Die Revision des Beklagten gegen das Urteil
des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 22.06.2021 - 3 K 1255/20 =
SIS 21 15 69 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
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I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) sind Eheleute. Sie unterhielten im Streitjahr eine
Wohnung in Z. Der Kläger arbeitet als Botschafter für die
Bundesrepublik Deutschland und war in dieser Funktion bis zum
XX.XX.XXXX in Y (Republik A) und ab dem XX.XX.XXXX in X (Republik
B) tätig. Die Bezüge wurden von seinem Arbeitgeber
teilweise als steuerpflichtig und teilweise als steuerfrei
behandelt.
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Während seiner Dienstzeit wies das
Auswärtige Amt dem Kläger in der jeweiligen Residenz
belegene Wohnungen mit Flächen von 249,22 qm (Y) und 185,62 qm
(X) beamtenrechtlich zu. Hierfür wurde ihm eine
Dienstwohnungsvergütung vom Gehalt einbehalten.
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Der Beklagte und Revisionskläger
(Finanzamt - FA - ) erkannte die von den Klägern für
diese Wohnungen geltend gemachten Unterkunftskosten
(Dienstwohnungsvergütung und Nebenkosten) im Rahmen der
doppelten Haushaltsführung des Klägers auch im
Einspruchsverfahren lediglich anteilig bezogen auf eine
Wohnfläche von 60 qm an.
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Der dagegen erhobenen Klage gab das
Finanzgericht (FG) mit den in EFG 2021, 1708 = SIS 21 15 69 veröffentlichten
Gründen statt.
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Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
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Es beantragt,
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das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom
22.06.2021 - 3 K 1255/20 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
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die Revision zurückzuweisen.
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II. Die Revision des FA ist unbegründet
und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat die dem Kläger
entstandenen Unterkunftskosten (Dienstwohnungsvergütung und
die vom Kläger getragenen Nebenkosten) - vorbehaltlich der
Anwendung des § 3c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) -
zu Recht in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten im
Rahmen seiner doppelten Haushaltsführung
berücksichtigt.
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1. Dass der Kläger nach § 1 Abs. 1
Satz 1 EStG im Streitjahr mit sämtlichen Einkünften im
Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG unbeschränkt
einkommensteuerpflichtig war, ist zwischen den Beteiligten zu Recht
nicht streitig. Ebenso steht nicht in Streit, dass das aufgrund der
unbeschränkten Einkommensteuerpflicht des Klägers
begründete innerstaatliche Besteuerungsrecht für die aus
seiner Tätigkeit als Botschafter stammenden Einkünfte
weder durch das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Republik A zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem
Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen ... noch
durch das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Republik B zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der
Steuern vom Einkommen und vom Vermögen ... ausgeschlossen ist.
Der erkennende Senat sieht deshalb insoweit von einer weiteren
Begründung ab.
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2. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr.
5 Satz 1 EStG sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen,
die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten
Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte
Haushaltsführung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer
außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte
einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten
Tätigkeitsstätte wohnt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz
2 EStG).
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a) Die Voraussetzungen einer beruflich
veranlassten doppelten Haushaltsführung sind im Streitfall
erfüllt, wie das FG ohne Rechtsfehler entschieden hat. Hiervon
gehen auch die Beteiligten übereinstimmend aus. Der Senat
sieht auch insoweit von einer weiteren Begründung ab.
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b) § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG
enthält mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2014 eine
besondere Bestimmung zur steuerlichen Berücksichtigung von
Unterkunftskosten bei einer doppelten Haushaltsführung im
Inland. Die Prüfung der in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1
EStG vorgesehenen Beschränkung auf notwendige Mehraufwendungen
entfällt in diesem Fall (ebenso Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 25.11.2020, BStBl I
2020, 1228 = SIS 20 19 29, Rz 106).
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Angesichts des eindeutigen Wortlauts
(„im Inland“) scheidet eine Anwendung
der Regelung auf einen - wie im Streitfall - im Ausland belegenen
Zweithaushalt indes aus. Insoweit verbleibt es bei der gesetzlichen
Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG, wonach
notwendige Unterkunftskosten, das heißt begrenzt auf das nach
objektiven Maßstäben zur Zweckverfolgung Erforderliche,
als Werbungskosten abzugsfähig sind (z.B. Senatsbeschluss vom
12.07.2017 - VI R 42/15, BFHE 258, 439, BStBl II 2018, 13 = SIS 17 16 22, Rz 9).
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c) Eine Typisierung dahingehend, dass
Unterkunftskosten, die den Durchschnittsmietzins einer 60
qm-Wohnung am Beschäftigungsort nicht überschreiten,
notwendig in diesem Sinne sind - wie der erkennende Senat in der
bis zum Veranlagungszeitraum 2013 geltenden Fassung für
Inlandssachverhalte angenommen hat (s. Senatsurteil vom 09.08.2007
- VI R 10/06, BFHE
218, 380, BStBl II 2007, 820 = SIS 07 29 04, unter II.2. sowie
Senatsbeschluss vom 12.07.2017 - VI R 42/15, BFHE 258, 439, BStBl
II 2018, 13 = SIS 17 16 22, Rz 10, m.w.N.) -, kommt für
Auslandssachverhalte und damit im Streitfall nicht in Betracht
(entgegen: BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228 = SIS 20 19 29, Rz 112).
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aa) Der Senat hat sich bei dieser
typisierenden Bestimmung des notwendigen zusätzlichen
Wohnbedarfs am Beschäftigungsort an dem inländischen
sozialhilferechtlich anerkannten Mindestbedarf für Unterkunft
und Wohnen einer Person nach § 22 des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch und der zu dieser Vorschrift ergangenen
sozialrechtlichen Rechtsprechung orientiert (s. Senatsurteil vom
09.08.2007 - VI R 10/06, BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820 = SIS 07 29 04, unter II.2.d aa) und diesen im Hinblick auf die Finanzierung
durch die eigene Berufstätigkeit auf 60 qm angehoben, da die
sozialrechtlichen Vorgaben lediglich einer existenziellen
Versorgung dienen (sogenannte „60
qm–Rechtsprechung“). Die vorgenommene
Typisierung des Tatbestandsmerkmals
„notwendig“ gründet damit im
Wesentlichen auf einem nach inländischen Verhältnissen
bemessenen Merkmal, das sich als Maßgröße für
die Notwendigkeit von Unterkunftskosten im Ausland nicht fruchtbar
machen lässt.
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bb) Im Übrigen ist eine
„Übertragung“ der sogenannten
„60 qm–Rechtsprechung“ auf
Auslandssachverhalte schon deshalb nicht angezeigt, weil die
dahingehende typisierende Gesetzesauslegung des Tatbestandsmerkmals
„notwendig“ nicht der einfacheren
Handhabung in steuerlichen Massenverfahren dient. Sie ist vielmehr
bei Auslandssachverhalten nicht handhabbar. Denn belastbare
Feststellungen zum ortsüblichen Mietzins je Quadratmeter
für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittliche Wohnung
(Durchschnittsmietzins) am ausländischen
Beschäftigungsort können in der Regel - auch unter
Berücksichtigung der erhöhten Mitwirkungspflichten des
Steuerpflichtigen (§ 90 Abs. 2 der Abgabenordnung) - weder von
den Beteiligten im Veranlagungsverfahren erhoben noch von den
Finanzgerichten belastbar überprüft werden. Dies belegt
auch der vorliegende Streitfall, in welchem das FA zugunsten der
Kläger mangels anderweitiger Erkenntnisse lediglich
unterstellt hat, dass die tatsächlich vom Kläger gezahlte
Dienstwohnungsvergütung der ortsüblichen Vergleichsmiete
einer durchschnittlichen Wohnung entsprach.
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cc) Hinzu kommt, dass eine Typisierung sich
realitätsgerecht am typischen Fall orientieren muss (z.B.
Senatsurteil vom 29.04.2021 - VI R 31/18, BFHE 273, 183, BStBl II
2021, 606 = SIS 21 11 09, Rz 19, m.w.N.). Ein solch typischer Fall
lässt sich für Unterkunftskosten aufgrund einer doppelten
Haushaltsführung im Ausland aber schon deshalb nicht
ausmachen, weil diese maßgebend von den jeweiligen
Gegebenheiten im einzelnen Land geprägt sind. Bei einer
doppelten Haushaltsführung im Ausland ist deshalb stets im
Einzelfall zu prüfen, welche Unterkunftskosten im Ausland
notwendig, das heißt nach objektiven Maßstäben zur
Zweckverfolgung erforderlich sind (entgegen: BMF-Schreiben vom
25.11.2020, BStBl I 2020, 1228 = SIS 20 19 29, Rz 112).
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3. Nach diesen Maßstäben sind die
vom Kläger für seine Zweitwohnungen in X und Y gezahlten
Unterkunftskosten - vorbehaltlich der Anwendung des § 3c Abs.
1 EStG - in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten im
Rahmen seiner doppelten Haushaltsführung zu
berücksichtigen, da sie nach objektiven Maßstäben
insgesamt zur Zweckverfolgung erforderlich waren.
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Das FG hat insoweit für den Senat bindend
(§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, dass die in den jeweiligen
Residenzen belegenen Wohnungen dem Kläger vom Auswärtigen
Amt nach § 72 Abs. 2 des Bundesbeamtengesetzes zugewiesen
wurden. Danach kann der Dienstvorgesetzte anweisen, wenn die
dienstlichen Verhältnisse es erfordern, dass eine
Dienstwohnung zu beziehen ist. In solchen Fällen sind die vom
Steuerpflichtigen zu tragenden Unterkunftskosten für die
zugewiesene Dienstwohnung nach objektiven Maßstäben in
voller Höhe zur Zweckverfolgung erforderlich (ebenso:
Schmidt/Krüger, EStG, 42. Aufl., § 9 Rz 246;
Tormöhlen in Korn, § 3 Nr. 13 EStG Rz 12; entgegen:
Brandis/Heuermann/Thürmer, § 9 EStG Rz 400).
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4. Das FG hat die Unterkunftskosten
gemäß § 3c Abs. 1 EStG schließlich zu Recht
nicht als Werbungskosten abgezogen, soweit sie in unmittelbarem
wirtschaftlichen Zusammenhang mit den steuerfreien Bezügen des
Klägers standen. Da dies zwischen den Beteiligten nicht in
Streit steht, sieht der Senat insoweit von weiteren
Ausführungen ab.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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