Nicht eheliche Lebensgemeinschaft, doppelte Haushaltsführung: 1. Die Rechtsprechung des BFH, nach der eine doppelte Haushaltsführung auch dann anerkannt werden kann, wenn Personen, die an verschiedenen Orten wohnen und dort arbeiten, nach der Eheschließung eine der beide Wohnungen zur Familienwohnung machen, ist nicht in jedem Fall auf nicht eheliche Lebensgemeinschaften zu übertragen. - 2. Die Gründung eines doppelten Haushalts kann bei nicht verheirateten Personen beruflich veranlasst sein, wenn sie vor der Geburt eines gemeinsamen Kindes an verschiedenen Orten berufstätig sind, dort wohnen und im zeitlichen Zusammenhang mit der Geburt des Kindes eine der beiden Wohnungen zur Familienwohnung machen. - Urt.; BFH 15.3.2007, VI R 31/05; SIS 07 13 15
I. Streitig ist die steuerliche Anerkennung
einer doppelten Haushaltsführung bei einer nicht ehelichen
Lebensgemeinschaft.
Der nicht verheiratete Kläger und
Revisionsbeklagte (Kläger) ist seit 1988 als Physiker in H
nichtselbstständig tätig. Er wohnt dort seitdem in einer
gemieteten Wohnung. Seine Lebensgefährtin (L) wohnte in W und
war dort nichtselbstständig tätig. Nach der Geburt der
gemeinsamen Tochter im Oktober 1996 blieb L zunächst in W
wohnen und nahm Erziehungsurlaub in Anspruch. Sie beabsichtigte,
nach Beendigung des Erziehungsurlaubs in ihrem alten Beruf wieder
tätig zu werden. Im Juli 1997 bezog sie zusammen mit ihrer
Tochter eine Wohnung in B.
Im Streitjahr (1998) fuhr der Kläger,
der L finanziell unterstützte, an den Wochenenden
regelmäßig nach B. Im September 1998 eröffnete sich
für L die Möglichkeit, ab Mai 1999 wieder für ihren
früheren Arbeitgeber tätig zu werden. Der Kläger
verlegte daraufhin im Oktober des Streitjahres seinen Hauptwohnsitz
von H nach B in die Wohnung der L. Seine Wohnung in H behielt er
als Zweitwohnung bei.
In seiner Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr machte der Kläger für die Zeit
vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember Mehraufwendungen für
doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten bei seinen
Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe
von 4.702 DM geltend. Dies lehnte der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) ab. Das Finanzgericht
(FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage
aus den in EFG 2005, 264 = SIS 05 06 24 veröffentlichten
Gründen teilweise statt.
Auf die Beschwerde des FA ließ der
Senat im Verfahren VI B 180/04 die Revision mit Beschluss vom
19.4.2005 zu. Der Beschluss wurde dem FA am 2.5.2005 zugestellt.
Die Revisionsbegründungsschrift ging erst am 7.6.2005 beim
Bundesfinanzhof (BFH) ein. Der BFH setzte das FA mit am 13.6.2005
zugestellten Schreiben über die nicht fristgerecht
eingegangene Revisionsbegründung in Kenntnis. Mit Schriftsatz
vom 17.6.2005 beantragte das FA daraufhin Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand. Zur Fristüberwachung habe der zuständige
Sachbearbeiter der Rechtsbehelfsstelle (S) die
Revisionsbegründungsfrist in seinem Terminkalender notiert.
Die Revisionsbegründung sei im Entwurf mit dem Vermerk
„Eilt, Frist beim BFH 2.6.2005“ der zuständigen
Sachgebietsleiterin am 26.5.2005 zur Unterschrift vorgelegt worden.
Diese habe wiederum dem Vorsteher die Revisionsbegründung
persönlich am Morgen des 27.5.2005 zur Unterschrift vorgelegt
und unverzüglich danach S wieder zugeleitet. Dieser habe dann
am Vormittag des 27.5.2005 das Begleitschreiben an den BFH
gefertigt, Revisionsbegründung und Begleitschreiben kuvertiert
und den Brief persönlich in der Poststelle mit dem Bemerken,
es handele sich um eine wichtige Terminsache, die noch am selben
Tag zur Post gegeben werden müsse, einem Mitarbeiter zum
Versand übergeben. Der Mitarbeiter habe die Absendung am
27.5.2005 zugesichert. Im Anschluss daran habe S die Verfügung
des Begleitschreibens mit einem Absendevermerk (Datum 27.5.2005,
Uhrzeit 10.45) versehen. Der tatsächliche Versand über
die Postausgangsstelle am 27.5.2005 sei versehentlich durch
Postaustausch über die Oberfinanzdirektion (OFD) Hannover und
die OFD München an den BFH erfolgt. Dabei habe ein Mitarbeiter
der Poststelle den nicht verschlossenen und nicht frankierten Brief
der für die OFD Hannover vorgesehenen Post
beigefügt.
In der Poststelle des FA seien
regelmäßig vier Bedienstete tätig. Für die
Ausgangspost beständen folgende Dienstanweisungen:
Briefsendungen, die mit der normalen Post versandt werden sollten
(überwiegende Mehrzahl), würden von den einzelnen
Sachbearbeitern unverschlossen der Poststelle zugeleitet. In der
Poststelle würden die Sendungen maschinell in einem
Arbeitsgang verschlossen und frankiert. Die Briefe würden
täglich vom Servicedienst der Deutschen Post abgeholt.
Postsendungen, die über den internen Postaustausch mit der OFD
Hannover versandt werden sollten, würden von den einzelnen
Sachbearbeitern selbst verschlossen und besonders gekennzeichnet
(„X“ oder „Per Beipack“) und sodann der
Poststelle zugeleitet. Diese Sendungen würden in der
Poststelle separat gesammelt und täglich vormittags vom
Botendienst der OFD Hannover abgeholt.
Die Mitarbeiter der Poststelle würden
sorgfältig ausgesucht, ausreichend eingearbeitet und
regelmäßig über zu beachtende Dienstanweisungen
informiert. Dazu erfolge auch der Hinweis, dass Postsendungen zu
Bundesgerichten, insbesondere zum BFH, immer über den normalen
Postweg und nicht durch den Postaustausch mit der OFD Hannover zu
befördern seien. Die Einhaltung des ordnungsgemäßen
Versandablaufs werde vom Geschäftsstellenleiter in
unregelmäßigen Abständen kontrolliert. Dabei habe
es in den letzten Jahren nie Anlass zu Beanstandungen
gegeben.
Im Streitfall habe sich die von S
getroffene Maßnahme nicht darauf beschränkt, lediglich
die Übergabe des Schriftstückes in der Poststelle zu
veranlassen. Vielmehr habe er durch sein persönliches
Erscheinen in der Poststelle die Mitarbeiter mit der Anweisung, der
Brief müsse am selben Tag noch mit der normalen Post abgesandt
werden, auf die Frist und die Wichtigkeit des Schriftstückes
hingewiesen. Dass der Brief über den normalen Postweg
hätte versandt werden sollen, werde durch die Tatsache
bewiesen, dass er unverschlossen beim BFH eingegangen sei. Bei
normalem Postlauf wäre die Revisionsbegründungsschrift am
28.5.2005 (Samstag), spätestens am 30.5.2005 (Montag) beim BFH
eingegangen. Von einer Vorabübersendung per Telefax sei daher
bewusst abgesehen worden.
Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als
unzulässig zu verwerfen.
II. Die Revision des FA ist zulässig und
begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die
Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung
- FGO - ).
1. Die Revision ist zulässig.
Gemäß § 120 Abs. 2 Satz 1 FGO
ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des
vollständigen Urteils zu begründen; im Fall des §
116 Abs. 7 FGO beträgt die Begründungsfrist für den
Beschwerdeführer einen Monat nach Zustellung des Beschlusses
über die Zulassung der Revision. Die im Streitfall erst am
7.6.2005 beim BFH eingegangene Revisionsbegründung des FA war
mithin verspätet. Der Senat gewährt dem FA jedoch wegen
Versäumung der Revisionsbegründungsfrist gemäß
§ 56 Abs. 1 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
a) Die Grundsätze der FGO über
Fristversäumnis und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
gelten für die Finanzbehörden in gleicher Weise wie
für Steuerpflichtige (BFH-Beschluss vom 12.9.2005 VII R 10/05,
BFHE 210, 227, BStBl II 2005, 880 = SIS 05 46 01). Danach ist eine
Behörde - ebenso wie ein als Prozeßbevollmächtigter
bestellter Angehöriger der rechts- oder steuerberatenden
Berufe - u.a. verpflichtet, ein Fristenkontrollbuch zu führen,
in welches neben der Revisionsfrist die Erledigung des
fristwahrenden Schriftsatzes bis zu seiner Absendung eingetragen
wird und durch welches somit die Wahrung der Frist, insbesondere
mit Hilfe einer Ausgangskontrolle, überwacht wird. Dabei muss
die Kontrolle der Erledigung und tatsächlichen Absendung des
jeweiligen Schriftstückes durch jemanden erfolgen, der den
gesamten Bearbeitungsvorgang überwachen kann; dieser hat die
tatsächliche Übergabe fristwahrender Sendungen an die
Post oder einen mit dem Transport zum Empfänger beauftragten
Boten zu überwachen und in dem Fristenkontrollbuch zu
vermerken. Ist eine solche Ausgangskontrolle nicht eingerichtet,
muss zumindest derjenige, der den Vorgang zuletzt bearbeitet hat
oder an der Bearbeitung beteiligt war, die mit der Absendung
beauftragte Poststelle auf die Frist und die Wichtigkeit des
Schriftstückes hinweisen; eines besonderen Hinweises bedarf es
insbesondere deshalb, weil bei einer Behörde die Versendung
fristwahrender Schriftsätze nicht die Regel, sondern die
Ausnahme ist. Unterbleibt ein solcher Hinweis und findet nur eine
Kontrolle der Übergabe des Poststücks an eine zur
Weiterleitung zuständige Stelle wie die Registratur oder die
Postausgangsstelle statt, wird die Erledigung also lediglich durch
Abgangsvermerk der Stelle, die das Schriftstück an diese
Postausgangsstelle weiterleitet, festgehalten, genügt dies
nicht, um bei Fristversäumnis mangels
Organisationsverschuldens Nachsicht gewähren zu können
(BFH-Beschluss vom 8.9.1998 VII R 136/97, BFH/NV 1999, 73 = SIS 98 53 76, m.w.N.).
b) Die genannten Voraussetzungen sind hier
erfüllt. Denn das FA hat glaubhaft gemacht, dass die an der
Absendung beteiligten Mitarbeiter in der Poststelle des FA auf den
Fristablauf und die Eilbedürftigkeit eigens mündlich
hingewiesen und aufgefordert wurden, den
Revisionsbegründungsschriftsatz mittels einfachen Briefs an
den BFH zu übersenden. Wenn dennoch die bereits am 27.5.2005
vom Vorsteher des FA unterschriebene und am selben Tag der
Poststelle des FA zum Versand überbrachte
Revisionsbegründungsschrift nicht fristgerecht beim BFH
eingegangen ist, so lag dies ausschließlich daran, dass ein
Mitarbeiter der Poststelle die Übersendung nicht durch
einfachen Brief mit der Post, sondern durch Postaustausch über
die OFD Hannover veranlasste. Bei Versendung der
Revisionsbegründung durch die Post wäre bei Aufgabe zur
Post am 27.5.2005 eine Zustellung bis zum Ablauf der Frist am
2.6.2005 zu erwarten gewesen. Das Verschulden des Bediensteten in
der Poststelle, der nach der Rechtsprechung des BFH als
„Bote“ angesehen werden muss und dessen
Versäumnis nicht in gleicher Weise wie das eines
Bevollmächtigten des FA zu werten ist, muss das FA aber
grundsätzlich nicht gegen sich gelten lassen, denn die
Bediensteten der Poststelle sind ausdrücklich auf die
Bedeutung und Eilbedürftigkeit der Revisionsbegründung
hingewiesen worden. Der zuständige Sachgebietsleiter und der
Sachbearbeiter brauchten nicht mit der Möglichkeit zu rechnen,
dass die nach der Schilderung des FA bisher zuverlässig
arbeitenden Mitarbeiter in der Poststelle die falsche
Versendungsform wählten. Sie waren auch nicht verpflichtet,
die Durchführung der Anordnung über die Absendung des
Briefes persönlich zu überwachen oder sich am
nächsten Tag durch Nachfrage bei der Absendestelle von der
Einhaltung der Anweisung zu überzeugen (BFH-Urteil vom
19.7.1994 II R 74/90, BFHE 175, 302, BStBl II 1994, 946 = SIS 95 02 54).
2. Die Revision des FA ist auch
begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung
und Abweisung der Klage. Das FG hat zu Unrecht die Voraussetzungen
des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
in der im Streitjahr geltenden Fassung bejaht, weil der Kläger
den doppelten Haushalt nicht aus beruflichen Gründen
begründet hat.
a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5
Sätze 1 und 2 EStG sind Werbungskosten auch notwendige
Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus
beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung
entstehen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der
Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen
Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am
Beschäftigungsort wohnt.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist
für den Werbungskostenabzug nicht ausreichend, dass eine
einheitliche Haushaltsführung auf zwei verschiedene Haushalte
aufgesplittet ist. Die doppelte Haushaltsführung muss vielmehr
aus beruflichen Gründen veranlasst sein. Dies ist nach der
gesetzlichen Regelung nur der Fall, wenn die doppelte
Haushaltsführung, d.h. die Einrichtung der zweiten Wohnung,
aus beruflichem Anlass begründet wird. Es handelt sich hierbei
um eine konkrete Kodifizierung des Veranlassungsprinzips. Die
gesetzliche Regelung geht dabei davon aus, dass grundsätzlich
zunächst ein eigener (Haupt-) Hausstand des Steuerpflichtigen
bestanden haben muss, bevor es zur Einrichtung einer Zweitwohnung
am Beschäftigungsort gekommen ist (vgl. BFH-Beschluss vom
31.5.2001 VI B 43/99, BFH/NV 2001, 1549 = SIS 01 81 24).
Es entspricht auch ständiger
höchstrichterlicher Finanzrechtsprechung, dass eine doppelte
Haushaltsführung grundsätzlich dann nicht aus beruflichem
Anlass begründet wird, wenn ein Arbeitnehmer heiratet und
neben seiner fortbestehenden Wohnung am Beschäftigungsort mit
seinem Ehegatten einen Hausstand an einem anderen Ort gründet.
Das auslösende Element bzw. der unmittelbare Anlass für
die Aufsplitterung des Wohnens auf zwei Haushalte liegt hier in der
Eheschließung und demnach im privaten Bereich (z.B.
BFH-Urteil vom 22.9.1988 VI R 53/85, BFHE 155, 77, BStBl II 1989,
293 = SIS 89 04 36; vgl. auch Bundesverfassungsgericht, Beschluss
vom 14.12.1987 1 BvR 156/87, HFR 1988, 582).
b) Die HFR hat allerdings im Hinblick auf den
aus Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) resultierenden Schutz von
Ehe und Familie eine aus beruflichem Anlass begründete
doppelte Haushaltsführung dann angenommen, wenn beide
Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung an verschiedenen
Orten beruflich tätig sind, jeweils dort wohnen und
anlässlich ihrer Heirat eine der beiden Wohnungen oder eine
neue Wohnung an einem dritten Ort zum Familienhausstand machen.
Maßgebend für diese Rechtsprechung ist, dass bei Heirat
zweier Berufstätiger diese sich nicht mit einem einzigen
Wohnsitz am Ort der Berufsausübung eines von ihnen
begnügen können, ohne die Berufstätigkeit des
anderen zu beeinträchtigen (ständige Rechtsprechung;
BFH-Urteile vom 29.11.1990 VI R 30/90, BFH/NV 1991, 531; vom
4.10.1989 VI R 44/88, BFHE 158, 527, BStBl II 1990, 321 = SIS 90 04 44; vgl. auch BFH-Urteile vom 13.3.1996 VI R 58/95, BFHE 180, 136,
BStBl II 1996, 315 = SIS 96 12 34, und vom 4.4.2001 VI R 130/99,
BFH/NV 2001, 1384 = SIS 01 77 20, m.w.N.; Schmidt/ Drenseck, EStG,
25. Aufl., § 9 Rz 147 f.; Blümich/Thürmer, EStG,
§ 9 Rz 368 ff., insbesondere 377-379, m.w.N.).
Der BFH hat jedoch ständig auch daran
festgehalten, dass diese - wegen des verfassungsrechtlichen
Förderungsgebotes des Art. 6 Abs. 1 GG gebotene - Auslegung
des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG u.a. dann nicht anwendbar
ist, wenn nur ein Ehepartner berufstätig ist (BFH-Urteile vom
23.2.1990 VI R 87/86, BFH/NV 1990, 764; in BFHE 180, 136, BStBl II
1996, 315 = SIS 96 12 34; vom 20.12.1982 VI R 64/81, BFHE 137, 463,
BStBl II 1983, 306 = SIS 83 08 39).
c) Eine Ausdehnung der zitierten
Rechtsprechung auf die Zeit vor der Eheschließung hat der BFH
abgelehnt. Nach seiner Auffassung ist es unter
verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten auch nicht geboten, die
Ausnahme, die die Rechtsprechung in Fällen der
Eheschließung in Bezug auf die berufliche Veranlassung
gemacht hat, in jedem Fall auf nicht eheliche Lebensgemeinschaften
zu übertragen (BFH in BFH/NV 2001, 1384 = SIS 01 77 20;
BFH-Beschluss vom 28.8.2001 VI B 56/01, BFH/NV 2002, 23 = SIS 02 50 19). Die vorstehenden Grundsätze sind allerdings
grundsätzlich entsprechend anwendbar, wenn Partnern einer
nicht ehelichen Lebensgemeinschaft, die beide berufstätig
sind, ein Kind geboren wird, das in die Wohnung mit aufgenommen
wird. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 3
Nr. 5 EStG ist auch insoweit im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG
geboten, da nicht nur die Ehe, sondern auch die Familie unter dem
besonderen Schutz der staatlichen Ordnung steht.
„Familie“ in diesem Sinn ist die
Lebensgemeinschaft zwischen Eltern und Kindern (BFH-Urteile vom
24.11.1989 VI R 66/88, BFHE 159, 150, BStBl II 1990, 312 = SIS 90 06 25; vom 19.5.1999 XI R 120/96, BFHE 189, 357, BStBl II 1999, 764
= SIS 99 20 05; in BFH/NV 2001, 1384 = SIS 01 77 20;
Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik
Deutschland, Kommentar, 8. Aufl., Art. 6 Rz 4).
Soweit von der Rechtsprechung des BFH
ausnahmsweise die Eheschließung einem beruflichen Anlass
gleichstellt worden ist, ist dies an bestimmte Bedingungen
geknüpft worden. Erforderlich ist, wie dargestellt, dass beide
Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung an verschiedenen
Orten berufstätig waren, an ihren Beschäftigungsorten
wohnten und anlässlich der Eheschließung eine der beiden
Wohnungen zur Familienwohnung gemacht haben (BFH in BFHE 180, 136,
BStBl II 1996, 315 = SIS 96 12 34). Diese Bedingungen müssen
bei der entsprechenden Anwendung der Grundsätze auf eine nicht
eheliche Lebensgemeinschaft mit Kind ebenfalls erfüllt sein.
In diesem Fall wird eine Wohnung nicht durch Eheschließung zu
einer Familienwohnung, sondern durch die Aufnahme des gemeinsamen
Kindes in die gemeinsame Wohnung (BFH-Urteil in BFHE 159, 150,
BStBl II 1990, 312 = SIS 90 06 25).
d) Im Streitfall sind diese Voraussetzungen
nicht erfüllt. Der Kläger und L haben die Wohnung der L
nicht anlässlich oder in zeitlichem Zusammenhang mit der
Geburt des gemeinsamen Kindes zur Familienwohnung gemacht, sondern
erst ca. zwei Jahre später. Der Kläger kann damit nicht
einem Steuerpflichtigen gleichgestellt werden, der bei Einrichtung
des doppelten Haushalts bereits eine Familienwohnung mit
Lebensgefährtin und Kind teilte. Dies wäre aber
Voraussetzung für die vom Kläger gewünschte
Übertragung der Ausnahme, die die Rechtsprechung in
Fällen der Eheschließung gemacht hat, auf seine
Situation. Denn der BFH hat die verfassungskonforme Auslegung des
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG damit begründet, dass sonst
Arbeitnehmer, die beide bereits vor der Eheschließung
berufstätig waren und noch keinen doppelten Haushalt
begründen konnten, von einem Werbungskostenabzug
ausgeschlossen wären. Sie würden damit im Verhältnis
zu - bei Einrichtung des doppelten Haushalts - bereits
Verheirateten benachteiligt (BFH–Urteile vom 13.7.1976 VI R
172/74, BFHE 119, 281, BStBl II 1976, 654 = SIS 76 03 65; in BFHE
158, 527, BStBl II 1990, 321 = SIS 90 04 44). Der
verfassungskonformen Auslegung bedarf es dagegen nicht, wenn zwei
Arbeitnehmer mit jeweils eigenem Hausstand heiraten, jeder Ehegatte
nach der Eheschließung zunächst wie bisher in seiner
Wohnung weiterlebt und erst später eine der beiden Wohnungen
zur Familienwohnung gemacht wird. Die damit einhergehende
Gründung des zweiten Haushalts außerhalb des
Beschäftigungsortes ist privat veranlasst. Entsprechendes
gilt, wenn, wie im Streitfall, die Partner einer nicht ehelichen
Lebensgemeinschaft, die an verschiedenen Orten beruflich tätig
sind und dort wohnen, ohne zeitlichen Zusammenhang mit der Geburt
eines gemeinsamen Kindes eine der Wohnungen zum Familienhausstand
machen. Auch hier ist die Begründung dieses Hausstands
außerhalb des Beschäftigungsortes privat veranlasst.
e) Der Senat kann offenlassen, ob die
Übertragung der Grundsätze zur doppelten
Haushaltsführung bei Verheirateten auf den Fall einer nicht
ehelichen Lebensgemeinschaft im Streitfall nicht auch daran
scheitert, dass L im fraglichen Zeitraum nicht mehr und noch nicht
wieder berufstätig war.