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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, hatte im Jahre
2004 der N-GmbH, an der sie zu 24,4 v.H. beteiligt war, ein
Darlehen in Höhe von 61.000 EUR gewährt. Sicherheiten
wurden nicht bestellt; der Zinssatz betrug - bei Tilgungsfreiheit
bis zum 31.12.2006 - p.a. fünf v.H. Für den Fall der
Einstellung der Zahlungen oder eines mindestens zweimonatigem
Verzugs war ein sofortiges Kündigungsrecht des Darlehensgebers
vereinbart worden. Auf die vereinbarte Verzinsung wurde in mehreren
Gesellschafterbeschlüssen - zuletzt bis zum 31.12.2007 -
verzichtet. In ihrer Bilanz zum 31.12.2008 schrieb die
Klägerin das bis dahin in unveränderter Höhe
ausgewiesene Darlehen nebst Zinsen ebenso wie die Beteiligung an
der N-GmbH jeweils auf einen Erinnerungswert in Höhe von 1 EUR
ab; aufgrund der wirtschaftlich schwierigen Situation der N-GmbH
sei mit einer Rückzahlung nicht mehr zu rechnen und sei die
Beteiligung nicht mehr werthaltig. Das seinerzeit zuständige
Finanzamt (FA S) ließ den Ansatz des niedrigeren Teilwertes
in beiden Fällen nicht zu, weil die Voraussetzungen zum Ansatz
des niedrigeren Teilwertes nicht dargelegt worden seien. Die
entsprechenden Änderungsbescheide wurden nicht
angefochten.
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Im Streitjahr 2009 stockte die
Klägerin ihre Beteiligung an der N-GmbH durch Zukauf weiterer
Anteile von 6.400 EUR zum Kaufpreis von 1 EUR auf nunmehr 50 v.H.
auf. Am 1.4.2010 wurde über das Vermögen der N-GmbH auf
Eigenantrag das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin
holte nunmehr die Abschreibung des Darlehens (um 61.000 EUR) und
der Beteiligung (um 6.941,23 EUR) auf die niedrigeren Teilwerte zum
31.12.2009 nach. Über die Abschreibungsberechtigung besteht
zwischen den Beteiligten mittlerweile nach Grund und Höhe
Einvernehmen. Das FA S rechnete die daraus resultierenden
Gewinnminderungen allerdings nach § 8b Abs. 3 des
Körperschaftsteuergesetzes 2002 i.d.F. des
Jahressteuergesetzes 2008 vom 20.12.2007 (BGBl I 2007, 3150, BStBl
I 2008, 218) - KStG 2002 n.F. - außerbilanziell hinzu und
erließ entsprechende Feststellungsbescheide.
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Die nachfolgende Klage richtete sich gegen
den zwischenzeitlich zuständig gewordenen (vgl. § 2 der
Verordnung über die Zuständigkeiten der Finanzämter
- Finanzamtszuständigkeitsverordnung - vom 31.8.2012, GV NRW
2012, 440, geändert durch Verordnung vom 17.6.2013, GV NRW
2013, 350) Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ).
Die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf
wies sie mit Urteil vom 19.10.2012 6 K 2439/11 F als
unbegründet ab; das Urteil ist in EFG 2013, 1068 = SIS 13 16 17 abgedruckt.
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Die Klägerin stützt ihre Revision
gegen das Urteil auf Verletzung materiellen wie formellen Rechts
und beantragt (sinngemäß), das FG-Urteil aufzuheben und
die angefochtenen Bescheide dahingehend abzuändern, dass die
Hinzurechnung einer Teilwertabschreibung auf einen
Geschäftsanteil in Höhe von 6.941,23 EUR sowie die
Hinzurechnung der Forderungsabschreibung eines Darlehens in
Höhe von 61.000 EUR rückgängig gemacht
werden.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet.
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1. Nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG 2009 sind
u.a. Gewinnminderungen, die im Zusammenhang mit einem Anteil an
einer Körperschaft entstehen, deren Leistungen beim
Empfänger zu Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9
und 10 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG 2009)
gehören, bei der Ermittlung des Einkommens nicht zu
berücksichtigen. Danach bestimmt sich auch der verbleibende
Verlustabzug zur Körperschaftsteuer (i.V.m mit § 10d EStG
2009 und § 8 Abs. 1 KStG 2002 n.F.) ebenso wie der
vortragsfähige Gewerbeverlust (i.V.m § 10a und § 7
Satz 1 und Satz 4 letzter Halbsatz des Gewerbesteuergesetzes
2002).
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2. Nach § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG 2002 n.F.
gehören zu den Gewinnminderungen i.S. des Satzes 3 auch
Gewinnminderungen im Zusammenhang mit einer Darlehensforderung oder
aus der Inanspruchnahme von Sicherheiten, die für ein Darlehen
hingegeben wurden, wenn das Darlehen oder die Sicherheit von einem
Gesellschafter gewährt wird, der zu mehr als einem Viertel
unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital der
Körperschaft, der das Darlehen gewährt wurde, beteiligt
ist oder war.
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a) Mit der letzteren Verwendung sowohl des
Präsens („ist“) als auch des Imperfekts
(„war“) zeigt das Gesetz in letztlich
unmissverständlicher Weise an, dass ihm eine Beteiligung im
Umfang der bezeichneten Wesentlichkeitsschwelle von mehr als einem
Viertel der Anteile am Grund- oder Stammkapital zu irgendeinem
Zeitpunkt genügt und dass es auf irgendwelche zeitlichen
Beschränkungen - beispielsweise bezogen auf den Zeitpunkt der
Darlehensbegebung oder dem Zeitpunkt des Wertverfalls - nicht
ankommt. Die Verwendung des Präsens im Hinblick auf die
Darlehensbegebung („wird“) ändert daran
ebenso wenig wie die Verwendung des Imperfekts einerseits im
Hinblick auf die betreffende Gewinnminderung für die
hingegebenen Sicherheiten („wurden“),
andererseits aber auch wiederum im Hinblick auf das Darlehen, das
der betreffenden Körperschaft gewährt
„wurde“. Weder zu dem einen noch zu dem anderen
steht die Festlegung der qualifizierten
Beteiligungsverhältnisse im letzten Halbsatz der Vorschrift in
einem greifbaren Zeitzusammenhang. Und so gesehen ist es
vonnöten, reicht es aber zugleich aus, wenn der
darlehensgewährende Gesellschafter, wie im Streitfall die
Klägerin, die Beteiligungserfordernisse erst während der
Darlehenslaufzeit erfüllt. Dass dieses Auslegungsergebnis, das
zwanglos aus dem Regelungstext abzuleiten ist, gemessen an dem
Regelungszweck - nämlich anderweitig unter Umständen
mögliche Gestaltungen zur Vermeidung des Abzugsverbots des
§ 8b Abs. 3 KStG 2002 n.F. zu unterbinden - eine
„überschießende“ Tendenz aufweisen
mag, widerspricht dem nicht. Sollte unter Hinweis auf die
Gesetzesmaterialien (in BTDrucks 16/6290, S. 73; vgl. auch Gosch,
KStG, 2. Aufl., § 8b Rz 277) ein derart einengender Wille des
Gesetzgebers bestanden haben, so hätte sich ein solcher
jedenfalls nicht mit hinreichender Deutlichkeit im Gesetzeswortlaut
niedergeschlagen. Auf den letzteren kommt es aber an, wenn er, wie
hier, zweifelsfrei ist und sich ein anderweitiges Verständnis
aus Gründen übergeordneten Rechts nicht zwingend
aufdrängt (ebenso z.B. Gosch, a.a.O., § 8b Rz 279c;
Schnitger in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 8b Rz 485,
m.w.N.; Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die
Körperschaftsteuer, § 8b Rz 227; s. auch Neumann in
Neumann/Watermeyer, Die Unternehmensbesteuerung - Ubg - 2008, 748,
751; anders z.B. M. Frotscher in G. Frotscher/Maas, KStG, GewStG,
UmwStG, § 8b KStG Rz 305 ff.; Gröbl/Adrian in
Erle/Sauter, KStG, 3. Aufl., § 8b Rz 185; Watermeyer in
Neumann/Watermeyer, ebenda; Winhard, FR 2010, 686, 687).
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b) Grundsätze des verfassungsrechtlichen
Vertrauensschutzes widersprechen dem nicht: Zwar wurde der
Abzugsausschluss in § 8b Abs. 3 und 4 KStG 2002 n.F. erst ab
dem Veranlagungszeitraum 2008 durch das Jahressteuergesetz 2008 neu
in das Gesetz eingefügt und waren entsprechende
Teilwertabschreibungen zuvor uneingeschränkt abzugsfähig.
Das hat der Senat - zur Abschreibung auf sog.
eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen - in seinem Urteil
vom 14.1.2009 I R 52/08 (BFHE 224, 132, BStBl II 2009, 674 = SIS 09 09 87) zur seinerzeitigen Regelungslage entschieden. Das Vertrauen
des Steuerpflichtigen in den unbeschränkten Fortbestand
steuerrechtlicher Abzugspositionen ist indessen nicht
schützenswert, solange diese nicht in die Vergangenheit
zurückwirken. Das aber ist vorliegend der Fall (M. Frotscher
in G. Frotscher/Maas, a.a.O., § 8b KStG Rz 282; Winhard, FR
2010, 686; anders Neumann/Watermeyer, Ubg 2008, 748, 756). Die
Neuregelung wirkt erstmals für Gewinnminderungen vom
Veranlagungszeitraum 2008 an und führt sonach zu einer sog.
unechten Rückwirkung, weil ihre belastenden Rechtsfolgen -
hier: die Versagung der Gewinnminderung aus der
Teilwertabschreibung - erst am 31.12.2009, dem
streitgegenständlichen Feststellungsstichtag, eintreten (vgl.
dazu auch - bezogen auf § 34 Abs. 4 Satz 3 und 4 i.V.m. §
8b Abs. 2 Satz 1 und 2 KStG 1999 - Senatsurteil vom 6.3.2013 I R
10/11, BFHE 241, 157, BStBl II 2013, 707 = SIS 13 18 23). Und dass
der Wert des begebenen Darlehens (ganz oder zum Teil) bereits in
den Vorjahren gemindert gewesen wäre (s. zu einer
vergleichbaren Konstellation Bundesverfassungsgericht, Beschluss
vom 7.7.2010 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BVerfGE
127, 61 = SIS 10 22 39, zur Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle
bei § 17 EStG), wurde vom FG nicht festgestellt und wird von
der Klägerin auch jetzt nur behauptet.
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3. Folge dieser Regelungslage ist die
Zurückweisung der Revision. Denn die von der Klägerin
geltend gemachten grundlegenden Bedenken gegen die
Verfassungsmäßigkeit von § 8b Abs. 3 KStG 2002 n.F.
sind nicht tragfähig.
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a) Das betrifft zunächst die
Nicht-Abzugsfähigkeit von Veräußerungs- und
Liquidationsverlusten nach Maßgabe von § 8b Abs. 3 Satz
3 KStG 2002 n.F. Darüber hat der Senat im Urteil vom
13.10.2010 I R 79/09 (BFHE 231, 529 = SIS 11 01 48) entschieden und
etwaige Verfassungseinwände unbeschadet gewisser
rechtssystematischer Bedenken im Ergebnis verworfen. Daran ist mit
den Gründen jener Entscheidung, auf welche, um Wiederholungen
zu vermeiden, verwiesen wird, uneingeschränkt festzuhalten.
Die Klägerin hat nichts Neues erwogen, das die seinerzeitigen
Überlegungen und das Ergebnis der Entscheidung in Frage
stellen könnte.
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b) Der Senat ist auch nicht davon
überzeugt, dass der Gesetzgeber mit § 8b Abs. 3 Satz 4
KStG 2002 n.F. eine verfassungswidrige Vorschrift geschaffen hat.
Zwar mag darüber nachgedacht werden, ob es dem
Verfassungsgebot der Folgerichtigkeit einer Gesetzesregelung
zuwiderläuft, wenn auch Darlehensverluste in das Abzugsverbot
miteinbezogen werden, obschon eine auch nur gedachte Korrespondenz
mit steuerfreien Einnahmen (nach § 8b Abs. 1 KStG 2002) hier
mangels einschlägiger Tatbestandsmäßigkeit von
vornherein ausgeschlossen ist (vgl. Gosch, a.a.O., § 8b Rz
279a; Schnitger in Schnitger/Fehrenbacher, a.a.O., § 8b Rz
453; Blümich/Rengers, § 8b KStG Rz 291; Lechner, Ubg
2013, 162; Letztgus, BB 2010, 92). Bemängelt wird
überdies eine Verletzung der allgemeinen Finanzierungsfreiheit
(Schnitger, ebenda). Auch lässt sich bedenken, dass der durch
§ 8b Abs. 3 Satz 6 KStG 2002 n.F. ermöglichte Gegenbeweis
der Fremdüblichkeit nichts an der prinzipiellen Asymmetrie und
damit dem Verstoß gegen die Folgerichtigkeit ändert, und
dass der Gegenbeweis im allgemeinen und in Krisensituationen im
Besonderen praktisch ohnehin kaum erbracht werden kann (Lechner,
Ubg 2013, 162). All das trifft zu, gereicht aber dennoch nicht zur
Annahme eines Verfassungsverstoßes. Denn bei Licht
betrachtet, korrespondiert der Abzugsausschluss nach § 8b Abs.
3 Satz 4 KStG 2002 n.F. nicht mit der Steuerfreiheit nach § 8b
Abs. 1 Satz 1 KStG 2002, sondern (nur) mit jener nach dessen Absatz
2. Er ergänzt in diesem Zusammenhang den generellen (und
systematisch korrekten) Abzugsausschluss nach § 8b Abs. 3 Satz
3 KStG 2002 n.F., und zwar erkennbar zu dem schon beschriebenen
Zweck, dessen mögliche (und ggf. auch missbräuchliche)
Umgehung vermittels eines Gesellschafterdarlehens in typisierender
Weise zu verhindern. Das aber muss dem Gesetzgeber im Rahmen seines
(weiten) gestalterischen Entscheidungsfreiraumes zugestanden
werden. Soweit es hierbei vor allem dadurch zu
überschießenden Wirkungen kommen kann, dass infolge
Darlehensverzichts des Gesellschafters bei der Gesellschaft ein
steuerwirksamer Ertrag entsteht (s. dazu Beschluss des Großen
Senats des Bundesfinanzhofs vom 9.6.1997 GrS 1/94, BFHE 183, 187,
BStBl II 1998, 307 = SIS 97 17 34, und dazu auch Letzgus, BB 2010,
92; Lechner, Ubg 2013, 162), wäre dem unter Umständen
mittels Billigkeitserweis im Einzelfall abzuhelfen (so denn auch
explizit die Regelungsbegründung, s. BTDrucks 16/6290, S.
74).
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4. Schließlich bleibt die Klägerin
auch mit ihrer auf § 119 Nr. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
gestützten Rüge eines Verstoßes gegen die
Grundordnung des Verfahrens erfolglos. Das angefochtene Urteil der
Vorinstanz ist hinreichend begründet. Dass es die Frage nach
der Verfassungsmäßigkeit von § 8b Abs. 3 Satz 4
KStG 2002 n.F. mit einem Hinweis auf das Urteil des FG München
vom 23.2.2010 6 K 1177/07 (DStRE 2011, 742 = SIS 10 28 61) belegt
und sich dessen Rechtsauffassung zu eigen gemacht hat, lässt
sich nicht beanstanden. Denn das FG hat überdies ausreichende
und eigenständige Überlegungen zum Normzweck und zur sog.
„Escape“-Klausel des § 8b Abs. 3 Satz 6
KStG 2002 n.F. angestellt, woraus erhellt, dass die bloße
Inbezugnahme des zitierten Urteils des FG München nicht
begründungsersetzend, vielmehr lediglich
begründungsergänzend wirkt.
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