KapGes, Löschung in 2001 wegen Vermögenslosigkeit, Halbeinkünfteverfahren: Wurde eine Kapitalgesellschaft, an der der Steuerpflichtige wesentlich beteiligt war, wegen Vermögenslosigkeit im Veranlagungszeitraum 2001 im Handelsregister gelöscht, so war sie liquidationslos vollbeendet und ein in diesem Zeitpunkt realisierter Verlust unterlag noch nicht dem Halbeinkünfteverfahren. (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 4.4.2008, IV B 7 - S 2760/0, BStBl 2008 I S. 542 = SIS 08 17 00) - Urt.; BFH 27.3.2007, VIII R 60/05; SIS 07 21 07
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) wurden im Streitjahr 2001 als Eheleute zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin war mit 25.000 DM am
Stammkapital der X-GmbH (künftig: GmbH) beteiligt. Die
Kläger hatten der GmbH mit Vertrag vom 31.5.1994 ein Darlehen
in Höhe von 150.000 DM gewährt. Auf den Antrag vom
12.4.2001 wurde die GmbH am 16.7.2001 wegen Vermögenslosigkeit
im Handelsregister gelöscht. Das Darlehen valutierte zu diesem
Zeitpunkt noch mit 78.286,86 DM.
Den in der Einkommensteuererklärung
für 2001 von den Klägern geltend gemachten Verlust des
Stammkapitals sowie der Restdarlehensforderung berücksichtigte
der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - )
zunächst nicht als gewerblichen Verlust nach § 17 Abs. 4
des Einkommensteuergesetzes (EStG). Mit ihrem Einspruch
schränkten die Kläger den zunächst weiterhin in
voller Höhe geltend gemachten Verlust nach Hinweis des FA auf
den Anteil der Klägerin am Stammkapital und den hälftigen
Anteil an der Darlehensforderung ein. Mit Teilabhilfebescheid
berücksichtigte das FA den hälftigen gewerblichen Verlust
in Höhe von 32.072 DM und wies den Einspruch im Übrigen
(mit Einspruchsentscheidung vom 12.1.2004) als unbegründet
zurück.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage unter
Bezugnahme auf das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 15.3.2005 2 K
1437/03 (EFG 2005, 1347 = SIS 05 27 81, Revision VIII R 25/05 = SIS 07 21 06) statt (vgl. SIS 06 05 00).
Mit der Revision macht das FA die
Verletzung materiellen Rechts geltend (§ 3 Nr. 40 Satz 1
Buchst. c i.V.m. § 52 Abs. 4 b Satz 1 Nr. 2 EStG).
§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG setze
den Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres der Kapitalgesellschaft
voraus, auf welches das neue Körperschaftsteuerrecht
anzuwenden sei. Es sei auf das Wirtschaftsjahr der
Beteiligungsgesellschaft abzustellen. Das
Körperschaftsteuergesetz i.d.F. des Art. 3 des Gesetzes zur
Senkung der Steuersätze und zur Reform der
Unternehmensbesteuerung vom 23.10.2000 - StSenkG 2001/2002 - (BGBl
I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) - KStG - sei aber erstmals
für den Veranlagungszeitraum 2001 anzuwenden (vgl. § 34
Abs. 1 KStG).
Die Anwendungsregelung des § 52 Abs. 4
b Satz 1 Nr. 2 EStG setze ein Erstjahr für die erstmalige
Anwendung des neuen Körperschaftsteuerrechts bei der
Kapitalgesellschaft und ein diesem folgendes zweites
Wirtschaftsjahr, ab dem für einkommensteuerliche Zwecke das
Halbeinkünfteverfahren zu berücksichtigen sei, voraus.
Auf das am 16.7.2001 beendete Rumpfwirtschaftsjahr der GmbH sei
bereits das KStG i.d.F. des StSenkG 2001/2002 anwendbar.
Unerheblich sei, ob sich ein Liquidationszeitraum angeschlossen
habe, denn nach der Auflösung werde nichts mehr
erwirtschaftet, so dass ein Liquidationszeitraum ohnehin kein
Wirtschaftsjahr mehr darstelle. Deshalb gehe das Bundesministerium
der Finanzen (BMF) im Schreiben vom 26.8.2003 IV A 2 - S 2760 -
4/03 (BStBl I 2003, 434 = SIS 03 37 69 Tz. 1) davon aus, dass es im
Abwicklungszeitraum keine Wirtschaftsjahre im steuerrechtlichen
Sinne mehr gebe. Somit sei hinsichtlich der erstmaligen Anwendung
des Halbeinkünfteverfahrens auf die Grundregelung in § 52
Abs. 1 EStG i.d.F. des StSenkG 2001/2002 zurückzugreifen.
Danach unterliege der Auflösungsverlust ab dem
Veranlagungszeitraum 2001 dem Halbeinkünfteverfahren.
Die Behandlung der Liquidation auf der
Gesellschaftsebene sei mit derjenigen auf der Gesellschafterebene
verknüpft, denn bei der Kapitalgesellschaft sei auf alle erst
nach dem 31.12.2000 endenden Liquidationen neues Recht
anzuwenden.
Zu Unrecht meine das FG, der auf das als
erstes Wirtschaftsjahr i.S. von § 52 Abs. 4 b Satz 1 Nr. 2
EStG einzustufende Rumpfwirtschaftsjahr folgende
Gewinnermittlungszeitraum sei als zweites Wirtschaftsjahr zu
werten.
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Das
angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126
Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Der Senat teilt zwar im Ergebnis die
Rechtsauffassung des FG, dass auf den im Veranlagungszeitraum 2001
entstandenen Auflösungsverlust noch nicht das
Halbeinkünfteverfahren anzuwenden ist. Der Senat kann indes
mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend
darüber entscheiden, ob und ggf. in welcher Höhe auch der
Verlust des der GmbH gewährten Darlehens als
eigenkapitalersetzende Maßnahme und damit als
nachträgliche Anschaffungskosten einzubeziehen ist. Ggf. wird
das FG im zweiten Rechtsgang bis zur Grenze des
Verböserungsverbotes zu saldieren haben.
1. Gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1
i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 34 a Satz 1 2.
Halbsatz EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb
auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft,
wenn der Anteilseigner in den letzten fünf Jahren am Kapital
der Gesellschaft wesentlich (nach Satz 4 in § 17 Abs. 1 EStG
i.d.F. des Gesetzes vom 22.12.1999 zu mindestens 10 v.H.) beteiligt
war und er diese Beteiligung in seinem Privatvermögen gehalten
hat.
Entsprechendes gilt für die aus der
Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste
(Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4.11.1997 VIII R 18/94,
BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344 = SIS 98 04 27; zu den
Voraussetzungen BFH-Urteile vom 25.1.2000 VIII R 63/98, BFHE 191,
115, BStBl II 2000, 343 = SIS 00 07 80; vom 12.12.2000 VIII R
36/97, BFH/NV 2001, 761 = SIS 01 65 39 zum Zeitpunkt der
Realisierung eines Auflösungsverlustes und einer ausnahmsweise
früheren Realisierung vor Abschluss eines
Liquidationsverfahrens).
2. Das FA wendet sich ausschließlich
gegen die Nichtanwendung des Halbeinkünfteverfahrens und den
dementsprechend erfolgten Ansatz des Auflösungsverlustes in
voller Höhe.
a) Nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c Satz
1 EStG ist die Hälfte des Veräußerungspreises oder
des gemeinen Wertes i.S. des § 17 Abs. 2 EStG steuerfrei. Satz
1 ist nach Satz 2 dieser Vorschrift entsprechend in den Fällen
des § 17 Abs. 4 EStG anzuwenden. Diese Regelung ist nach
§ 52 Abs. 4 b Nr. 2 EStG i.d.F. des Gesetzes vom 23.12.2002
(BGBl I 2002, 4621) erstmals anzuwenden auf Erträge i.S. des
§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c (Sätze 1 und 2) EStG nach
Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres der Gesellschaft, an der die
Anteile bestehen, für das das KStG i.d.F. des StSenkG
2001/2002 erstmals anzuwenden ist.
Bei einem dem Kalenderjahr entsprechenden
Wirtschaftsjahr wird das neue Körperschaftsteuerrecht erstmals
im Jahr 2001 angewendet. Bei einem nicht dem Kalenderjahr
entsprechenden Wirtschaftsjahr wird das neue
Körperschaftsteuerrecht nach § 34 Abs. 2 KStG erstmals im
Veranlagungszeitraum 2002 angewandt, wenn das erste im
Veranlagungszeitraum 2001 endende Wirtschaftsjahr vor dem 1.1.2001
begonnen hat.
Veräußerungen werden bei
kalenderjahrgleichem Wirtschaftsjahr somit erstmals nach dem
Halbeinkünfteverfahren besteuert, wenn die
Veräußerung im Jahr 2002 erfolgt, bei einem vom
Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr für
Veräußerungen erst im Jahr 2003.
Hingegen ist nach § 34 Abs. 11 Satz 1
KStG i.d.F. des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes vom
20.12.2001 (BGBl I 2001, 3858) und nach § 34 Abs. 14 Satz 1
KStG i.d.F des Fünften Gesetzes zur Änderung des
Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von
Steuergesetzen vom 23.7.2002 (BGBl I 2002, 2715 - dort
inhaltsgleich übernommen - ) das neue
Körperschaftsteuerrecht erstmals auf Liquidationen anzuwenden,
deren Besteuerungszeitraum im Jahr 2001 endet.
Diese Anordnung entspricht dem allgemeinen
Grundsatz, dass für den gesamten Besteuerungszeitraum das zum
Ende des Liquidationszeitraums geltende Recht anzuwenden ist (vgl.
Gosch/ Lambrecht KStG § 34 Rz 155).
Nach § 11 Abs. 1 KStG wird der
Besteuerungszeitraum abweichend von § 7 Abs. 4 KStG nicht
kalenderjahrbezogen bestimmt, sondern als der die Abwicklung
umfassende Zeitraum, der allerdings nach Satz 2 drei Jahre nicht
übersteigen soll.
Besteuerungszeitraum ist somit
grundsätzlich nicht das einzelne Kalenderjahr, sondern der
gesamte Abwicklungszeitraum (BFH-Urteil vom 22.2.2006 I R 67/05,
BFHE 213, 301 = SIS 06 37 76). Auf der Ebene der Körperschaft
ist die Liquidationsbesteuerung somit nach den Regeln des
Halbeinkünfteverfahrens vorzunehmen.
Grundsätzlich wird die Anwendung des
neuen Rechts auf der Ebene des Anteilseigners von der Besteuerung
auf der Ebene der Kapitalgesellschaft abhängig gemacht (vgl.
Crezelius, DB 2001, 221, 222).
b) Die besondere Anwendungsregelung in §
52 Abs. 4 b Satz 1 Nr. 2 EStG bezieht sich sowohl auf den
Veräußerungsgewinn/ -verlust i.S. von § 17 Abs. 1
EStG als auch auf den Auflösungsgewinn/-verlust i.S. von
§ 17 Abs. 4 EStG, denn sie nimmt auf die gesamte Regelung zum
Halbeinkünfteverfahren in § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c
EStG Bezug (so zutreffend Oltmanns, DB 2005, 2713, 2714).
Da die Anwendungsregelung für die
erstmalige Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens indes an das
Wirtschaftsjahr der Kapitalgesellschaft, nicht jedoch an den
Besteuerungszeitraum der Gesellschaft anknüpft, wird die Frage
unterschiedlich beantwortet, ab welchem Zeitpunkt das
Halbeinkünfteverfahren auf den Anteilseigner in
Liqidationsfällen anzuwenden ist.
3. a) Im Streitfall fehlen zwar
ausdrückliche Feststellungen des FG, jedoch ist in Verbindung
mit dem Inhalt der beigezogenen Akten davon auszugehen, dass die
GmbH erst im Zeitpunkt der Eintragung der Löschung im
Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit nach § 141a des
Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit (FGG) aufgelöst (vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 7
des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter
Haftung - GmbHG - ), und damit zugleich - liquidationslos -
vollbeendet worden ist (vgl. BFH-Urteile vom 21.1.2004 VIII R 2/02,
BFHE 205, 117, BStBl II 2004, 551 = SIS 04 22 00; vom 10.11.1998
VIII R 6/96, BFHE 187, 480, BStBl II 1999, 348 = SIS 99 07 23).
Findet indes eine Liquidation mangels Masse
nicht statt, so ist der Auflösungsverlust bereits im Zeitpunkt
der Auflösung in Form der Löschung der Gesellschaft im
Handelsregister endgültig entstanden (BFH-Urteile vom 3.6.1993
VIII R 81/91, BFHE 172, 407, BStBl II 1994, 162 = SIS 94 02 22; in
BFHE 205, 117, BStBl II 2004, 551 = SIS 04 22 00).
b) Ist kein Besteuerungszeitraum zu bilden, so
stellt sich die Frage nicht, ob bei Bildung eines
Besteuerungszeitraums eine Gesellschaft noch ein Wirtschaftsjahr
hat, an welches die Übergangsregelung in § 52 Abs. 4 b
EStG bezüglich der erstmaligen Anwendung des
Halbeinkünfteverfahrens nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c
EStG anknüpfen könnte. Vielmehr ist im Streitfall der
Liquidationsverlust bereits im Rumpfwirtschaftsjahr der GmbH im
Veranlagungszeitraum 2001 endgültig entstanden und nicht erst
nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres der Gesellschaft, in
welchem nach § 34 Abs. 1 KStG das neue
Körperschaftsteuerrecht anzuwenden ist. § 34 Abs. 14 Satz
1 KStG kommt mangels Liquidation nicht zum Zuge.
4. Der Senat kann nicht abschließend
entscheiden. Das FA hat sich zwar ausschließlich gegen die
Nichtanwendung des Halbeinkünfteverfahrens gewandt. Im
Ergebnis kann der Senat das Urteil jedoch nur bestätigen, wenn
der Verlust nach Grund und Höhe zutreffend ermittelt worden
ist. Zwar ist den Akten die Behauptung der Kläger zu
entnehmen, das von der Klägerin der GmbH mit Vertrag vom
31.5.1994 hingegebene Darlehen sei ein sog. Finanzplandarlehen
gewesen (vgl. Schreiben der Steuerberaterin der Kläger vom
23.10.2002 sowie den in der Einkommensteuerakte abgehefteten
Darlehensvertrag). Die Annahme eines Finanzplankredits erfordert
jedoch eine grundsätzlich anhand von Indizien vorzunehmende
Gesamtwürdigung des Darlehens (vgl. grundlegend BFH-Urteile in
BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344, 347 = SIS 98 04 27; vom
13.7.1999 VIII R 31/98, BFHE 189, 390, BStBl II 1999, 724, 727 =
SIS 99 19 15).
Da das FG weder den Inhalt des
Darlehensvertrages noch die Begleitumstände des
Vertragsschlusses noch im Übrigen hierzu
Tatsachenfeststellungen getroffen hat, wird das FG im zweiten
Rechtsgang die notwendigen Feststellungen nachzuholen haben.
Verneint es die Voraussetzungen für eine
eigenkapitalersetzende Maßnahme oder ggf. in der geltend
gemachten Höhe, so muss es dementsprechend saldieren (vgl. zum
Saldierungsgebot Beschluss des Großen Senats des BFH vom
17.7.1967 GrS 1/66, BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344 = SIS 68 02 24; BFH-Beschluss vom 19.4.2005 III B 19/04, juris; BFH-Urteil vom
24.2.2000 III R 80/97, BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294, 296 = SIS 00 07 50), und zwar bis zur Grenze des im finanzgerichtlichen
Verfahren geltenden Verböserungsverbotes (§ 96 Abs. 1
Satz 2 FGO; BFH-Urteile vom 12.12.1995 VIII R 59/92, BFHE 179, 335,
BStBl II 1996, 219 = SIS 96 09 39; vom 26.11.1997 X R 146/94,
BFH/NV 1998, 961 = SIS 98 11 17).