Häuslicher Telearbeitsplatz, Herrichtungskosten: 1. Ob und in welchem Umfang die Aufwendungen für das Herrichten eines häuslichen Arbeitszimmers für eine nachfolgende berufliche Tätigkeit als Werbungskosten abziehbar sind, bestimmt sich nach den zu erwartenden Umständen der späteren beruflichen Tätigkeit. Nicht entscheidend ist, ob die beabsichtigte berufliche Nutzung im Jahr des Aufwands bereits begonnen hat. - 2. Bei einem Steuerpflichtigen, der eine in qualitativer Hinsicht gleichwertige Arbeitsleistung wöchentlich an drei Tagen an einem häuslichen Telearbeitsplatz und an zwei Tagen im Betrieb seines Arbeitgebers zu erbringen hat, liegt der Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung im häuslichen Arbeitszimmer. - Urt.; BFH 23.5.2006, VI R 21/03; SIS 06 25 29
I. Streitig ist, inwieweit Aufwendungen im
Zusammenhang mit der Einrichtung eines häuslichen
Telearbeitsplatzes als Werbungskosten berücksichtigt werden
können.
Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist als Versicherungsmathematiker bei einem
Unternehmen der Versicherungswirtschaft (Arbeitgeber)
beschäftigt. Im Frühjahr des Streitjahres 1998 teilte der
Arbeitgeber allen Arbeitnehmern in einem Rundschreiben mit, dass
zukünftig die Möglichkeit zur Telearbeit bestehe und
entsprechende Anträge ab Oktober 1998 eingereicht werden
könnten. Grundsätzlich sollten sich dabei die zu Hause
und die im Büro zu verbringenden Arbeitstage nach bestimmten,
in der Mitteilung näher bezeichneten Modellen richten. Der
Arbeitgeber koppelte die Einrichtung der Telearbeitsplätze an
die Reduzierung betrieblicher Büroflächen und
Schreibtische. Zum Schutz und zur Sicherheit gespeicherter
personenbezogener und unternehmensinterner Daten hatte der
Kläger zu Hause verschiedene Schutzmaßnahmen zu treffen.
Ferner musste der häusliche Arbeitsraum bzw. Arbeitsplatz den
Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung gerecht werden. Die
Technik stellte der Arbeitgeber zur Verfügung. Eine
Aufwandsentschädigung für das Bereitstellen des
häuslichen Arbeitszimmers wurde nicht gezahlt.
In seiner Einkommensteuer-Erklärung
für das Streitjahr machte der Kläger Aufwendungen in
Höhe von 25.244 DM für das Einrichten des
Telearbeitsplatzes bzw. die Renovierung eines Raumes in seinem
Wohnhaus als Werbungskosten geltend. Dazu brachte der Kläger
vor, der betreffende Raum werde von ihm seit dem Februar des
Folgejahres 1999 im Rahmen der Telearbeit als häusliches
Arbeitszimmer genutzt. Zu diesem Zweck habe der Raum
vollständig renoviert werden müssen; die Renovierung sei
Ende Oktober 1998 abgeschlossen worden.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) versagte den beantragten Werbungskostenabzug
zunächst in voller Höhe, weil dem Kläger im
Streitjahr bei seinem Arbeitgeber ein Büro als betrieblicher
Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden habe. Nachdem der
Kläger im Klageverfahren eine Bescheinigung des Arbeitgebers
des Inhalts vorgelegt hatte, dass der Kläger seit Februar 1999
wöchentlich an zwei Tagen im Unternehmen und an drei Tagen zu
Hause gearbeitet hatte, erklärte sich das FA zu einer
teilweisen Berücksichtigung der Aufwendungen in Höhe von
2.400 DM bereit und erließ einen entsprechenden
Änderungsbescheid.
Die Klage, mit der der Kläger den
Abzug sämtlicher Aufwendungen (mit Ausnahme bestimmter
betragsmäßiger Einschränkungen) begehrt hatte,
blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat unter Hinweis auf
das Prinzip der Abschnittsbesteuerung die Auffassung, die
Voraussetzungen für eine Berücksichtigung von
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer seien schon
deswegen nicht gegeben, weil der Kläger das betreffende Zimmer
im streitigen Veranlagungszeitraum beruflich nicht genutzt habe.
Auch wenn auf die künftige tatsächliche Nutzung des
Arbeitszimmers abgestellt werde, sei der Abzug der streitigen
Aufwendungen jedenfalls der Höhe nach auf den bereits
anerkannten Betrag beschränkt. Aus den beim Arbeitgeber des
Klägers praktizierten Modellen und aus der mit dem Kläger
getroffenen Arbeitsvereinbarung ergebe sich, dass zwischen der zu
Hause und der im Büro ausgeübten Telearbeit kein
qualitativer Unterschied bestehe. Hinzu komme, dass der Kläger
in zeitlicher Hinsicht etwa 40 v.H. der gesamten Kerntätigkeit
im betrieblichen Büro ableisten müsse. Ein Mittelpunkt
der gesamten künftigen beruflichen Tätigkeit des
Klägers im häuslichen Arbeitszimmer sei somit nicht
erkennbar. Das Urteil des FG ist in EFG 2003, 928 = SIS 03 29 80
abgedruckt.
Mit seiner Revision rügt der
Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Es lägen vorab
entstandene Werbungskosten vor. Da der Schwerpunkt der
künftigen Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer
liege, seien die streitigen Aufwendungen in unbeschränkter
Höhe abziehbar.
Der Kläger beantragt, das Urteil der
Vorinstanz aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung
und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Entgegen der Ansicht der
Vorinstanz waren die - der Höhe nach bisher nicht
festgestellten - Aufwendungen für das Herrichten des zur
Telearbeit bestimmten Arbeitszimmers unbeschränkt als
Werbungskosten zu berücksichtigen.
1. Seit dem Veranlagungszeitraum 1996 sind die
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer
grundsätzlich nicht mehr als Werbungskosten abziehbar (§
9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 des
Einkommensteuergesetzes - EStG - ). Ein auf höchstens 2.400 DM
(im Streitjahr; jetzt: 1.250 EUR) beschränkter Abzug ist nach
Satz 2 i.V.m. Satz 3 Halbsatz 1 der letztgenannten Vorschrift u.a.
dann möglich, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung
des Arbeitszimmers mehr als 50 v.H. der gesamten betrieblichen und
beruflichen Tätigkeit beträgt. Die Beschränkung der
Höhe nach gilt dann nicht, wenn das Arbeitszimmer den
Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen
Betätigung bildet (Satz 3 Halbsatz 2 der Vorschrift).
2. Der Senat kann im Streitfall offen lassen,
ob (ggf. in welchen Fällen) die genannten
Abzugsbeschränkungen ohne weiteres auf Aufwendungen eines
Arbeitnehmers für einen häuslichen Telearbeitsplatz
übertragen werden können. Die Finanzverwaltung (vgl.
Oberfinanzdirektion - OFD - Kiel, Rundverfügung vom
13.12.1999, S 2145 A - St 233/S 2253 A - St 235, DStR 2000, 632 =
SIS 00 05 88) geht offenbar selbst davon aus, dass bei den
unterschiedlichsten Formen der Telearbeit - als Tätigkeit an
einem dezentralisierten, externen bzw. örtlich ausgelagerten
Arbeitsplatz - betriebliche Interessen des Arbeitgebers eine
maßgebliche Rolle spielen. Insoweit könnten Aufwendungen
eines Steuerpflichtigen für einen Telearbeitsplatz auch derart
zwangsläufig durch die Erwerbstätigkeit veranlasst sein,
dass bereits der Anwendungsbereich der vorgenannten Vorschrift in
Zweifel stehen kann (vgl. Schmidt/Drenseck, EStG, 25. Aufl., §
19 Rz. 60 Stichwort „Arbeitszimmer“, unter 2.
mit Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts -
BVerfG - vom 4.12.2002 2 BvR 400/98 und 1735/00, BVerfGE 107, 27,
46 ff., BStBl II 2003, 534, 540 = SIS 03 19 40; Heuermann/ Wagner,
Das gesamte Lohnsteuerrecht, Teil F Rz. 487; Drenseck, FR 2006, 1,
7).
3. Im Streitfall sind die Kosten für das
Herrichten des künftigen Arbeitszimmers in einen
Telearbeitsplatz auch unter Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1
Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG in unbeschränkter Höhe
abziehbar.
a) Ob und in welchem Umfang die Aufwendungen
für das Herrichten eines häuslichen Arbeitszimmers
für eine nachfolgende berufliche Tätigkeit als
Werbungskosten abziehbar sind, bestimmt sich im Hinblick auf §
4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nach den zu erwartenden Umständen
der späteren beruflichen Tätigkeit (zuletzt Senatsurteile
vom 2.12.2005 VI R 63/03, BStBl II 2006, 329, BFH/NV 2006, 871 =
SIS 06 12 76; vom 9.11.2005 VI R 19/04, BStBl II 2006, 328, BFH/NV
2006, 666 = SIS 06 11 11). Darauf, ob die beabsichtigte berufliche
Nutzung im Jahr des Aufwands bereits begonnen hat, kommt es dabei
nicht an.
Der Werbungskostencharakter derartiger
Aufwendungen ergibt sich erst aus der - anhand objektiver Indizien
erkennbaren - Absicht des Steuerpflichtigen, das Arbeitszimmer nach
Abschluss der Herrichtung zu beruflichen Zwecken verwenden zu
wollen (vgl. Wüllenkemper, Anmerkung in EFG 2004, 1754 = SIS 06 01 93). Die zu erwartenden Umstände dieser künftigen
Nutzung sind daher auch dafür maßgeblich, ob und wenn
ja, in welchem Umfang die Vorbereitungsaufwendungen den bestehenden
gesetzlichen Abzugsbeschränkungen unterliegen (gleicher
Ansicht: Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.8.2003 3 K
292/99, EFG 2004, 97 = SIS 03 38 07; FG Düsseldorf, Urteil vom
14.10.2004 10 K 4057/04 E, EFG 2005, 779 = SIS 05 23 04; FG
Nürnberg, Urteil vom 8.3.2001 IV 343/98, DStR/E 2001, 681 =
SIS 01 83 10; Schmidt/ Drenseck, a.a.O., § 19 Rz. 60 Stichwort
„Arbeitszimmer“ unter 1.;
Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz. 567e; zustimmend
Siegers, Anmerkung in EFG 2005, 781).
Dieser Auffassung steht auch nicht - wie das
FG meint - das Prinzip der Abschnittsbesteuerung entgegen. Dieses
verlangt nicht, außerhalb des Steuerabschnitts liegende
Tatsachen und Umstände bei der periodischen Festsetzung der
Einkommensteuer außer Acht zu lassen (vgl. Schmidt/Seeger,
a.a.O., § 2 Rz. 68).
b) Im Streitfall unterliegen die Aufwendungen
des Klägers nicht den gesetzlichen Abzugsbeschränkungen
des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG. Denn es war abzusehen, dass
sich der Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung des
Klägers nach Aufnahme der Telearbeit im häuslichen
Arbeitszimmer befinden würde.
aa) Ob das häusliche Arbeitszimmer den
Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen
Betätigung (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2
EStG) bildet, bestimmt sich nach der mittlerweile gefestigten
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) danach, ob der
Steuerpflichtige dort diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen
erbringt, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich
und prägend sind (qualitativer Mittelpunkt). Dem zeitlichen
(quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen
Arbeitszimmers kommt im Rahmen dieser Würdigung lediglich eine
indizielle Bedeutung zu (z.B. Senatsurteile vom 13.11.2002 VI R
28/02, BFHE 201, 106, BStBl II 2004, 59 = SIS 03 18 69; VI R 82/01,
BFHE 201, 93, BStBl II 2004, 62 = SIS 03 18 71, und VI R 104/01,
BFHE 201, 100, BStBl II 2004, 65 = SIS 03 18 68; BFH-Urteile vom
23.1.2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43 = SIS 03 23 11; vom 16.12.2004 IV R 19/03, BFHE 208, 263, BStBl II 2005, 212 =
SIS 05 08 82).
Auf der Grundlage dieses Verständnisses
sind die gesetzlichen Voraussetzungen für einen
unbeschränkten Werbungskostenabzug dann nicht erfüllt,
wenn der qualitative Schwerpunkt einer Betätigung
außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers liegt oder wenn
der Aufgabenbereich eines Steuerpflichtigen so vielfältig und
gestreut ist, dass seine Betätigung keinem konkreten
Mittelpunkt zugeordnet werden kann (Senatsurteil vom 21.2.2003 VI R
14/02, BFHE 201, 305, BStBl II 2004, 68 = SIS 03 23 13).
bb) Nach den bindenden tatsächlichen
Feststellungen des FG hat der Kläger an sämtlichen
Wochentagen Arbeitsleistungen erbracht, die in qualitativer
Hinsicht gleichwertig waren. Die daran anknüpfende
Würdigung des FG, ein Betätigungsmittelpunkt des
Klägers im häuslichen Arbeitszimmer sei jedoch nicht
erkennbar, begegnet indessen durchgreifenden rechtlichen
Bedenken.
Im Streitfall wurde durch Einrichtung eines
Telearbeitsplatzes - unter gleichzeitiger Reduzierung betrieblicher
Büroflächen und Schreibtische - der betriebliche
Arbeitsplatz zeitweise örtlich ausgelagert bzw. das
betriebliche Büro ersetzt. Werden in einem solchen Falle
gleichartige und damit in qualitativer Hinsicht gleichwertige
Arbeitsleistungen (alternierend) an drei Tagen an einem
häuslichen Arbeitsplatz und an zwei Tagen im Betrieb des
Arbeitgebers erbracht, so kann sich der Mittelpunkt der gesamten
beruflichen Betätigung nur im häuslichen Arbeitszimmer
befinden. Angesichts dieser qualitativen Wertung kommt - entgegen
der Auffassung des FA - die Abzugsbeschränkung nach § 4
Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 Halbsatz 1 EStG, die sich nur an
quantitativen Merkmalen (mehr als 50 v.H. der Gesamttätigkeit)
orientiert, nicht zur Anwendung.
Dass unter den gegebenen Umständen
bereits im Streitjahr zu erwarten war, dass der häusliche
Telearbeitsplatz zukünftig den Betätigungsmittelpunkt
bilden würde, steht außer Frage.
4. Die Sache ist nicht spruchreif. Ob die
Voraussetzungen für eine Anerkennung der geltend gemachten
Aufwendungen im Übrigen (insbesondere der Höhe nach)
vorliegen, hat das FG im ersten Rechtsgang offen gelassen. Die
Sache geht daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an
die Vorinstanz zurück.