1
|
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) betrieb im Jahr 2009 (Streitjahr) in B,
Bundesrepublik Deutschland (Deutschland), als Einzelkaufmann mit
dem Rechtsformzusatz „eingetragener Kaufmann“ bzw.
„e.K.“ i.S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 des
Handelsgesetzbuchs die Verwaltung eigener und fremder Immobilien
sowie Verpachtung von Gaststätten.
|
|
|
2
|
Im Mai 2008 erwarb der Kläger einen
PKW des Typs Bentley Continental GTC zum Preis von 168.067,22 EUR
zuzüglich 31.932,78 EUR Umsatzsteuer. Er ordnete den PKW in
vollem Umfang seinem Unternehmensvermögen zu und nahm den
Vorsteuerabzug vor, den das damals für die Besteuerung des
Klägers zuständige Finanzamt ... (FA P) nur in Höhe
von 87,66 % zum Abzug zuließ, weil der Kläger auch
steuerfreie Vermietungsumsätze ausführte.
|
|
|
3
|
Im November 2008 verlegte der Kläger
seinen privaten Wohnsitz nach X, Schweizerische Eidgenossenschaft
(Schweiz).
|
|
|
4
|
Im Februar 2009 entnahm der Kläger den
PKW aus seinem Unternehmen in seinen nichtunternehmerischen
(privaten) Bereich. Die Bemessungsgrundlage dieser Entnahme
schätzte er gemäß einem Ankaufangebot eines
Autohauses auf 105.000 EUR (ca. 100/119 des gebotenen Bruttopreises
von 124.850 EUR) und erteilte am 9.2.2009 unter der deutschen Firma
sich selbst (an die Privatanschrift in der Schweiz) eine Rechnung.
Umsatzsteuer wies er in der Rechnung nicht aus. Am 4.3.2009 wurde
der PKW auf einem LKW in die Schweiz ausgeführt. Die
Zollbehörden der Schweiz erhoben aufgrund der Einfuhr des PKW
in die Schweiz durch Veranlagungsverfügungen vom 24.3.2009
beim Kläger Schweizerische Mehrwertsteuer und
Automobilsteuer.
|
|
|
5
|
Der Kläger behandelte die Entnahme des
PKW zunächst als eine aufgrund von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr.
1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) im Inland umsatzsteuerpflichtige
unentgeltliche Wertabgabe (Entnahme).
|
|
|
6
|
Im April 2010 übermittelte der
Kläger dem FA P eine korrigierte Umsatzsteuer-Voranmeldung
für den Monat Dezember 2009, in der er die steuerpflichtigen
Umsätze um 105.000 EUR verringerte und die Entnahme als
steuerfreien Umsatz mit Vorsteuerabzug anmeldete. Er vertrat die
Auffassung, die Entnahme des PKW sei nach § 4 Nr. 1 Buchst. a
i.V.m. § 6 UStG als Ausfuhrlieferung steuerfrei.
|
|
|
7
|
Das FA P folgte dieser Einschätzung in
dem auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) gestützten
Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Dezember 2009 nicht,
weil nach § 6 Abs. 5 UStG für unentgeltliche Wertabgaben
die Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen ausgeschlossen
sei.
|
|
|
8
|
In seinem Einspruch berief sich der
Kläger darauf, dass der Umsatz nach Art. 146 Abs. 1 Buchst. a
der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) umsatzsteuerfrei sei.
Sowohl die besondere Ortsregelung für unentgeltliche
Wertabgaben in § 3f UStG als auch § 6 Abs. 5 UStG seien
richtlinienwidrig.
|
|
|
9
|
Im Laufe des Einspruchsverfahrens gab das
FA P unter Berufung auf § 21 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 1
Nr. 25 der Umsatzsteuerzuständigkeitsverordnung die
Bearbeitung des Steuerfalls an den Beklagten und Revisionsbeklagten
(Finanzamt - FA - ) ab. Im Anschluss daran reichte der Kläger
eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2009
beim FA ein, in der er die Entnahme des PKW abermals als steuerfrei
behandelte. Das FA stimmte der Steueranmeldung allerdings nicht zu,
sondern erließ am 4.11.2011 einen Umsatzsteuerbescheid
für 2009, in dem es die Entnahme des PKW (weiterhin) als
steuerpflichtig behandelte.
|
|
|
10
|
Der Einspruch hatte insoweit Erfolg, als
das FA in der Einspruchsentscheidung vom 4.11.2011 den
Vorsteuerabzug nach § 15a Abs. 1 und 8 UStG in Höhe von
3.124,60 EUR zugunsten des Klägers berichtigte, da sich durch
die steuerpflichtige unentgeltliche Wertabgabe die für den
ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden
Verhältnisse geändert hätten. Im Übrigen wies
es den Einspruch als unbegründet zurück.
|
|
|
11
|
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Es vertrat die Auffassung, die Entnahme des PKW sei einer
unbewegten Lieferung i.S. des § 3 Abs. 7 UStG gleichzustellen,
da die „Entnahme als solche“ stets ohne Fortbewegung
des Gegenstands erfolge. Eine bewegte Entnahme gebe es nicht, so
dass die Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen ausgeschlossen
sei und § 6 Abs. 5 UStG nur klarstellende Funktion
habe.
|
|
|
12
|
Mit seiner Revision rügt der
Kläger die Verletzung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG
und Art. 146 Abs. 1 Buchst. a der MwStSystRL. Er macht geltend,
dass bei der Ausfuhrlieferung die Beförderung oder Versendung
des Gegenstands auch nach der Verschaffung der Verfügungsmacht
erfolgen könne, was sich am Abholfall zeige. Die Auslegung des
FG verstoße gegen das Bestimmungslandprinzip. Die Entnahme
als fiktive Lieferung sei deshalb sowohl nach nationalem Recht als
auch nach Unionsrecht insoweit der Lieferung gleichzustellen.
§ 6 Abs. 5 UStG sei folglich richtlinienwidrig und müsse
unangewendet bleiben.
|
|
|
13
|
Der Kläger beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid für
2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.11.2011 dahin
gehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf ... EUR
festgesetzt wird.
|
|
|
14
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
15
|
II. Die Revision ist unbegründet; sie ist
deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
|
|
|
16
|
Das FG hat zutreffend entschieden, dass die
Entnahme des PKW sowohl nach den Vorschriften des nationalen Rechts
als auch nach den einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts
im Inland umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig ist.
|
|
|
17
|
1. Der streitige Umsatz ist nach nationalem
Recht schon deshalb umsatzsteuerpflichtig, weil § 6 Abs. 5
UStG die Anwendung des § 6 UStG auf Umsätze i.S. des
§ 3 Abs. 1b UStG ausschließt.
|
|
|
18
|
a) Die Entnahme des PKW ist umsatzsteuerbar,
worüber zwischen den Beteiligten zu Recht kein Streit
besteht:
|
|
|
19
|
aa) Der Umsatzsteuer unterliegen u.a. nach
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG die Lieferungen und sonstigen
Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen
seines Unternehmens ausführt. Einer Lieferung gegen Entgelt
wird u.a. durch § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG die Entnahme
eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen
für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen,
gleichgestellt. Eine solche Entnahme liegt auch dann vor, wenn der
Unternehmer einen Gegenstand für eigene nichtunternehmerische
Zwecke entnimmt und somit keinem Abnehmer - wie von § 3 Abs. 1
UStG vorausgesetzt - Verfügungsmacht verschafft wird (vgl.
Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12.12.2012 XI R 3/10, BFHE
239, 377, BFH/NV 2013, 661 = SIS 13 06 24, Rz 15, m.w.N.). Weiter
ist erforderlich, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum
vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (§ 3
Abs. 1b Satz 2 UStG).
|
|
|
20
|
bb) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall
vor. Die Überführung des PKW vom unternehmerischen in den
nichtunternehmerischen (privaten) Bereich des Klägers ist eine
Entnahme i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG (vgl.
BFH-Urteil vom 18.10.2001 V R 106/98, BFHE 196, 363, BStBl II 2002,
551 = SIS 02 02 57, unter II.1.). Der Erwerb des PKW im Jahr 2008
berechtigte den Kläger - wie zunächst vom FA P und im
Rahmen der Einspruchsentscheidung vom FA anerkannt - zum teilweisen
Vorsteuerabzug.
|
|
|
21
|
b) Der Ort dieser gemäß § 3
Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG fingierten Lieferung lag in B,
Deutschland. Auch darüber besteht zwischen den Beteiligten im
Ergebnis kein Streit. Dies ergibt sich allerdings nicht - wie der
Kläger annimmt - aus § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG, sondern aus
§ 3f UStG.
|
|
|
22
|
aa) Der Ort der Lieferung richtet sich (nur)
vorbehaltlich der §§ 3c, 3e, 3f und 3g UStG nach § 3
Abs. 6 bis 8 UStG (§ 3 Abs. 5a UStG).
|
|
|
23
|
Wird der Gegenstand der Lieferung durch den
Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer
beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die
Lieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG dort als
ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den
Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Versenden
liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen
selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen
lässt; die Versendung beginnt mit der Übergabe des
Gegenstands an den Beauftragten (§ 3 Abs. 6 Sätze 3 und 4
UStG). Wird der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder
versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der
Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht
befindet (§ 3 Abs. 7 Satz 1 UStG).
|
|
|
24
|
§ 3f Satz 1 UStG regelt allerdings, dass
u.a. Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1b UStG an dem Ort
ausgeführt werden, von dem aus der Unternehmer sein
Unternehmen betreibt.
|
|
|
25
|
bb) Ausgehend davon lag nach nationalem Recht
der Ort der Lieferung nach § 3f Satz 1 UStG in B im Inland,
weil der Kläger dort sein Unternehmen betrieb. Auf § 3
Abs. 6 oder 7 UStG kann insoweit schon deshalb nicht abgestellt
werden, weil deren Anwendung durch § 3 Abs. 5a UStG
ausgeschlossen wird.
|
|
|
26
|
c) Diese Lieferung ist nach deutschem Recht
nicht umsatzsteuerfrei; denn die Anwendung des § 4 Nr. 1
Buchst. a UStG auf Entnahmen i.S. des § 3 Abs. 1b UStG wird
durch § 6 Abs. 5 UStG ausdrücklich ausgeschlossen. Dies
entsprach nach Auffassung des Gesetzgebers der bisherigen
Besteuerungspraxis beim Entnahmeeigenverbrauch (BTDrucks 14/443,
38). Dies beruhte auf der Erwägung, dass eine sich an den
Eigenverbrauch durch Gegenstandsentnahme ggf. anschließende
Lieferung nicht - wie von § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG
vorausgesetzt - „im Rahmen des Unternehmens“
i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, sondern im
nichtunternehmerischen Bereich erfolgte (vgl. BFH-Beschluss vom
5.10.1993 V B 58/93, BFH/NV 1994, 590, unter II.2.b).
|
|
|
27
|
2. Entgegen der Auffassung des Klägers
folgt ein anderes Ergebnis auch nicht aus den einschlägigen
Bestimmungen des Unionsrechts (Art. 16, 31 f., 146 der
MwStSystRL).
|
|
|
28
|
a) Die Entnahme des PKW ist auch nach
Unionsrecht umsatzsteuerbar, worüber ebenfalls kein Streit
besteht:
|
|
|
29
|
aa) Der Mehrwertsteuer unterliegen u.a. nach
Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der MwStSystRL Lieferungen von
Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet
eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt. Einer Lieferung
gegen Entgelt gleichgestellt wird auch unionsrechtlich durch Art.
16 der MwStSystRL die Entnahme eines Gegenstands durch einen
Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten
Bedarf, wenn dieser Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen
oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.
|
|
|
30
|
bb) Auch diese Voraussetzungen liegen -
gemäß den Ausführungen unter II.1.a bb - vor.
|
|
|
31
|
b) Der Ort dieser fingierten Lieferung des PKW
lag auch nach Unionsrecht in B, Deutschland.
|
|
|
32
|
aa) Wird der Gegenstand der Lieferung vom
Lieferer, vom Abnehmer oder von einer dritten Person befördert
oder versendet, gilt nach Art. 32 Unterabs. 1 der MwStSystRL als
Ort der Lieferung der Ort, an dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt
des Beginns der Versendung oder Beförderung an den Erwerber
befindet. Wird der Gegenstand nicht versandt oder befördert,
gilt als Ort der Lieferung der Ort, an dem sich der Gegenstand zum
Zeitpunkt der Lieferung befindet (Art. 31 der MwStSystRL).
|
|
|
33
|
Eine dem § 3f Satz 1 UStG entsprechende
Ortsregelung - u.a. für Entnahmen i.S. des Art. 16 der
MwStSystRL - enthält das Unionsrecht nicht.
|
|
|
34
|
bb) Vorliegend bedarf keiner Entscheidung, ob
- wovon das FG München in seinem rechtskräftigen Urteil
vom 1.12.2010 3 K 1286/07 (EFG 2011, 1022 = SIS 11 07 55)
ausgegangen ist - eine Entnahme generell unionsrechtlich als
unbewegte Lieferung i.S. des Art. 31 der MwStSystRL anzusehen ist.
Jedenfalls liegt im Streitfall nach Art. 31 der MwStSystRL der Ort
der Lieferung in B im Inland, weil der Kläger dort am 9.2.2009
den Gegenstand (PKW) aus seinem Unternehmen entnommen und damit die
der Lieferung gleichgestellte - und von der späteren
Beförderung (Ausfuhr) in die Schweiz zu trennende - Entnahme
vorgenommen hat.
|
|
|
35
|
Ob und inwieweit § 3f UStG auch in
anderen Fällen mit dem Unionsrecht vereinbar ist, kann
vorliegend offen bleiben.
|
|
|
36
|
c) Auch nach Unionsrecht ist die Entnahme des
PKW nicht umsatzsteuerfrei.
|
|
|
37
|
aa) Art. 146 Abs. 1 der MwStSystRL lautet
auszugsweise:
|
|
„Die Mitgliedstaaten befreien
folgende Umsätze von der Steuer:
|
|
a) die Lieferungen von Gegenständen,
die durch den Verkäufer oder für dessen Rechnung nach
Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert
werden; ...“
|
|
|
38
|
Auch diese Steuerbefreiung wird nach Art. 131
der MwStSystRL unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften und
unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur
Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser
Befreiung und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung,
Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen. Dies zusammengenommen
stimmt die Befreiung mit der Vorgängerbestimmung des Art. 15
Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977
zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten
über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG)
überein.
|
|
|
39
|
bb) Nach der Rechtsprechung des V. Senats des
BFH (vgl. Beschluss in BFH/NV 1994, 590) ist auch nach Unionsrecht
die Entnahme eines Gegenstands keine steuerfreie Ausfuhrlieferung
i.S. des Art. 15 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG. Der V. Senat des
BFH hat zur Begründung ausgeführt, zwar würden
unentgeltliche Zuwendungen unter den im Unionsrecht genannten
weiteren Bedingungen einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt;
dies besage aber nicht, dass der Zuwendende auch
„Verkäufer“ i.S. des Art. 15 Nr. 1 der
Richtlinie 77/388/EWG sei.
|
|
|
40
|
cc) Nichts anderes gilt nach Auffassung des
erkennenden Senats im Hinblick auf Art. 146 Abs. 1 Buchst. a der
MwStSystRL: Da bei einer Entnahme (hier: i.S. des Art. 16 der
MwStSystRL) kein Verkauf stattfindet, existiert auch kein
Verkäufer, durch den oder auf dessen Rechnung der Gegenstand
versandt oder befördert worden sein könnte. Eine
Anwendung des Art. 146 Abs. 1 Buchst. a der MwStSystRL auf
Entnahmen für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen
scheidet deshalb aus.
|
|
|
41
|
Der erkennende Senat schließt sich
deshalb auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich
ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Union (EuGH) der Auffassung im BFH-Beschluss in BFH/NV 1994, 590 an
(Steuerfreiheit ebenfalls verneinend Birkenfeld,
Umsatzsteuer-Handbuch, § 91 Rz 42; Langer in
Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 6 Rz 141; wohl auch
Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 109 Rz 124; zustimmend
für Entnahmen i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG
Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, Vor
§§ 4 bis 9 Rz 125; Stadie, UStG, 2. Aufl., § 6 Rz
45; Husmann in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 4 Nr. 1 Rz
22; a.A. Tehler in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 6 Rz
780 f.; Lohse, UR 1999, 316, 317; Radeisen in
Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 6 Rz 72, 726 ff.;
Huschens, Die Information für Steuerberater und
Wirtschaftsprüfer 1999, 417, 422 f.).
|
|
|
42
|
(1) Nur diese Auslegung entspricht dem Zweck
des Art. 16 der MwStSystRL (Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie
77/388/EWG), die Gleichbehandlung des Steuerpflichtigen, der einen
Gegenstand seines Unternehmens für private Zwecke entnimmt,
und eines gewöhnlichen Verbrauchers zu gewährleisten, der
einen gleichartigen Gegenstand kauft (vgl. zu Art. 5 Abs. 6 der
Richtlinie 77/388/EWG EuGH-Urteile vom 6.5.1992 C-20/91 - De Jong
-, Slg. 1992, I-2847, HFR 1994, 290 = SIS 92 25 16, Rz 15; vom
27.4.1999 C-48/97 - Kuwait Petroleum -, Slg. 1999, I-2323, HFR
1999, 590 = SIS 99 17 22, Rz 21; vom 20.1.2005 C-412/03 - Hotel
Scandic Gåsabäck -, Slg. 2005, I-743, BFH/NV Beilage
2005, 90 = SIS 05 16 74, Rz 23; vom 30.9.2010 C-581/08 - EMI Group
-, Slg. 2010, I-8607, HFR 2010, 1361 = SIS 10 33 38, Rz 17). Ein
Steuerpflichtiger, der beim Kauf eines seinem Unternehmen
zugeordneten Gegenstands die Mehrwertsteuer abziehen konnte, soll
der Zahlung der Mehrwertsteuer nicht entgehen, wenn er diesen
Gegenstand dem Vermögen seines Unternehmens für seinen
privaten Bedarf oder den seines Personals entnimmt, und daher
gegenüber dem Endverbraucher, der den Gegenstand unter Zahlung
von Mehrwertsteuer erwirbt, ungerechtfertigte Vorteile
genießen (vgl. EuGH-Urteile - De Jong - in Slg. 1992, I-2847,
HFR 1994, 290, Rz 15; vom 8.3.2001 C-415/98 - Bakcsi -, Slg. 2001,
I-1831, BFH/NV Beilage 2001, 52 = SIS 01 06 82, Rz 42; vom
17.5.2001 C-323/99 - Fischer und Brandenstein -, Slg. 2001, I-4049,
BFH/NV Beilage 2001, 177 = SIS 01 08 79, Rz 56).
|
|
|
43
|
Dies gebietet, die Steuerbefreiung für
Ausfuhrlieferungen jedenfalls auf Entnahmen für den privaten
Bedarf des Steuerpflichtigen nicht anzuwenden; denn die von
Privatpersonen im Inland umsatzsteuerpflichtig erworbenen
Gegenstände bleiben bei ihrer Ausfuhr durch die Privatperson
mit Mehrwertsteuer im Verhältnis ihres Wertes im Zeitpunkt der
Ausfuhr belastet (vgl. allgemein EuGH-Urteil vom 25.2.1988 299/86 -
Drexl -, Slg. 1988, 1213, HFR 1989, 450, Rz 10; s.a. EuGH-Urteil
vom 5.5.1982 15/81 - Gaston Schul Douane Expediteur -, Slg. 1982,
1409, NJW 1983, 1252, Rz 15).
|
|
|
44
|
(2) Schon aus diesem Grund greift auch die
Berufung des Klägers auf das unionsrechtliche
Bestimmungslandprinzip insoweit nicht durch (vgl. auch FG
München, Urteil in EFG 2011, 1022 = SIS 11 07 55, unter
II.2.c).
|
|
|
45
|
(3) Soweit der Kläger außerdem
einwendet, die Besteuerung verstoße gegen das Gebot der
Rechtsformneutralität, trifft dies nicht zu. Es bestehen
nämlich bei der Besteuerung unentgeltlicher Wertabgaben keine
Unterschiede zwischen natürlichen Personen und juristischen
Personen (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 29.3.2012 C-436/10 - BLM -, HFR
2012, 556, UR 2012, 712 = SIS 12 11 60, Rz 24, 26 f.).
|
|
|
46
|
3. Der Senat hält die unionsrechtliche
Rechtslage für derart zweifelsfrei, dass es einer Vorlage an
den EuGH nicht bedarf.
|