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§ 34 EStG bei Überstundenvergütungen

§ 34 EStG bei Überstundenvergütungen: Werden Überstundenvergütungen für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten veranlagungszeitraumübergreifend geleistet, ist die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 2. Halbsatz EStG zu gewähren. - Urt.; BFH 2.12.2021, VI R 23/19; SIS 22 04 31

Kapitel:
Unternehmensbereich > Lohnsteuer > Arbeitslohn
Fundstellen
  1. BFH 02.12.2021, VI R 23/19 (ECLI:DE:BFH:2021:U.021221.VIR23.19.0)
    DStR 2022 S. 610
    BFH/NV 2022 S. 488
    NJW 2022 S. 1272

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 27.6.2022
    S. Geserich in StBB 5/2022 S. 9
    S. Geserich in BFH/PR 6/2022 S. 142
    J. H. in StuB 8/2022 S. 315
    KAM in Stbg 9/2022 S. M 8
    B. Rätke in BBK 8/2022 S. 351
Normen
[EStG] § 34 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 2
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Münster, 23.05.2019, SIS 19 10 53, Überstundenvergütung, Arbeitsverhältnis, Mehrjährige Tätigkeit, Außerordentliche Einkünfte, Aufhebung, Einheitliche Leistung
Zitiert in... / geändert durch...
  • BFH 15.12.2022, SIS 23 03 38, Zu den Voraussetzungen der Tarifermäßigung nach § 34 EStG: 1. Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Ab...
Anmerkung RiBFH Dr. Geserich

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 23.05.2019 - 3 K 1007/18 E = SIS 19 10 53 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

 

1

I. Die Beteiligten streiten über die Gewährung der Tarifermäßigung nach § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die Vergütung von Überstunden.

 

 

2

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind verheiratet und wurden für das Streitjahr 2016 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger war bei der ... GmbH (GmbH) als Arbeitnehmer nichtselbständig tätig. In den Jahren 2013 bis 2015 hatte er rund 330 Überstunden geleistet. Davon entfielen 115,75 Stunden auf das Jahr 2013, 114,5 Stunden auf das Jahr 2014 und 99,5 Stunden auf das Jahr 2015.

 

 

3

Mit Vertrag von August 2016 vereinbarte der Kläger mit der GmbH die Aufhebung des Arbeitsvertrags zum 30.11.2016. Der Aufhebungsvertrag sah u.a. vor, dass die GmbH mit der Lohnabrechnung für August 2016 rückwirkend für die Vorjahre die 330 geleisteten und bislang nicht ausgezahlten Überstunden mit einem Betrag von insgesamt ... EUR brutto vergütet.

 

 

4

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr gaben die Kläger die für die Überstunden erhaltene Zahlung in der Anlage N unter „Entschädigungen / Arbeitslohn für mehrere Jahre“ an.

 

 

5

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) gewährte die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG auch im Einspruchsverfahren nicht.

 

 

6

Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen erhobenen Klage mit in EFG 2019, 1199 = SIS 19 10 53 veröffentlichten Gründen statt.

 

 

7

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

 

 

8

Es beantragt,

 

das Urteil des FG Münster vom 23.05.2019 - 3 K 1007/18 E aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

9

Die Kläger beantragen,

 

die Revision zurückzuweisen.

 

 

10

II. Die Revision des FA ist unbegründet. Sie ist deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die im Streitjahr ausgezahlten Überstundenvergütungen nach § 34 EStG ermäßigt zu besteuern sind.

 

 

11

1. Als ermäßigt zu besteuernde außerordentliche Einkünfte kommen insbesondere Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in Betracht (§ 34 Abs. 2 Nr. 4 1. Halbsatz EStG).

 

 

12

a) Nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 2. Halbsatz EStG ist eine Tätigkeit mehrjährig, soweit sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst. Allerdings reicht es nicht aus, dass der Arbeitslohn in einem anderen Veranlagungszeitraum als dem zufließt, zu dem er wirtschaftlich gehört, und dort mit weiteren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zusammentrifft. Die Entlohnung muss vielmehr für sich betrachtet zweckbestimmtes Entgelt für eine mehrjährige Tätigkeit sein, die Vergütung folglich für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten und veranlagungszeitraumübergreifend geleistet werden (z.B. Senatsurteile vom 03.07.1987 - VI R 43/86, BFHE 150, 431, BStBl II 1987, 820 = SIS 87 20 35; vom 07.08.2014 - VI R 57/12 = SIS 14 34 43, und vom 07.05.2015 - VI R 44/13, BFHE 249, 523, BStBl II 2015, 890 = SIS 15 18 43). Die mehrjährige Zweckbestimmung kann sich entweder aus dem Anlass der Zuwendung oder aus den übrigen Umständen ergeben. Soweit andere Hinweise auf den Verwendungszweck fehlen, kommt der Berechnung des Entgelts maßgebliche Bedeutung zu (Senatsurteile vom 16.12.1996 - VI R 51/96, BFHE 182, 161, BStBl II 1997, 222 = SIS 97 08 40; in BFHE 249, 523, BStBl II 2015, 890 = SIS 15 18 43, und vom 31.08.2016 - VI R 53/14, BFHE 255, 120, BStBl II 2017, 322 = SIS 16 26 06).

 

 

13

b) Darüber hinaus muss die Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit aus wirtschaftlich vernünftigen Gründen in zusammengeballter Form erfolgen (Senatsurteile in BFHE 249, 523, BStBl II 2015, 890 = SIS 15 18 43, und in BFHE 255, 120, BStBl II 2017, 322 = SIS 16 26 06).

 

 

14

c) Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit kann insbesondere auch eine Lohnnachzahlung für vorangegangene Veranlagungszeiträume sein (Senatsurteile vom 10.06.1983 - VI R 106/79, BFHE 138, 454, BStBl II 1983, 575 = SIS 83 16 38; vom 28.09.1984 - VI R 48/82, BFHE 141, 532, BStBl II 1985, 117 = SIS 84 21 34; vom 10.06.1983 - VI R 176/80, BFHE 138, 456, BStBl II 1983, 642 = SIS 83 17 38; vom 22.07.1993 - VI R 104/92, BFHE 171, 555, BStBl II 1993, 795 = SIS 93 19 40, und vom 14.10.2004 - VI R 46/99, BFHE 206, 573, BStBl II 2005, 289 = SIS 04 41 14). Dabei steht der Umstand, dass sich die zugeflossene Vergütung aus mehreren Beträgen zusammensetzt, die jeweils einem bestimmten Einzeljahr zugerechnet werden können, der Annahme einer Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit nicht entgegen (Senatsurteile vom 11.06.1970 - VI R 338/67, BFHE 99, 306, BStBl II 1970, 639 = SIS 70 03 54, und in BFHE 206, 573, BStBl II 2005, 289 = SIS 04 41 14). Voraussetzung ist nur, dass der Zufluss insgesamt mehrere Jahre betrifft (Senatsurteile vom 17.07.1970 - VI R 66/67, BFHE 99, 381, BStBl II 1970, 683 = SIS 70 03 77, und in BFHE 206, 573, BStBl II 2005, 289 = SIS 04 41 14).

 

 

15

2. Die genannten Grundsätze gelten auch für den Fall der nachträglichen Auszahlung von Überstundenvergütungen, soweit die Vergütungen für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten veranlagungszeitraumübergreifend geleistet werden (so auch Mellinghoff in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl., § 34 Rz 33; Schiffers in Korn, § 34 EStG Rz 59). Umfasst der Zeitraum, für den Überstunden veranlagungszeitraumübergreifend vergütet werden, mehr als zwölf Monate, ist danach die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 2. Halbsatz EStG zu gewähren.

 

 

16

3. Im Streitjahr hat die GmbH dem Kläger Überstundenvergütungen für die Jahre 2013 bis 2015 ausbezahlt. Mithin handelt es sich nach den angeführten Rechtsgrundsätzen um ein zweckbestimmtes Entgelt für eine mehrjährige Tätigkeit. Für die veranlagungszeitraumübergreifende Vergütung der Überstunden war daher die Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG zu gewähren.

 

 

17

4. Schließlich liegen im Streitfall auch wirtschaftlich vernünftige Gründe für eine Zusammenballung vor. Denn die Abgeltung der Überstunden erfolgte aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

 

 

18

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

 

Anmerkung RiBFH Dr. Geserich

Die Besprechungsentscheidung macht deutlich, dass es sich, anders als bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit, wenn die ermäßigte Besteuerung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 19 EStG in Rede steht, bei der mehrjährigen Tätigkeit nicht um eine abgrenzbare Sondertätigkeit handeln muss. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass die Tätigkeit selbst von der regelmäßigen Erwerbstätigkeit abgrenzbar ist oder die in mehreren Veranlagungszeiträumen erdiente Vergütung auf einem besonderen Rechtsgrund beruht, der diese von den laufenden Einkünften unterscheidbar macht (s.a. BFH, Urteil v. 7.5.2015 – VI R 44/13 = SIS 15 18 43). Dementsprechend ist beim Arbeitnehmer jede Vergütung für eine Tätigkeit, die sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst, atypisch zusammengeballt und damit "außerordentlich" i.S. des § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG.

 

Allerdings reicht es nicht aus, dass der Arbeitslohn in einem anderen Veranlagungszeitraum als dem zufließt, zu dem er wirtschaftlich gehört und dort mit weiteren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zusammentrifft. Die Entlohnung muss vielmehr für sich betrachtet zweckbestimmtes Entgelt für eine mehrjährige Tätigkeit sein, die Vergütung folglich für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten und veranlagungszeitraumübergreifend geleistet werden. Diese mehrjährige Zweckbestimmung kann sich entweder aus dem Anlass der Zuwendung oder aus den übrigen Umständen ergeben.

 

Soweit andere Hinweise auf den Verwendungszweck fehlen, kommt der Berechnung des Entgelts und den Zahlungsmodalitäten maßgebliche Bedeutung zu. Dies hat der Senat jüngst nochmals mit BFH, Urteil v. 16.12.2021 – VI R 10/18 = SIS 22 01 96 bekräftigt. Zudem hat er in dieser (nichtamtlich veröffentlichten) Entscheidung klargestellt, dass die für eine ermäßigte Besteuerung erforderlichen wirtschaftlich vernünftigen Gründe für die zusammengeballte Entlohnung sowohl in der Person des Arbeitnehmers als auch des Arbeitgebers liegen können und deshalb nur eine willkürliche, wirtschaftlich nicht gerechtfertigte Zusammenballung allein aus steuerlichen Gründen die Anwendung der Tarifbegünstigung auf mehrjährigen Arbeitslohn ausschließt.