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Tarifermäßigung für außerordentliche Einkünfte, Zusammenballung der Einkünfte, Unfallbedingte Entschädigungsleistungen als Ersatz für entgangenes Gehalt, Auswirkungen von Vorschuss- und Abschlagszahlungen auf die Tarifermäßigung, Prozessvergleich als neue Rechtsgrundlage

Tarifermäßigung für außerordentliche Einkünfte, Zusammenballung der Einkünfte, Unfallbedingte Entschädigungsleistungen als Ersatz für entgangenes Gehalt, Auswirkungen von Vorschuss- und Abschlagszahlungen auf die Tarifermäßigung, Prozessvergleich als neue Rechtsgrundlage: 1. Die Zahlung eines zu verrechnenden Vorschusses auf die in demselben Veranlagungszeitraum vereinnahmte Entschädigung ist eine die Abwicklung betreffende Zahlungsmodalität und für die Zusammenballung der außerordentlichen Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG unschädlich. - 2. Bei einem zeitlichen Abstand zweier selbständiger Entschädigungszahlungen von sechs Jahren fehlt der für die Beurteilung der Einheitlichkeit einer Entschädigungsleistung erforderliche zeitliche Zusammenhang. - Urt.; BFH 11.10.2017, IX R 11/17; SIS 17 24 70

Kapitel:
Unternehmensbereich > Sonstiges > Verschiedene Einkünfte
Fundstellen
  1. BFH 11.10.2017, IX R 11/17 (ECLI:DE:BFH:2017:U.111017.IXR11.17.0)
    BStBl 2018 II S. 706
    BFHE 259 S. 529
    DStR 2018 S. 241
    BFH/NV 2018 S. 360
    NJW 2018 S. 975

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 31.10.2018
    E. Ratschow in BFH/PR 4/2018 S. 90
    J. Schiffers in DStZ 5/2018 S. 134
    M. Söffing in NJW 13/2018 S. 975
Normen
[EStG] § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 11 Abs. 1, § 19 Abs. 1, § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1, § 34 Abs. 2 Nr. 2
[FGO] § 96 Abs. 1 Satz 2, § 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 Satz 1
[ZPO] § 278 Abs. 6, § 794 Abs. 1 Nr. 1
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Münster, 28.11.2016, SIS 17 10 83, Entschädigung, Außerordentliche Einkünfte
Zitiert in... / geändert durch...
  • LfSt Bayern 5.10.2021, SIS 21 16 01, Einkommensteuerliche Behandlung von Finanzhilfen aufgrund der Corona-Pandemie: Die vom Freistaat Bayern d...
  • BFH 26.5.2020, SIS 20 15 25, Steuerbarkeit einer als "Verdienstausfall" bezeichneten Versicherungsleistung bei einem 12-jährigen Verke...
  • BFH 20.7.2018, SIS 18 15 95, Entschädigung wegen Erwerbsunfähigkeit bei Arbeitslosigkeit, Erwerbsschaden, Verdienstausfall, Wegfall de...
  • BFH 13.3.2018, SIS 18 06 90, Entschädigung für den Verlust von Versorgungsanwartschaften, Zwangslage bei Einigung mit Arbeitgeber: Wid...

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 28.11.2016 8 K 2945/14 E aufgehoben.

Der Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 14.10.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.9.2014 wird dahingehend geändert, dass die Entschädigung in Höhe von 62.094,88 EUR tarifermäßigt besteuert wird.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

 

1

I. Streitig ist die tarifermäßigte Besteuerung von unfallbedingten Zahlungen der X-Versicherung (Versicherung) nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Streitjahres 2012 (EStG).

 

 

2

Der im Jahr ... geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist schwerbehindert (Grad der Behinderung von 80) und bezieht im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er wurde im Jahr 1993 als Fahrradfahrer bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt. Seine Behinderung ist die Folge der erlittenen Verletzungen.

 

 

3

Im Jahr 2006 wurden durch die Versicherung des Schädigers Zahlungen in Höhe von 15.000 EUR und 10.000 EUR an den Kläger geleistet.

 

 

4

Der wegen Schadenersatz geführte Rechtsstreit des Klägers mit der Versicherung des Schädigers dauerte bis zum Jahr 2012. Das Oberlandesgericht ... vertrat in dem Rechtsstreit die Auffassung, der Kläger wäre ohne den Unfall als Gymnasiallehrer verbeamtet worden. Am 9.7.2012 schlossen der Kläger und die Versicherung einen Vergleich, wonach die Versicherung an den Kläger ab dem 1.9.2008 regelmäßige monatliche Zahlungen auf den Erwerbs- und Fortkommensschaden auf der Grundlage der Besoldungsgruppe A 13 zu leisten habe. Die Parteien waren sich einig, dass die Versicherung berechtigt sein sollte, im Wege der Verrechnung eine Überzahlung für den Zeitraum bis zum 31.8.2008 in Höhe von 5.500 EUR sowie eine am 1.2.2012 geleistete weitere Zahlung in Höhe von 10.000 EUR von den auszuzahlenden Beträgen in Abzug zu bringen.

 

 

5

Im Rahmen der Abwicklung des Vergleichs für die Vergangenheit und die Zukunft erging ein Schreiben der Versicherung an den Kläger, wonach ihm für den Zeitraum 1.9.2008 bis 30.9.2012 ein Geldbetrag in Höhe von 68.356,56 EUR zustehen sollte. Hiervon waren Überzahlungen und Fahrtkosten in Abzug zu bringen, so dass ein Gesamtbetrag in Höhe von 55.313,87 EUR überwiesen wurde. Weiterhin ermittelte die Versicherung den laufenden Verdienstausfall für Dezember 2012 in Höhe von 1.324,51 EUR.

 

 

6

Der Kläger erhielt von der Versicherung im Streitjahr 2012 folgende Entschädigungszahlungen:

 

 

1.2.2012

10.000,00 EUR

 

 

6.11.2012

55.313,87 EUR

 

 

2.12.2012

 1.324,51 EUR

 

 

Summe 2012

66.638,38 EUR

 

 

 

7

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) setzte im Einkommensteuerbescheid 2012 vom 14.10.2013 unter Anwendung des Grundtarifs die Einkommensteuer in Höhe von 19.521 EUR fest und berücksichtigte keine Tarifermäßigung für die Entschädigungszahlungen. Dem hiergegen eingelegten Einspruch gab das FA insoweit statt, als es Entschädigungszahlungen in Höhe von 55.674,29 EUR der Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 1 EStG unterwarf. Die ermäßigt zu besteuernden Entschädigungsleistungen ermittelte es wie folgt:

 

 

8

Zugeflossen seien

 

 

 

10.000,00 EUR

(1.2.2012 Vorschuss)

 

 

+ 5.500,00 EUR

(9.7.2012 Verrechnung Zahlung 2006, abgekürzter Zahlungsweg)

 

 

+ 55.313,87 EUR

(6.11.2012 Überweisung nach Vergleich)

 

 

 + 1.324,51 EUR

(2.12.2012 Überweisung für Dezember 2012)

 

 

Summe 72.138,38 EUR

 

 

 

 

 

9

Davon „laufende“ Entschädigungsleistungen (keine ermäßigte Besteuerung):

 

 

11.920,59 EUR

(Januar bis September 2012, geschätzt 9 x 1.324,51 EUR)

 

 

+ 1.324,51 EUR

(Oktober 2012)

 

 

+ 1.894,48 EUR

(November 2012)

 

 

+ 1.324,51 EUR

(Dezember 2012)

 

 

Summe 16.464,09 EUR

 

 

 

 

 

10

Zusammengeballte Entschädigungsleistungen (ermäßigte Besteuerung):

 

 

72.138,38 EUR

 

 

 

./. 16.464,09 EUR

 

 

 

Summe 55.674,29 EUR

 

 

 

 

11

Das FA setzte die Summe von 72.138,38 EUR als „sonstige Einkünfte“ an. In Bezug auf die Entschädigungsleistungen in Höhe von 16.464,09 EUR wies das FA den Einspruch in der Einspruchsentscheidung vom 4.9.2014 als unbegründet zurück.

 

 

12

Das Finanzgericht (FG) sah die hiergegen eingelegte Klage, mit der der Kläger die tarifermäßigte Besteuerung einer Entschädigung von 62.094,88 EUR beantragte, in seinem in EFG 2017, 917 = SIS 17 10 83 veröffentlichten Urteil insoweit als begründet an, als die „laufenden Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um 5.500 EUR“ zu kürzen und Einkünfte in Höhe von insgesamt 55.313,87 EUR als Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gemäß § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuern seien. Der auf der Grundlage des Vergleichs von der Versicherung gezahlte Betrag in Höhe von 55.313,87 EUR sei eine ermäßigt zu besteuernde Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Das FA habe die auf Grund des zivilgerichtlichen Vergleichs ausgezahlten Beträge zu Unrecht in „laufende“ Entschädigungsleistungen und zusammengeballte Entschädigungsleistungen unterteilt. Darüber hinaus sei der Betrag von 5.500 EUR unter Verstoß gegen das Zuflussprinzip des § 11 Abs. 1 EStG im Streitjahr angesetzt worden. Die „laufenden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit“ seien insoweit zu verringern. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Die am 1.2.2012 vor Abschluss des Vergleichs geleistete Zahlung der Versicherung in Höhe von 10.000 EUR sei nicht als ermäßigt zu besteuernde Entschädigungszahlung anzusehen, da es insoweit an der Zusammenballung fehle.

 

 

13

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG). Er führt im Wesentlichen aus, in dem Vergleich vom 9.7.2012 komme zum Ausdruck, dass der erste Zeitraum bis zum 31.8.2008 von dem zweiten Zeitraum ab dem 1.9.2008 bis zum Vergleichsabschluss habe getrennt sein sollen. Die Zahlungen im Jahr 2006 und 2012 seien damit in zwei klar abgrenzbaren Zeiträumen erfolgt, der jeder für sich selbständig zu beurteilen sei. Folglich sei dem Kläger für alle Zahlungen, die den Zeitraum ab 1.9.2008 bis zur Auszahlung am 6.11.2012 abgelten sollten, die Tarifermäßigung zu gewähren, da alle Zuflüsse zu einer Zusammenballung der Einkünfte im Streitjahr führten. Auf Grund des beim FG gestellten, auf eine Entschädigung in Höhe von 62.094,88 EUR begrenzten Klageantrags werde aber auch im Revisionsverfahren nur dieser Betrag als tarifbegünstigt angesehen.

 

 

14

Der Kläger beantragt,

 

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 14.10.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.9.2014 dahingehend zu ändern, dass die Entschädigung in Höhe von 62.094,88 EUR tarifermäßigt besteuert wird.

 

 

15

Das FA beantragt,

 

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

16

II. Die Revision ist begründet. Sie führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage. Das FG hat zu Unrecht die dem Kläger im Streitjahr 2012 zugeflossene Entschädigung in Höhe von 62.094,88 EUR nicht als tarifbegünstigt gemäß § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG angesehen.

 

 

17

1. Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist nach § 34 Abs. 1 EStG die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte u.a. Entschädigungen in Betracht, die gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden.

 

 

18

a) Bei Entschädigungen wegen Körperverletzung ist zu unterscheiden zwischen Beträgen, die den Verdienstausfall ersetzen und solchen, die als Ersatz für Arzt- und Heilungskosten und die Mehraufwendungen während der Krankheit, sowie als Ausgleich für immaterielle Einbußen in Form eines Schmerzensgeldes gewährt werden. Nur soweit entgangene oder entgehende Einnahmen auf Grund der verminderten Erwerbsfähigkeit ersetzt werden, ist eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gegeben.

 

 

19

b) Die im Wege der Auslegung nach Maßgabe der ratio legis zu konkretisierenden außerordentlichen Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und 2 EStG sind solche, deren Zufluss in einem Veranlagungszeitraum zu einer für den jeweiligen Steuerpflichtigen im Vergleich zu seiner regelmäßigen sonstigen Besteuerung einmaligen und außergewöhnlichen Progressionsbelastung führen. Diese abzumildern ist der Zweck der Billigkeitsregelung des § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG (vgl. ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8.4.2014 IX R 28/13, BFH/NV 2014, 1514 = SIS 14 24 35, m.w.N.). Diese - veranlagungszeitraumbezogen betrachtet - begünstigende Behandlung von zusammengeballt zugeflossenen Einnahmen, deren Zufluss sich beim jeweiligen Steuerpflichtigen nach dessen regelmäßiger Einkünftesituation normalerweise auf mehrere Jahre verteilt hätte, verwirklicht - veranlagungszeitraumübergreifend betrachtet - eine gleichmäßige progressive Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Dementsprechend sind solche Entschädigungen als außerordentliche Einkünfte zu behandeln, deren zusammengeballter Zufluss zu einer Ausnahmesituation in der Progressionsbelastung des jeweiligen Steuerpflichtigen führt. Zwar liegt sie typischerweise nicht vor, wenn eine einheitliche Entschädigungsleistung in mehreren Veranlagungszeiträumen zufließt; es ist indes insgesamt nicht von einer einheitlichen Entschädigungszahlung auszugehen, wenn zwei Entschädigungszahlungen in aufeinanderfolgenden Veranlagungszeiträumen nicht zum Ausgleich für dasselbe Schadensereignis, etwa den Verlust eines Arbeitsplatzes, gezahlt wurden (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1514 = SIS 14 24 35, Rz 17).

 

 

20

2. Da das FG-Urteil den vorgenannten Grundsätzen nicht entspricht, ist es aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Klage ist stattzugeben. Die dem Kläger im Streitjahr zusammengeballt zugeflossene Entschädigung von 65.313,87 EUR (55.313,87 EUR und 10.000 EUR), allerdings durch das Revisionsbegehren des Klägers verfahrensrechtlich gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO der Höhe nach begrenzt auf 62.094,88 EUR, ist tarifbegünstigt i.S. des § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG zu besteuern.

 

 

21

a) Die auf der neuen Rechtsgrundlage des gerichtlichen Vergleichs vom 9.7.2012 (vgl. § 278 Abs. 6, § 794 Abs. 1 Nr. 1 der Zivilprozessordnung) vereinnahmten Entschädigungszahlungen in Höhe von 65.313,87 EUR wurden für den Verdienstausfall des Klägers und damit als Ersatz für entgangene Einnahmen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG geleistet. Dies gilt auch für den bereits am 1.2.2012 zur Existenzsicherung des Klägers gezahlten Vorschuss in Höhe von 10.000 EUR, da der Vergleich ausdrücklich dessen Anrechnung entsprechend seiner Zweckbestimmung auf die für den Verdienstausfall auszuzahlende Entschädigungsleistung vorsieht und damit den Vorschuss bei der Berechnung des Auszahlungsbetrags berücksichtigt. Wenn der Kläger diesen Vorschuss nicht erhalten hätte, hätte die Versicherung auf der Grundlage des Vergleichs als Ausgleich für den Erwerbsschaden am 6.11.2012 eine Entschädigung in Höhe von 65.313,87 EUR ausgezahlt. Es ist zudem unerheblich, dass die Zuwendung von einem Dritten, hier der Versicherung des Unfallverursachers, geleistet wurde (z.B. BFH-Urteil vom 12.7.2016 IX R 33/15, BFHE 254, 568, BStBl II 2017, 158 = SIS 16 22 91, Rz 17, m.w.N.).

 

 

22

Der vom FA in der Einspruchsentscheidung vom 4.9.2014 vorgenommene Ansatz der Versicherungsleistungen als „sonstige Einkünfte“ ist unzutreffend. Die Leistungen werden durch § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zugewiesen, zu denen die entgangenen Einnahmen (Gehalt) im Falle ihrer Erzielung gehört hätten (siehe BFH-Urteil in BFHE 254, 568, BStBl II 2017, 158 = SIS 16 22 91, Rz 17).

 

 

23

b) Die Entschädigungszahlungen in Höhe von 65.313,87 EUR sind außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und 2 EStG. Denn sie flossen in dem in Rede stehenden Veranlagungszeitraum 2012 zusammengeballt zu. Anders als das FG und das FA meinen, stellt die Zahlung eines die außergewöhnliche Progressionsbelastung erhöhenden Vorschusses auf die in demselben Veranlagungszeitraum vereinnahmte Entschädigung lediglich eine die Abwicklung betreffende Zahlungsmodalität dar und ist daher für die Einbeziehung des Vorschusses in die außerordentlichen Einkünfte und die Zusammenballung unschädlich.

 

 

24

Im Streitfall liegt darüber hinaus hinsichtlich der Entschädigungszahlungen im Jahr 2006 einerseits und den Entschädigungszahlungen im Streitjahr andererseits keine einheitliche Gesamtentschädigung vor, deren ratenweise Auszahlung in verschiedenen Veranlagungszeiträumen einer tarifbegünstigten Besteuerung entgegenstünde. Die im Jahr 2006 geleisteten Zahlungen standen - wovon das FG und das FA zu Recht ausgehen - nicht mit der auf der Grundlage des Vergleichs vom 9.7.2012 geleisteten Entschädigung im Zusammenhang. Es handelt sich vielmehr um zwei selbständig zu beurteilende Entschädigungen, die dem Kläger jeweils in einem Veranlagungszeitraum, 2006 und 2012, zusammengeballt zugeflossen sind. Im Übrigen fehlt bei einem zeitlichen Abstand zweier selbständiger Entschädigungszahlungen von sechs Jahren - wie im Streitfall - auch der für die Beurteilung der Einheitlichkeit einer Entschädigungsleistung erforderliche zeitliche Zusammenhang.

 

 

25

c) Es ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig, dass die nach dem Vergleich vom 9.7.2012 zu verrechnende Überzahlung in Höhe von 5.500 EUR mangels Zuflusses i.S. des § 11 Abs. 1 EStG nicht im Streitjahr zu berücksichtigen ist. Die die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erhöhenden Leistungen der Versicherung betragen daher 66.638,38 EUR (72.138,38 EUR ./. 5.500 EUR).

 

 

26

d) Der BFH darf gemäß § 121 Satz 1, § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO nicht über das Revisionsbegehren hinausgehen. Aus dieser Beschränkung folgt, dass lediglich eine Entschädigung in Höhe von 62.094,88 EUR tarifbegünstigt i.S. des § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG zu besteuern ist. Die übrigen im Streitjahr vereinnahmten Versicherungsleistungen in Höhe von 4.543,50 EUR (66.638,38 EUR ./. 62.094,88 EUR) sind nicht ermäßigt zu besteuern.

 

 

27

e) Die Ermittlung und Berechnung des festzusetzenden Einkommensteuerbetrags nach Maßgabe der Gründe - insbesondere unter Berücksichtigung der Vorgaben unter II.2.a, c und d - dieser Entscheidung wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO).

 

 

28

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.