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Hemmung der Festsetzungsverjährung bei strafbarem Bezug von Kindergeld

Hemmung der Festsetzungsverjährung bei strafbarem Bezug von Kindergeld: Unterlässt es ein Kindergeldberechtigter, der fortlaufend Kindergeld bezieht, der Familienkasse den Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen mitzuteilen und begeht er dadurch eine Steuerordnungswidrigkeit, so kann die Festsetzung des Kindergeldes nachträglich aufgehoben werden. Dabei ist der Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 7 AO bis zum Eintritt der Verfolgungsverjährung, die erst mit der letztmals zu Unrecht erlangten Kindergeldzahlung beginnt, gehemmt. - Urt.; BFH 26.6.2014, III R 21/13; SIS 14 32 41

Kapitel:
Verschiedenes > Verjährung, Verwirkung
Fundstellen
  1. BFH 26.06.2014, III R 21/13
    BStBl 2015 II S. 886
    DStR 2014 S. 2565
    BFH/NV 2015 S. 248
    BFHE 247 S. 102

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 27.10.2015
    R.G. in BFH/PR 3/2015 S. 87
    U.P. in HFR 2/2015 S. 100
Normen
[AO 1977] § 169, § 171 Abs. 7, § 370 Abs. 1, § 370 Abs. 4, § 378 Abs. 1
[EStG] § 31 Satz 3, § 62 Abs. 1, § 66 Abs. 2, § 68 Abs. 1, § 70 Abs. 2
[OWiG] § 31 Abs. 3
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG München, 16.10.2012, SIS 13 00 79, Kindergeld, Steuerhinterziehung, Leichtfertige Steuerverkürzung, Hemmung der Verjährung
Zitiert in... / geändert durch...
  • BZSt 26.5.2023, SIS 23 10 69, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • BZSt 30.6.2022, SIS 22 12 76, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • BZSt 17.9.2021, SIS 21 17 59, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • BFH 9.12.2020, SIS 21 06 64, Anrechnung von nicht im EU-Ausland beantragten Familienleistungen auf Kindergeld nach deutschem Recht: 1....
  • BFH 9.12.2020, SIS 21 06 65, Anrechnung von nicht im EU-Ausland beantragten Familienleistungen auf Kindergeld nach deutschem Recht: 1....
  • BZSt 27.8.2020, SIS 20 12 46, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • FG Berlin-Brandenburg 17.6.2020, SIS 20 11 98, Kindergeldanspruch für ein in Israel die Grundschule besuchendes und dort mit Mutter und Bruder lebendes ...
  • BZSt 9.7.2019, SIS 19 11 83, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • FG Bremen 14.12.2018, SIS 19 01 54, Kindergeldanspruch bei überwiegendem Aufenthalt der Kinder bei ihrer Großmutter in Griechenland, leichtfe...
  • BZSt 10.7.2018, SIS 18 11 88, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • BFH 13.9.2017, SIS 17 25 71, Festsetzungsverjährung bei leichtfertiger Steuerverkürzung nach fehlerhafter öffentlicher Zustellung: 1. ...
  • BZSt 13.7.2017, SIS 17 14 60, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • BFH 6.4.2017, SIS 17 14 50, Aufhebung der Kindergeldfestsetzung in Doppelzahlungsfällen: 1. Hat ein Kindergeldberechtigter Kindergeld...
  • FG München 2.9.2016, SIS 17 05 57, Wohnsitz, Kindergeld, leichtfertige Steuerverkürzung, Verjährung: 1. Aufgrund der Aufgabe seines inländis...
  • BZSt 22.8.2016, SIS 16 19 62, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • BFH 17.12.2015, SIS 16 04 91, Verfolgungsverjährung bei zu Unrecht erlangtem Kindergeld: 1. § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG ist verfassungsgemä...
  • Schleswig-Holsteinisches FG 17.6.2015, SIS 15 22 18, Verfahrensrechtliche Rückabwicklung einer Kindergelddoppelzahlung: Die Aufhebung einer Kindergeldfestsetz...
  • BFH 18.12.2014, SIS 15 13 31, Hemmung der Festsetzungsverjährung bei strafbarem Bezug von Kindergeld: Begeht ein Kindergeldberechtigter...

 

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) bezog aufgrund eines Festsetzungsbescheids vom 17.2.2000 Kindergeld für seine Tochter. Ab August 2001 lebte er mit ihr in Spanien, wobei er in der Bundesrepublik Deutschland zunächst noch seine inländische Wohnung beibehielt. Zum 1.6.2004 meldete er sich nach Spanien ab, ohne dies der Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse) mitzuteilen. In der Folgezeit begründete er im Inland weder einen neuen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt. Hiervon erfuhr die Familienkasse erst im Februar 2011. Sie stellte die Zahlungen ein und hob mit Bescheid vom 8.11.2011 die Kindergeldfestsetzung rückwirkend ab August 2001 nach § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf.

 

 

2

Die hiergegen unmittelbar erhobene Klage wurde als Einspruch an die Familienkasse zurückgegeben und von dieser mit Einspruchsentscheidung vom 13.3.2012 als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen erhob der Kläger erneut Klage. In der Folgezeit beschränkte die Familienkasse die Aufhebung mit Bescheid vom 19.7.2012 auf den Zeitraum Juni 2004 bis Februar 2011. Der Kläger nahm die Klage für den Zeitraum Januar 2006 bis Februar 2011 zurück, so dass nur noch die Aufhebung des Kindergeldes für den Zeitraum Juni 2004 bis Dezember 2005 strittig war.

 

 

3

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in EFG 2013, 135 = SIS 13 00 79 veröffentlichten Urteil vom 16.10.2012 9 K 1226/12 statt. Es war der Ansicht, der Kläger sei ab Juni 2004 nicht mehr kindergeldberechtigt gewesen, weil er zuvor seinen Wohnsitz nach Spanien verlegt habe und auch keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nachgewiesen habe. Es liege eine leichtfertige Steuerverkürzung vor. Allerdings sei für den strittigen Zeitraum Verfolgungsverjährung und damit auch Festsetzungsverjährung eingetreten. Jede monatliche Auszahlung stelle eine eigenständige, beendete Tat dar. Der Fall könne nicht anders beurteilt werden als wenn für jeden Monat ein neuer Antrag auf Kindergeld gestellt und daraufhin das Kindergeld jeweils festgesetzt würde.

 

 

4

Die Familienkasse rügt mit ihrer Revision, das Urteil beruhe auf einer fehlerhaften Auslegung von § 171 Abs. 7 der Abgabenordnung (AO).

 

 

5

Die Familienkasse beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

6

Der Kläger hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.

 

 

7

II. Die Familienkasse ... der Bundesagentur für Arbeit ist aufgrund eines Organisationsaktes (Beschluss des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit Nr. 21/2013 vom 18.4.2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, Seite 6 ff.) im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels in die Beteiligtenstellung der Agentur für Arbeit ... – Familienkasse eingetreten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22.8.2007 X R 2/04, BFHE 218, 533, BStBl II 2009, 109 = SIS 07 37 78, unter II.1.).

 

 

8

III. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung). Die Familienkasse hat den angefochtenen Aufhebungsbescheid vom 8.11.2011 zu Recht erlassen.

 

 

9

1. Aufgrund der leichtfertigen Steuerverkürzung des Klägers lief die reguläre Festsetzungsfrist von vier Jahren nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO nicht ab.

 

 

10

Nach den Feststellungen des FG bezog der Kläger das für den streitigen Zeitraum gezahlte Kindergeld zu Unrecht. Aufgrund der Aufgabe seines inländischen Wohnsitzes (§ 8 AO) und des Fehlens eines gewöhnlichen Aufenthalts im Inland (§ 9 AO) war er spätestens ab Juni 2004 nicht mehr anspruchsberechtigt (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Entgegen § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG unterließ es der Kläger, der Familienkasse seinen endgültigen Wegzug mitzuteilen. Damit ließ er die Familienkasse pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 378 Abs. 1 AO). Mit dem nach § 31 Satz 3 EStG als Steuervergütung gewährten Kindergeld erlangte der Kläger für sich einen nicht gerechtfertigten Steuervorteil (§ 370 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 378 Abs. 1 AO). Die unterbliebene Mitteilung war ursächlich für die Auszahlung des Kindergeldes bis Februar 2011. Der Kläger handelte nach den unstrittigen Feststellungen des FG auch leichtfertig, so dass der Tatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO erfüllt ist.

 

 

11

2. Der Ablauf der Festsetzungsfrist war gehemmt, da die Verfolgung der vom Kläger begangenen Steuerordnungswidrigkeit noch nicht verjährt war.

 

 

12

a) Nach § 171 Abs. 7 i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO endet die Festsetzungsfrist in Fällen der Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

 

 

13

b) Die ordnungswidrigkeitenrechtliche Verfolgung leichtfertiger Steuerverkürzungen verjährt in fünf Jahren (§ 384 AO). Sie beginnt, sobald die Handlung beendet ist; tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg erst später ein, so beginnt die Verjährung mit diesem Zeitpunkt (§ 31 Abs. 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten - OWiG - ).

 

 

14

c) „Handlung“ war im Streitfall das Unterlassen der Mitteilung an die Familienkasse über den Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen (vgl. § 8 OWiG), das für die Weitergewährung des Kindergeldes bis zur letztmaligen Zahlung im Februar 2011 kausal war. Der Erfolg der Handlung i.S. von § 31 Abs. 3 Satz 2 OWiG trat erst mit der letzten Auszahlung ein (s. Lindwurm, AO-Steuer-Berater 2012, 339).

 

 

15

d) Diese Sichtweise steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Gewährung fortlaufender Leistungen aufgrund einer (einzigen) betrügerischen Falscherklärung. Hiernach ist ein Betrug nach § 263 des Strafgesetzbuchs (StGB) erst mit der letzten Leistungsgewährung i.S. von § 78a Satz 2 StGB beendet (BGH-Urteil vom 25.1.1978 3 StR 412/77, BGHSt 27, 342, zum Rentenbetrug; BGH-Beschlüsse vom 2.5.2001 2 StR 149/01, Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht - wistra - 2001, 339, zum BAföG-Betrug, und vom 21.5.2008 5 StR 93/08, wistra 2008, 348, zur Gewährung einer Subvention in mehreren Teilzahlungen; s.a. Fischer, Strafgesetzbuch, 61. Aufl., § 78a Rz 9; Schmid in Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 12. Aufl., § 78a Rz 6; Sternberg-Lieben/Bosch in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 29. Aufl., § 78a Rz 4).

 

 

16

e) Entgegen der Rechtsauffassung des FG stellt nicht jede monatliche Auszahlung eine beendete Ordnungswidrigkeit dar, was zur Folge hätte, dass mit der Beendigung auch die Verfolgungsverjährung begänne. Das FG leitet seine Ansicht aus dem im Kindergeldrecht geltenden Monatsprinzip des § 66 Abs. 2 EStG her, wonach das Kindergeld monatlich vom Beginn des Monats an gezahlt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, bis zum Ende des Monats, in dem die Voraussetzungen wegfallen. Damit habe die Familienkasse grundsätzlich die Anspruchsvoraussetzungen für jeden Monat gesondert zu prüfen und über die Festsetzung zu entscheiden. Allerdings lässt das FG dabei außer Acht, dass nach § 31 Abs. 2 Satz 2 OWiG alle durch die Handlung bewirkten Erfolge zu berücksichtigen sind und sich der Erfolg der unterlassenen Mitteilung über die Aufgabe des inländischen Wohnsitzes nicht in der Auszahlung des Kindergeldes für den Monat erschöpft, für den es erstmals zu Unrecht ausgezahlt wurde. Vielmehr sind die Zahlungen für die Folgemonate weitere „Erfolge“.

 

 

17

Der - hier vorliegende - Fall der unterlassenen Mitteilung über den Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen kann auch nicht mit einem Fall gleichgesetzt werden, in dem für jeden Monat ein neuer Antrag gestellt wird, aufgrund dessen das Kindergeld jeweils neu festgesetzt wird. Denn mit einem neuen Antrag wird eine neue Erklärung über das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen abgegeben. Damit endet auch die Kausalität früherer Erklärungen für spätere Auszahlungen. Dagegen bleibt die einmal unterlassene Mitteilung über den Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen auch für nachfolgende Auszahlungen kausal.

 

 

18

3. Die Festsetzungsfrist war somit bei Erlass des Aufhebungsbescheids vom 8.11.2011 noch nicht abgelaufen.