Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil
des Hessischen Finanzgerichts vom 30.4.2014 12 K 1044/11 insoweit
aufgehoben, als das Finanzgericht der Klage stattgegeben hat.
Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Unter Aufhebung der Kostenentscheidung des
Finanzgerichts werden die Kosten des gesamten Verfahrens dem
Kläger auferlegt.
Er hat die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im
finanzgerichtlichen Verfahren zu tragen.
Außergerichtliche Kosten, die dieser im Revisionsverfahren
entstanden sind, sind nicht erstattungsfähig.
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist der Vater des am 18.3.2005 geborenen E. Die
Kindsmutter - die Beigeladene - ist die frühere Ehefrau des
Klägers. Bis zum 23.4.2008 lebte die Familie in einer
gemeinsamen Wohnung. Das Kindergeld war gegenüber dem
Kläger festgesetzt worden, da dieser in dem von den Eltern
unterschriebenen Kindergeldantrag vom 4.4.2005 gemäß
§ 64 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als
Berechtigter bestimmt worden war. Der Kläger und die
Beigeladene trennten sich am 24.4.2008. Die Beigeladene nahm E nach
dem Auszug aus der bisherigen Wohnung in ihren Haushalt auf. In den
Monaten Oktober 2008 bis Ende Dezember 2008 lebten der Kläger,
die Beigeladene sowie E wegen eines Versöhnungsversuchs
vorübergehend wieder in einer gemeinsamen Wohnung. Danach kam
es zur endgültigen Trennung. Seither lebt die Beigeladene mit
E in einem gemeinsamen Haushalt.
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Im Januar 2009 stellte die Beigeladene
einen Antrag auf Kindergeld für E bei der für sie
zuständigen Familienkasse. Als die für den Kläger
zuständig gewordene Familienkasse ... (Familienkasse) hiervon
erfuhr, hob sie die Festsetzung des Kindergeldes gegenüber dem
Kläger durch Bescheid vom 11.11.2010 ab Mai 2008 auf und
forderte das von Mai 2008 bis Dezember 2008 gezahlte Kindergeld
zurück. Dagegen wandte sich der Kläger mit Einspruch, zu
dessen Begründung er u.a. vortrug, das Kindergeld sei auf das
Konto der Beigeladenen gezahlt worden. Der Rechtsbehelf hatte
keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 14.4.2011).
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Das Finanzgericht (FG), das die Beigeladene
am Verfahren beteiligte, gab der anschließend erhobenen Klage
des Klägers statt, soweit sie den Zeitraum Oktober 2008 bis
Dezember 2008 betraf; im Übrigen wies es die Klage ab. Es war
der Ansicht, E sei im Zeitraum Oktober 2008 bis Dezember 2008 in
den gemeinsamen Haushalt beider Eltern aufgenommen gewesen, so dass
dem Kläger aufgrund der ursprünglichen
Berechtigtenbestimmung der Anspruch auf Kindergeld zustehe. Die
Bestimmung sei so lange wirksam gewesen, bis sie widerrufen worden
sei.
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Gegen das Urteil wendet sich die
Familienkasse, soweit es den Zeitraum Oktober 2008 bis Dezember
2008 betrifft. Zur Begründung trägt sie vor, der
ursprünglichen Berechtigtenbestimmung sei die Grundlage
entzogen worden, als die Beigeladene im April 2008 zusammen mit E
die bisherige gemeinsame Wohnung verlassen habe. Dadurch, dass die
Eltern später erneut einen gemeinsamen Haushalt begründet
hätten, sei die erloschene Bestimmung nicht wieder
aufgelebt.
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Die Familienkasse beantragt, das
angefochtene Urteil hinsichtlich des Zeitraums Oktober 2008 bis
Dezember 2008 aufzuheben und die Klage auch insoweit
abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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Er ist der Ansicht, in den Monaten Oktober
2008 bis Dezember 2008 sei er nicht mehr zum Barunterhalt
verpflichtet gewesen. Nichts anderes könne für die
Berechtigtenbestimmung im Kindergeldrecht gelten.
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Die Beigeladene hat sich im
Revisionsverfahren nicht geäußert.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insoweit, als
dieses den Zeitraum Oktober 2008 bis Dezember 2008 betrifft; auch
insoweit wird die Klage abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG war zu Unrecht der
Ansicht, dem Kläger stehe das Kindergeld für diesen
Zeitraum aufgrund der ursprünglichen Berechtigtenbestimmung
vom 4.4.2005 zu (§ 64 Abs. 2 Satz 2 EStG).
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1. Gemäß § 64 Abs. 1 EStG wird
für jedes Kind nur einem Berechtigten das Kindergeld gezahlt.
Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld aufgrund des sog.
Obhutsprinzips demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt
aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Wohnen die Eltern
eines Kindes zusammen mit dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt,
so bestimmen sie nach § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG untereinander
den Berechtigten. Dies geschieht üblicherweise - so auch im
Streitfall - durch den Kindergeldantrag (§ 67 EStG). Kommt es
zu keiner einvernehmlichen Regelung, so bestimmt das
Familiengericht auf Antrag den Berechtigten (§ 64 Abs. 2 Satz
3 EStG).
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2. Trennen sich die Eltern eines Kindes und
leben sie fortan in verschiedenen Haushalten, so verliert eine
früher getroffene Berechtigtenbestimmung in der Regel ihre
Bedeutung, weil dann das Kindergeld zwingend an den Elternteil zu
zahlen ist, in dessen Haushalt das Kind nunmehr lebt (§ 64
Abs. 2 Satz 1 EStG). Eine vormals getroffene Berechtigtenbestimmung
wird daher - wovon auch das FG zutreffend ausgegangen ist - mit der
Auflösung des gemeinsamen Haushalts gegenstandslos
(Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16.9.2008 III B
124/07 = SIS 08 45 53; vom 12.5.2011 III B 31/10, BFH/NV 2011, 1350
= SIS 11 23 44, und vom 15.1.2014 V B 31/13, BFH/NV 2014, 522 = SIS 14 07 16; Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, § 64 EStG Rz 10;
Avvento in Kirchhof, EStG, 16. Aufl., § 64 Rz 4). Ein Widerruf
der Berechtigtenbestimmung ist damit nicht erforderlich. Nur
ausnahmsweise, wenn das Kind nach der Trennung der Eltern in etwa
annähernd gleichwertigem Umfang bei beiden Elternteilen lebt,
wirkt die vor der Trennung getroffene Berechtigtenbestimmung fort
(Senatsurteil vom 23.3.2005 III R 91/03, BFHE 209, 338, BStBl II
2008, 752 = SIS 05 24 59; BFH-Urteil vom 18.4.2013 V R 41/11, BFHE
241, 264, BStBl II 2014, 34 = SIS 13 20 55).
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3. Die Grundsätze des Senatsurteils in
BFHE 209, 338, BStBl II 2008, 752 = SIS 05 24 59 können
entgegen der Rechtsansicht des FG nicht auf den Streitfall
übertragen werden. Im Urteilsfall war das Kind weiterhin, wenn
auch nicht ausschließlich, in den Haushalt des Elternteils
aufgenommen, der zuvor als Kindergeldberechtigter bestimmt worden
war. Dagegen befand sich E im Streitfall nach der Trennung der
Eltern nicht mehr im Haushalt beider Elternteile, sondern nur noch
im Haushalt der Beigeladenen. Diese wurde dadurch vorrangig
kindergeldberechtigt. Die Trennung führte zu einer Zäsur,
welche die Rechtswirkungen der früheren gemeinsamen
Willensbildung der Eltern, wie sie im Kindergeldantrag vom 4.4.2005
zum Ausdruck kam, entfallen ließ. Aus diesem Grund war eine
neue Berechtigtenbestimmung erforderlich, als der Kläger und
die Beigeladene nach der Trennung vorübergehend wieder einen
gemeinsamen Haushalt bildeten (a.A. Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das
Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 64 Rz 71).
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4. Einer Rückforderung des Kindergeldes
stand auch nicht entgegen, dass dieses nach dem Vortrag des
Klägers auf ein Konto gezahlt wurde, über das die
Beigeladene verfügungsberechtigt war. Zutreffend hat das FG
darauf hingewiesen, dass auch in den Fällen, in denen das
Kindergeld auf eine Weisung des Kindergeldberechtigten hin an einen
Dritten gezahlt wird, der Berechtigte Zahlungsempfänger i.S.
des § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung bleibt (Senatsurteil vom
10.3.2016 III R 29/15, BFH/NV 2016, 1278 = SIS 16 16 61,
m.w.N.).
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5. Da die Revision der Familienkasse Erfolg
hat, kann auch die Kostenentscheidung des FG keinen Bestand haben.
Der Senat hat nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der
Kostenentscheidung gemäß § 143 Abs. 1 FGO über
die Kosten des gesamten Verfahrens zu entscheiden (vgl.
Senatsurteil vom 8.9.2016 III R 27/15, BFHE 255, 202, BStBl II
2017, 278 = SIS 16 26 00). Die Klage ist nach dem Ergebnis des
Revisionsverfahrens in vollem Umfang abzuweisen, so dass die Kosten
des gesamten Verfahrens insgesamt dem Kläger aufzuerlegen sind
(§ 135 Abs. 1 FGO).
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Die außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen, die ihr im finanzgerichtlichen Verfahren entstanden
sind, sind nach § 139 Abs. 4 FGO aus Billigkeitsgründen
dem Kläger aufzuerlegen. Die Beigeladene hat durch einen
Schriftsatz und durch ihre Teilnahme an der mündlichen
Verhandlung vor dem FG das Verfahren gefördert. Etwaige
Kosten, die ihr im Revisionsverfahren entstanden sind, können
dagegen nicht erstattet werden, da sich die Beigeladene in diesem
Verfahren nicht mehr geäußert hat.
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