Nach Erledigung des Rechtsstreits in der
Hauptsache werden der Beklagten die Kosten des gesamten Verfahrens
auferlegt.
Das Urteil des Niedersächsischen
Finanzgerichts vom 06.11.2018 - 12 K 132/18 ist gegenstandslos.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist Mutter der Kinder D und
R. Sie bezog für diese bis Januar 2014 Kindergeld.
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Mit Schreiben vom 17.11.2017 beantragten
die Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei der
Beklagten und Revisionsbeklagten (Familienkasse) Einsicht in die
Kindergeldakte. Die Familienkasse teilte ihnen dazu am 07.02.2018
mit, dass dem Antrag auf Akteneinsicht nicht entsprochen werden
könne. Am 16.03.2018 beantragten die
Prozessbevollmächtigten der Klägerin, ihnen die Akte in
ausgedruckter Form zu übersenden. Die Familienkasse lehnte
diesen Antrag mit Bescheid vom 09.04.2018 ab. Den Einspruch der
Klägerin vom 09.05.2018 wies die Familienkasse am 28.05.2018
als unbegründet zurück. Die dagegen erhobene Klage wies
das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 06.11.2018 als
unbegründet ab.
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Aufgrund des Antrags vom 17.04.2020 erhielt
der Klägervertreter am 27.04.2020 im Revisionsverfahren
Einsicht in die Kindergeldakte. Am 02.10.2020 erklärte die
anwaltlich vertretene Klägerin und am 23.09.2020 die
Familienkasse den Rechtsstreit in der Hauptsache für
erledigt.
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II. Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache
erledigt, so entscheidet das Gericht gemäß §§
143 Abs. 1, 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unter
Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach
billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens. Dies
führt nach summarischer Prüfung zur Kostentragungspflicht
der Beklagten, da die Klägerin in dem Rechtsstreit ohne den
Eintritt des erledigenden Ereignisses obsiegt hätte. Die
Klägerin hatte einen Anspruch auf Akteneinsicht in die
Kindergeldakte.
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1. Seit der Übernahme des
Kindergeldrechts in das Einkommensteuerrecht zum 01.01.1996 richtet
sich das Verwaltungsverfahren allein nach der Abgabenordnung - AO -
(Senatsurteil vom 19.11.2008 - III R 108/06, BFH/NV 2009, 357 = SIS 09 05 79, unter II.2.). Dies gilt, obwohl dem Kindergeld eine
Doppelfunktion zukommt. Es dient gemäß § 31 Satz 1
des Einkommensteuergesetzes (EStG) der verfassungsrechtlich
gebotenen steuerlichen Freistellung des Existenzminimums des Kindes
einschließlich des Bedarfs für Betreuung und Erziehung
und Ausbildung und, soweit das Kindergeld hierfür nicht
erforderlich ist, nach § 31 Satz 2 EStG der sozialrechtlichen
Förderung der Familie (vgl. hierzu Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 08.06.2004 - 2 BvL 5/00, BVerfGE 110,
412 = SIS 04 36 31, BGBl I 2004, 2570, unter C.II.1. am Ende;
Senatsurteil vom 25.07.2019 - III R 34/18, BFHE 265, 487 = SIS 19 18 53, Rz 30).
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a) Die AO enthält - anders als andere
Verfahrensordnungen wie z.B. § 29 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes und § 147 der
Strafprozessordnung - keine Regelung, nach der ein Anspruch auf
Akteneinsicht besteht. Ein solches Einsichtsrecht ist weder aus
§ 91 Abs. 1 AO noch aus § 364 AO abzuleiten. Allerdings
steht dem während eines Verwaltungsverfahrens um Akteneinsicht
nachsuchenden Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter ein Anspruch
auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung der
Behörde zu (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23.02.2010 - VII R 19/09, BFHE 228,
139, BStBl II 2010, 729 = SIS 10 09 20, Rz 11). Der Anspruch des
Einsichtssuchenden auf fehlerfreie Ermessensentscheidung ist
gewahrt, wenn die Behörde im Rahmen einer
Interessenabwägung dessen Belange und die der Behörde
gegeneinander abgewogen hat (BFH-Beschluss vom 04.06.2003 - VII B
138/01, BFHE 202, 231, BStBl II 2003, 790 = SIS 03 38 25, unter
II.2.a).
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Der Gesetzgeber hat ein allgemeines
Akteneinsichtsrecht im Steuerverwaltungsverfahren für nicht
praktikabel gehalten, weil diesem Gesichtspunkte des Schutzes
Dritter und das Ermittlungsinteresse der Finanzbehörden sowie
der Verwaltungsaufwand der Finanzbehörde entgegenstünden,
die vor jeder Akteneinsicht zu prüfen hätte, ob ein
Geheimhaltungsinteresse Dritter beeinträchtigt sein
könnte und dann das gesamte Kontrollmaterial,
behördeninterne Vermerke und Anweisungen und Ähnliches
aus den Akten zu entfernen hätte (BTDrucks 7/4292, S. 24 f.).
Daraus hat der BFH im Beschluss in BFHE 202, 231, BStBl II 2003,
790 = SIS 03 38 25, unter II.2.b abgeleitet, dass die Einsichtnahme
in die Akten während des laufenden Verwaltungs- oder
Steuerermittlungsverfahrens lediglich eine in Anwendung des §
91 AO oder des § 364 AO aus Gründen der Gewährung
des rechtlichen Gehörs zu gewährende Ausnahme sein soll.
Im Beschluss vom 26.05.1995 - VI B 91/94 (BFH/NV 1995, 1004) nahm
der BFH an, dass das Finanzamt nach seinem Ermessen Akteneinsicht
gewähren kann, obwohl in der AO ein allgemeines
Akteneinsichtsrecht nicht geregelt ist, und dies jedenfalls dann
regelmäßig geschehen sollte, wenn Verhältnisse
Dritter nicht berührt werden.
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b) Einsichtsgesuche in Kindergeldakten sind
nicht nach anderen Grundsätzen zu behandeln als
Akteneinsichtsgesuche, die in gewöhnlichen steuerlichen
Verwaltungsverfahren gestellt werden.
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Der Gesetzgeber hat bei der Neuregelung des
Familienleistungsausgleichs durch Kinderfreibeträge und
Kindergeld in den §§ 67 ff. EStG einige Sonderregeln
verfahrensrechtlicher Art für das Kindergeld geschaffen. Ein
Akteneinsichtsrecht ist darin nicht normiert, obwohl die
allgemeinen sozialrechtlichen Vorschriften (§ 25 des Zehnten
Buches Sozialgesetzbuch), denen das Verwaltungsverfahren in
Kindergeldsachen bis zur Neuregelung unterlag, ein solches im
Sozialverwaltungsverfahren grundsätzlich vorsehen.
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Somit sind die Interessen des
Einsichtssuchenden und die der Familienkasse gegeneinander
abzuwägen. Diese Belange können anders gelagert sein als
in gewöhnlichen steuerlichen Verwaltungsverfahren, so dass die
Abwägung häufiger zur Gewährung von Akteneinsicht
führen mag. Insbesondere dürften sich in Kindergeldakten
seltener als in gewöhnlichen Steuerakten Kontrollmitteilungen
oder Prüfhinweise sowie Daten von und Informationen über
Dritte befinden, die durch das Steuergeheimnis geschützt
werden. Gerade der Schutz Dritter und der zu diesem Zweck im Falle
der Gewährung von Akteneinsicht zu betreibende
Verwaltungsaufwand waren aber nach der Gesetzesbegründung
maßgebliche Gründe für die fehlende Regelung eines
Akteneinsichtsrechts im steuerlichen Verwaltungsverfahren. Auch
sind die inzwischen in elektronischer Form geführten
Kindergeldakten leichter zu duplizieren als Papierakten, sie stehen
damit trotz Akteneinsicht ohne zeitliche Einschränkungen
für die Fallbearbeitung zur Verfügung und unterliegen
keinem durch die Gewährung von Akteneinsicht erhöhten
Integritäts- oder sogar Verlustrisiko.
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2. Die Familienkasse hat das ihr
eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt. Sie hat
zwar - wie die Einspruchsentscheidung vom 28.05.2018 zeigt -
erkannt, dass kein in der AO geregelter Akteneinsichtsanspruch der
Klägerin besteht, es ihr jedoch nicht verwehrt ist, im
Einzelfall nach ihrem Ermessen Akteneinsicht zu gewähren. Die
Familienkasse ist bei der Entscheidung aber davon ausgegangen, dass
die Klägerin keinerlei berechtigtes Interesse an der
Akteneinsicht habe. Sie ist daher in eine Interessensabwägung
überhaupt nicht eingetreten. Da nach den Umständen des
Einzelfalls die Belange der Klägerin, namentlich die
Sprachbarriere, das Fehlen von Unterlagen zum Kindergeldverfahren
und das Erfordernis, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, die
Interessen der Familienkasse jedoch deutlich überwogen, war
von einer Ermessensreduzierung auf null auszugehen, und es bestand
ein Anspruch der Klägerin auf Einsicht in die
Kindergeldakte.
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Die Familienkasse hat gänzlich
unberücksichtigt gelassen, dass die Klägerin geltend
gemacht hatte, der deutschen Sprache nur begrenzt mächtig und
mit dem Verwaltungsverfahren hinsichtlich des Kindergeldes
überfordert gewesen zu sein. Auch der Vortrag, die
Klägerin verfüge nicht mehr über Unterlagen oder
Informationen zum Stand der Kindergeldangelegenheit, fand keinen
Eingang in die Entscheidung.
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Soweit sich die Familienkasse darauf berufen
hat, dass über die Kindergeldansprüche bis zur
Höchstaltersgrenze der Kinder bestandskräftig entschieden
sei, kann dies zwar für die - gleichfalls in die Abwägung
einzustellende Frage, ob die Auskunft noch der Wahrnehmung von
Rechten in einem bestehenden Steuerrechtsverhältnis dienen
kann - von Bedeutung sein. Indessen fehlt der
Einspruchsentscheidung eine Begründung, welche die Tatsachen
enthält, die es erlauben würden, diese Erwägung
nachzuvollziehen und nachzuprüfen. So sind weder die
Bescheiddaten noch die jeweils beschiedenen Zeiträume
angegeben. Außerdem ist zu beachten, dass auch
bestandskräftige Bescheide geändert werden können,
wenn die Voraussetzungen einer Korrekturvorschrift vorliegen. Hier
hatte die Klägerin jahrelang Kindergeld für ihre
Söhne bezogen und war darum bemüht, die Umstände der
Beendigung der Zahlungen aufzuklären, so dass der nötige
Bezug zu einem Steuerrechtsverhältnis nach wie vor
bestand.
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Soweit die Familienkasse darauf abstellt, dass
die Entscheidungen allein auf der Grundlage der von der
Klägerin übersandten Unterlagen getroffen worden seien,
hat sie nicht erwogen, dass - anders als regelmäßig in
gewöhnlichen Steuerverwaltungsverfahren - somit Rechte Dritter
bzw. das Steuergeheimnis einer Akteneinsicht nicht
entgegenstanden.
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Auch der im Ausgangsbescheid zur
Begründung herangezogene Umstand, dass die Unterlagen nur noch
in elektronischer Form vorliegen, sprach gerade nicht gegen eine
Akteneinsicht. Vielmehr folgt hieraus, dass ein etwaiges
Verlustrisiko für die Entscheidung über die
Gewährung der Akteneinsicht keine und der Aufwand für die
Übersendung z.B. an eine andere Familienkasse oder ein FG
entfielen und die Fertigung einer Duplikatsakte allenfalls eine
sehr untergeordnete Rolle spielen können. Da es sich um ein
bei der Familienkasse bereits abgeschlossenes Verfahren handelte,
drohte auch aus diesem Grund keinerlei Verzögerung bei der
Bearbeitung des Falles.
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3. Angesichts der vorgenannten Umstände
kann es im Streitfall hier auch dahinstehen, ob Art. 15 der
Datenschutzgrundverordnung über das Auskunftsrecht hinaus ein
Recht auf Einsicht in die Steuerakten begründet.
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