Nachzahlungszinsen, Nichtabziehbarkeit ab 1.4.1999, Verfassungsmäßigkeit: Die allgemeine Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl 1999 I, 402), mit der unter anderem § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG a.F. mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1999 aufgehoben worden ist, verstößt insoweit nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot, als danach Nachzahlungszinsen i.S. von § 233 a AO 1977, die nach der Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 (31.3.1999) gezahlt worden sind, nicht mehr als Sonderausgaben abzogen werden können. - Urt.; BFH 15.11.2006, XI R 73/03; SIS 07 04 71
I. Streitig ist der Abzug von
Nachzahlungszinsen als Sonderausgaben sowie die Kürzung des
Vorwegabzugs bei den Vorsorgeaufwendungen.
Der Kläger, Revisionskläger und
Revisionsbeklagte (Kläger) erzielt gewerbliche Einkünfte
aus dem Betrieb einer Zimmerei. Daneben ist er als
Geschäftsführer der A GmbH (GmbH) nichtselbständig
tätig. Die GmbH, an der der Kläger zu 6 v.H. direkt und
zu 75,2 v.H. mittelbar über die B GmbH beteiligt ist, hat ihm
eine Pensionszusage erteilt.
Eine Betriebsprüfung für die
Jahre 1991 bis 1995, die im Mai 1997 begann und deren
Schlussbesprechung am 24.9.1998 stattfand, führte beim
Kläger zu einer Nachforderung von Einkommensteuer in Höhe
von rund 100.000 DM. Wegen Einwendungen des Klägers wurde der
Betriebsprüfungsbericht erst unter dem 24.6.1999 erstellt. Der
geänderte Einkommensteuerbescheid für 1992 erging am
29.9.1999. Darin wurden - unter Berücksichtigung der
Rückzahlung von Erstattungszinsen - Nachzahlungszinsen zur
Einkommensteuer 1992 gemäß § 233a der
Abgabenordnung (AO 1977) in Höhe von 24.216 DM festgesetzt und
zum 2.11.1999 fällig gestellt. Am 20.10.1999 ergingen
geänderte Bescheide über Vermögensteuer auf den
1.1.1991, auf den 1.1.1992 und auf den 1.1.1993. In diesen
Bescheiden wurden Nachzahlungszinsen zur Vermögensteuer von
insgesamt 3.168 DM festgesetzt und zum 23.11.1999 fällig
gestellt. Der Kläger zahlte die gesamten Nachzahlungszinsen
von 27.384 DM am 31.12.1999.
Im Rahmen seiner
Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1999 machte
der Kläger Nachzahlungszinsen von 24.216 DM als Sonderausgaben
geltend. Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger
(das Finanzamt - FA - ) lehnte unter Hinweis darauf, dass § 10
Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zum 1.1.1999
aufgehoben worden war, die Berücksichtigung der
Nachzahlungszinsen ab und erfasste gleichzeitig Erstattungszinsen
zur Einkommensteuer 1991, 1996 und 1997 in Höhe von insgesamt
18.452 DM als Einnahmen aus Kapitalvermögen.
Während des Klageverfahrens beim
Finanzgericht (FG) erließ das FA am 30.1.2003 aufgrund einer
für die Jahre 1996 bis 1998 durchgeführten
Betriebsprüfung für das Streitjahr einen geänderten
Bescheid, in dem es bei der Berechnung der abzugsfähigen
Vorsorgeaufwendungen den Vorwegabzug um 16 v.H. des Arbeitslohns
kürzte, was zu einem verbleibenden Vorwegabzug von 0 DM
führte. Mit seiner Klage begehrte der Kläger,
Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 1992 und zur
Vermögensteuer 1991 bis 1993 von insgesamt 27.384 DM sowie
einen Vorwegabzug von 3.775 DM bei der Veranlagung für 1999 zu
berücksichtigen. Das FG wies die Klage hinsichtlich der
Nachzahlungszinsen ab, gab ihr aber hinsichtlich der Kürzung
des Vorwegabzugs statt (EFG 2004, 99 = SIS 04 19 24).
Gegen das finanzgerichtliche Urteil haben
sowohl der Kläger als auch das FA Revision eingelegt.
Der Kläger bringt zur Begründung
seiner Revision im Wesentlichen vor: Entgegen der Auffassung des FG
handele es sich bei der Abschaffung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG
um eine echte unzulässige Rückwirkung. Der Gesetzgeber
habe damit nachträglich einen effektiv höheren Zinssatz
auf Nachzahlungszinsen eingeführt, die auf Zeiträume vor
1999 fallen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seiner
Entscheidung vom 3.12.1997 2 BvR 882/97 (BVerfGE 97, 67 = SIS 98 10 50, BGBl I 1998, 725) - zumindest für das Steuerrecht - die
Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung zu
Gunsten eines einheitlichen handlungsbezogenen
Rückwirkungsbegriffs aufgegeben. Es beantworte die Frage nach
der verfassungswidrigen Rückwirkung allein anhand einer
Interessenabwägung zwischen der Planungssicherheit des auf ein
bestehendes Gesetz vertrauenden Steuerpflichtigen und dem
gesetzgeberischen Änderungsinteresse. Schutzwürdig sei im
vorliegenden Fall die wirtschaftliche Dispositionsentscheidung des
Klägers, im Vertauen auf das geltende Recht
(Abzugsfähigkeit der Nachzahlungszinsen) keine höheren
Vorauszahlungen zu beantragen. Hätte der Kläger gewusst,
dass für die Jahre vor 1999 die Begünstigung des
Sonderausgabenabzugs abgeschafft werden würde, hätte er
noch die Möglichkeit gehabt, Anträge auf Erhöhung
der Vorauszahlungen zu stellen oder aber auf eine schnellere
Änderung der Steuerbescheide noch im Jahr 1998 hinzuwirken.
Das Untätigbleiben des Klägers sei insoweit als
wirtschaftliche Disposition zu werten. Andererseits seien keine
zwingenden Gründe dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber
auch die Nachzahlungszinsen, die auf Zeiträume vor 1999
entfielen, zwingend vom Sonderausgabenabzug habe ausschließen
müssen. Der Gesetzgeber wäre hier gehalten gewesen,
für einen schonenden Übergang zu sorgen. Wie der von
Söffing (in BB 2002, 1456, 1459) dargelegte Beispielsfall
zeige, werde durch das Verbot der Abziehbarkeit von
Nachforderungszinsen das objektive Nettoprinzip verletzt.
Außerdem sei dadurch die die Vollverzinsung des § 233a
AO 1977 rechtfertigende These nicht mehr zutreffend, dass durch
diese Verzinsungsart im Sinne der Gleichmäßigkeit der
Besteuerung ein Ausgleich dafür geschaffen werde, dass die
Einkommensteuer für einen Veranlagungszeitraum bei den
einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten
festgesetzt werde. Weitere verfassungsrechtliche Bedenken
bestünden im Hinblick auf die unterschiedliche Behandlung von
Nachzahlungs- und Erstattungszinsen.
Der Kläger beantragt, das
finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid 1999 dahingehend zu ändern, dass die
Einkommensteuer auf den Betrag festgesetzt wird, der sich ergibt,
wenn zusätzlich ein Sonderausgabenabzug für
Nachzahlungszinsen von 27.384 DM berücksichtigt wird.
Das FA beantragt, das finanzgerichtliche
Urteil insoweit aufzuheben, als das FG der Klage stattgegeben hat,
und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken des
Klägers zur Abschaffung des Sonderausgabenabzugs von
Nachzahlungszinsen hält das FA für unbegründet. Auf
den Fortbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG bestehe
insbesondere deshalb kein schützenswertes Vertrauen, weil
darin eine Ausnahme von dem Grundsatz geregelt gewesen sei, dass
steuerliche Nebenleistungen und Personensteuern nicht
steuermindernd berücksichtigt werden dürfen (§ 12
Nr. 3 EStG).
Zur Begründung seiner Revision, die
sich gegen die Gewährung des vollen Vorwegabzugs bei den
Vorsorgeaufwendungen richtet, trägt das FA im Wesentlichen
vor: Entgegen der Auffassung des FG sei bei der Berechnung der
abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen der Vorwegabzug auf 0 DM zu
kürzen. Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16.10.2002
XI R 25/01 (BFHE 200, 554, BStBl II 2004, 546 = SIS 03 07 68) sei
hier nicht entsprechend anwendbar, weil der Kläger nicht zu
100 v.H. an der GmbH beteiligt sei. Er habe damit die von der GmbH
zugesagte Altersrente nicht ausschließlich durch eigene
Beiträge (Gewinnverzicht) erworben.
II. Die Revision des Klägers ist
unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Revision des FA ist
begründet; sie führt zur Aufhebung des
finanzgerichtlichen Urteils, soweit dieses der Klage stattgegeben
hat, und zur Abweisung der Klage in vollem Umfang (§ 126 Abs.
3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
Das FG hat zu Recht die vom Kläger im
Streitjahr 1999 gezahlten Nachzahlungszinsen nicht als
Sonderausgaben zum Abzug zugelassen. Zu Unrecht hat es hingegen die
vom FA vorgenommene Kürzung des Vorwegabzugs bei den
Vorsorgeaufwendungen des Klägers abgelehnt.
1. Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5
EStG in der bis einschließlich 1998 geltenden Fassung (a.F.)
konnten ab dem Veranlagungszeitraum 1990 u.a. Zinsen auf
Steuernachforderungen nach § 233a AO 1977 - sog.
Nachzahlungszinsen - als Sonderausgaben abgezogen werden. Mit dem
Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/2002) vom
24.3.1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) ist § 10 Abs.
1 Nr. 5 EStG a.F. ab dem Veranlagungszeitraum 1999 aufgehoben
worden (§ 52 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002).
Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO 1977 sind danach
nur dann als Sonderausgaben abziehbar, wenn sie bis zum 31.12.1998
geleistet worden sind.
2. Die allgemeine Anwendungsvorschrift des
§ 52 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002, mit der
unter anderem § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG a.F. mit Wirkung ab dem
Veranlagungszeitraum 1999 aufgehoben wird, verstößt
insoweit nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20
Abs. 3 des Grundgesetzes herzuleitende grundsätzliche Verbot
der echten Rückwirkung bzw. der unzulässigen
Rückbeziehung von Rechtsfolgen, als danach Nachzahlungszinsen
i.S. von § 233a AO 1977, die nach Verkündung des StEntlG
1999/2000/2002 gezahlt worden sind, nicht mehr als Sonderausgaben
abgezogen werden können. Ebenso wenig kann im Streitfall die
Versagung der Möglichkeit des Abzugs von Nachzahlungszinsen
unter dem Gesichtspunkt einer sog. unechten Rückwirkung als
verfassungswidrig angesehen werden.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des
BVerfG ist bei der Beurteilung der verfassungsrechtlichen
Zulässigkeit rückwirkender Normen zu unterscheiden
zwischen einer echten und einer unechten Rückwirkung bzw. der
Rückbewirkung von Rechtsfolgen und der tatbestandlichen
Rückanknüpfung. Erstere liegt vor, wenn der Beginn des
zeitlichen Anwendungsbereichs einer Norm auf einen Zeitpunkt
festgelegt wird, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm
gültig geworden ist. Die Anordnung, eine belastende
Rechtsfolge solle schon für einen vor dem Zeitpunkt der
Verkündung der Norm liegenden Zeitpunkt eintreten, ist
grundsätzlich unzulässig bzw. nur aus zwingenden
Gründen des Gemeinwohls zu rechtfertigen (BVerfG-Beschluss in
BVerfGE 97, 67, BGBl I 1998, 725 = SIS 98 10 50). Demgegenüber
betrifft eine unechte Rückwirkung nach der Rechtsprechung des
BVerfG nicht den zeitlichen, sondern den sachlichen
Anwendungsbereich einer Norm. Die Rechtsfolgen eines Gesetzes
treten erst nach der Verkündung der Norm ein, deren Tatbestand
erfasst aber Sachverhalte, die bereits vor Verkündung
„ins Werk gesetzt“ worden sind (BVerfG-Beschluss
vom 5.2.2002 2 BvR 305, 348/93, BVerfGE 105, 17, 37 = SIS 02 09 34).
b) Der erkennende Senat hat in seinen
Vorlagebeschlüssen vom 2.8.2006 XI R 34/02 (BFH/NV 2006, 2184
= SIS 06 40 87) bzw. XI R 30/03 (BFH/NV 2006, 2191 = SIS 06 40 85)
die Auffassung vertreten, dass abweichend von der bisherigen
Rechtsprechung des BVerfG eine „echte“
Rückwirkung stets dann anzunehmen ist, wenn „eine im
Gesetz neu oder verändert vorgesehene Rechtsfolge auch dann
oder nur in Fällen gelten soll, in denen ihre
Tatbestandsvoraussetzungen ausschließlich vor Verkündung
des Gesetzes erfüllt worden sind“. Der Senat sieht
danach - weitergehend als das BVerfG und in Abweichung von dessen
sog. Veranlagungsrechtsprechung - grundsätzlich die
Verkündung eines Änderungsgesetzes als den Zeitpunkt an,
bis zu dem das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die alte
Rechtslage nach den Grundsätzen einer echten Rückwirkung
schutzwürdig ist. Selbst unter Berücksichtigung dieses
erweiterten (für den Kläger günstigeren)
Anwendungsbereichs einer echten Rückwirkung kann eine solche
im Streitfall nicht angenommen werden.
Der Abzug einer der in § 10 Abs. 1 EStG
genannten Aufwendungen als Sonderausgabe setzt begrifflich die
tatsächliche Zahlung dieser Aufwendungen voraus. Unter
Berücksichtigung des in § 11 Abs. 2 EStG geregelten
Abflussprinzips ist damit der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 5
EStG a.F. erst dann erfüllt, wenn die Nachzahlungszinsen
tatsächlich gezahlt worden sind. Nachdem die Zahlung der
Zinsen im Streitfall erst am 31.12.1999 erfolgt ist, das StEntlG
1999/2000/2002, mit dem der Wegfall des Sonderausgabenabzugs dieser
Nachzahlungszinsen angeordnet wurde, aber bereits am 31.3.1999
verkündet worden war, scheidet eine Rückwirkung von
Rechtsfolgen offensichtlich aus. Die Annahme einer echten
Rückwirkung kommt deshalb nicht in Betracht.
c) Danach kann im Streitfall allenfalls von
einer sog. unechten Rückwirkung i.S. der Rechtsprechung des
BVerfG ausgegangen werden.
Auch in den Fällen der unechten
Rückwirkung bedarf es vor dem Rechtsstaatsprinzip einer
besonderen Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen
eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens
nachträglich belastend ändert. Belastende Steuergesetze
dürfen schutzwürdiges Vertrauen des Steuerpflichtigen
nicht ohne hinreichende Rechtfertigung enttäuschen. Vielmehr
sind das Ausmaß des Vertrauensschadens und das
gesetzgeberische Anliegen für das Wohl der Allgemeinheit
gegeneinander abzuwägen. Es ist in jedem Einzelfall zu
ermitteln, inwieweit und mit welchem Gewicht das Vertrauen in die
bestehende günstige Rechtslage schützenswert ist und ob
die öffentlichen Belange, die eine nachteilige Änderung
rechtfertigen, dieses Vertrauen überwiegen (vgl.
BVerfG-Beschluss vom 14.5.1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 254 =
SIS 86 25 18; BFH-Beschluss vom 16.12.2003 IX R 46/02, BFHE 204,
228, BStBl II 2004, 284 = SIS 04 05 46).
Aufgrund der danach vorzunehmenden
Abwägung zwischen den Gemeinwohlinteressen und dem
Einzelinteresse des Klägers gelangt der Senat zu der
Auffassung, dass im Streitfall das öffentliche Interesse an
der Aufhebung des systemwidrigen Abzugs der Nachzahlungszinsen das
Vertrauen des Klägers, die zu Beginn des Veranlagungszeitraums
1999 geltende Rechtslage werde den gesamten Veranlagungszeitraum
über Geltung behalten, überwiegt.
Die allgemeine Erwartung des Bürgers, das
geltende Recht werde auch in Zukunft unverändert fortbestehen,
ist verfassungsrechtlich nicht geschützt; ansonsten wäre
es dem Gesetzgeber unmöglich, auf veränderte soziale oder
wirtschaftliche Gegebenheiten oder z.B. auf den Wegfall des mit
einer Steuervergünstigung verfolgten Zweckes zu reagieren bzw.
den sich aus einer bestehenden Gesetzeslage unter Umständen
ergebenden Missständen zu begegnen (vgl. BVerfG-Beschluss in
BVerfGE 105, 17, 40 = SIS 02 09 34). Im Streitfall ergibt sich ein
schützenswertes Vertrauen auch nicht aus einer vom Kläger
im Hinblick auf § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG a.F. getroffenen
Disposition (zum Vertrauensschutz bei Dispositionen vgl. Beschluss
des erkennenden Senats vom 6.11.2002 XI R 42/01, BFHE 200, 560,
BStBl II 2003, 257 = SIS 03 11 51; BFH-Beschluss in BFHE 204, 228,
BStBl II 2004, 284 = SIS 04 05 46, unter B.III.2.e bb). Denn -
anders als der Kläger meint - kann der Umstand, dass er in
Unkenntnis von dem künftigen Wegfall der Abzugsfähigkeit
von Nachzahlungszinsen beim FA keine höheren Vorauszahlungen
beantragt hat, nicht als wirtschaftliche Disposition im Sinne
dieser Rechtsprechung gewertet werden.
Dem somit nicht schutzwürdigen Vertrauen
des Klägers steht das berechtigte Interesse des Gesetzgebers
gegenüber, die Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG a.F.
wieder abzuschaffen. Der Sonderausgabenabzug von Zinsen auf
Steuernachforderungen, Stundungszinsen und Aussetzungszinsen ist im
Steuerreformgesetz 1990 vom 25.7.1988 (BGBl I 1988, 1093) zur
Erleichterung der Vollverzinsung in § 10 EStG eingefügt
worden. Im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zum StEntlG
1999/2000/2002 hat der Gesetzgeber festgestellt, dass diese von
vornherein als „Einführungsphase“
vorgesehene Erleichterung durch Zweckerfüllung abgelaufen sei;
gleichzeitig hat er zu Recht darauf hingewiesen, dass gerade die
Einführung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG a.F. zu
Systembrüchen innerhalb des Einkommensteuerrechts geführt
habe (vgl. BTDrucks 14/23, S. 174). Nahm ein Steuerpflichtiger etwa
zur sofortigen Zahlung seiner Einkommensteuerschuld ein
Bankdarlehen in Anspruch, so war ihm der Schuldzinsenabzug
verwehrt, während ihm in dem Fall, dass er zu geringe oder gar
keine Vorauszahlungen leistete und die Steuerschuld faktisch vom FA
kreditiert wurde, der vorgenannte Sonderausgabenabzug gewährt
wurde. Die darin liegende Ungleichbehandlung ließ sich nicht
durch erkennbare Sachgründe rechtfertigen und hatte zudem den
Nachteil, dass die in der Zahlung von Nachzahlungszinsen liegende
steuerliche Nebenleistung nicht das Schicksal der Hauptschuld
teilte. Insbesondere führte die vorgenannte Ungleichbehandlung
aber zu einer Tendenz der Steuerpflichtigen, wegen der
Abzugsfähigkeit von Nachzahlungszinsen auf die Festsetzung
möglichst niedriger Vorauszahlungen zu dringen.
Aus Sicht des erkennenden Senats stand es dem
Gesetzgeber vor dem Hintergrund dieser Überlegungen darum
frei, die zu unerwünschten Steuerwirkungen führende
Ungleichbehandlung durch Abschaffung des § 10 Abs. 1 Nr. 5
EStG a.F. zu beheben. Die Tatsache, dass Erstattungszinsen nach wie
vor als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu versteuern sind,
während Nachzahlungszinsen nunmehr nicht mehr abgezogen werden
können, beinhaltet keinen Wertungswiderspruch; vielmehr
rechtfertigt sie sich - wie die Vorinstanz zu Recht ausgeführt
hat - aus den unterschiedlichen Regelungen zur Versteuerung von
Kapitaleinkünften und zur fehlenden Möglichkeit zum Abzug
privater Schuldzinsen.
Aus diesen Gründen vermag der Senat die
von Söffing (in BB 2002, 1456, 1458 f.) geltend gemachten
verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Nichtabziehbarkeit von
Nachzahlungszinsen als Sonderausgaben nicht zu teilen.
Söffings Auffassung basiert auf der Annahme, das Verbot des
Abzugs privat veranlasster Schuldzinsen als Sonderausgabe sei
verfassungsrechtlich bedenklich. Diese Auffassung teilt der Senat
nicht (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 13.6.1988 1 BvR 68/88, HFR
1989, 316; vom 13.3.1979 2 BvR 72/76, BVerfGE 50, 386, BStBl II
1979, 322 = SIS 79 01 58).
3. Nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst.
a i.V.m. § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG ist der Vorwegabzug i.S. des
§ 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG um 16 v.H. der Summe der Einnahmen aus
nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 EStG zu
kürzen, wenn der Steuerpflichtige während des ganzen oder
eines Teils des Kalenderjahres nicht der gesetzlichen
Rentenversicherungspflicht unterliegt, eine Berufstätigkeit
ausübt und im Zusammenhang damit aufgrund vertraglicher
Vereinbarungen Anwartschaftsrechte auf eine Altersversorgung ganz
oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung erworben hat.
Der Kläger unterliegt als Gesellschafter
und Geschäftsführer der GmbH, da er nicht Arbeitnehmer im
Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften ist, nicht
der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Er hat sein
Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung durch die GmbH auch
teilweise ohne eigene Beitragsleistung erworben, weshalb das FA zu
Recht bei ihm eine Kürzung des Vorwegabzugs vorgenommen
hat.
a) „Beitragsleistung“
für die (eigene) Altersversorgung ist nicht nur eine
Geldzahlung, sondern jede Minderung eines Vermögensanspruchs
gegen eine Versorgungszusage (BFH-Urteil vom 25.3.1992 X R 121/90,
BFH/NV 1992, 596). In diesem Sinn hat der erkennende Senat
entschieden, dass der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen bei
einem Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH
nicht nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a i.V.m. §
10c Abs. 3 Nr. 2 EStG zu kürzen ist, da dieser -
wirtschaftlich betrachtet - eine ihm von der GmbH zugesagte
Altersversorgung durch Verzicht auf entsprechende
gesellschaftsrechtliche Ansprüche (§§ 29, 72 des
Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter
Haftung - GmbHG - ) und damit letztlich ausschließlich durch
eigene Beitragsleistungen erwirbt (BFH-Urteil in BFHE 200, 554,
BStBl II 2004, 546 = SIS 03 07 68).
In Fortführung dieser Rechtsprechung hat
der Senat entschieden, dass in den Fällen, in denen eine GmbH
ihren beiden zu je 50 v.H. beteiligten
Gesellschafter-Geschäftsführern die gleiche
Altersversorgung zusagt, jedem der beiden der Vorwegabzug für
Vorsorgeaufwendungen ungekürzt zusteht (vgl. BFH-Urteil vom
23.2.2005 XI R 29/03, BFHE 209, 256, BStBl II 2005, 634 = SIS 05 30 36). In diesem Zusammenhang hat es der Senat als entscheidend
für den ungekürzten Vorwegabzug von Vorsorgeaufwendungen
angesehen, ob der einzelne Gesellschafter-Geschäftsführer
bei typisierender und wirtschaftlicher Betrachtung sein
Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung ausschließlich durch
einen seiner Beteiligungsquote entsprechenden Verzicht auf
gesellschaftsrechtliche Ansprüche erwirbt. Dabei sei auch zu
berücksichtigen, dass selbst zu gleichen Teilen beteiligte
fremde Gesellschafter typischerweise nicht bereit sind, zugunsten
von Mitgesellschaftern auf ihre Gewinnansprüche zu
verzichten.
b) Unter Berücksichtigung dieser
Grundsätze kann im Streitfall nicht davon ausgegangen werden,
dass der Kläger sein Anwartschaftsrecht ausschließlich
durch eigene Beitragsleistung erworben hat.
Der Kläger ist zwar alleiniger
Geschäftsführer der GmbH, er ist aber an der GmbH nicht
allein beteiligt, sondern zu 6 v.H. direkt und zu weiteren 75,2
v.H. über die B GmbH indirekt. Lediglich in Höhe von
insgesamt 81,2 v.H. stehen dem Kläger damit
gesellschaftsrechtliche Ansprüche gegenüber der GmbH zu.
Bei wirtschaftlicher Betrachtung tragen demnach zu einem
beachtlichen Teil auch die restlichen Gesellschafter der GmbH durch
entsprechenden Verzicht auf ihre gesellschaftsrechtlichen
Ansprüche die Beiträge für die Altersversorgung des
Klägers.