1
|
I. Mit mehreren notariell beurkundeten
Erbteilskaufverträgen erwarb der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) zwischen Juni und Dezember 2006
insgesamt 337/384 der Anteile an einer ungeteilten
Erbengemeinschaft. Zum Nachlass gehörten mehrere
Grundstücke. Auf dieser Grundlage stellte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) zuletzt mit Bescheid vom
18.10.2007 die Besteuerungsgrundlagen für die
Grunderwerbsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
gesondert fest.
|
|
|
2
|
Eine weitere Miterbin (M) übte im
Sommer 2007 ihr gesetzliches Vorkaufsrecht gegenüber dem
Kläger aus und machte ihren Anspruch auf Abtretung der
Erbteile vor dem Landgericht geltend. Zur Beendigung des
Rechtsstreits schlossen der Kläger und M im November 2008
einen gerichtlichen Vergleich, mit dem der Kläger die wirksame
Ausübung des Vorkaufsrechts durch M sowie die hieraus
folgenden Ansprüche anerkannte und seine Anteile an der
Erbengemeinschaft gegen Erstattung des gezahlten Kaufpreises, der
anteiligen Guthaben aus dem Hausverwalterkonto sowie weiterer,
durch die Erbteilskaufverträge entstandener Kosten auf M
übertrug.
|
|
|
3
|
Den Antrag des Klägers, die Bescheide
über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen
für die Grunderwerbsteuer nach § 16 des
Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) aufzuheben, lehnte das FA am
12.3.2009 ab. Der Einspruch blieb erfolglos. Mit Schreiben vom
10.9.2009 erklärte der Kläger hilfsweise den
Rücktritt von den Erbteilskaufverträgen.
|
|
|
4
|
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
der Begründung ab, die Voraussetzungen für eine Anwendung
des § 16 GrEStG seien nicht erfüllt. Dass der Kläger
die Anteile an der Erbengemeinschaft aufgrund der Ausübung des
Vorkaufsrechts auf M übertragen habe, reiche für die
Anwendung dieser Vorschrift nicht aus. Das Urteil ist in EFG 2013,
142 = SIS 12 32 01 veröffentlicht.
|
|
|
5
|
Mit der Revision vertritt der Kläger
die Ansicht, die Feststellungsbescheide seien in entsprechender
Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Nr. 3 GrEStG
aufzuheben, da ihm wegen der Übertragung der Anteile auf M
keine Rechtsposition aus den Erbteilskaufverträgen verblieben
sei.
|
|
|
6
|
Der Kläger beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben und das FA unter Aufhebung der
ablehnenden Verfügung vom 12.3.2009 und der dazu ergangenen
Einspruchsentscheidung vom 14.7.2009 zu verpflichten, die Bescheide
über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen
für die Grunderwerbsteuer aufzuheben.
|
|
|
7
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
8
|
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Verpflichtung
des FA, die Bescheide über die gesonderte Feststellung der
Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer aufzuheben
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
). Entgegen der Auffassung des FG hat der Kläger einen
Anspruch auf Aufhebung der Feststellungsbescheide in entsprechender
Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG.
|
|
|
9
|
1. Der Erwerb der Anteile an der
Erbengemeinschaft durch den Kläger führte jeweils zu
einem kraft Gesetzes eintretenden Eigentumsübergang an den zu
dem Nachlass gehörenden Grundstücken i.S. des § 1
Abs. 1 Nr. 3 GrEStG (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
17.7.1975 II R 141/74, BFHE 117, 270, BStBl II 1976, 159 = SIS 76 00 85, und vom 27.3.1991 II R 82/87, BFHE 164, 473, BStBl II 1991,
731 = SIS 91 15 08, sowie BFH-Beschluss vom 4.2.2004 II B 147/02,
BFH/NV 2004, 813 = SIS 04 29 74).
|
|
|
10
|
Die Übertragung eines Erbteils bewirkt
eine Veränderung der eigentumsmäßigen Zuordnung der
zum Nachlass gehörenden Grundstücke, ist aber keine
Verfügung über die Grundstücke selbst (BFH-Urteil in
BFHE 117, 270, BStBl II 1976, 159 = SIS 76 00 85). Der
Anteilserwerb vollzieht sich mit Abtretung der Erbteile ohne
Auflassung und Eintragung im Grundbuch (vgl. Palandt/Weidlich,
Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Aufl., § 2033 Rz 13;
MünchKommBGB/Gergen, 6. Aufl., § 2033 Rz 12, m.w.N.;
Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 5. Aufl., § 1 Rz
180; Fischer in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl.,
§ 1 Rz 566). Die Eintragung der Eigentumsänderung in das
Grundbuch ist als bloße Grundbuchberichtigung (§ 894 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -, § 22 der
Grundbuchordnung) für den Eigentumsübergang ohne
Belang.
|
|
|
11
|
2. Die gesonderte Feststellung der
Besteuerungsgrundlagen für die Erbteilserwerbe des
Klägers ist jedoch in entsprechender Anwendung des § 16
Abs. 2 Nr. 3 GrEStG aufzuheben. Diese Erwerbsvorgänge sind
aufgrund der Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts durch M
und der Übertragung der Erbteile auf M durch den gerichtlichen
Vergleich vom November 2008 als rückgängig gemacht
anzusehen.
|
|
|
12
|
a) Erwirbt der Veräußerer das
Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück,
wird nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG auf Antrag sowohl für
den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen
Erwerbsvorgang die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn die
Vertragsbedingungen des Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf
Übereignung begründet hat, nicht erfüllt werden und
das Rechtsgeschäft deshalb aufgrund eines Rechtsanspruchs
rückgängig gemacht wird. Diese Vorschrift gilt auch
für Feststellungsbescheide nach § 17 GrEStG und ist
ferner über ihren Wortlaut hinaus auf Erwerbsvorgänge
i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG anwendbar, die auf der
Übertragung von Anteilen an einer Erbengemeinschaft beruhen,
wenn ein Miterbe sein gesetzliches Vorkaufsrecht ausübt und
der Erwerber in Erfüllung seiner Verpflichtung aus § 2035
Abs. 1 Satz 1 BGB die Erbteile auf den vorkaufsberechtigten
Miterben überträgt.
|
|
|
13
|
b) Wie der BFH bereits entschieden hat,
lässt sich aus der Vorschrift des § 16 Abs. 2 Nr. 3
GrEStG der allgemeine Rechtsgedanke ableiten, dass in den
Fällen, in denen sich der Erwerber oder der
Veräußerer der Rückgängigmachung des
Erwerbsvorgangs bzw. einer Rückübertragung des
Grundstücks aus Rechtsgründen nicht entziehen kann, also
ein durchsetzbarer Anspruch besteht, die Steuer nicht festgesetzt
bzw. die Steuerfestsetzung aufgehoben werden soll (BFH-Urteil vom
6.2.1980 II R 7/76, BFHE 130, 186, BStBl II 1980, 363 = SIS 80 02 00). Dieser Grundsatz gilt in entsprechender Weise auch für
einen Erbteilserwerb, der zur Erfüllung des Steuertatbestands
des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG geführt hat, da sich der
Erwerber nach Ausübung des Vorkaufsrechts der Herausgabe der
Anteile an den vorkaufsberechtigten Miterben rechtlich nicht
entziehen kann.
|
|
|
14
|
Übt ein vorkaufsberechtigter Miterbe nach
Übergang der Erbteile auf den Erbteilskäufer sein
gesetzliches Vorkaufsrecht aus (vgl. § 2035 Abs. 1 Satz 1
BGB), entsteht zwischen dem Erbteilserwerber und dem das
Vorkaufsrecht ausübenden Miterben ein gesetzliches
Schuldverhältnis (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH -
vom 21.10.1954 IV ZR 128/54, BGHZ 15, 102, sowie Urteil des
Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg - HansOLG Hamburg - vom
13.6.1961 2 U 57/61, MDR 1961, 851; Palandt/ Weidlich, a.a.O.,
§ 2034 Rz 9). Gegenüber dem Anteilsverkäufer
erlischt das Vorkaufsrecht mit der Übertragung des
Miterbenanteils (§ 2035 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der
vorkaufsberechtigte Miterbe erwirbt mit Ausübung des
Vorkaufsrechts unmittelbar gegen den Erbteilskäufer einen
schuldrechtlichen Anspruch auf Abtretung der Erbteile Zug um Zug
gegen Erstattung des gezahlten Kaufpreises und der durch den
Erbteilskaufvertrag entstandenen Kosten (HansOLG Hamburg in MDR
1961, 851; Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2034 Rz 9). Der
vorkaufsverpflichtete Anteilskäufer muss sich letztlich so
behandeln lassen, als ob ein Erbteilskaufvertrag zwischen dem
Anteilsverkäufer und dem vorkaufsberechtigten Miterben
zustande gekommen wäre, der auch ihm gegenüber wirkt
(BGH-Urteil in BGHZ 15, 102).
|
|
|
15
|
Überträgt der Erwerber in einem
solchen Fall die Miterbenanteile in Erfüllung seiner
Verpflichtung aus § 2035 Abs. 1 Satz 1 BGB und nicht aufgrund
einer ihm aus dem Erbteilskaufvertrag verbleibenden Rechtsposition
unmittelbar auf den das Vorkaufsrecht ausübenden Miterben, ist
es gerechtfertigt, diesen Erwerbsvorgang einer Aufhebung des
Erbteilskaufvertrags gleichzustellen und entsprechend § 16
Abs. 2 Nr. 3 GrEStG wie einen Rückerwerb wegen
Rückgängigmachung aufgrund Rechtsanspruchs zu behandeln
(vgl. zum möglichen Rückerwerb infolge der Ausübung
eines Vorkaufsrechts auch Loose in Boruttau, a.a.O., § 16 Rz
45). Dass die Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts durch
einen Miterben nicht zur Rückabwicklung des
Erbteilskaufvertrags mit dem ursprünglichen
Anteilsverkäufer führt, steht dem nicht entgegen.
Entscheidend ist vielmehr, dass der Erbteilserwerb bereits durch
das Vorkaufsrecht belastet ist und sich mit Ausübung des
Vorkaufsrechts die von vornherein bestehende Möglichkeit
realisiert, dass der Erwerber die Erbteile wieder herausgeben muss.
Es kommt daher weder darauf an, ob ein Erbteilskaufvertrag unter
der auflösenden Bedingung der Nichtausübung des
Vorkaufsrechts steht, noch darauf, ob dem Erwerber wegen der
Ausübung des Vorkaufsrechts gegenüber dem
Anteilsverkäufer ein gesetzliches oder vertragliches
Rücktrittsrecht zusteht.
|
|
|
16
|
c) Nach diesen Grundsätzen liegen im
Streitfall die Voraussetzungen für eine entsprechende
Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG vor, da M ihr
gesetzliches Vorkaufsrecht gegenüber dem Kläger
ausgeübt und ihr der Kläger in Erfüllung seiner
Herausgabeverpflichtung die erworbenen Erbteile Zug um Zug gegen
Erstattung des gezahlten Kaufpreises und der mit den
Erbteilskaufverträgen verbundenen Kosten abgetreten hat.
|
|
|
17
|
Dass der Kläger die erworbenen Erbteile
infolge des gerichtlichen Vergleichs vom November 2008 auf M
übertragen hat, ist für die Anwendung des § 16 Abs.
2 Nr. 3 GrEStG insoweit ohne Bedeutung. Denn hierdurch ist ein
Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und M nicht
begründet worden. Durch den Abschluss des gerichtlichen
Vergleichs sollte eine Einigung über rechtliche Zweifelsfragen
hinsichtlich der wirksamen Ausübung des Vorkaufsrechts durch M
und der sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen erzielt werden; es
sollten aber keine über § 2035 Abs. 1 Satz 1 BGB
hinausgehenden vertraglichen Ansprüche zwischen M und dem
Kläger begründet werden (vgl. zu den Rechtsfolgen eines
Prozessvergleichs auch BGH-Urteil vom 24.6.2003 IX ZR 228/02, BGHZ
155, 199).
|
|
|
18
|
3. Die auf anderen rechtlichen Erwägungen
beruhende Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist
spruchreif. Da die Erbteilserwerbe des Klägers durch die
Ausübung des Vorkaufsrechts durch M und die Übertragung
der Erbteile auf M durch den gerichtlichen Vergleich vom November
2008 als rückgängig gemacht anzusehen sind, ist die
gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die
Grunderwerbsteuer aufzuheben.
|