Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Köln vom 25.06.2019 - 1 K 2623/15 = SIS 19 22 12 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
1
|
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) firmierte seit 2002 als ... AG und firmiert seit
einer formwechselnden Umwandlung im Jahr 2018 unter ... GmbH.
Örtlich zuständiges Finanzamt für die Klägerin
war zunächst das Finanzamt ... (FA A). Am 30.04.2015 wurde der
Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) örtlich
zuständig.
|
|
|
2
|
Am ...11.2013 eröffnete das
Amtsgericht ... (Insolvenzgericht) über das Vermögen der
Klägerin auf deren Antrag das Insolvenzverfahren.
|
|
|
3
|
Am 05.02.2014 ging beim FA A ein Schreiben
des FA ein, in dem dieses mitteilte, dass bei der Klägerin
durch die beim FA angesiedelte Zentrale Außenprüfung
Lohnsteuer (ZALSt) eine Lohnsteuer-Außenprüfung für
den Zeitraum 01.01.2011 bis 31.12.2013 angeordnet worden
sei.
|
|
|
4
|
Einem von der Klägerin als
Insolvenzschuldnerin vorgelegten Insolvenzplan stimmten
Gläubiger und Aktionäre im Erörterungs- und
Abstimmungstermin vom 20.03.2014 mit den erforderlichen Mehrheiten
zu. Das Insolvenzgericht bestätigte den Insolvenzplan durch am
15.07.2014 rechtskräftig gewordenen Beschluss.
|
|
|
5
|
Auf Seite 192 des Insolvenzplans
heißt es unter Teil II. Gestaltender Teil, E. Regelungen
Planquoten/Quotenberechtigung/Präklusion, 4. Ausschlussfrist
Nachzügler:
|
|
|
|
„Gläubiger, die ihre Forderungen
nicht innerhalb einer Frist von einem (1) Monat nach
rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans (die
‘Ausschlussfrist’) zur
Insolvenztabelle angemeldet haben, erhalten keine Planquote. Die
Forderungen dieser Gläubiger erlöschen mit Ablauf der
Ausschlussfrist.
|
|
|
|
Die Ausschlussfrist gilt nicht, wenn der
Gläubiger die Frist ohne sein Verschulden nicht eingehalten
hat (vgl. § 233 ZPO) und seine Forderung innerhalb einer
zweiwöchigen Nachfrist, beginnend mit dem Tag, an dem das
Hindernis behoben ist (§ 234 Abs. 1, Abs. 2 ZPO),
gegenüber der Schuldnerin schriftlich geltend macht. Das
fehlende Verschulden und die Einhaltung der zweiwöchigen
Nachfrist sind vom Gläubiger darzulegen und zu
beweisen.
|
|
|
|
Ergänzend und hilfsweise gilt die
gesetzliche Regelung, § 259b InsO.
|
|
|
|
...“
|
|
|
6
|
Mit Schreiben vom 22.07.2014 wies die
Klägerin bezüglich eines anderweitigen Streitpunkts zu
einer Lohnsteuer-Anmeldung das FA A darauf hin, dass die
betreffende Lohnsteuerforderung im laufenden Verfahren zur
Insolvenztabelle angemeldet werden müsse.
|
|
|
7
|
Mit Beschluss vom 15.09.2014 hob das
Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen
der Klägerin auf.
|
|
|
8
|
Die vorgenannte
Lohnsteuer-Außenprüfung dauerte vom 10.03.2014 bis zum
27.08.2014. Der Prüfungsbericht datiert vom 01.10.2014 und
ging am selben Tag beim FA A ein. Die Feststellungen beziehen sich
ausschließlich auf den Zeitraum vor der
Insolvenzeröffnung.
|
|
|
9
|
Ebenfalls am 01.10.2014 erließ das FA
A gegenüber der Klägerin einen Haftungs- und
Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer,
Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für den Zeitraum
Januar 2011 bis Dezember 2013 in Höhe von insgesamt 74.754,25
EUR. Zur Begründung verwies es auf den Prüfungsbericht
und führte ergänzend aus, die Klägerin habe sich mit
der Inhaftungnahme einverstanden erklärt, ein
Haftungsausschluss liege nicht vor.
|
|
|
10
|
Das aufgrund der Verlegung des
Geschäftssitzes der Klägerin mittlerweile zuständig
gewordene FA wies deren Einspruch mit Entscheidung vom 27.08.2015
als unbegründet zurück.
|
|
|
11
|
Am 14.10.2015 pfändete es wegen eines
Gesamtbetrags an rückständigen Abgaben aus dem streitigen
Haftungs- und Nachforderungsbescheid in Höhe von 36.629,54 EUR
in das Bankkonto der Klägerin. Die Bank zahlte den Betrag
vollständig, was rechnerisch 49 % der im Bescheid
festgesetzten Beträge entsprach. Auf im Insolvenzplanverfahren
angemeldete Forderungen hatte das FA A zuvor eine Quote von 60 %
erhalten.
|
|
|
12
|
Die Klage der Klägerin, mit der sie
die Feststellung der Nichtigkeit des Haftungs- und
Nachforderungsbescheids, hilfsweise dessen Aufhebung wegen
Rechtswidrigkeit begehrte, hatte vor dem Finanzgericht (FG) Erfolg.
Das FG stellte die Nichtigkeit des Haftungs- und
Nachforderungsbescheids fest, da das FA im Bekanntgabezeitpunkt
keine rechtliche Befugnis mehr zu deren Erlass gehabt habe.
|
|
|
13
|
Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
|
|
|
14
|
Es beantragt,
|
|
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
|
|
|
15
|
Die Klägerin beantragt,
|
|
die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
|
|
|
16
|
II. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat den
streitgegenständlichen Haftungs- und Nachforderungsbescheid
vom 01.10.2014 zu Unrecht als nichtig angesehen.
|
|
|
17
|
1. Das FA A durfte den auf § 42d und
§§ 37a, 37b, 40, 40a, 40b des Einkommensteuergesetzes
(EStG) gestützten Haftungs- und Nachforderungsbescheid am
01.10.2014 als zu diesem Zeitpunkt zuständiges FA
gegenüber der Klägerin erlassen.
|
|
|
18
|
a) War eine Steuer- oder Haftungsforderung vor
der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht durch Bescheid
festgesetzt und ist auch keine Anmeldung zur Insolvenztabelle
erfolgt, so kann die Forderung im Anschluss an das Verfahren gegen
den Schuldner durch Bescheid festgesetzt werden, soweit dem nicht
Restschuldbefreiung oder ein Insolvenzplan entgegenstehen (s. Roth,
Insolvenzsteuerrecht, 3. Aufl. 2020, Rz 3.205). Im Fall des
Insolvenzplanverfahrens beschließt das Insolvenzgericht die
Aufhebung des Insolvenzverfahrens, sobald die Bestätigung des
Insolvenzplans rechtskräftig ist und der Insolvenzplan nicht
etwas anderes vorsieht (§ 258 Abs. 1 der Insolvenzordnung -
InsO - ).
|
|
|
19
|
b) Vorliegend wurde das Insolvenzverfahren
über das Vermögen der Klägerin nach
rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans durch
Beschluss des Insolvenzgerichts vom 15.09.2014 rechtskräftig
aufgehoben. Damit war die eingetretene Unterbrechung des
Steuerfestsetzungsverfahrens und damit der sich aus § 87 InsO
ergebende Vorrang des Insolvenzverfahrens gegenüber dem
Festsetzungsverfahren beendet (s. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH
- vom 18.12.2002 - I R 33/01, BFHE 201, 392, BStBl II 2003, 630 =
SIS 03 23 23). Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erloschen
nicht nur die Ämter des Insolvenzverwalters und der Mitglieder
des Gläubigerausschusses, sondern die Klägerin erhielt
als Schuldnerin das Recht zurück, über die Insolvenzmasse
frei zu verfügen (§ 259 Abs. 1 InsO). Dies ist zwischen
den Beteiligten dem Grunde nach auch unstreitig, insbesondere
unterfielen die streitgegenständlichen Haftungs- und
Nachforderungsbeträge nach den bindenden Feststellungen des FG
(§ 118 Abs. 2 FGO) nicht der Nachtragsverteilung. Der Senat
sieht daher insoweit von weiteren Ausführungen ab.
|
|
|
20
|
c) Eine Leistungsklage vor den ordentlichen
Gerichten - wie die Klägerin meint - kommt für
Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs.
1 der Abgabenordnung - AO - ) nicht in Betracht. Steuern werden
nach § 155 Abs. 1 Satz 1 AO durch Steuerbescheid festgesetzt;
wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner),
kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden (§ 191
Abs. 1 Satz 1 AO).
|
|
|
21
|
2. Dem Erlass des Haftungs- und
Nachforderungsbescheids standen das Insolvenzplanverfahren und
dessen Wirkungen nicht entgegen. Insbesondere sind die
Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht i.S. des
§ 47 AO erloschen.
|
|
|
22
|
a) Abweichend von den Vorschriften der InsO
können die Befriedigung der absonderungsberechtigten
Gläubiger und der Insolvenzgläubiger, die Verwertung der
Insolvenzmasse und deren Verteilung an die Beteiligten sowie die
Verfahrensabwicklung und die Haftung des Schuldners in einem
Insolvenzplan geregelt werden (§ 217 Satz 1 InsO).
|
|
|
23
|
aa) Während im Regelinsolvenzverfahren
die Insolvenzgläubiger einschließlich der nicht am
Verfahren beteiligten Gläubiger (vgl. Meller-Hannich in
Jaeger, Insolvenzordnung, 1.Aufl., Sechster Band, § 201 Rz 4
ff.) gemäß § 201 Abs. 1 InsO ihre verbleibenden
Forderungen nach Verfahrensaufhebung uneingeschränkt gegen den
Schuldner geltend machen können, wird der Schuldner im
Insolvenzplanverfahren nach § 227 Abs. 1 InsO mit der im
gestaltenden Teil vorgesehenen Befriedigung der
Insolvenzgläubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten
gegenüber diesen Gläubigern befreit, sofern im
Insolvenzplan nichts anderes bestimmt ist. Die im gestaltenden Teil
des Insolvenzplans geregelten Wirkungen treten gemäß
§ 254 Abs. 1 InsO mit der Rechtskraft der Bestätigung des
Insolvenzplans für und gegen alle Beteiligten ein; nach §
254b InsO auch für Insolvenzgläubiger, die ihre
Forderungen nicht angemeldet haben (sog. Nachzügler). Diese
Personen unterliegen mithin nicht nur den negativen, sondern auch
den positiven Planwirkungen. Sie können damit die Planquote
beanspruchen, die auf Forderungen ihrer Art im Insolvenzplan
festgeschrieben wurde (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH -
vom 10.05.2012 - IX ZR 206/11, Rz 10 f., und BGH-Beschluss vom
07.05.2015 - IX ZB 75/14, Rz 12).
|
|
|
24
|
Der Plan bildet fortan die allein
maßgebliche Grundlage für die gesamte Vermögens-
und Haftungsabwicklung und auch die betroffenen Abgabenforderungen
unterliegen nur noch dessen Festlegungen (BFH-Urteil vom 22.10.2014
- I R 39/13, BFHE 247, 300, BStBl II 2015, 577 = SIS 14 33 39, Rz
15, m.w.N.).
|
|
|
25
|
bb) Soweit Insolvenzforderungen nach §
227 Abs. 1 InsO als erlassen gelten oder ein sog. Verzicht auf sie
fingiert wird, sind sie nicht erloschen, sondern bestehen als
natürliche, unvollkommene Verbindlichkeiten fort, deren
Erfüllung möglich ist, aber nicht erzwungen werden kann
(s. BGH-Urteil vom 19.05.2011 - IX ZR 222/08, HFR 2011, 1380 = SIS 11 20 66, Rz 8; Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12.09.2013 - 6
AZR 907/11, Rz 28). Die mit dem Insolvenzplan bewirkte Befreiung
berührt damit nicht den Bestand der Forderungen als solchen,
sondern nur deren Durchsetzbarkeit.
|
|
|
26
|
Dies gilt auch für Ansprüche aus dem
Steuerschuldverhältnis (s. BFH-Beschlüsse vom 15.05.2013
- VII R 2/12 = SIS 13 25 03, Rz 13, und vom 15.11.2018 - XI B 49/18
= SIS 18 21 15, Rz 18). Die Zustimmung der Finanzbehörde zu
einem Insolvenzplan ersetzt daher weder eine Stundung noch einen
Erlass i.S. der §§ 222, 227 AO. Folglich erlöschen
die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. des
§ 47 AO auch dann nicht mit der Zustimmung zu einem
Insolvenzplan, wenn der Plan einen (Teil-)Erlass der Ansprüche
vorsieht (Boeker in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 47 AO Rz
61; ebenso Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom
09.08.2019 - 4 W 52/19, Rz 38; s.a. FG Münster, Urteil vom
09.09.2016 - 4 K 2154/15, EFG 2016, 1891 = SIS 16 24 46, in Bezug
auf eine erteilte Restschuldbefreiung). Es besteht nur ein
Vollstreckungs- und Aufrechnungsverbot (Loose in Tipke/Kruse,
§ 251 AO Rz 116; derselbe, Steuern und Wirtschaft 1999, 20,
27; ebenso Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu § 251 Nr.
11; Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 13.
Aufl. 2020, Rz 1105; Obermair, Der Steuerberater 2005, 212, 216;
Bartone, Der AO-Steuerberater 2005, 155, 156 f.; Fett/Barten, DStZ 1998, 885, 886 f.; Krumm, Steuervollzug und formelle Insolvenz,
191).
|
|
|
27
|
cc) Gewillkürte
Präklusionsvorschriften im Insolvenzplan, durch die
Insolvenzgläubiger, die sich am Insolvenzverfahren nicht
beteiligt haben, mit ihren Forderungen auch in Höhe der im
Plan auf Forderungen ihrer Art festgeschriebenen Quote
ausgeschlossen sind (materielle Ausschlussklausel), sind nach der
Rechtsprechung des BGH nicht zulässig (grundlegend
BGH-Beschluss vom 07.05.2015 - IX ZB 75/14, Rz 15 f.;
ergänzend BGH-Beschluss vom 03.12.2015 - IX ZA 32/14).
Präklusionsklauseln, die den Verlust des Anspruchs gegen den
Schuldner nach Maßgabe des Insolvenzplans bewirken, sind
vielmehr unwirksam, soweit sie über die Wirkung der
Verjährungsvorschrift hinausgehen (BGH-Beschluss vom
07.05.2015 - IX ZB 75/14, Rz 16).
|
|
|
28
|
b) Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu
Unrecht entschieden, dass das FA im Streitfall ausnahmsweise an
einer Festsetzung der Haftungs- und Steuerschulden gehindert war.
Das FG-Urteil kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann
aufgrund der getroffenen Feststellungen in der Sache selbst
entscheiden.
|
|
|
29
|
aa) Insbesondere ist das FA mit den streitigen
Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nicht wegen der
Bestimmung Teil II. Gestaltender Teil, E. Regelungen
Planquoten/Quotenberechtigung/Präklusion, 4. Ausschlussfrist
Nachzügler des Insolvenzplans präkludiert.
|
|
|
30
|
bb) Denn die dort geregelte materielle
Ausschlussfrist greift entgegen der Ansicht des FG im Streitfall
schon tatbestandlich nicht ein. Das FA A hat nämlich die
Ausschlussfrist nach Teil II.E.4 Abs. 2 des Insolvenzplans
unverschuldet nicht eingehalten und die hier streitigen Forderungen
rechtzeitig innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des
Hindernisses schriftlich gegenüber der Klägerin geltend
gemacht.
|
|
|
31
|
(1) Die streitigen Haftungs- und
Nachforderungsbeträge resultieren aus der vom 10.03.2014 bis
zum 27.08.2014 durchgeführten
Lohnsteuer-Außenprüfung. Die Forderungen waren dem FA A
bis einen Monat nach rechtskräftiger Bestätigung des
Insolvenzplans noch nicht bekannt, da die den Forderungen zugrunde
liegenden Sachverhalte erst durch diese Prüfung aufgedeckt
wurden. Kenntnis von den Forderungen erlangte das FA A daher erst
durch den Prüfungsbericht vom 01.10.2014, woraufhin es noch am
selben Tag den Haftungs- und Nachforderungsbescheid erlassen
hat.
|
|
|
32
|
Gegenteiliges hat das FG nicht festgestellt.
Es hat auch nicht festgestellt, dass die ZALSt die
Lohnsteuer-Außenprüfung schuldhaft verzögert
durchgeführt oder das FA A schuldhaft verzögert über
die Ansprüche gegen die Klägerin, die sich aus den
Prüfungsfeststellungen ergaben, informiert hat. Auf die
unstreitig gegebene Kenntnis des FA A von dem
Insolvenzplanverfahren kommt es insoweit nicht an.
|
|
|
33
|
(2) Das Hindernis zur Anmeldung der Haftungs-
und Nachforderungsbeträge wurde mit dem Prüfungsbericht
vom 01.10.2014 behoben. Noch am selben Tag hat das FA A den
Haftungs- und Nachforderungsbescheid erlassen.
|
|
|
34
|
(3) Aufgrund dessen braucht der erkennende
Senat die in der Literatur umstrittene (bejahend in
MüKoInsO/Madaus, 4. Aufl., Bd. 3, § 254b Rz 12 und §
259b Rz 5; derselbe, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2016,
1141, 1146; Sonnleitner/Strotkemper/Krüsmann, Zeitschrift
für das gesamte Insolvenzrecht - ZInsO - 2016, 1545, 1548;
Fehst/Engel in Sonnleitner, Insolvenzsteuerrecht, 1. Aufl. 2017, Rz
167, 169; Uhlenbruck/Lüer/Streit, Insolvenzordnung, 15. Aufl.,
§ 254 Rz 9 und § 254b Rz 15; Freund/Stadler in BeckOK
InsO/Fridgen/Geiwitz/Göpfert, 23. Ed. [15.04.2021], §
254b Rz 6; Roth, a.a.O., Rz 3.210a; ebenso Landgericht
Düsseldorf, Urteil vom 27.04.2017 - 14d O 10/14, Rz 49;
verneinend Haas in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur
Insolvenzordnung, 10. Aufl. 2020, § 254b Rz 3; Piekenbrock in
Jaeger, Insolvenzordnung, § 254 Rz 39 und § 254b Rz 10;
Spahlinger in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, 89. Lieferung
08.2021, § 217 InsO Rz 46a, § 254 Rz 6b und 73. Lieferung
09.2017, § 254b Rz 6; Takjas/Kunkel, ZInsO 2017, 1196;
Tresselt/Kamp, Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und
Insolvenzrecht 2017, 501, 505; Schmidt, Zeitschrift für
Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht 2018, 263, 265) und
höchstrichterlich noch nicht geklärte Frage, ob die
rechtskräftige gerichtliche Bestätigung des
Insolvenzplans (hier durch am 15.07.2014 rechtskräftig
gewordenen Beschluss des Insolvenzgerichts) die an sich gegebene
Unwirksamkeit einer materiellen Präklusionsklausel
„überwindet“, d.h.
„heilt“, im Streitfall deshalb
nicht zu entscheiden.
|
|
|
35
|
cc) Da das FA A die Ausschlussfrist schuldlos
versäumt hat, durfte es seine Forderungen als
„normaler Nachzügler“ i.S.
des § 254b InsO in voller Höhe mit Haftungs- und
Nachforderungsbescheid festsetzen. Denn nach den Ausführungen
unter II.2.a bb bestanden die Forderungen als natürliche,
unvollkommene Verbindlichkeiten fort. Die durch den Insolvenzplan
bewirkte teilweise Befreiung der Klägerin von ihren
Verbindlichkeiten, die auch das FA gegen sich gelten lassen muss,
führt nur zu einem Vollstreckungs- und Aufrechnungsverbot. Da
die Frage, in welcher Höhe das FA seine Forderungen im
Hinblick auf den rechtskräftig gerichtlich bestätigten
Insolvenzplan gegen die Klägerin vollstrecken darf, hiernach
nur im Erhebungsverfahren relevant ist, war das FA A bei Erlass des
Haftungs- und Nachforderungsbescheids zudem nicht auf eine
Festsetzung lediglich in Höhe der Planquote beschränkt
(a.A. Pfirrmann, Festschrift Gosch, Änderung von
Steuerbescheiden nach rechtskräftiger Bestätigung eines
Insolvenzplanes, 321, 324).
|
|
|
36
|
dd) Schließlich steht auch die
Verjährungsfrist des § 259b InsO dem Erlass des Haftungs-
und Nachforderungsbescheids nicht entgegen.
|
|
|
37
|
Die Forderung eines Insolvenzgläubigers,
die nicht bis zum Abstimmungstermin angemeldet worden ist,
verjährt nach § 259b Abs. 1 InsO in einem Jahr. Die Frist
beginnt gemäß § 259b Abs. 2 InsO, wenn die
Forderung fällig und der Beschluss rechtskräftig ist,
durch den der Insolvenzplan bestätigt wurde.
|
|
|
38
|
Unabhängig davon, ob die Fälligkeit
der streitigen Beträge erst nach Erlass des Haftungs- und
Nachforderungsbescheids eingetreten ist oder ob diese
gemäß § 41 Abs. 1 InsO bereits infolge des
Insolvenzverfahrens als fällig galten, ist die Jahresfrist
vorliegend gewahrt. Denn der den Insolvenzplan bestätigende
Beschluss des Insolvenzgerichts wurde (erst) am 15.07.2014
rechtskräftig, während das FA A den Haftungs- und
Nachforderungsbescheid (noch) am 01.10.2014 erlassen hat.
|
|
|
39
|
3. Dass die Voraussetzungen für den
Erlass des Haftungs- und Nachforderungsbescheids nach § 42d
und §§ 37a, 37b, 40, 40a, 40b EStG gegeben sind, steht
zwischen den Beteiligten nicht in Streit. Materiell-rechtliche
Einwände gegen die Festsetzungen oder Ermessensfehler hat die
Klägerin nicht geltend gemacht. Die
Prüfungsfeststellungen wurden ausweislich der Akten zudem im
Einvernehmen mit der Klägerin getroffen.
|
|
|
40
|
4. Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die
Klägerin zu tragen (§ 135 Abs. 1 FGO).
|