1
|
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) betreibt einen Handel und Verleih von
landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Maschinen. Im Jahr 2010 erwarb
sie ein Fahrzeug vom Typ Verti-Mix 1400 Double SF der Firma
Strautmann. Das Fahrzeug dient dazu, Gras- bzw. Maissilage,
Kraftfutter etc. mittels einer Fräse aufzunehmen, zu
zerkleinern, zu mischen, zu transportieren und bedarfsgerecht an
Tiere zu verteilen. Das Fahrzeug wird ausschließlich für
Lohnarbeiten in landwirtschaftlichen Betrieben eingesetzt.
|
|
|
2
|
Die Klägerin beantragte für das
Fahrzeug die Steuerbefreiung als land- und forstwirtschaftliches
Sonderfahrzeug nach § 3 Nr. 7 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes
(KraftStG). Das seinerzeit zuständige Finanzamt vertrat die
Auffassung, das Fahrzeug könne aufgrund seiner Eigenschaften
nicht nur in landwirtschaftlichen Betrieben, sondern auch in
landwirtschaftlichen Gewerbebetrieben (Unternehmen mit gewerblicher
Tierzucht) eingesetzt werden, und setzte die Kraftfahrzeugsteuer
mit Bescheid vom 20.4.2010 nach Maßgabe des zulässigen
Gesamtgewichts des Fahrzeugs fest.
|
|
|
3
|
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren
erhobene Klage hatte Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG)
ist § 3 Nr. 7 Satz 2 KraftStG dahingehend zu verstehen, dass
es nicht auf die steuerrechtliche Qualifikation des Betriebs, in
dem das Fahrzeug eingesetzt werde, sondern allein auf die
tatsächliche Eignung des Fahrzeugs anhand objektiver Kriterien
ankomme. Indem § 3 Nr. 7 Satz 2 KraftStG für
Sonderfahrzeuge auf deren Bauart und fest verbundenen Einrichtungen
abstelle, knüpfe die Vorschrift ausschließlich an
objektive (technische) Merkmale an. Die begünstigten
Verwendungszwecke ergäben sich allein aus dem Satz 1 der
Vorschrift, wonach es für alle Fahrzeugarten auf die konkrete
Verwendung in der Land- oder Forstwirtschaft ankomme. Allein die
technische Eignung des entsprechenden Fahrzeugs zum Einsatz in
einem gewerblichen Agrar- oder Forstbetrieb dürfe nicht zum
Ausschluss der Steuerbefreiung führen.
|
|
|
4
|
Dagegen richtet sich die Revision.
Während des Revisionsverfahrens ist die Zuständigkeit
für die Besteuerung nach dem KraftStG gemäß §
18a Abs. 1 des Finanzverwaltungsgesetzes am 1.7.2014 auf das
Hauptzollamt (nunmehr Beklagter und Revisionskläger - HZA - )
übergegangen.
|
|
|
5
|
Das HZA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
|
|
|
6
|
Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
7
|
II. Der während des Verfahrens durch
einen Organisationsakt eingetretene Zuständigkeitswechsel
führt ohne Verfahrensunterbrechung zu einem gesetzlichen
Beteiligtenwechsel (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
29.11.2007 IV R 73/02, BFHE 220, 70, BStBl II 2008, 407 = SIS 08 13 68, und vom 11.9.2008 VI R 63/04, BFH/NV 2008, 2018 = SIS 08 41 36,
sowie BFH-Beschluss vom 15.1.2014 V B 31/13, BFH/NV 2014, 522 = SIS 14 07 16).
|
|
|
8
|
III. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Entgegen der Ansicht des FG handelt es sich bei dem
Futtermischwagen der Klägerin nicht um ein steuerbefreites
Sonderfahrzeug i.S. des § 3 Nr. 7 Satz 2 KraftStG.
|
|
|
9
|
1. Nach § 3 Nr. 7 Satz 1 Buchst. a und b
KraftStG ist das Halten von Sonderfahrzeugen von der
Kraftfahrzeugsteuer befreit, solange diese Fahrzeuge
ausschließlich in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben
oder zur Durchführung von Lohnarbeiten für land- oder
forstwirtschaftliche Betriebe verwendet werden. Nach § 3 Nr. 7
Satz 2 KraftStG gelten als Sonderfahrzeuge solche Fahrzeuge, die
nach ihrer Bauart und ihren besonderen, mit ihnen fest verbundenen
Einrichtungen nur für einen der in § 3 Nr. 7 KraftStG
bezeichneten Verwendungszwecke geeignet und bestimmt sind.
|
|
|
10
|
2. Der Wortlaut des § 3 Nr. 7 KraftStG
und der im Gesetzgebungsverfahren deutlich gewordene Wille des
Gesetzgebers, land- und forstwirtschaftliche Betriebe zu
begünstigen, setzt dem Anwendungsbereich der Vorschrift enge
Grenzen (BFH-Urteile vom 2.12.2003 VII R 26/02, BFHE 204, 320,
BStBl II 2004, 525 = SIS 04 10 88; vom 22.6.2004 VII R 42/03, BFHE
206, 383, BStBl II 2004, 903 = SIS 04 35 05, und BFH-Beschluss vom
16.6.2008 II B 83/07, BFH/NV 2008, 1706 = SIS 08 36 11). Als
Sonderfahrzeuge gelten danach nur solche Fahrzeuge, die sich
objektiv nur für den begünstigten Zweck eignen, ohne dass
bei ihnen eine anderweitige
„sinnvoll-praktische“ Verwendung
tatsächlich in Betracht kommt, es sei denn, diese andere
Verwendung erscheint angesichts der Bauart und Einrichtung des
Fahrzeugs entgegen seiner vorgegebenen Bestimmung und eigentlichen
Eignung „völlig zweckfremd“ (BFH-Beschluss
in BFH/NV 2008, 1706 = SIS 08 36 11, m.w.N.).
|
|
|
11
|
Die enge Beziehung zu den Tätigkeiten,
die zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören
und dessen Wesen gerade ausmachen (Nutzung des Bodens für die
Erzeugung von Produkten durch Aufzucht von Pflanzen und Tieren,
vgl. BFH-Urteil in BFHE 206, 383, BStBl II 2004, 903 = SIS 04 35 05), rechtfertigt danach eine Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer
für Fahrzeuge, die ausschließlich geeignet und bestimmt
sind, „ihrer Art nach“ nur in der Land- oder
Forstwirtschaft anfallende Leistungen zu erbringen (vgl. BFH-Urteil
in BFHE 206, 383, BStBl II 2004, 903 = SIS 04 35 05 zu
Transportfahrzeugen in der Forstwirtschaft). Fahrzeuge, die auch in
Betrieben eingesetzt werden können, die keine
landwirtschaftlichen Betriebe sind, wie z.B. Betriebe der
gewerblichen Viehwirtschaft, sind demnach keine Sonderfahrzeuge
für die Landwirtschaft i.S. des § 3 Nr. 7 Satz 1 Buchst.
a KraftStG (BFH-Urteil in BFHE 204, 320, BStBl II 2004, 525 = SIS 04 10 88).
|
|
|
12
|
3. Der Steuervergünstigung steht zwar
nicht der Umstand entgegen, dass das streitige Fahrzeug nicht zum
Betriebsvermögen eines land- und forstwirtschaftlichen
Betriebs, sondern eines Lohnunternehmens und damit eines
Gewerbebetriebs gehört (vgl. § 3 Nr. 7 Satz 1 Buchst. b
KraftStG; BFH-Urteil vom 1.3.2001 VII R 79/99, BFHE 194, 473, BStBl
II 2001, 424 = SIS 01 09 17). Der selbstfahrende Futtermischwagen
ist aber deshalb kein „Sonderfahrzeug“ i.S. des
§ 3 Nr. 7 Satz 1 Buchst. a KraftStG, da es bei der hier
maßgebenden objektiv abstrakten Betrachtung nach seiner
Bauart und Einrichtung auch in einem Betrieb gewerblicher
Rinderhaltung und nicht nur in der land- und forstwirtschaftlichen
Urproduktion zum Einsatz kommen könnte und selbst bei
Zugehörigkeit des Fahrzeugs zu einem Betriebsvermögen
eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs die
Vergünstigung zu versagen wäre.
|
|
|
13
|
Die abstrakte Verwendungsmöglichkeit des
streitgegenständlichen Fahrzeugs im Rahmen der gewerblichen
Rinderhaltung ist nicht nur theoretisch denkbar, sondern wäre
auch konkret sinnvoll. Die Betriebsabläufe bei der Mast oder
Zucht gleichen bei einer gewerblichen Rinderhaltung denen in einem
landwirtschaftlichen Betrieb, in dem das für das Vieh
benötigte Futter selbst produziert wird. In beiden Fällen
gilt es, das eingelagerte Futter (Gras- oder Maissilage)
abzufräsen, aufzubereiten und an die Tiere portionsgerecht
auszugeben. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es Betriebe mit
gewerblicher Rinderhaltung in der Bundesrepublik Deutschland
tatsächlich gibt (a.A. FG München, Urteil vom 3.5.2006 4
K 1153/04, EFG 2006, 1367 = SIS 06 31 79). Maßgeblich ist
allein, ob Futtermischwagen in Betrieben mit gewerblicher
Rinderhaltung sinnvoll zum Einsatz kommen könnten. Bei der
kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Würdigung bleibt nur eine
völlig zweckfremde Nutzungsmöglichkeit
unberücksichtigt (BFH-Beschluss vom 19.11.1998 VII B 127/98,
BFH/NV 1999, 673 = SIS 98 56 18, und BFH-Urteil in BFHE 204, 320,
BStBl II 2004, 525 = SIS 04 10 88).
|
|
|
14
|
4. Da das FG von einer anderen Auslegung des
§ 3 Nr. 7 KraftStG ausgegangen ist, war die Vorentscheidung
aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Bei dem selbstfahrenden
Futtermischwagen der Klägerin handelt es sich nicht um ein
Sonderfahrzeug i.S. des § 3 Nr. 7 Satz 1 Buchst. a KraftStG,
da das Fahrzeug seiner Bauart und Einrichtung nach auch in einem
Betrieb mit gewerblicher Rinderhaltung und nicht nur in der land-
und forstwirtschaftlichen Urproduktion zum Einsatz kommen kann.
|