Erbbauzins, Einnahmen aus VuV: Der Erbbauzins für ein Erbbaurecht an einem privaten Grundstück gehört zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Der bewertungsrechtliche Ansatz des Erbbauzinsanspruchs als sonstiges Vermögen (vgl. Beschluss des BVerfG vom 17.7.1995 1 BvR 892/89, BStBl 1995 II S. 810 = SIS 96 09 19) steht dieser Beurteilung nicht entgegen. - Urt.; BFH 20.9.2006, IX R 17/04; SIS 06 47 46
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer
veranlagt. Die Klägerin hatte 1991 ein Grundstück geerbt,
welches 1975 auf 99 Jahre mit einem Erbbaurecht belastet worden
war. Später wurden das Grundstück und das Erbbaurecht
geteilt. Der Anspruch der Klägerin auf Erbbauzinsen wurde in
verschiedenen Bescheiden vermögensteuerrechtlich und
erbschaftsteuerrechtlich als Vermögen erfasst. In ihrer
Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (1995)
erklärte die Klägerin Erbbauzinsen in Höhe von
68.208,29 DM und Pachteinnahmen in Höhe von 9.885 DM. Nach
Abzug von Werbungskosten ergab sich ein Überschuss von
58.116,53 DM. Gegen den erklärungsgemäß ergangenen
Einkommensteuerbescheid legten die Kläger Einspruch ein und
machten unter anderem geltend, die überkommene Rechtsprechung
des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der Erbbauzinsen zu den
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehörten, sei
durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom
17.7.1995 1 BvR 892/89 (BStBl II 1995, 810 = SIS 96 09 19)
überholt. Der Einspruch und die Klage vor dem Finanzgericht
(FG) blieben erfolglos. Das Urteil des FG ist in EFG 2005, 873 =
SIS 05 06 65 abgedruckt.
Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Grundstücke der
Klägerin würden weder nach § 535 des
Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vermietet noch nach § 581
BGB verpachtet. Vielmehr werde der Erbbauzins nach § 9 Abs. 1
Satz 1 der Verordnung über das Erbbaurecht (ErbbauV)
„für die Bestellung“ des Erbbaurechts gezahlt. Bei
der Vermietung und Verpachtung stehe der Miet- oder Pachtzins
dagegen dem Gebrauch der Sache pro rata temporis gegenüber.
Ferner entfalle, wenn der Miet- oder Pachtzins nicht gezahlt werde,
die Pflicht zur Gebrauchsüberlassung. Letzteres sei beim
Erbbaurecht gerade nicht der Fall. Bei einem auf 99 Jahre
eingeräumten Erbbaurecht handele es sich entgegen der
Auffassung des FG auch nicht um eine „befristete“
Nutzungsüberlassung, weil der Eigentümer die Beendigung
des Erbbaurechts regelmäßig nicht mehr erlebe. Im
Steuerrecht sei zwischen Einkommen und Vermögen zu
unterscheiden. Was einkommensteuerrechtlich zu den Einkünften
zähle, könne nicht gleichzeitig in anderen Steuerarten
Vermögen sein. Aufgrund der vom BVerfG in seinem Beschluss in
BStBl II 1995, 810 = SIS 96 09 19 herausgestellten Ähnlichkeit
des Erbbauzinses mit einem Kaufpreis könne der Erbbauzins
nicht zu Einkünften führen, vielmehr handele es sich um
eine bloße Vermögensumschichtung. Nach § 11 ErbbauV
seien auf das Erbbaurecht die Vorschriften über
Grundstücke anzuwenden. Dies führe nicht nur dazu, dass
ein eigenes Grundbuchblatt angelegt werde, sondern dass das
Erbbaurecht auch mit Grundschulden und Hypotheken belastet werden
könne. Ferner unterliege die Bestellung des Erbbaurechts der
Grunderwerbsteuer. Die überkommene Rechtsprechung des BFH,
nach der der Erbbauzins Einnahmen gemäß § 21 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 EStG bilde, sei nach dem Beschluss des BVerfG in BStBl
II 1995, 810 = SIS 96 09 19 nicht mehr aufrecht zu erhalten. Denn
das BVerfG habe seine Entscheidung darauf gestützt, dass es
„bei wirtschaftlicher Betrachtung“ folgerichtig sei,
den Erbbauzinsanspruch wie ein Entgelt für den Erwerb eines
Grundstücks auf Zeit anzusehen.
Die Kläger beantragen, die
Vorentscheidung aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid und
die Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, dass die
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung um 48.231 DM
vermindert werden.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) beantragt, die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Das FG hat zu Recht die strittigen Erbbauzinsen als
Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG beurteilt.
1. Zu den Einkünften gemäß
§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
gehören solche aus der Vermietung und Verpachtung
unbeweglichen Vermögens.
Die Vorschrift erfasst nicht nur
Einkünfte aus Miet- und Pachtverträgen im
bürgerlich-rechtlichen Sinne, sondern darüber hinaus alle
Einkünfte aus der zeitlich begrenzten entgeltlichen
Überlassung unbeweglichen Vermögens zum Gebrauch oder zur
Nutzung. Entscheidend ist nicht die Bezeichnung durch die
Vertragsparteien, sondern der wirtschaftliche Gehalt des jeweiligen
Vertrages (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile des BFH vom
6.5.2003 IX R 64/98, BFH/NV 2003, 1175 = SIS 03 37 08; vom 2.3.2004
IX R 43/03, BFHE 205, 257, BStBl II 2004, 507 = SIS 04 17 11,
m.w.N.).
2. Danach gehört auch der Erbbauzins zu
den Einnahmen gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG.
Das Erbbaurecht begründet für den
Berechtigten ein vererbliches und veräußerliches
dingliches Recht, auf oder unter der Oberfläche des
Grundstücks ein Bauwerk zu haben (§ 1 ErbbauV). Grund und
Boden einschließlich der zu errichtenden Gebäude fallen
nach Ablauf der vereinbarten Dauer des Erbbaurechts an den
Eigentümer des Bodens zurück (Heimfall). Nach dieser
Regelung ist der Erbbauzins ein Entgelt für die
Einräumung eines zeitlich begrenzten dinglichen Nutzungsrechts
am Grund und Boden. Denn der Grundeigentümer
überlässt wirtschaftlich das Grundstück einem
anderen gegen Entgelt auf Zeit zur Nutzung, nämlich zum
Errichten eines Bauwerks; es handelt sich um ein befristetes
Nutzungsverhältnis, das während der Laufzeit des
Erbbaurechts auf den fortdauernden Austausch von Leistungen
gerichtet ist (ständige Rechtsprechung: BFH-Urteile vom
13.5.1954 IV 300/53 U, BFHE 58, 752, BStBl III 1954, 199 = SIS 54 01 13; vom 11.10.1963 VI 251/62 U, BFHE 77, 665, BStBl III 1963,
564 = SIS 63 03 57; vom 20.11.1980 IV R 126/78, BFHE 132, 418,
BStBl II 1981, 398 = SIS 81 14 11; vom 19.1.1982 VIII R 102/78,
BFHE 135, 434, BStBl II 1982, 533 = SIS 82 14 04; vom 17.7.2001 IX
R 41/98, BFH/NV 2002, 18 = SIS 02 50 14).
Diese Rechtsauffassung wird im Schrifttum
einhellig geteilt (Schmidt/Drenseck, EStG, 25. Aufl., § 21 Rz
65 „Erbbaurecht“; v. Reden in
Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 21
Rn 74; Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 21 EStG Anm. 300
„Erbbaurecht“; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 6.
Aufl., § 21 Rn 90 „Erbbaurecht“;
Blümich/Stuhrmann, § 21 EStG Rz. 97; Trzaskalik, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 21 Rdnr. B 91;
Gänger in Bordewin/Brandt, § 21 EStG Rz. 101
„Erbbaurecht“; R. Claßen in Lademann,
EStG, § 21 EStG Anm. 190 „Erbbauzinsen“;
Eggers in Korn, § 21 EStG Rz. 99
„Erbbauzinsen“).
3. Aus dem Beschluss des BVerfG in BStBl II
1995, 810 = SIS 96 09 19 ergibt sich entgegen der Auffassung der
Kläger keine abweichende Beurteilung, so dass eine
Änderung der Rechtsprechung des BFH nicht in Betracht
kommt.
a) Das BVerfG hatte sich lediglich mit der
Frage zu befassen, ob der gesonderte Ansatz des Erbbauzinses nach
§ 92 Abs. 5 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der für das
Streitjahr maßgeblichen Fassung mit Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG) vereinbar war. In diesem Zusammenhang ist das
BVerfG von der Systematik des § 92 BewG ausgegangen, nach der
gemäß Absatz 1 der Vorschrift für das belastete
Grundstück ein Einheitswert zu bestimmen ist, der - wenn die
Dauer des Erbbaurechts wie im Streitfall mehr als 50 Jahre
beträgt - allein dem Erbbauberechtigten zuzurechnen ist
(§ 92 Abs. 2 BewG). Bei einer kürzeren Laufzeit des
Erbbaurechts ist dagegen eine gestaffelte Aufteilung zwischen
Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigtem vorzunehmen
(§ 92 Abs. 3 BewG). Unabhängig davon ist der
Erbbauzinsanspruch beim Grundstückseigentümer und die
Erbbauzinsverpflichtung beim Erbbauberechtigten jeweils
bewertungsrechtlich mit dem Kapitalwert anzusetzen (§ 92 Abs.
5 BewG).
Diese Regelung hat das BVerfG als in sich
folgerichtig beurteilt und die davon abweichende
bewertungsrechtliche Beurteilung von langfristigen Miet- und
Pachtverhältnissen sowie dinglichen Nießbrauchsrechten
damit gerechtfertigt, dass die Bestellung eines Erbbaurechts eine
weitaus stärkere Beschränkung des Eigentums bedeute als
bei den anderen genannten Verträgen. Der wesentliche Inhalt
des Grundstückseigentums, nämlich das Recht zur Bebauung,
werde von diesem getrennt und in einem grundstücksgleichen
Recht, dem Erbbaurecht, verselbständigt. Aus diesem Grund sei
der Gesetzgeber nicht gehindert, an die Grundstücksgleichheit
des Erbbaurechts einerseits und an die Kaufpreisähnlichkeit
des Erbbauzinses andererseits anzuknüpfen und diesen Vorgang -
anders als in den genannten Vergleichsfällen - wie eine
Vermögensumschichtung zu behandeln, wie sie auch beim Verkauf
eines Grundstücks eintreten würde (BVerfG in BStBl II
1995, 810 = SIS 96 09 19).
b) Diese das Bewertungsrecht betreffenden
Erwägungen des BVerfG stehen nicht in Widerspruch zur
Erfassung der Erbbauzinsen als Einnahmen aus Vermietung und
Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.
Das BVerfG hat nämlich in dem genannten Beschluss ferner
ausgeführt, der Grundstückseigentümer erwirtschafte
durch den Erbbauzins eine laufende Rendite; der maßgebliche
wirtschaftliche Gehalt sowohl eines langfristigen Miet- oder
Pachtvertrages oder dinglichen Nießbrauchsrechts als auch
eines Erbbaurechts liege darin, dass der Eigentümer des
Grundstücks die damit einhergehende Nutzungsmöglichkeit
einem Dritten gegen Entgelt überträgt. Allein dies ist
einkommensteuerrechtlich maßgebend und erfordert es, in allen
diesen Fällen das Nutzungsentgelt als Einnahme
gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erfassen und
damit die durch das Nutzungsentgelt gesteigerte
Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Wollte man von der
Besteuerung des Erbbauzinses gemäß § 21 Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 EStG absehen, ergäbe sich ein Verstoß gegen den
Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit und eine Privilegierung des Erbbauzinses im
Vergleich zu anderen Nutzungsentgelten, die - weil sachlich nicht
begründbar - mit Art. 3 Abs. 1 GG kaum vereinbar
wäre.
c) Entgegen der Auffassung der Kläger
wird der Erbbauzins, indem er bewertungsrechtlich mit seinem
Kapitalwert als sonstiges Vermögen angesetzt (§ 92 Abs.
5, § 110 Abs. 1 Nr. 4 BewG) und zugleich
einkommensteuerrechtlich als Einnahmen aus Vermietung und
Verpachtung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erfasst wird,
nicht systemwidrig doppelt steuerlich belastet. Bei der
Nutzungsüberlassung von Grundstücken des
Privatvermögens wird in allen Fällen, bei Miet- und
Pachtverträgen ebenso wie beim Erbbaurecht, die
Vermögenssubstanz allein bewertungsrechtlich erfasst. Das
Einkommensteuerrecht erfasst hingegen - abgesehen von der
Sonderregelung des § 23 EStG - das private Grundvermögen
nicht, sondern nur die daraus erwirtschafteten Erträge
gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Die
Besonderheit des Erbbaurechts besteht lediglich darin, dass die
bewertungsrechtlich zu berücksichtigende
Vermögenssubstanz nach § 92 BewG auf zwei verschiedene
Wirtschaftsgüter verteilt wird, nämlich auf das
Grundstück und das dinglich davon getrennte Recht zur
Bebauung. Bei einer Laufzeit von mindestens 50 Jahren
verdrängt das Erbbaurecht das Eigentum an Grund und Boden
wirtschaftlich insoweit, dass seine Erfassung und Zurechnung beim
Eigentümer nicht mehr gerechtfertigt erscheint (vgl. BVerfG in
BStBl II 1995, 810 = SIS 96 09 19). Diese systemtragende
Grundentscheidung, die die Bewertung des Erbbaurechts kennzeichnet,
hat der Gesetzgeber auch folgerichtig durchgeführt, indem das
Gesetz eine Relation zwischen dem Kapitalwert des Erbbauzinses
(§ 13 Abs. 1 BewG, Hilfstafel 2) und dem Anteil am Bodenwert
(§ 92 Abs. 3 BewG) herstellt. Maßgeblich ist somit die
Überlegung, dass der Erbbauverpflichtete nur in dem Maße
in sein Eigentum (wieder) hineinwachsen kann, wie der Kapitalwert
des Erbbauzinses abnimmt. Damit ist grundsätzlich
sichergestellt, dass der auf den Erbbauverpflichteten entfallende
Anteil am Grundstückswert zusammen mit dem Kapitalwert des
Erbbauzinses wieder den im Gesamtwert enthaltenen
Grundstückswert ergibt (BVerfG in BStBl II 1995, 810 = SIS 96 09 19, m.w.N.).
Insoweit unterscheidet sich der kapitalisierte
Anspruch auf Erbbauzins grundlegend von einer verzinslichen
Kapitalforderung gegen eine Bank, wie sie die Kläger in der
mündlichen Verhandlung als Vergleichsobjekt herangezogen
haben. Der Kapitalwert einer solchen Forderung verringert sich in
der Tat durch die fortlaufenden Tilgungen und ist bei Beendigung
der Kapitalanlage vollständig abgebaut. Der kapitalisierte
Anspruch auf Erbbauzins baut sich hingegen nicht endgültig ab,
sondern es findet eine Rückumschichtung in den
Grundstückswert statt. Am Ende der Laufzeit des Erbbaurechts
steht dem Grundstückseigentümer das Grundstück
wieder ungeschmälert mit seinem vollen Wert zur Verfügung
und ist ihm dementsprechend wieder bewertungsrechtlich zuzurechnen.
Der während der Laufzeit des Erbbaurechts entrichtete
Erbbauzins kann mithin nur - wie eine Miete - als Einnahmen
gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG beurteilt
werden.