Einspruch, volle Abhilfe, erneuter Einspruch: Gegen einen im Einspruchsverfahren erlassenen Änderungsbescheid, mit dem dem Antrag des Steuerpflichtigen voll entsprochen wird (Vollabhilfebescheid), ist der Einspruch statthaft. - Urt.; BFH 18.4.2007, XI R 47/05; SIS 07 21 02
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) wurden im Streitjahr als Ehegatten zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt.
Beide Kläger erzielten Einkünfte
aus nichtselbständiger Arbeit. Der Bruttoarbeitslohn des
Klägers belief sich im Streitjahr auf 37.500 DM, derjenige der
Klägerin auf 8.000 DM. Der Kläger erzielte außerdem
Einkünfte aus der Beteiligung an einer
Personengesellschaft.
Für die Zukunftssicherung des
Klägers wurden keine Leistungen i.S. des § 3 Nr. 62 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) erbracht. Er gehörte auch nicht
zu dem Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2
EStG.
Im Einkommensteuerbescheid 2001 vom
13.2.2003 berücksichtigte der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) die Einkünfte des
Klägers aus der Beteiligung an der Personengesellschaft mit
57.809 DM. Er kürzte bei der Ermittlung des Höchstbetrags
der als Sonderausgaben abziehbaren Vorsorgeaufwendungen den sog.
Vorwegabzug von 12.000 DM nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG in der
für das Streitjahr geltenden Fassung um 7.280 DM (16 v.H. von
45.500 DM).
Mit ihrem am 19.2.2003 eingelegten
Einspruch begehrten die Kläger, die Einkünfte aus der
Beteiligung des Klägers an der Personengesellschaft nur mit
43.594 DM anzusetzen.
Unter dem 6.3.2003 erteilte das FA
gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 132
der Abgabenordnung (AO) einen entsprechend geänderten
Einkommensteuerbescheid 2001. In den Erläuterungen wurde
darauf hingewiesen, dass sich hierdurch der
„Einspruch/Antrag“ vom 19.2.2003 erledige.
Gegen den Änderungsbescheid vom
6.3.2003 legten die Kläger mit einem am 7.3.2003 beim FA
eingegangenen Schreiben ebenfalls Einspruch ein. Sie beantragten
nunmehr, der Kürzung des Vorwegabzugs nur den von der
Klägerin erzielten Arbeitslohn von 8.000 DM zugrunde zu
legen.
Das FA verwarf den Einspruch als
unzulässig.
Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg.
Das FA habe den Einspruch vom 7.3.2003 gegen den Abhilfebescheid
vom 6.3.2003 zu Unrecht als unzulässig verworfen. Die
Auffassung des FA, dass der aufgrund eines Einspruchs erteilte
Änderungsbescheid, der dem Einspruchsbegehren in vollem Umfang
entspreche, unanfechtbar sei, finde im Gesetz keine Stütze.
Auch in der Sache selbst sei die Klage begründet. Der
Vorwegabzug sei lediglich um 16 v.H. des Arbeitslohns der
Klägerin zu kürzen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH -
vom 3.12.2003 XI R 11/03, BFHE 204, 461, BStBl II 2004, 709 = SIS 04 13 67). Das Urteil ist in EFG 2006, 389 = SIS 06 18 28
veröffentlicht.
Mit der Revision macht das FA die
Verletzung von §§ 348, 350, 365 Abs. 3 Satz 1, § 367
Abs. 2 Satz 3 und § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO
geltend sowie einen Verstoß gegen den Grundsatz, dass
für die Einlegung eines Rechtsbehelfs ein
Rechtsschutzbedürfnis vorhanden sein müsse.
Das FA beantragt sinngemäß, das
Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Das FG hat zutreffend entschieden, dass das
FA den Einspruch der Kläger gegen den geänderten
Einkommensteuerbescheid 2001 vom 6.3.2003 zu Unrecht als
unzulässig verworfen hat.
a) Der Einspruch ist statthaft.
Gemäß § 347 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 AO ist der Einspruch als Rechtsbehelf gegen Verwaltungsakte in
Abgabenangelegenheiten statthaft. Zu den Verwaltungsakten i.S. von
§ 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gehört auch ein
geänderter Einkommensteuerbescheid, der während eines
Einspruchsverfahrens erlassen wird und dem Einspruch gegen den
ursprünglichen Einkommensteuerbescheid voll abhilft
(Vollabhilfebescheid).
aa) Bei dem geänderten
Einkommensteuerbescheid 2001 vom 6.3.2003 handelt es sich um einen
Vollabhilfebescheid.
Die Kläger hatten sich mit ihrem
Einspruch vom 19.2.2003 gegen den ursprünglichen
Einkommensteuerbescheid 2001 nur gegen die Höhe der
Beteiligungseinkünfte des Klägers gewandt und deren
Herabsetzung auf 43.594 DM beantragt. Diesem Begehren ist das FA
voll nachgekommen. Dafür, dass der Einspruch vom 19.2.2003
auch noch ein weiteres Begehren beinhalten sollte, gibt es auf der
Grundlage der Feststellungen des FG keine Anhaltspunkte. Dies
machen die Kläger auch selbst nicht geltend. Es liegt im
Streitfall mithin nicht die von Birkenfeld (in
Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSp -, § 367 AO Rz 174) und
Pahlke (in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, § 367 Rz 46)
behandelte Situation vor, dass mit Einlegung des Einspruchs gegen
den Abhilfebescheid erkennbar geworden ist, dass das
ursprüngliche Begehren des Einspruchsführers weiter ging
als bisher angenommen, und der Änderungsbescheid daher in
Wahrheit nur auf teilweise Abhilfe gerichtet ist, mit der Folge,
dass das Einspruchsverfahren gegen den zuvor ergangenen Bescheid
nicht abgeschlossen ist und mit einer Einspruchsentscheidung
beendet werden muss.
bb) Entgegen der Ansicht des FA gilt die
Regelung des § 348 Nr. 1 AO nicht für
Vollabhilfebescheide.
Nach § 348 Nr. 1 AO ist der Einspruch
„gegen Einspruchsentscheidungen (§ 367)“
nicht statthaft. § 367 AO regelt die Entscheidung der
Finanzbehörde über den Einspruch (Einspruchsentscheidung
oder Abhilfe). Aus § 367 Abs. 2 Satz 3 AO folgt, dass es nach
Erlass eines Abhilfebescheids, der dem Antrag des
Einspruchsführers vollständig Rechnung trägt, einer
Einspruchsentscheidung nicht mehr bedarf. Ein solcher
Vollabhilfebescheid steht zwar einer Einspruchsentscheidung
insofern gleich, als beide das Einspruchsverfahren wegen des
vorangehenden Bescheids beenden und eine Fortsetzung bzw.
Ergänzung jenes Einspruchsverfahrens danach nicht mehr
möglich ist (vgl. BFH-Urteile vom 11.8.1971 VIII 7/65, BFHE
103, 130, BStBl II 1972, 2 = SIS 72 00 01; vom 4.11.1981 II R
119/79, BFHE 134, 510, BStBl II 1982, 270 = SIS 82 25 50; vom
5.6.2003 IV R 38/02, BFHE 203, 1, BStBl II 2004, 2 = SIS 03 45 45;
BFH-Beschluss vom 30.10.2003 VI B 83/03, BFH/NV 2004, 356 = SIS 04 09 92; außerdem BFH-Urteil vom 4.2.1976 I R 203/73, BFHE 119,
168, BStBl II 1976, 551 = SIS 76 03 00; Klein/Brockmeyer, AO, 9.
Aufl., § 365 Rz 8, § 367 Rz 14; Pahlke/Koenig/Pahlke,
a.a.O., § 365 Rz 22, § 367 Rz 44; Loose in Tipke/Kruse,
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 172 AO Rz 56); er ist
aber im Übrigen, wie sich aus § 367 Abs. 2 Satz 3 AO und
§ 44 Abs. 1 FGO ergibt, von einer Einspruchsentscheidung zu
unterscheiden.
Eine den Wortlaut erweiternde Anwendung des
§ 348 Nr. 1 AO auf Vollabhilfebescheide ist nicht sachgerecht.
Denn § 348 Nr. 1 AO schließt den Einspruch gegen eine
Einspruchsentscheidung nicht wegen der das Einspruchsverfahren
beendenden Wirkung der Einspruchsentscheidung aus, sondern deshalb,
weil gegen eine Einspruchsentscheidung der Rechtsweg zum FG
eröffnet ist und der Einspruch gegen eine
Einspruchsentscheidung eine nicht endende Kette von
Einspruchsverfahren zur Folge haben könnte (vgl. Tipke in
Tipke/Kruse, a.a.O., § 348 AO Rz 1; Hardtke in: Kühn/
v.Wedelstädt, 18. Aufl., AO, § 348 Rz 2; Birkenfeld in
HHSp, § 348 AO Rz 14). Dies trifft auf Vollabhilfebescheide
nicht zu. Gegen sie kann kein Rechtsschutz durch Erhebung einer
Anfechtungsklage erlangt werden. Denn Verfahrensvoraussetzung
für eine Anfechtungsklage ist nach § 44 Abs. 1 FGO
gerade, dass der außergerichtliche Rechtsbehelf ganz oder zum
Teil erfolglos geblieben ist.
Hinzu kommt, dass der Große Senat des
BFH in seinem Beschluss vom 23.10.1989 GrS 2/87 (BFHE 159, 4, BStBl
II 1990, 327 = SIS 90 08 54) entschieden hat, dass die
Anfechtungsklage gegen einen Einkommensteuerbescheid
regelmäßig auch insoweit zulässig ist, als sie nach
Ablauf der Klagefrist betragsmäßig erweitert wurde. Der
Große Senat hat dies mit der Komplexität des
Einkommensteuerbescheids begründet. Er hat damit dem aus Art.
19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) abgeleiteten Gebot zur
rechtsschutzgewährenden Auslegung von Verfahrensvorschriften
Rechnung getragen. Es ergäbe sich aber ein Wertungswiderspruch
zu dieser Rechtsprechung, wenn einerseits ein Vollabhilfebescheid
bereits dann angenommen wird, wenn dem (betragsmäßigen)
Einspruchsantrag des Steuerpflichtigen entsprochen worden ist,
andererseits aber die Einspruchsbefugnis gegen den
Vollabhilfebescheid trotz geltend gemachter Beschwer (§ 350
AO) versagt würde. Die Auffassung des Großen Senats des
BFH in BFHE 159, 4, BStBl II 1990, 327 = SIS 90 08 54 (unter C.
III. 1. a der Gründe), wegen der Komplexität des
Einkommensteuerbescheids sei regelmäßig nicht
anzunehmen, der Steuerpflichtige wolle mit der Nennung eines
Betrags erreichen, dass der Einkommensteuerbescheid
teilbestandskräftig werde, würde für das
Einspruchsverfahren unterlaufen. Die für den Zeitraum von
einem Monat bestehende Unsicherheit, ob der Vollabhilfebescheid
bestandskräftig oder angefochten wird, ist angesichts der
Komplexität des Steuerrechts zur Gewährung eines
effektiven Rechtsschutzes hinzunehmen.
Hätte der Gesetzgeber eine Anfechtbarkeit
von im Einspruchsverfahren erlassenen Vollabhilfebescheiden
ausschließen wollen, hätte er dies ohne Weiteres in
§ 348 Nr. 1 AO zum Ausdruck bringen können, als im Zuge
der Neufassung des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO
durch das Steuerbereinigungsgesetz 1999 vom 22.12.1999 (BGBl I
1999, 2601, BStBl I 2000, 13) der Finanzbehörde eine
ausdrückliche Änderungsbefugnis zur Abhilfe im
Einspruchsverfahren eröffnet wurde.
cc) Der Statthaftigkeit des Einspruchs der
Kläger gegen den Abhilfebescheid steht auch nicht § 348
Nr. 2 AO entgegen.
Nach § 348 Nr. 2 AO ist ein Einspruch bei
Nichtentscheidung über einen Einspruch nicht statthaft. In
diesem Fall kann unter den Voraussetzungen des § 46 FGO
Untätigkeitsklage erhoben werden. Der Erlass eines
Abhilfebescheids, der dem Antrag des Einspruchsführers
vollständig Rechnung trägt, stellt jedoch keine
Nichtentscheidung über den Einspruch dar. Vielmehr folgt aus
§ 367 Abs. 2 Satz 3 AO, dass es keiner Einspruchsentscheidung
mehr bedarf, das Einspruchsverfahren also mit dem Erlass des
Vollabhilfebescheids beendet ist. Über die Zulässigkeit
des Einspruchs gegen den Vollabhilfebescheid selbst besagt §
348 Nr. 2 AO nichts.
b) Der Einspruch ist zulässig. Die
Kläger haben geltend gemacht, durch den geänderten
Einkommensteuerbescheid 2001 vom 6.3.2003 beschwert zu sein (§
350 AO). Das Rechtsschutzbedürfnis für die Einlegung
eines Einspruchs lag deshalb vor.
Eine Beschwer durch den Änderungsbescheid
vom 6.3.2003 hätten die Kläger nur dann nicht geltend
machen können, wenn darin die Einkommensteuer auf null
festgesetzt worden wäre (vgl. Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O.,
§ 350 AO Rz 12; Birkenfeld in HHSp, § 350 AO Rz 92, 94).
Dies war jedoch nicht der Fall. Nach dem Vortrag der Kläger
war die in dem Änderungsbescheid vom 6.3.2003 festgesetzte
Einkommensteuer 2001 zu hoch, da sie auf einer ihrer Ansicht nach
zu Unrecht vorgenommenen Kürzung des Vorwegabzugs um 16 v.H.
des Arbeitslohns beider Kläger beruhte. Die Kläger wurden
daher nach ihrem Vortrag durch die Steuerfestsetzung im
Änderungsbescheid beschwert, obwohl sie ihrem zunächst im
Einspruchsverfahren gegen den ursprünglichen
Einkommensteuerbescheid 2001 vom 13.2.2003 gestellten Antrag voll
entsprach. Soweit in der Literatur (Birkenfeld in HHSp, § 367
AO Rz 169, 172; Pahlke/Koenig/Pahlke, a.a.O., § 367 Rz 46;
Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 172 AO Rz 54;
v.Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 172 Rz 64; Hardtke
in: Kühn/v.Wedelstädt, a.a.O., § 367 Rz 21; Heinke,
DStZ 1988, 406, 407; Pump, Die steuerliche Betriebsprüfung
1998, 22) und in der Rechtsprechung (Hessisches FG, Urteil vom
29.11.2001 12 K 5343/00, juris Nr. STRE200471608 = SIS 05 00 65; FG
Hamburg, Urteil vom 28.10.2003 III 219/02, EFG 2004, 832 = SIS 04 14 71) für Fälle der vorliegenden Art die Auffassung
vertreten wird, dass ein dem ursprünglichen Antrag voll
Rechnung tragender Änderungsbescheid mangels Beschwer bzw.
Rechtsschutzbedürfnisses nicht zulässig mit dem Einspruch
anfechtbar sei, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen
(vgl. auch Szymczak in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl., § 172 Rz
26/3, § 367 Rz 9/2; Höft in Pump/Leibner, Abgabenordnung,
Kommentar, § 367 Rz 92 ff.; Siegers, EFG 2006, 390;
Niedersächsisches FG, Urteil vom 4.10.2005 13 K 482/04, juris
Nr. STRE200670626 = SIS 06 27 23).
c) Der Einspruch war nicht nach § 351
Abs. 1 AO unzulässig. Nach dieser Vorschrift können
Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern,
grundsätzlich nur insoweit angegriffen werden, als die
Änderung reicht. Voraussetzung für die beschränkte
Anfechtbarkeit eines Änderungsbescheids ist danach, dass die
Änderung einen formell unanfechtbaren Bescheid betrifft. Diese
Voraussetzung wird hier nicht erfüllt. Denn der
ursprüngliche Einkommensteuerbescheid vom 13.2.2003 war
rechtzeitig mit dem Einspruch vom 19.2.2003 angefochten worden.
Eine teilweise Bestandskraft und damit eine
teilweise Unanfechtbarkeit sind nicht aufgrund des im
Einspruchsverfahren gegen den ursprünglichen
Einkommensteuerbescheid gestellten Antrages hinsichtlich der
Beteiligungseinkünfte des Klägers eingetreten. Dieser
Antrag konnte nicht dahin verstanden werden, dass die Kläger
die Steuerfestsetzung im Übrigen mit der Antragstellung
unanfechtbar werden lassen wollten (vgl. auch BFH-Urteile vom
23.4.2003 IX R 28/00, BFH/NV 2003, 1140 = SIS 03 36 73, m.w.N.; vom
7.9.2000 III R 33/96, BFH/NV 2001, 415 = SIS 01 58 06; vgl. auch
Birkenfeld in HHSp, § 367 AO Rz 122; Klein/ Brockmeyer,
a.a.O., § 357 Rz 17, m.w.N.; Szymczak in Koch/ Scholtz,
a.a.O., § 357 Rz 4/2).
d) Der Einspruch gegen den Bescheid vom
6.3.2003 war nicht im Hinblick auf § 354 AO unzulässig.
Nach dieser Vorschrift kann auf Einlegung eines Einspruchs nach
Erlass des Verwaltungsakts verzichtet werden. Nach § 354 Abs.
1 Satz 3 AO wird der Einspruch durch den Verzicht unzulässig.
Im Streitfall fehlen Äußerungen der Kläger, in
denen ein Verzicht i.S. von § 354 Abs. 2 AO auf Anfechtung des
Änderungsbescheids vom 6.3.2003 nach dessen Erlass erblickt
werden könnte. Vielmehr haben die Kläger gegen diesen
Bescheid unverzüglich bereits am 7.3.2003 Einspruch
eingelegt.
e) Dem Einspruch gegen den Abhilfebescheid
steht entgegen der Ansicht des FA nicht der Grundsatz von Treu und
Glauben entgegen. Denn der Einspruch der Kläger vom 7.3.2003
verletzt keinen von ihnen selbst vor oder nach Erlass des
Änderungsbescheids gesetzten Vertrauenstatbestand.
Der Grundsatz von Treu und Glauben ist ein in
allen Rechtsgebieten allgemein anerkannter Grundsatz (§ 242
des Bürgerlichen Gesetzbuchs), der auch im Steuerrecht gilt.
Mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren ist
insbesondere ein widersprüchliches Verhalten; das Verbot des
„venire contra factum proprium“ gilt auch im
Steuerrecht (Senatsurteil vom 16.4.1997 XI R 66/96, BFH/NV 1997,
738, m.w.N.).
Im Streitfall fehlt es an einem Verhalten der
Kläger, das dahin verstanden werden konnte, dass sie einen vom
FA im Einspruchsverfahren gegen den ursprünglichen
Einkommensteuerbescheid vom 13.2.2003 erlassenen
Vollabhilfebescheid nicht anfechten werden, wenn ihnen später
weitere Anfechtungsgründe bekannt werden sollten, die das FA
nicht bereits von Amts wegen berücksichtigt hatte.
Insbesondere konnte das FA den im ersten Einspruchsverfahren von
den Klägern gestellten Änderungsantrag nicht dahin
auffassen, dass sich die Kläger damit zugleich ihrer Rechte
zur Anfechtung eines später zwar antragsgemäß
erlassenen, aber immer noch rechtswidrigen Änderungsbescheids
begeben wollten.
f) Es liegt keine Abweichung von den
BFH-Urteilen in BFHE 103, 130, BStBl II 1972, 2 = SIS 72 00 01, und
in BFHE 203, 1, BStBl II 2004, 2 = SIS 03 45 45, vor.
In dem Urteil in BFHE 103, 130, BStBl II 1972,
2 = SIS 72 00 01 hat der BFH entschieden, dass die Fortsetzung des
Einspruchsverfahrens ausgeschlossen ist, wenn die
Finanzbehörde dem Antrag des Steuerpflichtigen im
Einspruchsverfahren in vollem Umfang entsprochen hat. Im Streitfall
geht es jedoch nicht um die Zulässigkeit der Fortsetzung des
Einspruchsverfahrens nach Erlass eines Vollabhilfebescheids,
sondern um die Zulässigkeit des Einspruchs gegen den
Vollabhilfebescheid.
Das BFH-Urteil in BFHE 203, 1, BStBl II 2004,
2 = SIS 03 45 45 stellt klar, dass mit der Vollabhilfe der
Einspruch gegen den ursprünglichen Bescheid erledigt und damit
unzulässig geworden ist. Wenn der Einspruchsführer nach
Ergehen des Vollabhilfebescheids gleichwohl eine förmliche
Entscheidung über den Einspruch begehrt, hat die
Finanzbehörde eine Einspruchsentscheidung zu erlassen, mit der
der Einspruch als unzulässig verworfen wird. Davon zu trennen
ist die Frage, ob ein Einspruch gegen den Vollabhilfebescheid
zulässig ist. Über diese Frage hat der BFH im Urteil in
BFHE 203, 1, BStBl II 2004, 2 = SIS 03 45 45 nicht entschieden.
2. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass
der den Klägern gemeinsam zustehende Vorwegabzug lediglich um
16 v.H. des Arbeitslohns der Klägerin gekürzt werden
durfte. Denn bei unterschiedlichen
Beschäftigungsverhältnissen von zusammen zur
Einkommensteuer veranlagten Ehegatten sind - wie der Senat in
seinem Urteil in BFHE 204, 461, BStBl II 2004, 709 = SIS 04 13 67
entschieden hat - nur die Einnahmen aus solchen
Beschäftigungsverhältnissen in die Bemessungsgrundlage
für die Kürzung des gemeinsamen Vorwegabzugs
einzubeziehen, in deren Zusammenhang der Arbeitgeber
Zukunftssicherungsleistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG erbracht
hat. Das FA durfte danach den Arbeitslohn des Klägers bei der
Kürzung des Vorwegabzugs nicht berücksichtigen.