der Leistung an den
anderen Ehegatten nicht einverstanden sei (Gosch in Kirchhof, EStG,
5. Aufl., § 36 Rz 55). Das FA sei weder zur zivilrechtlichen
Vertretung der Rechte eines etwaigen Erben berufen noch könne
es sich zu ihrem Nachteil auf diese Rechte berufen. Wegen der
besonderen Notlage nach dem Tode des Ehemannes sei eine umgehende
Auszahlung auch nach
Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen, nach Treu und
Glauben und wegen des Willkür- und Übermaßverbotes
geboten.
Die Klägerin beantragt
sinngemäß,
1.
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den Ablehnungsbescheid vom 26.4.2004, die
Einspruchsentscheidung vom 18.8.2005, den Einkommensteuerbescheid
2001 vom 5.5.2004 sowie das Urteil des FG aufzuheben und das FA zu
verpflichten, sie mit ihrem verstorbenen Ehemann für 2001
zusammen zur Einkommensteuer zu veranlagen und die Einkommensteuer
auf Null festzusetzen,
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|
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2.
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für den Fall der Stattgabe des Antrags
zu 1. das FA zu verurteilen, das sich aus der Zusammenveranlagung
ergebende Steuerguthaben allein an sie auszuzahlen.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Entscheidung ergeht gemäß
§ 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält
einstimmig die Revision für unbegründet und eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die
Beteiligten sind vorher darüber unterrichtet worden und hatten
Gelegenheit zur Stellungnahme.
1. Das FG hat zutreffend entschieden, dass das
FA nicht verpflichtet ist, die Klägerin mit ihrem verstorbenen
Ehemann zusammen zu veranlagen.
a) Der Senat hält daran fest, dass der
Erbe als Gesamtrechtsnachfolger grundsätzlich auch in die
steuerrechtliche Stellung des Erblassers eintritt und ihm deshalb
das Veranlagungswahlrecht nach § 26 Abs. 2 EStG für einen
verstorbenen Ehegatten zusteht (BFH-Urteile vom 29.10.1963 VI
266/61 U, BFHE 77, 754, BStBl III 1963, 597 = SIS 63 03 80; vom
15.10.1964 VI 175/63 U, BFHE 81, 236, BStBl III 1965, 86 = SIS 65 00 50; vom 13.11.1979 VIII R 193/77, BFHE 129, 262, BStBl II 1980,
188 = SIS 80 01 05; vom 8.10.1997 XI R 20/97, BFH/NV 1998, 701 =
SIS 98 15 89; zustimmend Schmieszek in Bordewin/Brandt, § 26
EStG Rz 25; Graf in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht,
Kommentar, § 26 Rz 80; a.A. Blümich/Heuermann, § 26
EStG Rz 79, m.w.N.; Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz,
Kommentar, 26. Aufl., § 26 Rz 23, m.w.N.; Seiler in Kirchhof,
EStG, 7. Aufl., § 26 Rz 80). Maßgeblich hierfür
sind die erheblichen vermögensrechtlichen Auswirkungen des
Antragsrechts für den Erben (z.B. Höhe und Zurechnung von
Erstattungsansprüchen, Haftung nach § 45 der
Abgabenordnung - AO - ). Dem Erben können zudem nicht
Erklärungs- und Mitwirkungspflichten aus dem
Steuerschuldverhältnis aufgebürdet, Wahlrechte aber
vorenthalten werden. Dem hat sich der Bundesgerichtshof durch
Urteil vom 24.5.2007 IX ZR 8/06 (juris) angeschlossen und
entschieden, dass das Wahlrecht für eine getrennte oder
Zusammenveranlagung kein höchstpersönliches Recht sei und
deshalb in der Insolvenz eines Ehegatten durch den
Insolvenzverwalter und im vereinfachten Insolvenzverfahren durch
den Treuhänder ausgeübt werde.
b) Die getrennte Veranlagung wird
durchgeführt, wenn mindestens ein Ehegatte diese
Veranlagungsform wählt (§ 26 Abs. 2 Satz 1 EStG). Geben
die Ehegatten keine Erklärung ab, so unterstellt das Gesetz,
dass die Zusammenveranlagung gewünscht wird (vgl. § 26
Abs. 3 EStG). Diese Unterstellung gilt in der Regel auch dann, wenn
die Wahl von dem überlebenden Ehegatten und dem Erben des
verstorbenen Ehegatten auszuüben ist (BFH-Urteile in BFHE 129,
262, BStBl II 1980, 188 = SIS 80 01 05; vom 24.4.1986 IV R 82/84,
BFHE 146, 358, BStBl II 1986, 545 = SIS 86 18 52).
Nach dem BFH-Urteil in BFHE 129, 262, BStBl II
1980, 188 = SIS 80 01 05 kann beim Erben aber nur dann nach §
26 Abs. 3 EStG unterstellt werden, dass er ebenfalls die
Zusammenveranlagung wünscht, wenn eindeutig feststeht, dass er
Kenntnis von seiner Erbenstellung und den den verstorbenen
Ehegatten betreffenden steuerlichen Vorgängen hat. Steht - wie
im Streitfall - der Erbe noch nicht fest, so kann nicht von dem
nach § 26 Abs. 3 EStG vorausgesetzten Einvernehmen zwischen
den zur Ausübung des Veranlagungswahlrechts Berechtigten
ausgegangen werden.
Ein allgemeiner Vorrang der
Zusammenveranlagung lässt sich § 26 Abs. 3 EStG nicht
entnehmen; getrennte und Zusammenveranlagung stehen
gleichberechtigt nebeneinander. Ist der Erbe aber noch nicht
festgestellt, kann deshalb eine Zusammenveranlagung nur dann
durchgeführt werden, wenn sie den erkennbaren Interessen des
noch zu bestimmenden Erben entsprechen würde und die Wahl der
getrennten Veranlagung durch ihn nicht missbräuchlich
wäre. Wegen der Frage, ob der Anspruch auf Erstattung der vom
Arbeitslohn des verstorbenen Ehegatten einbehaltenen Lohnsteuer der
Klägerin oder dem Erben - ggf. dem Fiskus nach § 1936 BGB
- zusteht, sind die abweichenden Interessen des unbekannten Erben
offensichtlich.
2. Über die Zulässigkeit und
Begründetheit des Antrags auf Erstattung des sich aus der
Zusammenveranlagung ergebenden Steuerguthabens ist somit nicht zu
entscheiden.