Unterlassene Vorlage an EuGH, Gegenvorstellung, Anhörungsrüge: 1. Die Rüge der Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (Entzug des gesetzlichen Richters) durch Nichteinholung einer Vorabentscheidung des EuGH ist im Rahmen einer Anhörungsrüge nach § 133 a FGO nicht statthaft. - 2. Eine Gerichtsentscheidung, in der ein letztinstanzliches Gericht eine mögliche Vorlage an den EuGH abgelehnt hat, verstößt nur dann gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn das Gericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat. - Urt.; BFH 11.5.2007, V S 6/07 ; SIS 07 21 29
I. Die vorliegende
„Verfahrensrüge (Anhörungsrüge, § 133a
FGO)“ richtet sich gegen das Urteil des Senats vom
23.11.2006 V R 67/05 (BFH/NV 2007, 630 = SIS 07 06 42).
II. 1. Die Anhörungsrüge (§
133a der Finanzgerichtsordnung - FGO - ) der Klägerin,
Revisionsklägerin und Rügeführerin
(Rügeführerin) vom 16.2.2007 ist nicht statthaft und
deshalb gemäß § 133a Abs. 4 Satz 1 FGO als
unzulässig zu verwerfen.
a) Nach § 133a Abs. 1 Satz 1 FGO ist auf
die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung
beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn
1.
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ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf
gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
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das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten
auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise
verletzt hat.
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b) Nach dem eindeutigen Wortlaut des §
133a Abs. 1 Satz 1 FGO kann mit der Anhörungsrüge nur
vorgebracht werden, das Gericht - im Streitfall der
beschließende Senat - habe im Rahmen der angegriffenen
Entscheidung gegen den verfassungsrechtlich verbürgten
Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs.
1 des Grundgesetzes - GG - ) verstoßen (vgl. Beschlüsse
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17.6.2005 VI S 3/05, BFH/NV 2005,
1458 = SIS 05 30 71, m.w.N.; vom 14.10.2005 V S 20/05, BFH/NV 2006,
563 = SIS 06 12 00).
c) Die Rügeführerin rügt mit
ihrer Eingabe vom 16.2.2007 der Sache nach nicht die Verletzung
ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG),
sondern die Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch
„willkürlichen Entzug des gesetzlichen
Richters“, weil der Senat trotz ihrer Anregung keine
Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften (EuGH) gemäß Art. 234 Abs. 3 des Vertrags
zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) eingeholt
habe.
Zwar erfüllt das rechtliche Gehör
letztlich nur dann seinen Zweck voll, wenn es von dem
zuständigen Richter, der nach Maßgabe des
einschlägigen Rechts vorweg nach objektiven Grundsätzen
zur Entscheidung bestimmt ist, gewährt wird (vgl. Kopp, Archiv
des öffentlichen Rechts - AöR - 1981, 604, 612). Trotzdem
ist bisher keine Entscheidung ersichtlich, in der das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) auch Art. 103 Abs. 1 GG in diesem
Zusammenhang näher geprüft hat (vgl. Kopp, AöR,
1981, 612 f.).
Die Rüge der Verletzung des Art. 101 Abs.
1 Satz 2 GG ist im Rahmen einer Anhörungsrüge nach §
133a FGO nicht statthaft (vgl. Ruban in Gräber,
Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 133a Rz 3; Seer in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 133a Rz
3; Bergkemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 133a FGO Rz
5). Das folgt aus dem Wortlaut des § 133a Abs. 1 Satz 1 FGO
sowie der Entstehungsgeschichte der Vorschrift (vgl. dazu
Bergkemper, a.a.O., § 133a FGO Rz 2) und der
Gesetzesbegründung (vgl. BTDrucks 15/3706, S. 14).
2. Soweit die Rügeführerin für
den Fall, dass die „Verfahrensrüge nicht
statthaft“ sein sollte, darum bittet, „die
Rüge als Gegendarstellung auszulegen“, hat ihre
Eingabe vom 16.2.2007 ebenfalls keinen Erfolg.
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob
eine derartige Auslegung möglich ist. Offen bleiben kann auch,
ob eine Gegenvorstellung (bereits) nicht statthaft ist, weil sie
den verfassungsmäßigen Anforderungen an die
Rechtsmittelklarheit nicht genügt (vgl. dazu Ruban, a.a.O.,
Vor § 115 Rz 29; Lange, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor
§§ 115 bis 134 FGO Rz 55 ff.). Denn der von der
Rügeführerin behauptete Verstoß gegen die
Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EG und damit gegen Art. 101
Abs. 1 Satz 2 GG liegt nicht vor.
Eine Gerichtsentscheidung, in der eine
mögliche Vorlage an den EuGH gemäß Art. 234 Abs. 3
EG abgelehnt wird, verstößt nur dann gegen Art. 101 Abs.
1 Satz 2 GG, wenn das Gericht den ihm in solchen Fällen
notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise
überschritten hätte, z.B. dann, wenn mögliche
Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des
Gemeinschaftsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen
Meinung eindeutig vorzuziehen sind (vgl. BVerfG-Entscheidungen vom
9.11.1987 2 BvR 808/82, EuGRZ 1988, 109; vom 3.10.1989 2 BvR
440/87, HFR 1990, 446). Diese Voraussetzungen liegen offensichtlich
nicht vor.
Der Senat hat in seinem Urteil vom 23.11.2006
V R 67/05 (BFH/NV 2007, 630 = SIS 07 06 42) die von der
Rügeführerin angeregten Vorabentscheidungsfragen
wörtlich aufgeführt (Urteil, S. 7) und ist nach
ausführlicher Erörterung der einschlägigen
Rechtsprechung des EuGH (Urteil, S. 9 bis 17) zu dem Ergebnis
gekommen, dass die von der Rügeführerin aufgeworfenen
Fragen durch die Rechtsprechung des EuGH bereits geklärt sind
(Urteil, S. 17).
Der Senat hat bei seiner Entscheidungsfindung
sämtliche von der Rügeführerin schriftlich und
mündlich vorgetragenen Argumente berücksichtigt. Dass er
der Auffassung der Rügeführerin - insbesondere deren
Verständnis bestimmter EuGH-Urteile - nicht gefolgt ist und
dass er in den Entscheidungsgründen nicht in der von der
Rügeführerin gewünschten Breite auf ihre
Argumentation eingegangen ist, bedeutet nicht, dass der Senat
wesentliche entscheidungserhebliche Argumente außer acht
gelassen habe.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
133a Abs. 4 Satz 2 FGO).
4. Für die Entscheidung über die
Anhörungsrüge wird eine Gebühr in Höhe von 50
EUR erhoben (vgl. Anlage 1 des Kostenverzeichnisses zum
Gerichtskostengesetz i.d.F. von Art. 1 des Gesetzes zur
Modernisierung des Kostenrechts vom 5.5.2004, BGBl I 2004, 718,
Teil 6 Gebühr Nr. 6400 i.d.F. von Art. 11 Nr. 7 Buchst. h des
Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs
auf rechtliches Gehör vom 9.12.2004; BFH-Beschluss vom
23.3.2006 XI S 5/06, BFH/NV 2006, 1483 = SIS 06 30 64).